Hermann Heiberg
Todsünden
Hermann Heiberg

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Es war geschehen! Bleich, mit schlotternden Knieen, erschien oben auf der Treppe Tankred von Brecken. Die Laterne zitterte in seiner Hand, er mußte trotz des ihn beherrschenden, alle Sinne gefangen nehmenden Gedankens der That sich an dem Geländer festhalten und stolperte schwankend die Stufen hinab. Und als er die letzte erreicht hatte, drang von drüben Hundegebell an sein Ohr, und unten im Hause oder oben – er vermochte nicht, es zu entscheiden – entstand ein Geräusch, und während er, von Furcht gepackt, zur Hinterthür fliehen wollte, erschien – ja, es war keine Vorstellung, sondern Wirklichkeit! – in Hemdsärmeln und mit in der Eile ungeknöpften, an den Beinkleidern herabhängenden Tragbändern der alte Frege, in der einen Hand ein Licht, in der andern eine Pistole. Und als er den Eindringling mit der schwarzen Maske sah, schrie er durchs Haus, daß die Wände bebten, stürzte vorwärts und sandte dem in wahnsinniger Angst Fliehenden, bevor er die Thür zu erreichen vermochte, eine Ladung aus der Pistole nach. Tosend, wie ein Donnerschlag, klang's durch das Haus. Aber wenn der Verbrecher auch vielleicht getroffen war, so erreichte er doch das Freie.

Als Frege hinter ihm die aufgerissene und mit krachendem Laut vom Winde zugeschlagene Thür zurückstieß, sah er Brecken – er glaubte ihn sicher zu erkennen an Größe, Haltung, Bewegungen – durch den Park fliehen. Einen Augenblick stand er ratlos da. Seine Lippen bebten, der Mund murmelte in der Erregung unzusammenhängende Worte. Aber dann ward er aufgerüttelt. Ein entsetzliches, markerschütterndes, nicht endenwollendes Geschrei drang durch das Haus – – Die Zofe flog, mit einem Licht in der Hand, die Treppe herab und rief dem wenige Minuten später schlotternd vor Angst und Schrecken aus allen Winkeln herbeistürmenden Gesinde die Worte zu:

»Die gnädige Frau! – Die gnädige – Frau – liegt tot im Bett – –«

Weiter vermochte sie nicht zu sprechen, und während eins der Mädchen sie in ihren Armen auffing, stürzten die anderen empor, um selbst zu sehen, was Gräßliches, Grausiges, Unerhörtes geschehen war. –



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