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XXXV

Da wir nun ohne Angabe eines einleuchtenden Grundes unseren Wirten den Entschluß abzureisen mitteilten, mußte es Gaspard so scheinen, als sei derselbe die Folge irgend einer Laune Galeidens, und sie wolle ihm damit zeigen, daß sie ihn nicht liebe oder sonst nichts mit ihm zu schaffen haben wolle. Ihre glanzvolle und bedeutende Persönlichkeit, ihr Ruf als Künstlerin und seine Liebe mochten sie ihm wohl auf gewaltiger Höhe und Unzugänglichkeit erscheinen lassen, so daß es nahelag, ihr einigen Hochmut einem jungen schweizerischen Landwirt gegenüber zuzutrauen. Den hatte er sich freilich zu überwinden vorgenommen, was für seinen Hang zum Seltenen und Ungewöhnlichen und für seine unbändige Willenskraft Zeugnis ablegte und Galeiden vielleicht am allermeisten an ihm gefallen hatte. Nun aber konnte er sich bei aller seiner Anmaßlichkeit doch nicht verhehlen, daß er eine arge Niederlage erlitten habe, und das prägte sich am letzten Abend in seinem Wesen auf eine meinetwegen reizvolle, aber ganz unmännliche und unwürdige Weise aus. Er saß nämlich blaß und finster auf seinem Platze, aß nicht, sondern schlang nur einige Bissen herunter, sprach nicht, außer wenn man ihn anredete (was Galeide doch nicht unterlassen konnte), kurz, schmollte wie ein kokettes Frauenzimmer, das seinen unglücklichen Liebhaber nach einer eigens ausgearbeiteten Methode langsam zu Tode quält. Es mochte deshalb verzeihlich erscheinen, weil er selbst so sichtbar litt, daß seine Lippen vor inwendigem Weinen zuckten, wenn er mit Galeiden sprach, und seine Augen glichen zwei schönen, traurigen Sternen, die allein im unermeßlichen Weltraum sind und sich sehnen. Ich bemerkte wohl, wie sich Galeide an seinem Anblick quälte und entzückte, und drängte deshalb zur Trennung, froh, daß wir Gaspard am folgenden Morgen nicht mehr sehen sollten; denn er hatte in seiner Gereiztheit angekündigt, daß er zur Zeit unserer Abreise beschäftigt sein würde. Man sprach nun von einem etwaigen Wiedersehen, woran ich zwar keineswegs ernstlich dachte, von einem Gegenbesuche der Leroy bei uns, und wir machten bei dieser Gelegenheit eine genaue Beschreibung von der Lage unserer Wohnung. Hier wandte sich Gaspard plötzlich zu Galeiden und sagte mit besonderer Betonung: »Es ist nicht nötig, das zu sagen; ich werde Sie schon finden, wo Sie auch sind.« Ich suchte den Eindruck, den diese Worte machten, zu verwischen, indem ich ihnen eine scherzhafte Deutung gab, entsetzte mich aber selbst nicht wenig, vorzüglich als ich bemerkte, wie Galeide den Unhold halb feindselig, halb angstvoll anstarrte, als ob der Ausgang der ganzen Sache von ihm abhänge, und sie abwarten müsse wie ein angebundenes Schaf auf der Weide, ob der Blitz sie treffe oder nicht.

Zwischen Nacht und Morgendämmerung erwachte ich von Gaspards Flöte und erkannte sogleich jene schwermütige Melodie, die ich ihn schon einmal hatte spielen hören. Das war nun sein Lebewohl, das er nicht wie ein anderer Mensch mit den Lippen und zu einer Zeit, wo es am Platze gewesen wäre, recht und schlecht hatte aussprechen können. Es tönte süß, wie ich nicht leugnen will, als sänge die Nacht selbst, ehe sie sich von dem schönen Sonnenjüngling abwendet, dem sie viel lieber entgegen ans warme Herz gegangen wäre. Die Musik brach unvermittelt ab, und gleich darauf hörte ich Gaspard das Haus verlassen; vermutlich begab er sich in die Felder, wie er gesagt hatte. Ich konnte nicht mehr schlafen, wälzte mich in bösen Gedanken hin und her und trat die Reise mit umdüsterter Laune an, da ich ohnehin fast verzagte, nun ich Berge, See und alles, was ich liebte, wieder im Rücken lassen sollte. Galeiden sah ich an, daß sie geweint hatte, woran natürlich die heillose Flötenlamentation schuld war, über welche wir übrigens kein Wort wechselten. Da sie mir im Eisenbahnwagen so still und traurig gegenübersaß, konnte ich mich nicht enthalten zu fragen, ob sie etwa an den Kasper denke, während sie doch besser gleich damit anfangen würde, ihn zu vergessen. Sie lächelte mich an und sagte: »Es ist so schwer, es ist so schwer,« und preßte dabei mehrmals krampfhaft die Hände zusammen, als gebe sie sich mit Leib und Seele Mühe zu dem guten Werke. Sie entschuldigte sich von Zeit zu Zeit, daß sie so wenig unterhaltend für mich sei und beteuerte, sie wolle alles wieder gut machen, sowie sie wieder ganz gesund sei; wenn sie nur erst Ezard wiedergesehen habe. »Weißt du,« sagte sie, während ihre Augen suchend durch das Fenster ins Weite schweiften, »ich erinnere mich gar nicht mehr, wie er aussieht. Aber ich denke, sowie ich ihn sehe, wird es kommen wie ein Blitz oder Sturm, der den elenden Wust meiner Phantasie zunichte macht, damit alles wieder ist wie vorher.« Je näher wir unserem Ziele kamen, desto aufgeregter wurde sie; es war, als fürchte sie sich vor dem Augenblick, der ihr entweder Erlösung oder ewige Verdammnis bringen sollte. Wenn wir nun von einem Ereignis etwas Bestimmtes und sehr Großes erwarten, so geht es gewöhnlich so, daß es eindruckslos vorübergleitet, welches zum Teil daher kommen mag, daß der von der bangen Hoffnung überspannte Geist sich löst und schlaff zusammenfällt, wenn das Ersehnte da ist und ihn berührt. So schien es auch Galeiden zu gehen, als wir im Bahnhof einfuhren, ausstiegen und Ezard, der uns erwartete, erblickten. Er nämlich, welcher nichts als hohe Zuversicht und Glücksgewißheit in sich hatte, erschien froh, strahlend, aber einfach und nicht im mindesten gerüstet für das verhängnisvoll Gewaltige, das meine Schwester von ihm erwartete. Ich las in ihrem Gesichte, daß sie nichts empfand, und daß dies Nichtsempfinden sie erschreckte. Ezard war aber so ohne Arg, daß er aus ihrem auffallenden Wesen anfänglich durchaus nichts Unliebes schloß, während sie doch nichts sehnlicher verlangte, als ihm alles zu sagen und zu klagen. Obwohl sie ihm von der Sache geschrieben hatte, konnte er sich doch zuerst nicht darein finden, daß es Ernst sein sollte, was ihm gar nicht in den Sinn gekommen war. Umsomehr mochte es ihm jetzt zu Mute sein, als hätte ihm einer mit dem Hammer vor die Stirn geschlagen, und wir schritten stumm nebeneinander her, nachdem das Unglückswort gefallen war.

Ezard hatte, um einen Herzenswunsch Galeidens und des Urgroßvaters zu erfüllen, unser altes Haus zurückgekauft, das er später mit ihr zusammen zu bewohnen gedachte. Bereits war der Urgroßvater in seinen alten Gemächern eingerichtet, und auch die Zimmer, die wir innegehabt hatten, waren nach Möglichkeit so wieder hergestellt, wie sie damals gewesen waren. Oft hatte ich mir im Geist ausgemalt, wie unser Einzug sein würde, wie ich die geliebte Schwelle knieend, mit Küssen und Tränen wieder begrüßen würde. Nun gingen wir schweigend und gesenkten Hauptes durch das vertraute Tor, elender fast noch im Herzen, als da wir es verlassen hatten. Wir begaben uns in das Zimmer, wo der Flügel in der Mitte stand wie ehemals und nichts sich verändert zu haben schien, so daß man die eigene treulose Hinfälligkeit umso empfindlicher an sich gewahren mußte. Wir setzten uns stumm, wie es gerade kam. Ezard starrte eine Weile vor sich, dann rief er mehrere Male: »Es ist ja nicht möglich! Nein, es ist nicht möglich!« und blickte auf Galeide, als erwarte er von ihr die Bestätigung, daß es wirklich nicht möglich sei. Da sie ihn aber nur mit Augen voll aufs höchste gepeinigter Angst ansah, schien ihm auf einmal ein grelles Bild des geschehenen und noch möglichen Unglücks vor die Seele zu treten, denn er sprang auf und stürzte sich mit einem Ausbruch überschwenglicher Leidenschaft Galeiden zu Füßen. Was er sagte, habe ich vergessen oder vielleicht nie gehört, denn mir erbebte das Herz im Leibe, und ich hätte wohl Galeiden hassen müssen, wenn sie mich nicht allzusehr gejammert hätte. Denn sie saß da wie ein unseliger Geist auf seinem eigenen Grabe, der verdammt ist umzugehen und nirgends Ruhe findet in den Weiten des Himmels und der Erde. Zuweilen sagte sie mit flehender Stimme einige Worte: »Habe nur etwas Geduld! Es wird gewiß besser werden. Ich bin nur krank. Sei mir nicht böse. Nur ein wenig Geduld.« Bald griff er solche Worte auf, um sich damit zu trösten, bald wandte er sich, von krampfhafter Scham ergriffen, von ihr ab, und es ekelte ihn, daß er sich jammernd erbetteln wollte, worin er sonst geschwelgt hatte wie ein Fürst des Morgenlandes in seinen Schätzen. Mit jedem Augenblick schien er die Tiefe seines Elends schärfer zu erkennen; während er zuerst nur an die entweichende Liebe gedacht hatte, fielen ihm, wie er sich mehr und mehr besann, andere Dinge ein, die mit den furchtbarsten Geheimnissen seines Lebens zusammenhingen. »Du kannst mich nicht verlassen,« sagte er weich und ruhiger zu Galeiden, »nein, du kannst es nicht. Ein anderer könnte vergessen und verschmerzen, aber ich habe nichts als dich. Alles andere, was ich besaß, verwarf ich um deinetwillen, sogar den guten Geist in meiner Brust. Ich kann nicht schlafen, wenn du nicht bei mir bist, oder wenn ich dich nicht bei mir denken kann. Du weißt ja, was ich leide, wenn die Gespenster sich in meine Kammer und um mein Bett drängen, bis ich sie mit deinem Namen beschwöre. Wenn ich den nicht mehr haben soll, bin ich verloren. Dann kann ich nur noch sterben, um ihnen zu entgehen, und das könntest du doch nicht, leben, wenn ich im Elend, ohne dich gestorben bin. Ich war dir doch einmal alles, wie du mir jetzt noch alles bist.« Bei diesen Worten sah ihn Galeide innig, ja, wie eine Selige an, legte die Arme um seinen Hals und sagte: »Nein, wir können nicht voneinander, das weiß ich wohl. Siehst du, ich weiß es jeden Augenblick, warte nur noch ein wenig, bis ich es nicht mehr zu wissen brauche, sondern fühle.« Hiermit trennten sie sich an jenem Abend. Ezard war durch Galeidens letzte Worte etwas beruhigt, und auch sie schien zufriedener zu sein; vielleicht war es aber auch nur die Folge höchster Übermüdung, die sie gleichgültig machte.

Der Urgroßvater, Galeide und ich hausten nun wieder allein miteinander in unserem Hause, jeder auf seine Weise und in gutem Frieden, obwohl ich auf den Urgroßvater im Grunde nicht wenig erbost war. Das schrieb sich daher, daß er gegen Ezard eine Gesinnung und ein Betragen an den Tag legte, das ich nicht nur für verkehrt, sondern sogar für undankbar und ganz unwürdig hielt. Er war nämlich der Meinung, eine im Ursprung frevelhafte Liebe dürfte den Segen der Ehe nicht an sich reißen, und Ezard und Galeide müßten deshalb von dem Gedanken an Heirat abstehen. Dieser religiös-ethische Grund kam aber, soweit ich den Urgroßvater kannte, erst hintennach, um gleichsam am Wagen zu schieben, die ziehenden Pferde waren ganz anderer Natur. Seit Galeide durch das Ansehen, was sie sich in der Öffentlichkeit errungen hatte, seine Eitelkeit befriedigte, nahm die Verblendung, der er stets in Hinsicht auf sie unterworfen gewesen war, in bedenklicher Weise zu, so daß sie ans Unsinnige grenzte. Was für ein Los er ihr wünschte, kann ich nicht sagen; jedenfalls hielt er sie für viel zu kostbar, als daß Ezard die Hand nach ihr auszustrecken wagen dürfe. Ungleich seinen früheren Auffassungen drängt er überhaupt nicht mehr sonderlich zum Heiraten, denn er hätte dann nicht mehr von den Eroberungen erzählen hören können, die sie unter den Männern hie und da machte, was er so liebte, als wäre der verdrehte Kopf oder das verwundete Herz eines armen Teufels die trefflichste Trophäe, die ein Weib auf Erden erringen könnte. Ezard wußte das alles genau, lachte aber nur darüber und fuhr fort, dem Urgroßvater jede Liebenswürdigkeit zu erweisen, was der auch aufs unschuldigste annahm.

Daß Galeide meinen Ingrimm über dies verwerfliche Betragen zu beschwichtigen suchte, legte ich ihr schon übel genug aus. Vollends gereichte es mir zum Ärger, daß sie jeden Tag lange Stunden in seiner Gesellschaft zubrachte und sich dabei wohler und heiterer zu befinden schien als sonst; denn ich hatte die Vermutung, daß sie nicht gerade von Ezard miteinander redeten, und überhaupt fand ich, daß sie anstatt durch Zerstreuung und Betäubung lieber durch ernstes Wollen und Beschäftigung an ihrer Heilung arbeiten sollte. Dies war freilich eine Arznei, die ich noch niemals mir selbst verordnet, geschweige denn eingenommen hatte, aber es war so recht eine Lieblingskur Galeidens, und da man von anderen wegen der Bequemlichkeit für das Urteil immer strenge Folgerichtigkeit verlangt und sich sehr beleidigt fühlt, wenn sie das zweite Mal in ähnlicher Lage nicht dasselbe tun, was sie das erste Mal getan haben, war ich nicht wenig erbittert über ihren Mangel an Selbstzucht. Ich geriet aber geradezu außer mir, als der Urgroßvater mir eines Tages verriet, wovon Galeide ihn in den zahlreichen Stunden ihres Beisammenseins zu unterhalten pflegte, nämlich von Gaspard; woraus der Urgroßvater vergnüglich die Schlüsse zog, die ihm behagten, und die Hoffnung schöpfte, daß das Wohlgefallen, was sie an diesem hochgelobten Schweizerknaben hätte, sie wenigstens von Ezard ablenkte, was zunächst das Erforderlichste sei. Ich fragte den Urgroßvater bitterböse, ob er es moralischer fände, wenn Galeide in launischem Übermut ihr Herz von einem zum anderen tanzen ließe und eine Narretei aus ernsten, schwerwiegenden Dingen mache, als wenn sie nach einfältigen Grundsätzen den heirate, mit dem sie seit Jahren verbunden sei, und der sein Leben für sie aufs Spiel gesetzt habe, und was das für eine Religion sei, die ihm verstatte, ein solches Gewirr aus Recht und Unrecht zu machen und einen Frevel mit einem anderen Frevel zudecken zu wollen. Worauf der Urgroßvater mir vieles entgegnete, was gar nicht zur Sache gehörte, woraus aber das zu entnehmen war, daß er nun einmal Galeiden auf die Art glücklich sehen wollte, wie er es sich ausgedacht hatte, und daß diesem Plane geopfert werden müsse, was da nötig sei, worauf Religion, Moral und das übrige sich finden würde.

Da ich einsah, daß hier nichts zu machen war, wandte ich mich an Galeiden, welche mir wenigstens die Genugtuung gab, nicht zu leugnen, daß ich recht hatte. »Was ich tun sollte,« sagte sie traurig, »ist arbeiten, Geige spielen, Vorwärtskommen, nach den edelsten Kränzen streben. Ich sollte mich dicht an Ezard schließen und unsere Liebe aufwecken wie Dornröschen, durch ein Gestrüpp von hunderttausend Dornen mich durchreißen. Aber ich bin nicht mehr Galeide, ich habe keinen Mut und keine Kräfte mehr. Es ist gerade so, als ob mein Stern vom Himmel weg wäre, oder als ob jemand eine Nadel durch mein Bild gestochen hätte, wodurch man einen behexen und langsam hinwelken lassen kann. Wenn ich dem Urgroßvater von Gaspard erzähle, so tue ich das, weil ich denke, er wird mir dadurch gewöhnlicher und verliert den unnatürlichen Reiz, den er gerade dadurch auf mich ausübte, daß er mir immer so unkenntlich und geheimnisvoll geblieben ist.« Diese Begründung sah ich für sehr sophistisch an und sagte: »Schön. Doch dann wäre es besser, du erzähltest mir von ihm, denn da ich ihn kenne, kann ich dir besser in deinen Bestrebungen beistehen und dir ihn in der Weise kenntlich machen, wie es der trübseligen Wirklichkeit entspricht.« Hierüber fing Galeide so herzhaft an zu lachen, wie ich sie seit lange nicht hatte lachen hören und ich sagte gutgelaunt: »Eine recht artige Liebe, die dich zum höchsten Jubel veranlaßt, wenn du den teuren Gegenstand verlästern hörst!« - »Sage ich denn, es sei Liebe?« antwortete sie. »Ich sage dir ja, daß es Phantasie oder Krankheit ist. Ich schäme mich selbst, daß ich es nicht alles Ezard erzähle, und ich wollte es auch tun; aber er bat mich, noch eine Weile damit zu warten, bis er es besser aushalten könne.«

Für Ezard war es in Wahrheit ein unerhörter Zustand, eine schmachvolle Eifersucht leiden und die Hände ohnmächtig in den Schoß legen zu müssen, während er doch zum Kämpfen, Siegen und Genießen geschaffen schien. Er ertrug aber auch diese ihm bis dahin unbekannte Qual mit so schlichter Würde, daß ihr alles Erniedrigende genommen wurde, und es wohl niemandem eingefallen wäre, ihn mehr zu bemitleiden als zu bewundern. Gegen Galeiden war er voll zartester Güte. Wenn er mit seinem schönen Lächeln leise zu ihr sagte: »Du Bösewicht, was hast du angerichtet!« so lag in den geringen Worten so viel Schmerz und bescheiden gedämpfte Liebe, daß kein geräuschvoller Ausbruch von Verzweiflung mich jemals so hätte erschüttern können. Zuweilen kam es vor, daß er sie jäh an sich riß wie eine Tote, der er mit Gewalt sein eigenes Lebensfeuer unter Küssen und Tränen einhauchen wollte. Aber er schämte sich dessen hernach und warf es sich vor und zwang sich zu geduldigem Warten.

Ich war, wann immer ich konnte, bei ihm und fand Befriedigung darin, daß meine Gesellschaft ihm sichtlich angenehm war. Er fing an, sich vertraulicher als früher gegen mich zu eröffnen und erzählte mir vieles von dem, was ich auf diesen Blättern aufgezeichnet habe. Obwohl er wenig von sich selbst sprach, sah seine Wirksamkeit doch überall hervor, und ich erstaunte über die unermüdliche Kraft, mit der er sich vorwärtsstrebend durch so viele Jahre des Elends geschlagen hatte, seiner, aber freilich oft auch anderer nicht achtend. Nun, da er auf dem Gipfel angelangt war, wo er das Glück und den Garten des Paradieses finden wollte, sah er sich in entsetzlicher Einöde, und die Stimme aus der Bibel mochte er sich rufen hören: Du Narr, diese Nacht wird deine Seele von dir gefordert werden.

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