Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

12. Christian

Christian hatte ein zweites, sehr gutes Examen gemacht und war nun so weit, daß er eine selbständige Stelle annehmen konnte. Er wollte aber gern noch seinen Doktor machen, meinte auf diese Weise mehr Ansehen in der Welt zu haben. Die Eltern gewährten es ihm gern. Vorerst aber sollte er sich nach angestrengter Arbeit etwas Erholung gönnen und einige Wochen zu Hause zubringen.

Es herrschte große Freude im Familienkreise, als der älteste Sohn des Hauses sich angemeldet hatte. Auch Eva freute sich in kindlicher Weise mit. Betrachtete sie sich doch vollständig als zur Familie gehörig. Die Dunkers hatten sie als Familienglied aufgenommen, und sie hatte gern Herrn und Frau Dunker als Onkel und Tante und deren Kinder als Geschwister angesehen. So stimmte sie mit ein in den Jubel über sein Kommen und sprach von dem zu erwartenden »Christian«, obgleich Gretchen mitunter sorgte, ob wohl Christian das Steife, Zurückhaltende, das er Fremden gegenüber haben konnte, gegen Eva ablegen würde.

Georg und Heinz gingen beizeiten, ihn von der Bahn zu holen, während Gretchen und Eva geschäftig den Tisch deckten und ein Couvert mehr auflegten als gewöhnlich.

Ein bißchen neugierig war Eva doch, als sich Tritte hören ließen und munteres Geplauder. Gretchen eilte zur Tür hinaus, da überfiel Eva plötzlich eine Befangenheit, die sie nie gekannt hatte. Sie stellte sich in die Fensternische, um nicht gleich gesehen zu werden.

Jetzt kamen sie alle herein, Vater, Mutter und die Kinder, den großen Sohn in der Mitte. Der Vater war eben aus dem Kontor gekommen und hatte die Söhne an der Haustür getroffen.

»Nun, alter Bursche, es ist gut, daß wir dich da haben, nun lege ab und laß dir's wohl sein im Elternhause.«

Christian, ein hübscher, schlank gewachsener Mensch mit einer kühnen Nase und hoher freier Stirn, mit klugen, lebhaften Augen, wischte sich den Schweiß von der Stirn und sagte: »Gott sei Dank, daß ich wieder einmal zu Hause bin, bei der Mutter ist's doch am schönsten.«

Frau Maria sah mit Stolz und Freude zu ihrem Ältesten hinauf. Sie las gern in seinen Augen und in seinem Ausdruck, daß er wohl bewahrt blieb vor allen üblen Einflüssen, welche die jungen Leute oft aus der Fremde mitbringen. War es ja ihr tägliches Gebet zu Gott, daß er ihre Söhne behüten und erhalten wolle in dem, was ihnen von Kind auf gelehrt und anerzogen war, daß sie nichts von alledem verlieren möchten in der großen weiten Welt.

Als sie sich eben an den wohlbesetzten Tisch setzen wollten, sagte der Vater plötzlich: »Wo ist denn unsere Eva heute, unsere muntere, lustige Eva?«

Da trat Eva, sie sich immer noch im Hintergrunde gehalten hatten, hervor, rosig angehaucht und mit Liebreiz übergossen, die Pflegetochter des Hauses. Christian war offenbar überrascht. An dieses Mädchen hatte er gar nicht mehr gedacht. Er richtete sich stramm auf und machte eine unglaublich steife Verbeugung, als Frau Maria sie bei der Hand nahm und sagte: »Christian, das ist nun auch unser liebes Kind, Eva Belzer, die ihr Vater uns auf ein Jahr anvertraut hat.«

»Ich freue mich, Ihre werte Bekanntschaft zu machen, gnädiges Fräulein«, erwiderte er etwas stotternd, sich an den Gesellschaftston der Residenz erinnernd.

Die Mutter machte ein etwas unzufriedenes Gesicht, während Georg lachend Heinz zuflüsterte: »O! – gnädiges Fräulein!«

Doch der Vater erhob schon die Hände zum Tischgebet und dann setzte man sich. Christian war sehr lebhaft; er erzählte viel von seinen Studiengenossen, von den geselligen Vergnügungen, entwickelte aber dabei einen kolossalen Appetit.

Eva war still und hörte zu, beobachtete aber von der Seite den jungen Herrn, der sie so ganz anders begrüßt hatte, als sie es von der Familie gewohnt war. Sie hatte das Gefühl, als ob sie von nun an nicht mehr so ganz dazu gehöre, es war, als wollte sie ein heimwehartiges Gefühl beschleichen. Das gutherzige Gretchen, das neben ihr saß, mochte so etwas merken, sie drückte ihr plötzlich unter dem Tisch die Hand und nickte ihr freundlich zu.

Als Heinz ihr die Schüssel mit den Eiern reichte und sagte: »Eva, du issest ja heute so wenig«, sah Christian erstaunt auf; wunderte er sich über den vertraulichen Ton, den sein Bruder anschlug, oder wunderte er sich, daß die Kleine den Appetit verloren haben sollte? Er sagte nichts, sondern aß tapfer weiter und erzählte zwischendurch von seinen Erlebnissen.

Nach Tisch schlug der Vater vor, sie wollten, da der Abend köstlich sei, ein wenig unter die Linde in den Garten gehen. Das wurde mit Freuden angenommen. Christian schlang den Arm um seine Schwester und sagte: »Komm, Gretel, unter der Linde haben wir lange nicht gesessen.« Vater nahm Mutter unter den Arm, die übrigen folgten. Eva half Rieke beim Abräumen des Tisches, es war ja ihre Woche. Als sie fertig war, ging sie nach oben in ihr Zimmer.

»Wo ist denn nun wieder die Eva?« zürnte der Vater.

»Sie hat die Woche des Abräumens«, entschuldigte Gretchen.

»Das ist längst vorüber, ich höre Rieke schon das Geschirr spülen in der Küche. Gretchen, sieh doch einmal nach, wo Eva bleibt.«

Gretchen kam bald wieder, aber allein. »Eva schreibt an ihren Vater, sie will den Brief gern morgen fort haben.«

»Das ist merkwürdig«, rief nun die Mutter. »Abends wird sonst nie geschrieben. Ich will dir sagen, mein lieber Christian, ich glaube, du bist schuld, daß Eva sich zurückzieht. Du bist ihr zu fremd und steif begegnet, das ist sie hier nicht gewohnt.«

»Ich kann sie doch nicht gleich als Schwester umarmen.«

»Das nicht, aber du brauchtest sie nicht ›gnädiges Fräulein‹ zu nennen. Das hat sie verletzt.«

»Nun, da werde ich mich bemühen, morgen einen etwas anderen Ton anzuschlagen. Aber ihr wißt, es ist mir nicht gegeben, mit fremden Mädchen gleich bekannt zu tun. Ich habe es gleich gedacht, daß es mit einer Fremden im Hause ungemütlich sein würde.«

»Das liegt nur an dir, mein lieber Junge, Eva ist ein sehr nettes, wohlerzogenes Mädchen, wir haben sie alle liebgewonnen, von Ungemütlichkeit haben wir noch nichts gespürt«, fügte der Vater hinzu, dann ging man auf ein anderes Gesprächsthema über, und der Abend verging schnell.

Christian kramte oben noch lange in seinem Zimmer herum, räumte seine Bücher ein, packte seinen Koffer aus und lehnte sich dann mit seiner Pfeife zum Gartenfenster hinaus und genoß den schönen Sommerabend.

Es war doch eine reizende Erscheinung gewesen, das mußte er sich selber zugestehen, die dort plötzlich aus dem Hinterhalt hervorgetreten war, viel hübscher als sein Gretchen, aber er blieb dabei, gemütlich war es nicht durch diesen Zuwachs in der Familie. Und nun wurde er noch ermahnt, freundlich und liebenswürdig zu sein. Wenn einem Liebenswürdigkeit aber nicht angeboren war! Man konnte sie sich doch nicht geben, wie man wollte. Aber höflich wollte er sein, ja gewiß, warum nicht? Die Seinigen hatten gesagt, die Kleine sei immer munter und lustig, davon hatte er noch nichts gemerkt. Aber jetzt, ja, – da hinten aus der Mädchenstube tönte eben fröhliches Lachen und Geplauder. Für Gretchen war es gewiß sehr angenehm, eine Altersgenossin um sich zu haben, Gretchen war so viel jünger.

Am folgenden Tage bemühte er sich, sehr aufmerksam und höflich gegen Eva zu sein, unterließ auch das »gnädiges Fräulein«, konnte aber absolut nicht den richtigen Umgangston mit dem jungen Mädchen finden, das von allen andern als Haustochter anerkannt wurde.

»Christian«, sagte die Mutter, als sie ihn einmal allein hatte, »ich habe gar nicht geglaubt, daß du so ungeschickt im Verkehr mit jungen Mädchen bist, du mußt wirklich einen Kursus Tanzstunden nehmen, um mehr Gewandtheit im Verkehr mit dem weiblichen Geschlecht zu bekommen.«

»Um alles in der Welt nicht, Mütterchen. Da ist mir das Studieren doch lieber, als das Herumsitzen im Saal. Laß mich nur, es wird sich schon alles finden.«

Aber es fand sich nicht. Gingen Gretchen und Eva zur englischen Stunde nach Langendorf, und Gretchen bat ihn, ihnen entgegen zu kommen, so schützte er dringende Arbeit vor, und Georg und Heinz mußten gehen.

So kam es, daß Eva eines Tages, als sie mit Gretchen und Gertrud nach Rotenau ging, erklärte, den ältesten Bruder habe sie sich ganz anders gedacht, er sei so zurückhaltend, so förmlich, man könnte sich beinahe fürchten vor ihm. Gretchen lachte hell auf. »Vor Christian sich fürchten! Nein, Eva, das ist nicht denkbar!«

Sie waren gerade jetzt im Dorf, und Gretchen ging, da sie viel Zeit hatten, allein ins Bauerngeschäft, um frische Eier zu kaufen, während Eva und Gertrud draußen warteten.

Da schlang Gertrud plötzlich ihren Arm um Eva und sagte: »Eva, ich weiß, warum Christian so komisch gegen dich ist. Er wollte es gar nicht, daß du kommen solltest, er sagte, es wäre ungemütlich mit einem fremden Mädchen, er würde am liebsten dann gar nicht mehr nach Hause kommen. Und als Mutter sagte, wir wollten Zettel schreiben, ob wir es wollten oder nicht, da hat er auf den seinen geschrieben: ›Sie soll nicht kommen.‹ Daher kommt das Ganze.«

Da wurde Eva ganz rot vor Erregung, äußerte nur, »So, das hat er gesagt«, schwieg aber gegen Gretchen und ließ sich nichts anmerken. Nur sehr still war sie auf dem Rückweg.

Als sie aber an der Villa vorübergingen, rief sie plötzlich: »Sieh doch, Gretchen, da geht die alte Dame im Garten.« Die jungen Mädchen blieben stehen, es war ihnen interessant, die Besitzerin der Villa einmal von Angesicht zu sehen.

Da plötzlich stolperte diese, und das Körbchen mit Obst, das sie in den Händen hielt, entglitt ihr, sie selbst fiel zu Boden. Da eilten die jungen Mädchen, ohne sich zu bedenken, schnell durch die Gartenpforte, die zum Glück unverschlossen war, während Gertrud mit den Einkäufen heimgeschickt wurde. Sie richteten die alte Dame auf, und indem Gretchen ihr den Arm reichte, um sie ins Haus zu führen, bückte Eva sich, um die Johannis- und Himbeeren, die in den Sand gerollt waren, aufzulesen und sie ihr nachzutragen. Sie sah, daß die alte Dame sehr gebückt ging, aber in gediegener, ja reicher Toilette. Ein silbergraues feines Gewand umschloß die Gestalt, ein seidengewirktes Tuch hatte sie um die Taille geschlungen, ein weißes Häubchen umrahmte das Gesicht. Gretchen führte sie langsam und vorsichtig. Als sie an die Terrasse vor der Villa kamen, sprang Eva hinzu und half der Unbekannten die Stufen hinauf, da es schien, als ob sie von dem Fall gelitten hätte. Die Glastüren zum Gartensalon waren weit geöffnet.

Als Gretchen fragte: »Nicht wahr, gnädige Frau, wir dürfen Sie doch zu Ihrem Sofa geleiten?« sah sie die jungen Mädchen so traumverloren an, nickte dann und sagte: »Ich bitte darum.« Sie brachten sie aufs Sofa, und Gretchen fragte weiter: »Haben Sie sich verletzt? Sollen wir den Arzt rufen?« Da schüttelte sie energisch den Kopf und sagte: »Nein, ich danke Ihnen, mir fehlt nichts. Meine Betty ist in die Stadt gegangen und kommt bald wieder, ich danke Ihnen für Ihre Hilfe«, sagte sie noch einmal, es war, als ob sie hinzufügen wollte: »Ich bedarf Ihrer nicht mehr, es wäre mir lieb, wenn Sie mich verließen.«

»Wenn Ihre Haushälterin bald kommt, so wollen wir gehen«, sagte Gretchen, die das Wort führte, während Eva dabeistand und die alte Dame, die ein so vergrämtes Gesicht hatte, voller Mitleid betrachtete. Sie setzte das Körbchen mit Obst auf den Tisch, dann verbeugten sich die Mädchen, es war, als wollte die Alte ihnen die Hand reichen, sie konnte sich jedoch nicht dazu entschließen, sah ihnen aber nach, solange sie konnte, bis die Gartentür ins Schloß fiel. Dann seufzte sie laut.

Gertrud aber berichtete der Mutter den Vorfall, da selbige sich schon über das lange Ausbleiben der Mädchen gesorgt hatte.

Abends wurde der Fall gründlich besprochen. Die jungen Mädchen waren ganz aufgeregt von dem Ereignis und konnten nicht genug erzählen von der alten Dame, dem prächtigen Garten und dem schön eingerichteten Salon, in den sie sie geführt.

»Aber glücklich ist sie doch nicht inmitten ihres herrlichen Besitzes«, sagte Eva, »das sieht man ihr an.«

»Mein Kind«, erwiderte die Mutter, »es gibt viele Menschen, die reich sind und nicht glücklich.«

»Ich glaube, sie ist zu einsam«, fügte Eva sinnend hinzu. »Ob sie gar keine Angehörigen hat, niemand, der sie liebhat, der sich um sie kümmert?«

»Man weiß es nicht. Wenn sie wollte, könnte sie sich ja an gute Menschen anschließen. Aber es scheint, als ob sie sich gegen alle abschließt, als ob ihr das Alleinsein Bedürfnis ist.«

»Tante, wenn sie sich doch an dich anschließen wollte! Du würdest sie liebhaben.«

»Gewiß, kleine Eva, aber ich kann mich ihr nicht aufdrängen. Vielleicht fügt es sich mit der Zeit, daß wir doch bekannt werden.«

Durch dies kleine Ereignis war Eva ganz abgelenkt von dem, was Gertrud ihr anvertraut und was ihre Gedanken auf dem Nachhauseweg eingenommen hatte.

Am Abend, als sie im Bett lag, dachte sie wieder daran. Also deshalb war Christian so steif, so förmlich gegen sie, weil er es nicht gewollt hatte, daß sie in sein Elternhaus käme. Er konnte gewiß keine jungen Mädchen leiden. Aber gegen die Schwestern war er doch so gut! Wenn sie doch auch seine Schwester wäre! Sie war so liebebedürftig, konnte es nicht leiden, wenn jemand steif und fremd gegen sie war. Da plötzlich kam ihr ein Gedanke. Ihre lieben Eltern hatten ihr einmal anvertraut, daß sie ein angenommenes Kind sei! Vielleicht hatte der Vater es Dunkers auch gesagt, das hatte der Sohn erfahren und verachtete sie nun. Wer weiß, woher sie stammte, ihre Mutter, die mit ihr in dem Städtchen angekommen und bei der alten Frau Rösel gestorben war, war vielleicht ganz armer Herkunft; die Eltern hatten gar nicht viel mit ihr darüber gesprochen. Sie wollte ihren herzlieben Vater einmal genau nach allem fragen. Diese Gedanken ließen sie lange nicht zur Ruhe kommen. Dazwischen schoben sich dann die Ereignisse des Tages. Sie dachte an die alte, einsame Frau in der Villa, die sie so traurig angesehen, daß ihr war, als müsse sie bald wieder zu ihr, sie umschlingen und sagen:

»Ich will dich recht liebhaben, sieh nur nicht mehr so traurig aus.«

Ja, wenn sie die alte Dame hätte sehen können, als sie von ihr gegangen waren, wie sie die Hände vors Gesicht legte und bitterlich weinte.

»So alt wie diese jungen Mädchen könnte sie nun auch sein! Siebzehn Jahre waren es im Juni, als man mir das Kind ins Haus brachte. Hätte ich es behalten und aufgezogen, dann hätte ich jetzt etwas zum Liebhaben. Wie hilfreich und gut waren diese beiden Mädchen! Die eine so treuherzig und bieder, die andere so lieblich und zart. Wie eigen sah sie mich an mit Augen – ja mit Augen, die ich nimmer vergesse, Augen, die es jedermann antun.«

Sie nahm ihr Tuch und trocknete ihre Tränen, aber sie flossen immer reichlicher. Lange hatte sie nicht weinen können, aber es tat ihr wohl, daß sie sich einmal ausweinen konnte; vor Betty mochte sie es gar nicht sehen lassen.

»Aber Frau Röder, da sitzen Sie nun und weinen in aller Ihrer Pracht. Sie haben es doch besser als manch einer. Ist Ihnen denn etwas passiert? Sie waren doch im Garten und wollten einige Himbeeren pflücken?«

Frau Röder erzählte ihrer Haushälterin, die sie so anredete, wie es ihr gegangen, und wie zwei junge Mädchen sich ihrer so freundlich angenommen und sie hereingeführt hätten.

»Nun, das ist doch nichts zum Weinen.«

»Nein, das nicht. Aber du weißt doch, Betty, was mich seit einigen Jahren beständig quält. Erst war mein Herz so verhärtet, daß ich mein Unrecht gar nicht fühlte. Aber dann hat Gott, der Herr, bei mir angeklopft, hat mir meine Härte und Lieblosigkeit vorgehalten, bis ich meine Sünde erkannte und das Herz weich wurde. Und nun wird das Herz jedesmal weich, wenn ich junge Mädchen sehe. Und die eine von den beiden, die eine, die hat es mir besonders angetan; sie erinnert mich an meine Tochter, als sie in den Jahren war. Ich weiß es ja, daß sie mich nichts angeht, daß sie eine Fremde ist. Aber die Erinnerungen kommen, die kommen so mächtig, daß ich mich ihrer nicht erwehren kann.«

»Wir wollen uns doch einmal erkundigen, wem das junge Mädchen gehört.«

»Nein, ja nicht, Betty. Daß ich dann wieder den Schmerz habe, daß sie mich nichts angeht, daß sie Eltern und Geschwister hat, die sie lieben.«

»Aber Frau Röder sollten doch etwas Umgang suchen. Es sollen hier in der Nähe so liebenswürdige Leute wohnen. Wenn Sie Ihr Leben so einsam vertrauern, das ist mir nicht recht.«

»Es ist mir schon recht, Betty, ich hab' es nicht anders verdient. Jetzt sieh einmal nach meinem Fuß, ich hab' ihn mir doch beim Fallen etwas verletzt, er schmerzt mich.«

Betty fand, daß der Fuß etwas angeschwollen war. Sie legte eine kalte Kompresse auf, verband ihn, brachte ihrer Herrin zu essen und sorgte, daß sie sich zeitig ins Bett legte.


 << zurück weiter >>