Adolf Hausrath
Jetta
Adolf Hausrath

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Elftes Kapitel.

Stimmen und Schritte tönten im Tablinum. Erschreckt fuhr Rothari aus dem Schlafe empor, öffnete die Thüre und horchte gespannt hinüber. Er hörte Valentinian's herrische, mächtige Rede. »Diese Eifersüchteleien zwischen euch müssen ein Ende nehmen«, sagte der Kaiser. Rasch und entsetzt griff Rothari nach seinen Sandalen und fuhr in seinen Lodenrock. »Der Zustand der Provinz verlangt, daß ihr nicht nur äußerlich, sondern von Herzen zusammenwirkt.« Rothari ordnete rasch seinen Bart und seine Haare. »Syagrius hat der Augusta einen Wunsch vertraut, den mir meine Gattin an's Herz legte. Justina ist klug in allen Dingen, zumal in einer Sache, in der Frauenrath ganz am Platze ist.«

»Donar möge sie erschlagen«, knirschte Rothari, warf seine Schwertgurt über den Arm und den Mantel über die breiten Schultern. Fest aber leise schritt er nach dem offenen Eingang, der Atrium und Tablinum schied und sah alsbald die Hünengestalt des Kaisers, der bequem in einem Stuhle lag. Sein Behagen glich dem eines ruhenden Löwen und nur das flammende Auge erinnerte, daß dies derselbe Valentinian sei, vor dem die Menschen zitterten. Hinter ihm stand der rothbärtige Notar in sorgfältigem Putze, zur Seite Arator, auf den Jetta sich leise lehnte, würdevoll wie immer, aber blaß. Sie richtete ihr Auge traurig auf den Eintretenden, als wollte sie ihm sagen: »So achtest du meine erste Bitte? Du schläfst, während sie über mein Schicksal würfeln.« Der Kaiser beantwortete Rothari's Eintreten nur mit einem Stirnrunzeln und fuhr lauter fort: »Justina also verwendet sich dafür, du möchtest deine Tochter Syagrius zum Weibe geben, damit der Friede zwischen euch ein dauernder werde.« Ein Scharren zur Seite ließ Rothari gewahren, daß auch Gratian an einer Säule lehnte, noch unruhiger als sonst die langen Glieder hin und wieder schleudernd.

»Ich habe meine Tochter schon einem Andern halb und halb verlobt«, erwiderte Arator verlegen. »Verzeihe, Herr, wenn ich erst andere Verpflichtungen zu lösen suche, ehe ich neue eingehe.«

Valentinian erhob sein Löwenhaupt und seine Miene ward finster.

»Ich dachte, daß es so kommen werde«, nahm Syagrius nun mit schneidendem Tone das Wort. »Du siehst, Augustus, wie wenig es dem Comes um den Frieden zu thun ist. Das Alles sind Ausflüchte. Ich kenne die gesammte Jugend des Lagers. Niemand ist hier, der zu der Tochter des Comes die Augen zu erheben wagte.«

Arator erwiderte stolz: »Das werde ich als Vater doch wohl am besten wissen.«

»Ich kenne niemanden, niemanden«, gab Syagrius in scharfem Tone zurück.

Rothari schaute nach Jetta, die sich zu ihrer vollen Größe aufgerichtet hatte und bleich aber in stolzer Fassung der Verhandlung zuhörte. Dieses schöne, blasse Antlitz verrieth nicht Furcht, aber verhaltener Zorn spiegelte sich in ihren Mienen. »Soll ich verhandelt werden wie sie um Pferde handeln?« schien die Falte auf ihrer jungfräulichen Stirne zu sagen. Als Syagrius aber so hartnäckig auf des Kaisers Zusage sich steifte und dieser unmuthig auf seinem Stuhle zu rücken begann, wurde sie bleicher und bei des Notars keckem Pochen: »ich kenne niemanden«, schlug sie plötzlich die dunkeln Wimpern auf und ein heißer Strahl ihres Auges traf den Germanen. Das war nicht mehr Medea, die ihn zwischen Grauen und Ehrfurcht gefesselt hielt. Es war der Blick eines Hülfe suchenden liebenden Weibes, das, wie jedes andere Weib, des Schutzes bedurfte. Wie von einer höheren Gewalt gestoßen, trat der Germane vor und rief: »Dieser niemand bin ich. Ich freie um Arator's edle Tochter!« Der Notar erbleichte. Aber auch von der andern Seite trat ein kleiner, dicker Togaträger hervor; es war Ausonius: »Möge deine Erlauchtheit mir verzeihen«, sagte er in süßestem Tone, »wenn so öffentlich darüber verhandelt wird, wer würdig sei, Gatte der schönen Jetta zu werden, dann muß auch ich bezeugen, daß von früher Jugend, das heißt Jugend ihrerseits, ein Band der Freundschaft uns verbindet, das ich gern in Hymen's Band verwandeln möchte.«

»Und Bissula?« rief Gratian mit spöttischem Tone.

»Bissula ist eine Sklavin und wird sich finden«, sagte der kleine Mann mit vieler Würde. Der Comes schlug vornehm betroffen die Arme übereinander und wickelte sich eng in seinen Mantel. Jetta hatte die Augen wieder gesenkt und keine Miene verrieth, was in ihr vorging. Der Kaiser aber brach in ein Gelächter aus. »Sagte ich es doch Justina gleich, daß ich mich zum Freiwerber durchaus nicht eigne! Da hätte ich am Ende Syagrius mit Rothari und Ausonius entzweit, statt ihn mit Arator zu versöhnen. Nun mag die Jungfrau selbst entscheiden. Ich bin's zufrieden, wenn zwei von euch sich verbinden, dann wird der dritte auch sich fügen müssen. Nun, stolze Tochter Roms, willst du den Alamannen lieber oder den Gallier Ausonius oder den Griechen?«

»Erlaube, erhabener Herr, daß eine freie Römerin aus erlauchtem Geschlechte sich als Freie gebe und vielleicht weder dem Alamannen, noch dem Gallier, noch dem Griechen.«

Der Kaiser lachte. »Ich sagte es ja immer«, scherzte er, »daß Arator's Tochter einer der schönen Griechinnen gleiche, um die die Helden kämpften und die Völker in Aufruhr kamen. Aber bedenke, mein Kind, daß der Griechen Schiffe fast zu Grunde gegangen waren über den schönen Augen der Briseis. Entscheide dich, ehe ich solchen Schaden erlebe wie König Agamemnon.«

»Der Antrag der Herren ehrt mich sehr, aber ich muß mich prüfen«, erwiderte Jetta ausweichend.

»Sie prüfen, heißt das wohl?« lachte der Kaiser. »Schön, aber prüfe sie wie Römer oder meinethalben wie die Freier der Penelope mit Bogen und Pfeilen!« »Ich nehme den Vorschlag an«, sagte Jetta heiter. Sie faßte mit ihrer Weißen schmalen Hand das Ende ihres Schleiers und zog ihn anmuthig über ihre Schulter. Die Furcht, die sie noch eben befing, schien sie gänzlich abgeschüttelt zu haben. Eher lag ein leichter Spott in ihrer Miene, als sie sich aufrichtete und gleich einer Königin sprach: »Mein Vater hat mir ein Gütlein geschenkt am Promontorium, den Bühl nennen es die alamannischen Knechte. Heute meldet mein Pächter, daß eine Wölfin in der Nähe Hause, die täglich ein Thier meiner Heerde, ein Huhn bald, bald eine Ziege, bald ein Lamm mir raube. Sie füttert wohl ihre junge Brut in der Nähe, aber die Leute konnten ihr Lager nicht finden. Wollt ihr, edle Herren, mit mir jagen? Ich sage nicht, daß ich dem gehöre, der das Unthier erlegt. Das könnte auch ein Sklave sein und wir leben nicht mehr in den heroischen Zeiten, da man Atalanta im Wettlauf gewann. Aber die Jagd im Maienwalde versöhnt die Gemüther und bis zum Ende der Jagd haben wir uns vielleicht alle anders besonnen.«

»Der Augustus selbst beugt sich vor so viel Schönheit«, sagte Valentinian, und die plumpe Gestalt neigte sich mühsam vor der schlanken Jungfrau. »Ich weiß, daß Jetta viel auf mich hält und ich will ihr zeigen, daß auch ich auf sie halte.« Syagrius machte eine Bewegung des Unmuths, aber der Kaiser wendete sich ihm trostreich zu. »Du giltst ja für einen guten Schützen, Grieche, gib deine Sache nicht allzufrüh verloren. Ich kehre nach Alta Riva zurück. Es wird Justina freuen von dem Ausgang dieser Jagd zu hören. Wer auch der glückliche Jäger sei, ich wünsche ihm Glück zu solcher Beute.«

Er wollte das Gemach verlassen, als ihm Rothari den Weg vertrat. »Erlauchter Augustus«, sagte der Germane kalt, »ich lege mein Amt hier in deine Hände.«

Valentinian stutzte. »Ich war des Verraths beklagt«, fuhr Rothari fort, »und halte damit meinen Auftrag für erloschen, der vor Allem Vertrauen erfordert. Laß mich deinem Sohne dienen, aber die Verhandlungen mit den Alamannen kann ich nicht weiter führen.«

Freundlich sagte der Kaiser, während sein eines Auge den Boden, das andere die Wand anstarrte: »Wer sagt dir, daß ich dir nicht vertraue? Du bleibst hier bei Arator und damit du siehst, wie sicher ich auf dich zähle, will ich die Wartthürme auf der südlichen Seite des Nicer dir unterstellen bis sich bessere Arbeit für dich findet.« Arator und Syagrius legten ihr Angesicht in ernste Falten. Statt zweier Befehlshaber waren es nun ihrer drei. Aber das entsprach ja Valentinian's Weisheit, der seine Stärke in der Schwächung aller Provinzialgewalten suchte. Ehe noch eine Bemerkung möglich war, hatte der Augustus das Gemach verlassen, während Arator ihm ehrerbietig das Geleit gab.

»Also auf morgen, ihr Herren, zur Jagd«, sagte Jetta mit frohem Uebermuth. »Armer alter Freund, wie wirst du keuchen«, nickte sie noch Ausonius zu.

»Aber auch ich möchte diese Jagd mitmachen«, rief Gratian, »die Jagd nach dem Glücke.« Die Erregung machte seine Stimme noch dünner, sie klang knabenhaft hell, so daß die Andern wider Willen unehrerbietig lachten. »Ei, mächtiger Augustus«, scherzte Jetta, »ich dächte, du hättest dein Herz an Constantia geschenkt?«

»Mein Vater schenkte ihr, was selbst nicht sein war. Mir liegt nicht das Geringste an der Verwandtschaft mit dem alten Kaiserhause.«

»Staatsgeheimnisse und Herzensgeheimnisse«, sagte Jetta, indem sie die Falten ihres Gewandes mit ihrer feinen Mädchenhand glatt strich, »muß man nicht vor so vielen Zeugen preisgeben, mein Erhabener und Erlauchter, und da der Kaiser heute noch reist« ... Gratian unterbrach sie: »Mein Vater mag reisen, ich aber bleibe. Wozu hätte er mich zum Mitregenten angenommen, wenn ich nicht einmal soll jagen dürfen, wann ich will?« Jetta zuckte die schönen Schultern und verschwand nach oben. Rothari schaute ihr in traumhafter Entzückung nach. Selbst die Marmorstufen der Treppe schienen ihm zu erglänzen, wo der kleine Fuß den kalten Stein berührte. Gratian trat hastig auf ihn zu: »Ich sah wohl den Blick, den sie dir zuwarf. Mein Vater hat ganz Recht, es war Helena's Blick, der Paris zum Schurken machte, der Blick, der die Griechen über das Meer trieb, der Blick, der Troja's Zinnen stürzte. Ich frage dich bei deiner Ehre: wen liebt sie, dich oder mich?«

»Sie sprach recht freundlich von dir, recht mütterlich.«

»Geh zum Styx mit allen Müttern. Aber ich schieße besser als du. Ich will euch allen zeigen, daß ich ein Mann bin.« Mit einer wüthenden Gebärde stürzte der Jüngling aus dem Hause. Syagrius und Rothari maßen sich noch mit einer fremden, kalten Miene, dann schieden auch sie.

Vor dem Thore stieß Rothari auf Arator. »Wie werden wir unsere Gewalten abgrenzen?« fragte der Comes. »Wie Vater und Sohn«, erwiderte der Germane. Da traten dem alten Manne die Thränen in die Augen und er küßte den Jüngling auf die Wange. Rothari reichte ihm herzlich die Hand. »Machen wir durch Vertrauen gut, was Valentinian durch Argwohn sündigt«, sagte er und verließ den Alten in tiefer Bewegung. Zunächst ritt Rothari nach dem Lager, um sich seinen Truppen als Führer vorzustellen. Am Abende setzte er sich wieder an die Marmorschale, heute jedoch vergeblich. Die kastalische Quelle rauschte wie sonst, aber die Muse fehlte.

Der Begegnung mit Rothari ausweichend war Jetta nach dem Zehnthofe unterhalb der Straße gegangen, wo Ausonius zu Hausen pflegte, wenn er nach Novus Vicus kam. Halb ärgerlich, halb humoristisch gestimmt, wollte sie dem alten Freunde den Kopf waschen für die Thorheit, die er diesen Morgen begangen. Aber als sie zu dem Gehöfte hinabgestiegen war, blieb sie zögernd vor der Thüre stehn, denn drinnen erscholl unbändiges Klagen und Weinen. Seltsame barbarische Laute einer flehenden Frauenstimme schlugen an ihr Ohr. »Barmo, liabo! Kanado, mina heroro, kanado!« so ungefähr klang es. Das kindische Weinen und Jammern ergriff Jetta tief, aber sie fürchtete eine entsetzliche Scene zu veranlassen, wenn sie eintrat. Nur zu wohl konnte sie sich denken, wer in diesen Jammertönen zu Ausonius flehe.

»Erasinus! Erasinus!« hörte sie jetzt den Dichter rufen. »Bringe mir die Toga, die Sandalen, ich will in's Lager bis dieses Weib sich ausgeweint hat.« Der Rest seiner Worte wurde wieder von Bissula's Wehegeschrei verschlungen. Rasch trat Jetta hinter einen der hundertjährigen Nußbäume, die römische Colonen einst gepflanzt hatten, während Ausonius sich mit seinem Pagen Erasinus hastig entfernte. Man sah dem großen Dichter sein schlechtes Gewissen sogar von hinten an, so eilig machte er sich aus der Tragweite von Bissula's Kehle. Die verlassene Alamannin drinnen schwieg, sobald sie gewiß war, daß keiner ihrer Seufzer mehr zu dem hartherzigen Gatten den Weg finde. Jetta aber brachte es nicht über sich, das arme Weib seinem Jammer zu überlassen, sie trat in den ländlichen Hof. Ein gewaltiger Molosserhund kam ihr knurrend entgegen, da aber Jetta keine Furcht zeigte, machte er vor ihrem gebieterischen: »nieder« kehrt und legte sich in seine Hütte. In vornehmer Haltung, wie die Königin in das Haus des Armen, trat nun Jetta durch die offene Thüre in das Atrium, wo sie in der Dämmerung an einer Säule kauernd die Trauernde gewahrte. Bissula hatte ihr Angesicht in die Hände gestützt; ihre blonden Haare hingen aufgelöst über ihre Schultern und in dumpfem Schmerze starrte sie vor sich hin.

»Weine nicht, Bissula, Ausonius wird dich nicht verlassen. Du ängstest dich ohne Noth«, sagte Jetta mit milder Stimme. Es lag so viel Sicherheit und herzlicher Trost in dieser Rede, daß das schöne Alamannenweib sich langsam aus ihrer Erstarrung aufrichtete. Verweinte blaue Augen trafen Jetta und alsbald flossen die Thränen wieder. »Oh, hohe Frau«, jammerte sie, »sie hat ihn behext, er wird sie heirathen. Ach, wenn du eine der guten Frauen bist oder eine Göttin der Römer, hilf mir. Sie werden mich verkaufen und er hat mir doch so oft versprochen, daß er mich nie von sich lassen wolle. Er werde mich freilassen und zu seiner Gemahlin machen, sagte er, so wahr er Decimus Magnus Ausonius heiße. Und nicht wahr, er heißt doch auch so und hat mich nicht am Ende schon damals belogen?«

»Nur ruhig, gute Frau, er wird Jetta nicht heirathen.«

»Weißt du das ganz gewiß?« fragte die Alamannin ängstlich.

»Ich weiß ganz gewiß, daß Jetta ihn nicht bezaubert hat und daß sie ihn nicht heirathen will, denn ich bin Jetta.«

Kaum hatte die Jungfrau diese Worte gesprochen als Bissula aufsprang, ihre Kniee umschlang und auf's neue zu weinen begann. »Oh, sei barmherzig, bei allen Göttern ... gib mir Ausonius wieder ... ich weiß, daß du zaubern kannst, wende mir sein Herz wieder zu. Er war so gut, ehe er dich heirathen wollte und lobte mich immer, daß ich so schnell lateinisch gelernt hätte. Und er sagte, ich spreche es ganz gut aus, ach und es war so schwer, euere Sprache zu lernen. Was soll ich nur anfangen, wenn er mich wegschenkt oder verkauft, denn geizig ist er.«

»Nur ruhig, Bissula, ruhig. Habe nur zwei Tage Geduld. Zanke nicht, wenn er wiederkommt, weine auch nicht, sondern trage alles sanft und freundlich. Ich verspreche dir, morgen Abend um Sonnenuntergang schwört er dir auf's neue, er werde dich heirathen, so wahr er Decimus Magnus Ausonius heiße und so heißt er wirklich.«

»Oh, du bist so mächtig, mache, daß das wirklich so kommt.«

»Aber du darfst heute Abend nicht wieder weinen und schreien.«

»Ach, das kann ich nicht, das kann ich nicht«, jammerte jetzt Bissula auf's neue. »Ich muß es ihm sagen, wie schlecht er an mir gehandelt hat. Noch nicht die Hälfte habe ich ihm gesagt von allem, was ich ihm sagen wollte, er ist ja weggelaufen mit seinem abscheulichen Erasinus. Nein, ich will ihm vorheulen die ganze Nacht und alle Nächte.«

»Dann wirst du ihn verlieren, das sage ich dir.«

»Oh, ich armes Weib«, weinte die Alamannin, »du weißt nicht, wie es mich hier am Herzen drückt. Oh, ich armes Weib ... so gib mir ein Zaubermittel, daß ich still sein kann, denn sonst wird mir das Herz brechen.«

»Gut, gib mir einen Becher. Hier steht ja ein Krug, schön. Bleibe ruhig hier bis ich wieder komme. Jetta ging hinaus in's Viridarium, wo sie einen Brunnen rauschen hörte. Dort füllte sie den Krug und betrachtete sich eine Weile Ausonius' absonderliche Einrichtungen. Dann kehrte sie wieder zu der Alamannin zurück. »Hier«, sagte sie zu Bissula. »Sobald die Sonne vollends gesunken ist, legst du dich nieder und stellst diesen Krug mit geweihtem Wasser neben dein Bett. Sobald du Ausonius kommen hörst« ...

»Soll ich ihn damit besprengen?« ...

»Nein, höre genau zu. Alsbald nimmst du einen Schluck von diesem Wasser und behältst ihn im Munde und liegst ganz still und für dich denkst du immer die Namen Decimus Magnus Ausonius .... Wenn dir durch irgend ein Ungeschick das Wasser aus dem Munde kommen sollte, so nimmst du sofort einen neuen Schluck und denkst nichts Anderes als Decimus Magnus Ausonius. Wenn du so thust, wird Ausonius morgen wieder dein sein. Sprechen darfst du aber kein Wort, sonst geht er dir verloren. Hast du verstanden?«

»Ja, ja, ich will es thun. Hast du es auch so gemacht, um ihn mir abzufangen?«

»Du hörst ja, thörichte Frau, daß ich ihn gar nicht fangen wollte. Er ist viel zu klug für mich.«

»Ja, das ist er«, sagte Bissula. »Oh, wie froh ich bin, daß ich dich nun nicht zu tödten brauche.«

»Ei, sieh da, du wolltest mich tödten. Das sind ja schöne Dinge. Wie hättest du denn das gemacht?« »Oh«, sagte Bissula eifrig, »ich hätte diesen Strick von meinem Gewände genommen und dich so, siehe so, erwürgt. So machen wir es zu Hause. So drehen wir die Schlinge, dann so, nun so, dann ist es gleich vorbei. Ich lernte es, als ich noch im marcianischen Walde wohnte bei Tarodunum.Zarten. Manchen großen Truthahn habe ich auf diese Art erwürgt, weil Ausonius sagte, der verliere immer zu viel von dem Blute.«

»Ich hoffe, du hättest dir doch vorher überlegt, daß ich kein Truthahn bin«, sagte Jetta lächelnd. »Ausonius ist wohl hart gegen dich?«

»Oh, wie sich's trifft. Er ist eben ein Dichter. Bald schlägt er mir Beulen, bald macht er Verse auf mich. Ich will aber doch bei ihm bleiben.«

»Gut, dann thue genau, was ich dir sagte.«

»Sobald er kommt, werde ich das Wasser in den Mund nehmen«, versicherte Bissula eifrig.

»So lebe wohl«, erwiderte Jetta, »und bedenke, daß ein unnützes Wort den Zauber zerstört. Schweigst du aber, so bist du morgen Abend aller Sorgen ledig.« Da sprang die Alamannin auf und ehe Jetta es sich versah, bedeckte sie ihr Angesicht mit Küssen, so daß diese froh war, so stürmischen Dankesbezeugungen nach der Straße zu entrinnen. »Wenn dieses große Kind so unversehens zu würgen, wie zu küssen versteht«, sagte sie, ihren Schleier wieder ordnend, »so bin ich freilich einer großen Gefahr entgangen.« Wie sie dann einige Schritte vom Hause entfernt war, hörte sie Bissula in den glückseligsten Tönen jauchzen und singen und sie eilte, so rasch sie konnte, weiter. »Wie Ausonius das nur aushält?« dachte sie. Dann blieb sie stehen: »Ob die Männer dieses Volkes nicht klüger sind als ihre Frauen? Rothari gewiß.« Und still vor sich hinlächelnd über ihr neues Zaubermittel zur Wiederherstellung des ehelichen Friedens, kehrte sie zurück in ihre Stube.


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