Hans Hart
Das Haus der Titanen
Hans Hart

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Trotzig und scheu saßen Witte und Elias um den Kindertisch, aßen nur wenig und hatten erstaunte Blicke, weil heute eine schwarze und traurige Welt das Haus erfüllte. Manchmal schnupperten die kleinen Nasen, denn überall hing noch der Geruch von Blumen und Wachs. Witte zerrte an den Ärmeln seines neuen Traueranzuges und rieb verdrossen die Beine aneinander, die in ungewohnten, langen schwarzen Strümpfen steckten.

Flora Schirlitz verteilte reichlich gutgemeinte Küsse an die Knaben, bis ein Blick des Geheimrats ihr halt gebot. Und er sagte mit frostigem Gram in der Stimme: »Die Kinder sollen jetzt neben mir schlafen,« streckte die Arme und schloß sie zum Kreis, als wollte er alles, was ihm geblieben, mit festem Griff umfassen.

Wittes eigensinniges, verweintes Gesicht verschwand sofort hinter der großen Milchtasse, man sah nichts als die dunkelblonden, steilrecht gefurchten Brauen. So hockte er mit aufgestemmten Ellenbogen und trank schlürfend und schnaufend, wie ein kleines Tier.

Die Schirlitz sah voll mitleidiger Bosheit zum Geheimrat: »Witte wird nicht wollen.«

Er zog den Kopf zwischen die Schultern: »Ich kann ja warten.«

Und war das erste Nachgeben in diesem Hause, in dem sonst nur sein Wille galt.

Mit steifem Schritt verließ er das Zimmer, an der Tür wandte er noch einmal den Kopf und nickte Jakobe und der Schirlitz zu: »Ich war mit euch zufrieden in diesen dunklen Stunden. Und so lasset uns denn in besinnlicher Arbeit hellere Tage erwarten. Es gilt, über dem Toten das Lebendige nicht zu vergessen.«

Und sein Lächeln grüßte Witte und Elias.

Dann ordnete und sichtete er die Papiere seines Sohnes, warf Briefe ins Feuer, ohne sie zu lesen, gab Schückedanz telephonisch Weisung für die Klinik und legte das Haushaltungsbuch bereit, weil er gesonnen war, von jetzt an die Zügel des Regiments in eigene Hände zu nehmen, alles in der pedantischen Gelassenheit, die seinem Wesen keinen Abbruch tat.

Plötzlich stand Witte vor ihm und trotzte aus grauen Kinderaugen.

Philipp Emanuel wartete in der Sehnsucht seines frostigen Alters.

Langsam ging Witte zum Schreibtisch und griff nach seines Vaters Bild.

»Das gehört jetzt mir.«

Er hielt es fest mit beiden Händen und hatte eine ganz neue steife und verhaltene Würde.

Da wuchs ein Williguth.

Der Geheimrat horchte, wie die kleinen, festen Schritte durch die Stille tappten, die Holztreppe empor, und sich in dem dunklen Korridor verloren.

Da wuchs ein Williguth, stark und trotzig, mit dem Leben Faust auf Faust.

Droben klappte eine Tür, kurz und scharf ins Schloß geworfen.

Plötzlich schien das schweigende Haus laut und reich an aller Möglichkeit. Und Philipp Emanuel Williguth lachte in seiner Einsamkeit.


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