Adolf Hausrath
Jetta
Adolf Hausrath

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Achtundzwanzigstes Kapitel

Das Opferfest hatte damit sein Ende gefunden. In kleinen Gruppen streckten die wetterharten Krieger ringsum unter den mächtigen Bäumen sich hin. Hier und dort hörte man noch ein leises Gespräch über die wunderbaren Dinge, die sich begeben hatten. Dann ward es still und man vernahm durch viele Stunden nichts als das Rauschen des Stromes in der Ferne und das Brausen des Nachtwindes im Eichwald. Als der Schein im Osten heller ward, erhob sich König Macrian und ging schweigend zwischen den schlafenden Kriegern am Opfersteine hin und wieder. Ihm hatte das Wort der Seherin das Herz im Innersten getroffen, denn er wünschte den Frieden. Die Jugend seines Volks verwilderte in dem endlosen Kriege und es war unmöglich, das eroberte Land durch fleißigen Anbau sich zu eigen zu machen so lang der Waffenlärm währte. Während er so in tiefen Gedanken zwischen den alten Stämmen hinschritt, von denen die bleichen Pferdeschädel grinsend auf ihn niederschauten, hörte er ein Seufzen, das kein irdisches Weh erpreßt zu haben schien, so schmerzlich klang es in der stillen Frühe. Macrian blickte um und sah den jungen Mönch an einem Baume sitzen, das Angesicht schaamvoll in die Hände gepreßt. Der König blieb stehen und betrachtete sich den seltsamen jungen Büßer, der in der Königshalle geboren als Bettler lebte. Ein tiefes Mitleid mit diesem verfallenen Menschenbilde wandelte den Helden an und er sagte mild: »Tröste dich, Vadomar's Sohn. Es schändet dich nicht, daß sie dich besiegte. Vergaßest du den Götterspruch:

Es sitzet die Riesin im Erlengebüsch
Und füttert im Walde Fenrir's Geschlecht,
Des Mondes Mörder, den schlimmen Wolf.

Dein Gott war zu schwach für das Weib, das selbst den Mond verdunkelt.«

Vulfilaich schüttelte abwehrend sein wirres Haupt und sah den König ernsthaft an mit seinen tiefliegenden, traurigen Augen. »Mein Gott ist stark«, sagte er ruhig, »aber ich war schwach. Seit Wochen liebte ich dieses Weib mit sündigem Herzen und darum fehlte mir die Kraft, ihren Zauber zu brechen.«

»Wenn dem so ist«, erwiderte Macrian mit gutmüthigem Lächeln, »so ziehe das Kleid aus, das du trägst und nimm Schwert und Panzer.« Wiederum starrte Vulfilaich dem Könige in's Angesicht, als verstehe er nicht, was Macrian meine.

»Siehe, mich jammert des großen Erbes«, fuhr der König fort, »des schönsten zwischen Spechtshardt und Wodanwald, das brach liegt seit Jahren und seit Rothari's Tode nur noch auf zwei Augen steht, nämlich auf deinen. Rothari ist todt, die Römer haben ihn geopfert, Vithikab ist todt, die Römer haben ihn gemeuchelt, Fraomar irrt als landflüchtiger Mann in der Fremde, die Römer haben ihn verdorben – nur du bist noch übrig von Vadomar's Söhnen und du versprachst einst ein Held zu werden, ehe dein Kopf sich verwirrte. Schüttele den trüben Wahnsinn ab und wenn du nur erst wieder ein Roß zwischen den Schenkeln fühlst und ein Schwert in der Faust, dann wirst du genesen.«

Vulfilaich's Antlitz leuchtete auf bei diesen Worten und er richtete sich in die Höhe. Fest trat er dem Könige einen Schritt entgegen und sprach: »Hoffe das nicht, König der Alamannen. Du ziehest eine blutige Straße und Rabe und Wolf heften sich an deine Fersen, denn sie wissen, sie finden Erschlagene an deinem Wege. Zwei Tage folgte ich deinem Heere, weil jenes Weib mich nach sich zog, aber ich sah die Spuren des rothen Rosses am Himmel im Feuerschein, ich sah sie in den rothen Lachen Blutes an deinen Wegen. Ich begehre sie nicht wieder zu schauen, denn ich stehe in dem Dienste eines Friedens, der älter ist als aller Kampf und Streit auf Erden. Ich werde dieses Thal verlassen, das mich schwach sah, sobald ich noch ein Werk gethan, das die himmlische Stimme mir auftrug.«

Der König sah ihn verwundert an, so hatte die Gestalt des jungen Büßers sich verändert. Er hatte den Schmerz abgeschüttelt und schaute Macrian fest in die Augen.

»Darf man das Werk wissen, das dein Gott dir befahl?« fragte der König mißtrauisch.

»Verehre sein höheres Walten«, sprach Vulfilaich. »Der Christengott ist gerecht und wo wir mit unserem Witze seine Befehle meinten meistern zu müssen, zeigt er uns zu unserem Schaden, daß er weiser war als wir. Drüben in der Tiefe des Bergs steht das Bild des Dämons, der dieses Thal beherrscht. Der Geist aber sprach zu mir vor vielen Tagen: ›Du sollst zeugen wider dieses Götzenbild und wider alle, die davor anbeten, und es zerstören.‹ Als ich eben thun wollte, wie die Stimme geboten, fiel mir Rothari in den Arm und schickte mich weg, so daß ich unterließ, was ich deutlich geheißen war. Was war die Folge, König Macrian? Bei dem Feste des Gottes, den Rothari gerettet, haben die Heiden ihn selbst als Opfer geschlachtet und bei dem Altarsteine dieses selben Götzen ließ er gestern auch mich zu Schanden werden. Erst heute habe ich seine strafende Hand begriffen. In dieser Nacht ward es mir aufgeschlossen und nun hindere nicht auch du mich, meines Amtes zu walten. Es würde dir und mir zum Unheil sein.«

»Meine Knaben haben nicht viele Bilder übrig gelassen in dieser Gegend«, sprach der König mit stolzem Lächeln, »doch weißt du eines, das Menschen und Thieren Schaden bringt, so zerstöre es immerhin und verbaue dem Dämon den Weg zum Thale, daß er sich nicht rächt. Wohin aber willst du, wenn du das gethan?«

»Ich werde zum Bischof Martinus von Turonia ziehen. Er wird mir sagen, was ich thun soll.«

»So ziehe denn, Vulfilaich, Vadomar's Sohn. Dein Erbe ist verfallen, bist du aber einst des Wanderns müde, so kehre wieder zu meiner Halle. Mein Volk wird stets eine Hufe Land übrig haben für Rothari's Bruder.«

»Der Gott Hiob's, der Frieden macht auf allen Höhen, möge auch euch Ruhe schaffen«, erwiderte der Mönch und wendete sich zum Thale.

Bald hatte er die Furt gefunden, durch die er den Fluß zu überschreiten pflegte und jenseits angekommen, kletterte er den Abhang hinan zur Grotte des Mithras. Der Eingang war halb verschüttet vom Brande der Villa und die Alamannen, die ihre Blockhäuser rechts und links dort errichtet, hatten den Bauschutt hinter dem Brünnlein abgelagert. Mit Mühe zwängte sich der Jüngling durch den zwischen Nesseln und Unkraut versteckten Spalt. Innen war alles unverändert und wie vordem schaute der opfernde Jüngling auf dem Steinbilde den jungen Mönch traurig an. »Du täuschest mich nicht zum zweiten Male«, sprach Bulfilaich kalt und sein Hammer schmetterte gegen das schöne Angesicht, daß es zersplitterte. Dann schlug er mit sicheren Streichen das erste Eisen zur Seite, das die mächtige Steinplatte hielt. Auch das zweite wich einem gewaltigen Schlage. Aber ehe er es erwartet, fiel die schwere Last herab, schlug um und begrub den Mönch in ihrem Falle. Bis zur Brust bedeckt lag Bulfilaich unter dem schweren Steine und kein menschliches Ohr hörte sein Todesröcheln. Aber sein Tod war süß. Engel umstanden ihn und lächelten ihm zu; in seligem Entzücken sah er wieder jenen blauen Himmelssaal, den er vordem in seinen Gesichten gesehen und sein heißes, unruhiges Herz stand still. Der Kampf zwischen Natur und Gesetz war geschlichtet. Heiter und schön war der Ausdruck seines Angesichtes, er war gestorben als Märtyrer seines Glaubens. Der obere Eingang zur Grotte war beim Brande der Villa eingesunken. Den andern, vom Thale her, warfen die Umwohner allmählig zu und die Hecken überwucherten ihn. Nur das Brünnlein unten erhielt im Gedächtniß der Anwohner die dunkle Erinnerung, daß hier einst ein Heiligthum der Römer gewesen und in dem Berge ein Dämon hause, bis auch dieses Gedächtniß erlosch.

Die alamannischen Heerhaufen hatten am Tage nach dem Opferfeste eben so rasch das Thal verlassen, wie sie gekommen waren. Der König führte die Gefangenen, die dem entsetzlichsten Tode so nahe in's Angesicht geschaut hatten, das Thal des Rhenus hinab und sendete an Valentinianus Botschaft, er sei bereit, sie frei zu lassen, falls der Kaiser sie lösen wolle mit Silber und Gold. Wie ihm Jetta vorhergesagt, antwortete Valentinian mit einem Antrag auf Abschluß des Friedens. Macrian gab eine rauhe Antwort, aber er bezeichnete dennoch eine Dingstätte am Rhenus, zwei Stunden oberhalb Mogontiacum, wo sich die Römer ihm stellen könnten, falls sie Frieden von den Alamannen begehrten. Der Augustus fand sich gehorsam da ein, wohin ihn der Barbar entboten. Nothdürftig verschanzt lagerte das Gefolge des Kaisers hinter den Lederzelten auf der linken Seite des Stroms. Auf der Höhe der Düne hielten etliche Reiter in Schuppenpanzern Ausschau, wahrend Valentinian selbst mit Ausonius und dem Franken Merobaudes auf dem weichen weißen Sande am Ufer einherging. Unmuthig schweifte der Blick des Herrschers nach den Bergen Macrian's hinüber und folgte dann wieder sinnend den hellgrünen Fluthen des Rhenus, die hier und dort eine Schaumflocke oder ein Holzstück mit sich führten. Aber er hatte kein Auge für das Farbenspiel der grüngoldnen Welle und kein Ohr für das Rauschen der träumenden Woge. Starr sah er vor sich hin. Auch die beiden Begleiter schwiegen, da sie die trübe Laune des Herrschers fürchteten.

»Wollte nur mein erhabener Augustus«, so nahm Ausonius endlich das Wort, »die kleine Wolke nicht für den Anfang der Nacht halten, sie wird verschwinden und Valentinian's Sonne strahlt dann hell wie zuvor.«

»Mag sein, Ausonius«, sagte der Kaiser bitter. »Aber zehn Jahre Arbeit waren vergeblich. Drüben haben die Alamannen meine Kastelle gebrochen und am Danubius fahren die Quaden über den Strom. Wer aber ist Schuld? Der Uebereifer ungehorsamer Diener, die zu stark sind, um meine Strafe zu fürchten. Hier begannen unsere Niederlagen mit der feigen Ermordung Vithikab's, die Syagrius befahl und die ich nachträglich billigen mußte, weil ich seine Sippe fürchtete. Am Danubius geht alles rückwärts seit der treulosen Niedermetzelung des Quadenkönigs, die ich nicht wollte und doch nicht bestrafen kann. Welchen Strom soll ich nun halten, den Rhenus gegen die Alamannen oder den Danubius gegen die Quaden? Wie ich mich stelle, ein Theil des Reichs bleibt den Barbaren offen.«

»Du hast keine Wahl«, nahm der gewaltige Franke Merobaudes das Wort, »du mußt mit Macrian abschließen, er fordere, was er wolle. Was jenseits des Rhenus liegt, ist verloren schon seit hundert Jahren und nur Narren wie der vergötterte Julian oder Arator's verrückte Tochter träumten von Wiedereroberung. Ich habe den Kampf um den Nicer nie für etwas Anderes gehalten als für eine gute Uebung für die Soldaten. Nun aber weicht das Spiel dem bittern Ernste. Die Quaden schwärmen bereits diesseits des Danubius. Die weise zurück.«

Valentinian schaute scharf über die breite Wasserfläche. »Siehst du die Köpfe über dem Sandhügel? Ist das nicht mein erhabener Gegner, der wilde Macrian? Richtig, ich erkenne den Eberhelm. Jetzt steigen sie herab. Laß die Goldbeschildeten antreten!«

Der Franke wandte seine Schritte dem Lager zu und bald marschirte ein glänzendes Gefolge auf mit goldenen Rüstungen und strahlenden Helmen. Die rothen Fähnchen flatterten im Winde und das goldene Kreuz des Heerwimpels glänzte im Morgenlichte. Aber drüben bestieg nur ein gemeiner Alamanne den Kahn und arbeitete, von einem kundigen Fährmann gesteuert, mit mächtiger Stange gegen die Strömung. Es war der alte Wulf, der sich allein in das Lager der treulosen Römer wagte. Als die Kunde von der Nähe Macrian's sich im Lager verbreitete, strömten alle Soldaten auf die Höhe der Düne und der weiße Sandhügel starrte von Lanzen. Jetzt legte der Nachen an und Wulf trat in seiner Büffelhaube und dem Lederkoller dem Augustus gegenüber. Hoch aufgerichtet schritt der wetterharte graubärtige Krieger vor den Feind. Er grüßte nicht, sondern rief laut mit seiner eingerosteten knarrenden Stimme: »Macrian, der König der Buccinobanten und aller Alamannen Herzog, entbietet dich hinüber auf unser Ufer und verheißt dir Sicherheit, den Streit mit ihm zu richten und zu schlichten und zu hören, was unser Volk von Rom verlangt.«

»Was?« sagte Valentinian und die Ader auf seiner Stirne schwoll. »Ich soll dem Gaukönige über den Rhenus entgegenfahren? Ich bin der Augustus des römischen Reichs! Macrian soll herüberkommen zu mir, der Kleine zum Großen, so will es die Ordnung der ganzen Welt.«

»Wer bittet, kommt zu dem, von dem er bittet«, lachte der alte Wulf und nickte dabei bekräftigend mit dem Haupte, daß die Stierhörner auf seinem Helme sich rührten. »Wir sind es nicht, die den Frieden begehrten. Wollt ihr ihn nicht, so kommen wir freilich herüber, aber mit zehntausend Mann. Es soll ja alles wieder hübsch eingerichtet sein zu Mogontiacum seit Rando es ausräumte.«

Merobaudes schlug an sein Schwert: »Hüte deine Zunge, alter Isegrimm, oder du hast zum letzten Male gebellt.«

»Wie ihr wollt«, lachte der Alte. »Ihr mordet auch Gesandte, wie wir wissen, und eben deßhalb, weil euch kein Eid, kein Vertrag, kein Recht heilig ist, will Macrian nicht auf euer Ufer. Wo blieb Rothari's Vater Vadomar, den Julian herüber lockte? Nach Spanien und dann zu den Persern und Phönikern habt ihr ihn entsendet. Wohin habt ihr Vithikab geschickt und Rothari und jetzt wieder den König der Quaden? In Hel's Reich, von dannen keiner wieder kehrt. Wer keine Treue hält, kann kein Vertrauen fordern. Fahre mit mir, König Valentinian, oder warte bis zehntausend junge Wölfe herüberschwimmen über diese seichte Lache.«

Valentinian stand unschlüssig. »Wie viele Begleiter darf ich mit hinübernehmen?« fragte er zögernd.

»So viele in dieses Schiff gehn«, erwiderte Wulf treuherzig.

»Und was sichert uns, daß ihr uns nicht tödtet?«

»Das Wort eines Alamannen, eines Königs«, sagte Wulf ernst und seine Augen blitzten unter der Büffelhaube.

»So kommt«, sagte Valentinian und sprang in den langen Nachen. Merobaudes folgte und etwas bedenklich auch Ausonius. Dann stiegen noch vier der Goldbeschildeten ein und ein Geheimschreiber mit Pergamenten und Rollen. Der Kahn stieß vom Lande und keiner sprach ein Wort, während die zwei Germanen mit Rudern und Stangen das schwere Schiff gegen die Strömung trieben, bis sie weit genug hinaufgerudert waren, um nun mit dem Strome den Landungsplatz drüben zu erreichen. Dort stand Macrian stolz aufgerichtet wie ein Leuchtthurm am Hafen. Die Barbaren, die ihn umgaben, waren in lebhafter Bewegung. Wie Kinder machten sie ihrer Freude Luft, als Valentinian mit seinem Gefolge in sichtlich unbehaglicher Stimmung ausstieg. Die Wilden lachten und spotteten in Worten, die zum Glück kein Römer verstand. »Er soll knieen, knieen muß er, wie unsere Könige vor Probus und Julian!«

»Wir wollen ihm den Bart abschneiden, daß er es weiß, daß er unser Knecht ist«, rief ein Anderer.

»Seht, wie sie sich behängt haben wie gallische Weiber. Goldblech, Blech, nichts als Blech«, lachte der übermüthige blonde Hortari und hieb mit der Framea nach dem Goldschilde des Nächststehenden, daß ein Stück davon wegflog. Ein allgemeines Gelächter der Barbaren belohnte diese Waffenprobe. Die Römer aber erbleichten. »Sollen wir hier ermordet werden?« rief Valentinian mit wüthender Stimme.

»Nein«, erwiderte Macrian, »du bist nicht bei einem Römer, sondern bei den Königen der Alamannen. Der Knabe wollte nur proben, was euere Waffen werth sind.«

»Wo hast du den schönen Goldhelm, den Rothari dir wieder brachte«, rief Rando. »Hast du ihn dir schon wieder vom Kopfe reißen lassen? Dafür hätte ihn Rothari nicht zu lösen gebraucht. Und zum Danke hast du den Geber erschlagen. Schmach über euch meineidige Schelme!«

»Gemordet am Opferstein, in Anwesenheit der Götter«, sagte Macrian, indem er Valentinian verächtlich musterte.

»Fluch auf euer Haupt, ihr treulosen Hunde!« riefen die Gefolgsleute und schulterten mit den Schilden, daß man es jenseits des Rhenus hörte und die Römer drüben ängstlich zusammen liefen, Valentinian aber erbleichte und trat zurück. Er suchte den Weg zum Kahne wieder zu gewinnen. Dort aber stand der greise Wulf und stützte sich gelassen auf seine Ruderstange.

Endlich gebot Macrian Ruhe: »Du willst wissen, um welchen Preis wir dir den Frieden gewähren«, sagte er hochmüthig. »Die Castelle und Wartthürme auf unserem Ufer brauchst du nicht mehr zu schleifen, wir haben die Arbeit selbst schon besorgt. Was noch steht bei Alta Ripa und oben bei Basilia mag bleiben, falls die Besatzung den Frieden hält, sonst wehe dir und ihnen. Den Tribut, den du vordem zahltest, zahlst du nach und von nun an jährlich die doppelte Summe in Gold und Silber, Ferner verlangen wir hundert geschulte Sklaven, die sich auf Steinbauten verstehn und auf Töpferei. Dazu jährlich tausend völlige und untadelige Eisenrüstungen für Reiter und Fante. So hat das Volk es im Ding beschlossen.« Valentinian wendete sich an Ausonius und den Notar. »Entwerft den Vertrag. Statt Tribut saget Geschenke«, setzte er griechisch hinzu. Die Beiden ließen am Ufer auf der Düne sich nieder und leise mit miteinander berathend, schrieben sie die Urkunden gleichlautend nieder, während die Alamannen neugierig sie umgaben und verwundert schauten, wie rasch Ausonius die fremden Runen male.

»Wer gut schreibt«, sagte Wulf, »pflegt schlecht zu fechten.«

Andere betasteten neugierig die Waffen der Feinde und versuchten, ob sie mit dem Finger in die Goldschilde Buckeln zu treiben vermöchten. Niedergeschlagen standen die Römer umher, während Valentinian schweigend, das Antlitz nach den Bergen gewandt, auf und ab schritt, als ob er die Schmach des Reiches nicht zu schauen vermöge. Endlich waren die Documente fertig. Macrian ließ durch Rando, der der Schrift kundig war, die Rollen prüfen und gab dann die seine Hortari zur Aufbewahrung. »Drei von euch bleiben bei uns als Geiseln«, sagte er gebieterisch zu Valentinian, »bis die erste Zahlung erfolgt ist. Dann werde ich dir auch die Gefangenen ausliefern, die Jetta freibat.«

Valentinian trat an die Jüngsten seiner Leibwache heran und auf die freundlichen, bittenden Worte des tiefgebeugten Augustus gingen drei der Jünglinge zu Macrian und boten sich dar als Bürgen. Ohne Gruß bestieg der Kaiser mit den Andern den Kahn und während die Germanen einen barbarischen Siegesgesang anstimmten, fuhr Valentinian, das mächtige Haupt auf die sehnigen Arme gestützt, hinüber zu den Seinen. Beim Aussteigen trat Merobaudes ehrfürchtig zur Seite. Er aber sah ihm verstört in's Angesicht und sagte: »Diesen Tag sah ich nicht, wenn Rothari lebte«, aber der Franke verstand nicht, was der Kaiser meine.


 << zurück weiter >>