Adolf Hausrath
Jetta
Adolf Hausrath

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Zweites Kapitel.

Kling! kling! kling! tönte es hell durch den grünen Buchwald, der sich über die breiten Kuppen des Mons Piri hindehnte und der fröhliche Ton des Meißels schallte damals, als der gewaltige Augustus Valentinianus und sein jugendlicher Erbe Gratianus herrschten und Ambrosius von Mailand und Martin von Tours die größten Kirchenlichter des Abendlands waren, eben so hell und herzerfreuend durch den Maienwald, wie wenn heute in den tiefer gelegenen Sandsteinbrüchen fleißige Arbeiter die Steine behauen und dabei vom deutschen Kaiser reden. Damals aber ging der fröhliche Ton von wohl hundert Steinmetzen aus, die über die Lichtungen des Waldes vertheilt, leichtgeschürzt, ja zum Theile halbnackt, immer je zwei und zwei damit beschäftigt waren, die zu Tage stehenden Findlingsblöcke zu riesigen Quadern zuzuhauen, aus denen Kaiser Valentinian ein Kastell auf diesen Höhen zu bauen beabsichtigte. Das hämmerte und pochte und klimperte und musicirte so lustig durch die weißstämmigen Maienbuchen, daß die Vögel mit Staunen zuhörten und beschlossen, ihr Concert weiter rückwärts in den Wald zu verlegen, da man hier vor lauter Klingen und Klopfen seine eigene Stimme nicht mehr verstehe. Dem Klange von oben folgend stiegen zwei vornehme Krieger den geplatteten Weg hinan, der künstlich so geführt war, daß etwaige Angreifer nicht die Schildseite, sondern die offene Brust den Vertheidigern des Berges darbieten mußten. Von Zeit zu Zeit sich die Stirn trocknend von der Anstrengung des Steigens schritten sie rüstig zwischen den weißblühenden Brombeerhecken und den gelben Ginsterfahnen aufwärts. Der Aeltere war eine hohe fürstliche Gestalt mit ergrautem Haupthaar und stolzem Römerkopfe. Ueber dem reichvergoldeten Lederharnisch glänzte der rothe Soldatenmantel, auf der rechten Schulter durch eine goldene Spange in Gestalt eines Löwenhauptes eingehakt. Eine kostbare Agraffe strahlte an dem Gurt des kurzen Römerschwertes. Das war dem Geschmacke der Zeit entsprechend, mehr Schmuck und Farbe als das alte Rom einem Soldaten an der Grenze des Reichs würde gestattet haben. Aber die Haltung des alten Mannes selbst war von einfacher Hoheit. Das vornehme römische Antlitz verrieth durch eine energische Linie zwischen den Brauen den Feldherrn, der es verstand, mit dem Winke seiner Augen Legionen zu lenken und die festgeschlossenen Lippen kündeten den Staatsmann, der gelernt hatte, sich selbst zu beherrschen. In den Augen aber loderte ein geheimnißvolles Feuer, das der gemessenen Kälte des Ausdrucks widersprach. Um so 'einfacher war die germanische Hünengestalt neben ihm angethan. Der Mantel von Rauchwerk, über den der zurückgeschlagene Wolfshelm gleich einer Kapuze herabfiel, der feste Lederwamms und die schweren Soldatenschuhe mochten bei dieser Maienhitze wärmer sein als eben angenehm. Der Träger, eine hohe Jünglingsgestalt mit goldblondem Haare und lichten blauen Augen, schien das nicht zu empfinden und wenn er seinen Schritt anhielt und sich auf seine lange Lanze stützte, in die die Gedächtnißzeichen zahlreicher Schlachten eingeschnitten waren, so geschah es aus Rücksicht auf den neben ihm schreitenden altern Begleiter, dem das Reden beim Steigen oft schwer ward. Der greise Feldherr schaute dann dankbar den jungem Genossen an, denn der Germane hatte freundliche Augen, in die man gern sehen mochte. Ihm hatten die Götter des alamannischen Waldes nur liebliche Runen in's Antlitz geschrieben, kindliche Heiterkeit, die eine unverdorbene Jugend bedeutet und das mädchenhafte Farbenspiel des rasch bewegten Blutes, das ihm die Wange jungfräulich färbte, wenn er Widriges hörte, so daß ihn der Zorn nur verschönte, nicht verzerrte, wie manchen andern Mann.

»Verzeihe, edler Rothari«, begann der Alte, »wenn ich den Gastfreund schelte, aber unvorsichtig war es, alle Beutestücke deiner Kriegszeit so offen in deiner Wohnung zur Schau zu stellen. Der Notar Syagrius sah sie und erfüllte meine jugendlichen Neffen mit Groll und Eifersucht auf den neuen Waffengefährten, der mit der Beute prunke, die er uns einst abgenommen.«

»Die Götter mögen wissen, wie es zu dieser Ausstellung kam«, erwiderte Rothari erröthend. »Ein Mönch soll die Dinge gebracht haben. Ich aber kenne keinen Mönch als etliche, die ich in voriger Woche zu ArgentoratumStraßburg auspeitschen ließ, weil sie Meuterei im Lager anstifteten. Uebrigens ist nur ein Theil dieser Beutestücke mein Eigenthum, das Meiste gehört meinen Brüdern. Ich stand wie verzaubert bei dem Anblick und dein Lupicinus, der Auskunft geben konnte, da er die Sachen in Empfang nahm, war im Dienst, so daß ich rathlos bin über den ganzen Vorfall. Doch denke ich, wenn ich jedem der Kameraden etwas davon verehre, werden sie sich geben.«

»Nicht um sie ist's mir«, erwiderte der Comes Arator. »Aber Syagrius schreibt Berichte nach TreveriColonia Augusta Treverorum, später auch einfach Treveri, Trier. und du kennst Valentinian's Argwohn. Noch stehst du fest in der Gnade des Augustus, aber sahen wir nicht die Festesten über kleinere Anlässe fallen?«

»Ich bin schon gefallen«, sagte Rothari lächelnd. »Doch hat er mich vorläufig wieder an's Trockne gezogen.«

»Wie so, wer entzweite euch? Sicher wieder die Christin Justina?«

»Nein, dieses Mal ist es seine andere Freundin, die braune Mica gewesen.«

»Wer ist Mica?«

»Du kennst Mica nicht? Des Kaisers zottige Hofgenossin, in deren brünstiger Umarmung wohl dreißig brave Männer ihren Geist aushauchten?«

»Du redest in Räthseln.«

»Mica, die wohlgepflegte, die unmittelbar unter den Fenstern des kaiserlichen Schlafgemachs gebettet war?«

»Es gab nie einen Mann von strengeren Sitten als Valentinian.«

»Oh, streng sind sie schon diese Sitten, denn Mica ist eine Bärin.«

»So ist es wahr, daß er die Verbrecher in den Bärenzwinger wirft?«

»Mich selbst hat er hinabgestoßen mit eigener Hand, zum Glück sammt meinem Schwerte und da war ich, denn so kühn, seine Freundin zu durchbohren.«

»Unglaublich!«

»Ich hatte ihn beleidigt, wie er wenigstens meinte, und Bischof Ithacius von Ossonuba, derselbe, der auch jetzt wieder am Hofe ist, hetzte ihn, weil ich seine Taufe verschmähe. Da trug es sich zu, daß eines Morgens Valentinian's Streitroß scheute, als er aufsitzen wollte. Er behauptete: der Stallknecht habe es falsch gehalten und brüllte mir zu: ›Du schlägst dem Schurken die Hand ab.‹ Ich nahm den Mann bei Seite und sagte ihm, er solle sich in der Stille halten bis des Kaisers Zorn verraucht sei. Da erfuhr Valentinian durch seine Schranzen, daß ich seinen Befehl nicht ausgeführt hätte. Am Morgen stehe ich am Zwinger und füttere Mica, als plötzlich Valentinian an mich herantritt und fragt: ›Warum hast du dem Knechte die Hand nicht abgehauen?‹

›Weil Hände nicht wieder wachsen‹, erwiderte ich. Da tritt seine Zornesader blau aus der Stirne, seine schielenden Augen starren und ehe ich mich besinnen konnte, hat mich der Riese mit einem tückischen Stoße über die Mauer des Zwingers hinabgestürzt, wo ich unter Mica zu liegen kam, die sich brummend aufrichtete. Ich aber fasse mich rasch und stoße der Bärin das Schwert bis an den Knauf in die Rippen. ›Ein braver Stoß‹, höre ich nun oben Valentinian's Stimme rufen. Er reicht mir die Hand herab und will mich heraufziehen. ›Nicht eher‹, erwiderte ich, ›ehe ich auch der andern Bestie, die deinen Namen schändet, den Odem ausgeblasen.‹

›Ich will sie in die Wälder entlassen‹, sagt er gutmüthig. ›Komme nur herauf, ehe die Leute sehen, wie mein Dämon mich wieder überwältigt hat.‹ Und mit größter Mühe zieht er mich unter eigener Gefahr aus der Grube, bedeckt mein Angesicht mit Küssen und fleht mich an, ich solle ihm verzeihen.«

»Ja, ja, das gleicht ihm, so ist er und alle seine Bischöfe und Heiligen haben seinen wilden Sinn nicht gebändigt. Ein sauberer Christ!«

»Christ ist er so wenig als ich oder du. Er erzählte uns einst bei einem Gelage, als er den Wein spürte, wie er schon als Gardetribun in den Geruch der Heiligkeit gekommen sei. Es war in Antiochien und bei der dortigen Hitze war er es furchtbar müde, mit dem göttersüchtigen Julian von einem Tempel zum andern zu laufen. Da führte sein böser Stern ihm einen Apollopriester in den Weg, der ihm in seinem Eifer das Weihwasser in Gesicht und Augen sprengte. Schon damals so grob und zornmüthig wie heute, gab er dem Priester eine Maulschelle. Natürlich zeterte alles über die Tempelschändung und Julian schickte ihn zur Strafe für solche Ungebühr auf ein Kastell nach Aegypten. Seitdem ehrten ihn die Bischöfe als Märtyrer und ihnen hat er zum Theil seine Erhebung zu danken. War er früher grob, so ist er jetzt grausam. Aber er läßt christliche Presbyter so gut auspeitschen wie heidnische Höflinge.«

»Wie aber kamst du nach diesem Zusammenstoße zu der Sendung nach Rom?« »Ich glaubte Justina's Einfluß darin zu erkennen, der es Freude macht, mit weicher feiner Frauenhand zu entwirren, was der Männer trübe Leidenschaft zum Knoten schürzte. Am folgenden Tage lud man mich zur Tafel. Als ob ich der heilige Martinus wäre, den er am meisten fürchtet in Gallien und sie am meisten haßt, saß ich zwischen Kaiser und Kaiserin. Wie scherzend theilte Justina mir mit, ich solle eine Botschaft des Kaisers dem hohen Senate überbringen. Hauptsächlich aber müsse ich in Rom täglich zweimal über jedes Forum gehn. Der Anblick eines sieben Fuß hohen Germanen werde hinreichen, die Stadt der sieben Hügel im Gehorsam zu erhalten.«

»Traue den süßen Worten nicht zu sehr und den schönen Augen. Sie ist aus Sizilien, der Sirenen Nachbarin.«

»Nun, ich bin kein Cyklop und halte beide Augen offen. Mir schien vielmehr, daß ihn meine Gegenwart drücke nach dem häßlichen Vorfall. Hauptsächlich aber wollte er mir keine Legion anvertrauen im Kriege gegen mein Volk, weil er dem Alamannen nicht traute.«

»Dir war es wohl lieb, nicht gegen die Deinen zu schlagen?«

»Ja und nein – ich beneide euch doch um den schönen Sieg, den ihr nun ohne mich erfochten.«

»Es war ein hartes Stück Arbeit«, sagte der Comes. »Sobald wir Vithikab's Tod erfahren hatten« ...

»Das heißt seine Ermordung durch euern Meuchler«, unterbrach Rothari bitter und die helle Zornröthe flammte auf in seinem jugendlich schönen Angesichte.

»Die Gelegenheit bot sich«, sagte der Comes, »und ich tadle nicht, daß Valentinian sie benützte.«

Der Germane schaute finster zur Seite. »Er war dein Bruder, aber dein Feind«, sagte Arator. »Doch sei es löblich oder tadelnswerth, mit einer Thatkraft, die wir alle bewunderten, benützte der Augustus die im Lager der Barbaren entstandene Verwirrung. Noch hatten sie keinen neuen König gewählt und schon verkündete der Rauch ihrer Dörfer und Hütten den Weg des Kriegsgotts. Vorsichtig gingen wir vom Rhenus her durch ihre Thäler und Berge vorwärts bis wir endlich bei Solicinium der ersten Feinde ansichtig wurden. Unsere Vorhut meldete, daß die Alamannen den Berg besetzt hielten, der sich wie ein Riegel quer vor das Thal des Nicer lege. Wir hatten keine Lust, solche Höhen zu stürmen und schlugen ein festes Lager. Jeder Theil wartete, daß der andere angreife. Droben lärmten die Barbaren, unten verübten die Unsern vielen Unfug und hielten schlechte Mannszucht. So lagen wir uns lang gegenüber, während die Alamannen uns höhnten und unsere Truppen aus Ungeduld bereits zu meutern begannen. Um nicht Schlimmeres zu erleben, entschloß sich Valentinian zur Schlacht. Comes Sebastianus sollte über die Hügel, die nördlich an die Stellung der Barbaren sich lehnten, den Feind angreifen. Die Legion der Iovianer sollte das Lager und den jugendlichen Augustus Gratian hüten, mit der Masse aber ging der Kaiser selbst gegen die festen Höhen vor, um den Angriff zu wagen, sobald Sebastianus den Feind im Rücken gefaßt hätte. Der Zugang, den die Leute vom Vortrab gesehen hatten, schien dem Imperator aber wenig günstig. Er selbst ritt darum mit seinem Kämmerer und wenigen Begleitern auf Kundschaft aus. Die Niederungen am Berge hin waren noch überschwemmt von dem Frühlingsregen; der Schilf stand mannshoch; da, als der Cäsar dem Berge schon ziemlich nahe gekommen ist, brechen plötzlich hier und dort die Alamannen aus dem Dickicht. Ein hünenhafter Krieger, den Scheitel mit feuerfarbenem Bande umwunden, fällt mit geschwungener Streitaxt dem Pferde des Kämmerers in die Zügel. Ihn mochte er für die beste Beute halten, da er des Kaisers von Steinen und Geschmeide strahlenden Goldhelm trug. An Widerstand war nicht zu denken. Valentinian warf sein Roß herum und jagte, so rasch er konnte, durch Schilf und Sumpf zu uns zurück. Die Flucht des Augustus war es, womit die Schlacht begann und sein Goldhelm, den jeder Soldat kannte und der unser Feldzeichen gewesen in zwanzig Schlachten, war verloren. Helm und Kämmerer sah kein Auge wieder. Auf's neue ward gezögert, gerastet und berathen. Aber bereits hatte Valentinian keine Wahl mehr. Das Heer hatte seine Flucht gesehen, er mußte schlagen und siegen, oder die Soldaten riefen Sebastianus zum Imperator aus. Er selbst ergriff also die goldene Kreuzstange mit dem purpurnen Wimpel, unter deren Zeichen wir fechten. Die Tuba ertönte und wie sie so von Nord und Süd und West Antwort erhielt und dieses Echo den Soldaten sagte, wie stark wir seien, wuchs den Unsern der Muth und den Barbaren sank er, denn von der Ebene und aus den Thälern hörten sie bald hier, bald dort das Schmettern der Drommete. Salvius, ein Scutarier und einer von den Gentilen, Lupicinus, derselbe, der nun in meinem Hause ist, hatten sich zum ersten Angriff erboten. Ihre Lanzen fröhlich schwingend zogen die wackern Knaben singend und jauchzend weit voraus und erstürmten den ersten Hohlweg. Alsbald tobte um jeden Felsblock der Kampf; durch die Hecken und Dornen brachen die Unsern sich Bahn, während die Barbaren von oben schlugen, stachen und warfen. Aber auf einen Alamannen kamen zehn Römer; von allen Seiten wachsen die Römerhelme aus den Büschen empor. Rechts und links sind die Barbaren überflügelt. Immer rascher dringen die Unsern vor, immer matter wird der Widerstand. Als wir die Höhe des Berges erreicht hatten, entsteht nochmals ein furchtbares Ringen. Die Schlacht stand und rechts und links sanken die Todten. Da brach endlich Comes Sebastianus, der auf weitem Umweg die Höhe gewonnen hatte, im Rücken der Feinde aus dem Walde und nun wandten die Barbaren sich heulend zur Flucht. Der ganze Troß, sammt Weibern und Kindern floh eilend abwärts und nach ihren breiten Rücken und blanken Beinen versendeten wir nunmehr von oben alle Geschosse, die noch vorhanden waren, o daß der Berg bis zum Flusse hinab besät war mit blutigen Leichen. Der Rest der wilden Schaar aber verschwand, als wäre sie nie gewesen, in den Wäldern.«

»Das also war der Sieg«, sagte Rothari, »den Ausonius feiert in seiner Mosella:

»In vereintem Triumph erschauete Vater und Sohn sie, Als sie die Feinde verjagt über Nicer und Lopodunum Und die Quelle des Ister, die Roms Annalen nicht kennen. Jüngst des beendeten Kriegs kam dieser Bericht mit dem Lorbeer.«

»Aber solltest du glauben, daß dieser Sieg innerlich Valentinian nur wenig freut, ja, daß er mit stechendem Unmuth an diesen Tag zurückdenkt, so daß man desselben gar nicht erwähnen darf in seiner Gegenwart?«

»Seltsam!« »Die Kaiserin selbst hat es meiner Tochter anvertraut. Er sieht im Geiste sich stets auf der Flucht vor dem alamannischen Häuptling und vor Allem der Helm ist es, dessen Verlust ihn stachelt. Justina aber hört nicht auf, ihn daran zu erinnern. Du weißt, wie abergläubisch sie ist. In allen ihren Träumen erscheint ihr dieses Symbol der augusteischen Herrschaft. Bald trägt ein alamannischer Krieger den Helm und verspottet Valentinian darin vor dem ganzen Heere. Bald sieht sie ihn in der Halle eines Gaukönigs prangen und wenn die Feinde sich berauscht haben in Meth und Gerste setzt Einer nach dem Andern den Kopfschmuck des Alleinherrschers auf sein trunkenes Haupt. Meine Tochter sagt, Justina habe sich auch weissagen lassen, das Omen bedeute einen baldigen Kaiser germanischer Abkunft. Ich lachte, als ich es hörte, aber bei ihr ist der Helm zur fixen Idee geworden. Auch Valentinian wird keinen ehrlichen Frieden schließen mit den Alamannen, ehe sie seinen Helm ihm ausgeliefert haben.«

»Das wird schwer halten«, sagte Rothari, »der Krieger mit dem rothen Bande war kein Anderer als Rando.«

»Weißt du, wohin er die Beute brachte?« fragte der Comes eifrig. Aber Rothari schwieg. Der Jüngling schien in tiefes Sinnen versunken. Nach einer Weile sagte er dann: »Ich wäre gern nach Treveri zurückgekehrt, um mich mit dem Augustus zu verständigen, aber am Mons BrisiacusBreisach fand ich die Weisung vor, die Befestigungen am Rhenus zu prüfen und gute Beziehungen mit den Alamannen zu pflegen. Valentinian liege alles daran, daß noch ein Jahr Friede bleibe. Mir war das unlieb. Ich fechte ohne Bedenken gegen das Volk, das mich vertrieb, aber Hinhalten und belügen will ich sie nicht. Ist es wahr, was man mir zu VindonissaWindisch erzählte, der Kaiser wolle die gesammte Ebene an der Biegung des Rhenus und hier am Einfluß des Nicer wieder zum Reiche ziehn?«

Arator deutete nach den Wartthürmen, die vor und hinter ihnen auf den Bergen sich erhoben. »Es ist schon geschehen und ich lobe es. Seit der Grenzwall durchbrochen und aufgegeben ward, begann ein endloser Rückzug. Erst hinter dem Rhenus wähnten wir uns sicher. Aber für die alamannischen Wölfe ist der Rhenus im Sommer seicht genug, um ihn zu durchwaten, im Winter fest genug, um ihn zu überschreiten. Immer und immer wieder ergossen sie sich über Gallien, du kennst ja selbst die Wege, du unser alter Feind!« Rothari lächelte, aber der Andere fuhr eifrig fort. »Als vollends dein Vetter Rando am Epiphanienfeste in Mogontiacum eindrang und die ganze versammelte Gemeinde in der Basilica abfing und als Sclaven wegführte, da entschieden auch die Bischöfe, es müßten auf dieser Seite des Rhenus wieder Wartthürme und Kastelle errichtet werden, damit die Gemeinden in Sicherheit das Wort vernehmen könnten. Mit dieser Aufgabe hat der Augustus mich betraut. Das Lager da unten, Novus Vicus und Lopodunum selbst würden nicht sicher sein, wenn wir nicht diese Höhe befestigen.«

»Das ist gegen die Verträge«, sagte der Alamanne trocken.

»Die Verträge mit den Barbaren haben Rom nie etwas anderes als Waffenstillstand bedeutet. Ehe unsere Adler wieder auf dem Grenzwall aufgepflanzt sind und der Mons Taunus wieder des Reiches Grenze heißt, keinen Frieden mit Macrian!«

»Du weißt, daß Macrian's Sohn aus Mogontiacum entfloh?« sagte Rothari lächelnd.

»Entfloh?« rief Arator erschrocken. – »Dann wahre der Schuldige sein Haupt vor Valentinian's Zorn.«

»Gestern erhielt ich die sichere Botschaft. Ein Germane führte sich mit kaiserlicher Vollmacht bei den Geiseln ein, um sie nach der Sitte unseres Landes in den Waffen zu unterweisen. Kein Geringerer als Comes Merobaudes hatte ihm die Erlaubniß dazu erwirkt, aber schon am folgenden Tage war der Fremde und mit ihm Macrian's Sohn verschwunden. Wie das möglich wurde, ist bis jetzt vollkommen dunkel. Der Knabe fehlte beim Frühmahl und keine Marter konnte die übrigen Jünglinge bestimmen, das Geheimniß dieser Flucht zu verrathen, obwohl Merobaudes sie peitschen ließ bis auf's Blut, die armen Opfer ihrer Treue.«

»Schlimm, schlimm«, rief Arator. »Das bedeutet Krieg und wir brauchen den Frieden.«

»So lang Macrian«, tröstete der junge Germane, »seinen Tribut bekommt, wird er den Frieden halten.«

»Rom zahlt keinen Tribut«, erwiderte der Comes scharf, indem er das Haupt zurückwarf, »es gibt den Barbaren Geschenke.«

»Die diese sich holen, falls sie ausbleiben«, erwiderte Rothari gleichmüthig.

Der Comes schaute ihn fest an, als wollte er tief in seiner Seele lesen, aber der junge Krieger hielt den Blick aus. »Ich habe mit Gratian Blutbrüderschaft getrunken«, sagte er, »das bindet mich auch an seinen Vater. Selbst gegen Volk und Sippe will ich euch Treue wahren, wie es dem Germanen ziemt. Haltet nur auch ihr nicht wieder Hinterlist und Treubruch für das beste Mittel mit den Alamannen fertig zu werden.« Unter solchen Gesprächen waren die beiden Männer auf der vorderen Kuppe des Berges angekommen, wo eine weite Aussicht sich aufthat. »Sieh da den Vater der Flüsse, den Rhenus!« rief Rothari freudig aus, »den Germanen und Römern gleich heilig!« In der That war es ein bezauberndes Bild, das sich vor den Augen der beiden Krieger aufthat. Zu ihren Füßen breitete sich bis zu den fernen dämmernden Bergen die grüne Ebene hin und in den sammtenen Teppich zeichnete der schlangenartig gewundene Nicer seine silbernen Arabesken. Am Horizont sah man deutlich den Eintritt des Flusses in den Rhenus, der als glänzender Silberstreif aus der dämmernden blauen Ferne seine blitzenden Strahlen herübersendete, mit seinem hellen Bande bald langgestreckte, bewaldete Inseln umfassend, bald zur Rechten, bald zur Linken von glänzenden breiten Altwassern oder weiten schwarzen Föhrenwäldern umgeben.

»Was ist das für eine Kuppel, die so hell vom Rhenus dort herüberstrahlt?« fragte Rothari.

»Kennst du die ›vergoldete Zinne nicht in der Mitte des Palastes und die bleierne Brustwehr‹, die Symmachus in seiner Rede feiert?«

»Ach, Alta Ripa«,Altrip rief der Germane. »Wie scharf sich das Munimentum von dem dahinter fließenden hellen Strome scheidet! Aber wie heißt die Stadt hier mit der Brücke, das ist wohl Noviomagus?«Speier

»Ganz recht, die Stadt der Nemeter. Am hellen Tage kann man die Schiffbrücke sehen, die Valentinian geschlagen und mit einem Damme belegt hat. Auch den Hafen siehst du zur Linken, in dem die geschnäbelten Wachtschiffe sich bergen. Hier dagegen nach Norden, wo der blaue Bergrücken sich in seiner Linie vom Himmel abzeichnet, liegt Borbetomagus, die Stadt der Vangiones.Worms.« Von der Ferne kehrte das ermüdete Auge der beiden Krieger zu dem schönen Panorama unter ihren Füßen zurück. »Dieses hier ist meine Villa«, sagte der Comes und er deutete nach dem letzten Hause des Novus Vicus, der sich mit seinen Gärten und Obstbäumen hart am Abhange hinbreitete, so daß man in die offenen Viridarien und Peristyle der Häuser hineinzusehen vermochte. Dem Dorfe auf dieser Seite des Flusses entsprach auf der andern ein langer Streifen ärmlicher Häuser und hölzerner Hütten, die die Brücke mit dem diesseitigen Lager verband. Von dieser strahlte ein Stern geradliniger Straßen hinaus nach den benachbarten Römerstädten. Die Ebene war zum Theile wieder bebaut und der baufällige Zustand der Villen und Gehöfte, die hier und dort herüberglänzten, verbarg sich auf diese Entfernung dem Auge.

»Ein gesegnetes Land«, rief Rothari aus, »es verlohnt sich um dasselbe zu kämpfen. Wie eine geschmückte Tänzerin, gekleidet in grüne und blaue Gewänder, mit blinkenden Bändern von Silber und Stahl, steht die Landschaft zwischen uns und euch, was Wunders, daß Alamannen und Römer sich um sie raufen. Ich wollte der Gau wäre mein, daß ich all' die Städte wieder bauen könnte, die wir in den letzten zwanzig Jahren verbrannten.«

Damit wendete er sich wieder dem Wege nach der Höhe zu, der hier durch einen hohen Wall versperrt ward. »Der alte Ring der Alamannen«, sagte Arator, indem er sich anschickte, zwischen den weißblühenden Brombeerhecken hindurch das Steingeröll zu erklimmen, das in der Sonne glühte. Das barbarische Bollwerk war aus großen Blöcken geschichtet, deren Fugen mit kleinen Steinen ausgefüllt waren, und lief als Brustwehr um die ganze Höhe des Bergs. Weiter oben wurde ein engerer Ring sichtbar, der gleichfalls beide Gipfel des Bergstocks einschloß. »Hierher versammelten die Alamannen ihr ganzes Volk mit Kindern, Weibern und Heerden, als der letzte Krieg begann.«

»Es muß schwer gewesen sein, diese Schanzen zu stürmen«, sagte der Germane.

»Sie räumten sie selbst, nachdem sie überflügelt waren und ich beklage, daß unsere Vorhut trotz meines Verbots gegen ihre Weiber und Kinder arg gewüthet hat.«

Die Erinnerung war dem greisen Feldherrn nicht erfreulich und er klomm rasch, dem jüngern Mann voraus, den Steinwall aufwärts.


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