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XIV

Von uns allen war meine Mutter am meisten bedauernswürdig, denn, weil sie eine Kinderseele hatte, so litt sie auch nach Art der Kinder, die sich nicht selbst helfen und raten können, trostlos und verschwiegen. Sie besaß auch jene Sehergabe der Kinder, mit der sie oft plötzlich und unabsichtlich Dinge durchschauen, die dem grübelnden Beobachter entgehen. Sie lebte wie Mignon ohne Sorg und Mühe, doch wie jene hatte sie Schmerz genug. Vieles davon aber erfuhr ich nie, doch kann ich es jetzt schmerzlich ahnen.

Krank war sie nie, solange ich zurückdenken kann, doch hatte sie, wie wir wußten, einen Herzfehler, der sich zwar nicht sonderlich fühlbar machte, aber doch bei Aufregung oder irgendwie ungeeigneter Lebensweise plötzlichen Tod herbeiführen konnte. Wir waren deswegen gewöhnt, alles von ihr fernzuhalten, was in ihren gewöhnlichen Lebensgang störend eindringen konnte. Wie nun aber in den letzten Jahren an allen unseren Verhältnissen gerüttelt wurde, konnte es nicht ausbleiben, daß auch sie davon berührt wurde. Mein Vater und mein Urgroßvater wachten allerdings über sie, als wäre sie ein heiliges Kleinod aus zerbrechlichem Glase; aber die angstvolle Besorgtheit meines Vaters bedrückte sie nur und war ihr zur Last, wie ein junger Vogel Licht und Freiheit entbehrt, wenn der mütterliche Flügel ihn allzu dicht und unablässig beschirmen will. Über das, was mit Ezard und Galeiden geschehen war, sprach sie selten, meist nur um hastig zu betonen, wie gutartig und unschuldig ihr Verhältnis zueinander dem deutlichen Augenschein zufolge sei. Aber man konnte bemerken, daß sie eine heimliche Angst zurückdrängte, es sei doch anders. Sie war wie ein Kind, das Nachts im Bette etwas Unheimliches in seiner Nähe wahrzunehmen meint und nicht den Mut hat, sich zu vergewissern, sondern den Kopf ins Kissen vergräbt. Einige Male fragte sie mich in einem Tone, der scherzhaft sein sollte, ob ich nicht finde, daß Ezard und Galeide mit ihrer neugebackenen Freundschaft etwas gar zu prahlerisch aufträten und ähnliches; da ich aber gut bemerkte, daß sie nur ihre Angst beschwichtigt wissen wollte, hatte ich nicht den Mut, etwas Ernstliches zu erwidern, sondern antwortete in der Weise, von der ich wußte, daß sie ihr am wohltätigsten sein würde.

Es war an einem kalten Tage im Monat Januar, daß meine Mutter von einem Unwohlsein befallen wurde, so daß sie sich, da der Arzt Ruhe empfahl, zu Bett legte. Mein Vater war schon seit geraumer Zeit in England, und wir verschwiegen ihm die kleine Erkrankung, da sie zu keiner Befürchtung Anlaß zu geben schien, umso lieber, als meine Mutter sichtbar aufzuatmen pflegte, wenn er die Last seiner Schwermut und seiner Sorgen nicht mehr wie einen schwarzen Trauermantel durch unsere Gemächer schleppte. Es ging jeder von uns seiner Arbeit und seinen Vergnügungen nach. Ich nämlich pflegte mein Leben damals so zu verbringen, daß ich gleichgültig oder widerwillig das Nötigste meiner Berufsgeschäfte erledigte und die übrige Zeit, besonders die Abende, im Kreise meist ziemlich oberflächlicher Bekannten mich auf ziemlich seichte Weise belustigte.

Deutlich erinnere ich mich eines Winterabends, wo der Schnee gleichmäßig vom weißlichgrauen Himmel sank, so daß alles von dem beweglichen unermeßlichen Tuche verschleiert war, und es einen müde und traurig machte hinauszusehen. Der Urgroßvater, Galeide und ich saßen am Bette meiner Mutter; Galeide und ich zum Ausgehen gerüstet, sie, um ein Konzert zu besuchen, ich, um an einer von meinen Kameraden veranstalteten Festlichkeit teilzunehmen. Ich hatte ihr angeboten, sie bis zum Konzerthause zu begleiten, was ihr nicht willkommen zu sein schien, so daß ich den Schluß zog, sie habe darauf gerechnet, mit Ezard zusammenzutreffen. Sie nahm meine Begleitung aber doch an, und wir waren zusammen in das Schlafzimmer meiner Mutter gegangen, um ihr Gutenacht zu wünschen. Sie lag lächelnd da und sah uns wohlgefällig an, froh darüber, daß wir unserm Vergnügen nachgingen. Da wir wußten, daß sie sich in Gesellschaft des Urgroßvaters stets am glücklichsten fühlte, verließen wir sie ohne Unruhe, obschon es über alle Maßen trübselig war in dem dämmernden Zimmer, wo jeder vom andern wußte, daß er geheime Angst in der Seele verbarg. Der Urgroßvater ahnte zwar nichts von dem, was Galeiden betraf; aber gewöhnt, die Züge meiner Mutter hinsichtlich ihres Wohl- und Übelbefindens zu beobachten und der geringsten Veränderung in den geliebten Zügen kundig, hatte er etwas darin gesehen, was ihm fremd, neu und schlimmer erschien, als alles, was ihre bisherigen, vorübergehenden Leiden mit sich gebracht hatten. Auch uns erschien, als wir ins Zimmer kamen, das Gesicht meiner Mutter seltsam und unkenntlich, aber wir schoben es auf das fahle Schneelicht, das durchs Fenster schien. Dennoch kam es mir vor, als sollten wir nicht fortgehen, und auch Galeide zögerte aufzubrechen und streichelte die marmorgelben Krankenhände, die unbeweglich auf der Bettdecke lagen. Der Urgroßvater aber in seiner Unruhe trieb uns zum Gehen an, und Mama nickte langsam zu seinen Worten. Ich fragte, ob ich nicht die Lampe anzünden solle, denn es war mir zuwider, sie allein in der Dunkelheit zurückzulassen, aber Mama wehrte ab, da sie dem Schnee zusehen wollte und den Raben, die am Fenster vorbeiflogen. So standen wir auf und beugten uns über die Kranke und küßten sie, wobei sie uns mit matten Augen gedankenvoll und doch wie aus weiter Ferne ansah, so daß es uns beklommen machte, und wir anfänglich schweigend nebeneinander durch den Schnee gingen. Wir trafen bald, wie ich es erwartet hatte, auf Ezard, der uns unbefangen begrüßte und sagte, daß er auch ins Konzert gehe und zwar ohne Lucile, die zu Hause bei den Kindern habe bleiben wollen. Er fragte sogleich nach Mama und sagte, daß er einem Versprechen gemäß, welches er unserm Vater einmal gegeben habe, in seiner Abwesenheit stets über sie zu wachen, bei dem Arzte gewesen sei; der habe aber nichts Bedenkliches in ihrem Zustande gesehen und ihn für eine Migräne erklärt, die nach seiner Berechnung in wenigen Tagen vorübergehen werde. Die Unterhaltung belebte uns wieder und vertrieb den bänglichen Eindruck, den wir empfangen hatten; doch mußte ich in den ersten Stunden das Bild des dunklen Krankenzimmers und des hohen Fensters, an dem der Schnee und die Raben vorbeiflogen, von meinen Augen wegscheuchen. Allmählich kam es nicht mehr, und die Nacht ging hin wie andere der Art, voll jener lärmenden Lust, die, so laut sie auch ist, doch kein Echo in der Seele haften läßt, das man gern einmal wieder erweckt, um ihm zu lauschen. Ich kam lange nach Mitternacht nach Hause, zwar keineswegs berauscht, aber doch übermäßig angeregt; zwei Freunde begleiteten mich, und wir schlenderten im lauten, lustigen Gespräch durch die Straßen. Vor unserer Gartentür verabschiedeten wir uns mit dem Versprechen, uns am folgenden Morgen in dem Wirtshause, wo wir gewöhnlich verkehrten, zu treffen. Ich war verwundert, die Haustür unverschlossen zu finden und dachte, Galeide, die ja vor mir gekommen sein mußte, habe sie aus Unachtsamkeit offen gelassen. Ich ging leise in mein Zimmer und machte Licht, doch fielen mir die Augen fast zu und ich warf mich noch halb angezogen aufs Bett, so schwer war ich in allen Gliedern. Gleich darauf kam Galeide in mein Zimmer, blaß wie der Tod, und sagte: »Es ist gut, daß du da bist, Ludolf; es geht Mama sehr viel schlechter.« Ich starrte sie an und sah mit noch dumpfen Sinnen, daß sie mit der einen Hand einen Pfosten meines Bettes umklammerte, daß über ihr Gesicht unaufhörlich Tränen strömten, und daß sie noch das weiße Kleid und den goldenen Gürtel trug, womit sie sich für das Konzert geschmückt hatte. Es wurde mir sehr übel, obwohl ich mich noch nicht ganz auf das besinnen konnte, was am Tage vorgegangen war. Ich wollte fragen, vermochte es aber nicht, sondern schwankte stumm hinter Galeiden her. Als wir in das Krankenzimmer traten, wußte ich, daß Mama tot war, noch ehe ich sie gesehen hatte. In einem Lehnstuhl in der Ecke saß der Urgroßvater und weinte leise in sich hinein, wobei er zwischendurch schluchzte: Mein Kind! Meine Süße! Meine Kleine! Mein Liebling! Mir war aber nicht zum Weinen zu Mute, sondern zu lautem Herausheulen, denn ich wußte wohl, daß mich in meinem ganzen Leben, und wenn ich hundert Jahre alt würde, kein Mensch wieder so lieben würde, wie meine Mama getan hatte, wie sie mir auch in der verwahrlostesten und wildesten Zeit meiner heillosen Jugend das einzig Himmlische und wahrhaft Geliebte gewesen war, und mir entschwanden fast die Sinne, wie sie nun leblos, nicht mehr sie selbst, dalag. Vor ihrem Bette knieend verbarg ich den Kopf daran in einem Zustande von Starrheit, wo man lebend wie tot ist und seiner selbst unmächtig, aber der Außenwelt bewußt. Ich hörte Galeiden zu Ezard, welcher auch anwesend war, sagen, er möge das Fenster schließen, und ich begriff, daß es um meines lauten Jammerns willen war; aber es war mir nicht möglich innezuhalten, noch meine Stimme zu mäßigen, obwohl ich mir vorkam wie ein winselndes Tier und mich vor mir schämte. Zuletzt wimmerte ich nur noch weiter und wußte kaum warum, und ich konnte mich nicht beruhigen, bis der Urgroßvater an mich herantrat, mir mit seiner leichten, zarten Greisenhand die Haare aus der Stirne strich und mit seinem tränenfeuchten Taschentuch mein heißes und ganz überströmtes Gesicht zu trocknen versuchte. Da wurde mir so zu Mute, als ob ich noch ein kleiner Junge wäre, und ich ließ mich gern von ihm bei der Hand nehmen und in ein anderes Zimmer führen und schlief zuletzt ein, während der alte Mann bei mir saß und wachte; wie er denn niemals unter irgend einem Schicksalsschlag erlahmte oder sich schwach zeigte, solange ein anderer in seiner Umgebung schwächer und hilfsbedürftiger war.

Am anderen Tage erfuhr ich, daß der Urgroßvater, nicht lange nachdem er meine Mama verlassen hatte und eingeschlafen war, durch einen schweren Fall in ihrem Zimmer geweckt wurde; da er voll Schrecken zu ihr eilte, fand er sie bewußtlos am Boden liegen in der Nähe des Fensters, das sie kurz zuvor geöffnet haben mußte. Eines unserer Dienstmädchen, das sofort zum Arzt eilte, begegnete im Garten Ezard und Galeiden, woraus sich einigermaßen erklären lassen konnte, was vorgegangen war. Denn wir zweifelten alle nicht daran, daß meine Mama, welche vielleicht noch nicht geschlafen hatte oder durch die Schritte oder Stimmen der Ankommenden geweckt war, von irgend einem bänglichen Gefühl bewogen, das Fenster geöffnet hatte, um sie zu sehen. Das Fenster ging gegen die Tiefe des Gartens; es ist möglich, daß Ezard und Galeide, da sie sich allein glauben konnten, dort noch auf und ab gingen in ihrer unseligen Leidenschaft verloren, vielleicht auch derselben in Haltung und Gebärden Ausdruck gaben, und daß Mama sie erkannte; es war eine mondhelle Nacht. Die eisige Winterkälte schlug ihr entgegen, die im leichten Nachtkleide dastand; aber besonders mag ihr die Erscheinung dieser frevelhaften Liebe, mitten in der Nacht im verschneiten Garten furchtbar verhängnisvoll sich darstellend, das Herz zusammengepreßt haben, daß sie die Besinnung verlor. Aber dies waren doch nur unausgesprochene, peinvolle Vermutungen; daß Ezard meine Schwester nach dem Konzert nach Hause begleitet hatte, das einzig Gewisse, war durchaus natürlich und unauffällig. Die beiden besorgten alles, was an Formalitäten mit jedem Sterbefall zusammenhängt; sie sorgten auch dafür, daß unser Vater von dem, was geschehen war, sofort und mit möglichster Schonung unterrichtet wurde, und alles das taten sie mit großer Fassung und in der zartesten Weise, daß es von selbst zu gehen schien.

Mein Vater kam in der Nacht, die dem Begräbnistage voraufging, bei uns an, und seine Gegenwart ließ sich sofort wie ein Alp auf dem schlummernden Hause nieder. Während wir bisher den natürlichen und darum erträglichen Schmerz um den Tod einer angebeteten Mutter empfunden hatten, gesellte sich nun eine dumpfe Beklommenheit dazu. Denn in meinem Vater stellte sich jedwedes Unglück wie in einem vergrößernden und entstellenden Spiegel dar, und da er als das Haupt der Familie unseren Mittelpunkt bildete, konnte es nicht anders sein, als daß sich das entsetzliche Spiegelbild uns fühlbarer einprägte als die Wirklichkeit. Hiervon war zumeist Galeide betroffen, die er nicht von seiner Seite ließ, und die in jener ersten Nacht, da er sich unfähig fühlte, zu schlafen, mit ihm wachbleiben mußte, was er zwar auf keine andere Weise als durch einen flehenden Blick oder überhaupt sein ganzes trostlos erschüttertes Wesen von ihr forderte. Da am anderen Tage schon früh Bewegung im Hause und wegen des Begräbnisses vielerlei zu besorgen war, dazu die Gäste zu empfangen waren, was alles hauptsächlich Galeiden zur Last fiel, befand sich diese, als es Abend wurde, in einem Zustande von Übermüdigkeit, daß ihr Anblick einen jeden von uns mit Mitleid erfüllte. Indessen schien unser Vater in der Übermacht seines Schmerzes nichts davon zu bemerken und saß beständig neben ihr, ihre Hände in seinen haltend, als wäre sie ein Gegenstand, den ihm die Verstorbene als Andenken und einziges teures Vermächtnis hinterlassen habe. Ich hatte schon im Verlauf des Tages bemerkt, daß Ezard dies mit Unwillen ansah und öfters einen Vorwand suchte, um meine Schwester von der Seite des Vaters wegzurufen. Er äußerte auch gegen uns, daß unser Vater sich seiner Meinung nach seinem Schmerze allzusehr und mehr als einem gesunden Menschen gezieme, hingebe und sich in weichlicher Empfindsamkeit gehen lasse, worin ihm Galeide widersprach und fand, daß es unrecht sei, ihm schon heute seine Tränen nachzurechnen. Dadurch schien Ezard nur noch mehr aufgeregt zu werden, und als Lucile der Kinder wegen am Nachmittage nach Hause ging, konnte er sich nicht entschließen, mit ihr zu gehen, sondern blieb noch bei uns, was auch nichts Auffallendes an sich hatte, da er als unser naher Verwandter wohl das Recht und die Pflicht hatte, uns zur Seite zu stehen. Wir nahmen ein schweigsames Abendessen ein, wobei Ezard Galeiden, die wieder neben Papa saß, unablässig mit flammendem Blick eindringlich betrachtete, außer stande oder ohne den Willen, sich zu beherrschen. Es fiel mir da zum ersten Male auf, wie sehr er sich verändert hatte, und wie die Leidenschaft in seiner ganzen Person, in seinen Gesichtszügen, seiner Haltung zum Ausdruck gelangt war. Als es nun so spät war, daß er nicht wohl länger bei uns bleiben konnte, und unser Vater doch nicht Miene machte, Galeiden von sich zu lassen, entschloß er sich, selbst dazwischenzutreten, wozu ihn auch der Urgroßvater mit beifälligen Blicken ermunterte. Indem er sich an meinen Vater wandte und ihn aufforderte, sich zur Ruhe zu begeben, da es seine Pflicht sei, an seine Gesundheit zu denken, vor allem aber Galeiden zu schonen, die seit dem Tode unserer Mutter kaum geschlafen habe und von der ununterbrochenen Aufregung ohnehin aufgerieben sei, überkam mich ein jähes Erschrecken, so schön und furchtbar sah er aus, wie man sich etwa Luzifer denken mag, den gestürzten Engel. Ich fragte mich: ist es möglich, können in unserm Hause die Gefühle schon so verwildert sein, daß Ezard in frevelhafter Eifersucht gegen Galeidens Vater entbrennt und die Äußerungen ihrer kindlichen Liebe anzusehen nicht mehr ertragen kann? Schon während des Tages hatten mich ähnliche Gedanken versucht, aber ich hatte sie scheu zurückgewiesen. Doch was sich in Ezards Gesicht ausprägte, war nicht zu mißdeuten, und mein Vater erkannte es sofort, wie man seinen Augen ansehen konnte, die er langsam und bedeutungsvoll zwischen Ezard und Galeiden hin und her gehen ließ. Er erhob sich, so daß er Ezard, der wenig kleiner, aber nicht so breit gebaut war, dicht und mächtig gegenüberstand und sagte: »Du sollst mir nicht Mangel an Selbstbeherrschung vorzuwerfen haben, mein Neffe Ezard!« Dann wandte er sich mit einem kurzen gute Nacht an uns, ohne von Galeiden besonders Abschied zu nehmen, und ging schweren Schrittes in sein Schlafzimmer. Galeide sah ihm nach und sagte uns, indem sie aufstand, mit tonloser Stimme gute Nacht, wobei sie Ezard nicht ansah; er rief sie aber bei Namen, als sie schon in der Tür stand, und streckte ihr mit verzweiflungsvoller Gebärde die Hand hin, worauf sie ihm auch schnell und heftig die ihre reichte, dann aber sogleich das Zimmer verließ, wie es uns schien, um ihre hervorbrechenden Tränen zu verbergen. Der Urgroßvater bedauerte sie in zärtlicher Weise und erging sich in tadelnden Bemerkungen über unseren Vater, der sich stets zu sehr in selbstsüchtiger und, wie der Urgroßvater zu sagen pflegte, orientalischer Weise seinen Gefühlen überlasse und die arme kleine Galeide, wie vormals ihre Mutter, mit seiner Liebe erdrücke. Ezard verabschiedete sich nun auch. Aber vom Fenster meines Schlafzimmers aus sah ich ihn durch den verschneiten Garten irren, als wolle er seiner unbändigen Leidenschaft Herr werden, bevor er zu Frau und Kindern heimkehre, und der Gedanke an den rastlos Umhergejagten dort unten nahm mir lange die Ruhe. Als ich endlich, es mochte nach Mitternacht sein, die Gartentür sich leise bewegen hörte, dachte ich, daß er nun gegangen sei, und schlief ein.

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