Hans Hart
Das Haus der Titanen
Hans Hart

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Der Geheimrat setzte schnell, wie unangenehm berührt, den kleinen Witte ab und schritt zu Tische. Fast zornig sah er den überlangen Christoph an, der ein dickes Jesukind mit plumpem Heiligenschein über ein absonderlich geringeltes blaues Wasser trug, hart und eckig auf Holz gemalt. Alles war altersschwarz und undeutlich, Tang und Muscheln, die häßlichen Meerungeheuer vor den Füßen des Heiligen und die bunt zusammengewürfelten Landschaften im Hintergrund. Da gab es eine brennende Stadt, über der ein singender Engel schwebte, Hirten, die Lämmer weideten, und Vogelsteller mit ihren Netzen; eine Reiterschlacht, von der nur mehr die Hinterteile der sich bäumenden Pferde sichtbar waren, alles zwischen seltsam gezackte Berglein und kuriose Bäume und Bauten eingeschachtelt, und schließlich auf kugelrunden Wolken Gottvater selbst in aller Herrlichkeit, von Engeln umgeben, die Posaunen bliesen. Die Posaunenengel waren klar und hell zu erkennen, Philipp Emanuel hatte sie frisch übermalen lassen, zur Erinnerung, daß er selbst im Hause seines musikgewaltigen Vaters Posaune geblasen hatte. Es war ein starker Zug von Zusammengehörigkeit und Familienstolz in diesen Williguths, ob sie nun Organisten, Zuckerbäcker, Ringkämpfer oder weltberühmte Chirurgen wie der Geheimrat waren. Der ewig spöttischen und rätselhaften Renate Forcade just zum Trotz machte Philipp Emanuel den Prinzen Elias auf das Bild aufmerksam.

»Ein alter Meister?« fragte der Prinz freundlich und setzte den Kneifer auf.

»Nein, Hoheit, das Apothekenschild des Fortunat Williguth aus Quedlinburg von 1632.«

Und er wies die verschnörkelte Jahreszahl im Holzsockel, mitten in einem dicken, bunten Kranz von Medizinalblüten, Mohn, Bilsenkraut, Muskatrosen, Ysop und Akonit.

Renate schnitt eine lustige Grimasse nach Jakobe hin, und dann wurden ihre Augen plötzlich groß und ernst, als schaute sie an der Schwester allerlei Wunder, die ihrer eigenen Seele noch fremd waren.

Die Sonne ließ Jakobes reiches braunes Haar goldig schimmern, wie den matten Brokat, aus dem sich die schmalen, weißen Schultern hoben. Ihr Lächeln war so ruhig, als schliefe ihr Blut einen sanften Schlaf.

Jetzt klopfte der Geheimrat an sein Glas, groß und wuchtig ragte er über die zarten Blumen weg, seine Linke wühlte in frühen kostbaren Rosen und zerblätterte sie. In klaren, abgemessenen Worten dankte er dem Prinzen Elias, der sofort das Wohl Jakobes ausbrachte und daran zierliche Worte über Mütterlichkeit und Eheglück knüpfte.

Jakobe senkte die Wimpern über die fast erschreckten Augen und hielt den Kopf tief, als bekäme sie Schelte.

Breit lachte Philipp Emanuel in sonnigem Behagen: »Ja, das Volk mehrt sich unter meinem Dach.«

Schier scharf betonte er das Wort »meinem«. Für die Williguths galt nur der Besitz.

Renate in ihrer jungen Unruhe trommelte gelenkig und lautlos auf dem schweren Damasttuch. Ihr Auge haschte nach dem ihres Vaters, und sie nickten einander zu, heimlich, glücklich, ein wenig ungeduldig, wie zwei Verschworene. Die trotzigen Williguths waren ihnen zu laut und zu bestimmt, jedes Wort war ein Hieb und jeder Händedruck ein Griff.

Der Rittergutsbesitzer Giacomo Williguth, der reichgewordene große Ringkämpfer, trank und trank, bis die hellblauen Augen leicht verschleiert waren. Hier und da rief er ein kurzes Bravo. Seine starken Kinnbacken kauten das Wort beinahe hervor. Das blütenweiße Hemd über der mächtigen Brust blähte sich wie ein stolzes Segel.

Giacomo hob das Glas. Mit einem frohen Kinderlächeln blickte er um sich, auf all den stattlichen Besitz seines Bruders, auf die schöne Frau Jakobe und auf das reiche Silberzeug in gleicher Weise. Dann sagte er kurz: »Auf deinen dritten Buben, Jakobe!«

Alle Williguths klatschten fröhlich Beifall.

Nur die magere Frau Superintendent, die sklavisch am Blick ihres Mannes hing, schaute verlegen um sich. Aber Friedemann Williguth schlug zufrieden die fetten, weißen Hände zusammen. Da wagte auch die Frau Superintendent zu lächeln.

Die kleine Renate verzog den Mund und rettete dann zornig ihre Blumen vor des Hofzuckerbäckers Robert gedankenlosen Fäusten. Immer hatten die Hände der Williguths etwas zu tun oder zu schaffen, und war nichts aufzubauen, zerstörten sie schnell etwas.

Graf Nikolaus Forcade winkte dem tödlich verlegenen Professor Schückedanz. Der rieb vorerst den kahlen Schädel rot und zauste den Ziegenbart. Die Augen standen starr und groß, wie erschrockene Kinderaugen. So blickte er auf Jakobe Williguth. Die aber hatte ihr starres, wohlerzogenes Lächeln und sah ihn nicht.

Da stand Aurelius mit einem Ruck auf.

»Der Schückedanz,« sagte der Geheimrat und schaute belustigt umher, als ergriffe sein Hofnarr das Wort.

»Meine Damen und Herren! Es ist heute ein hoher und herrlicher Tag. Ein kleines Menschenkind guckt ins Leben. Lasset uns fröhlich sein!«

Schückedanz' Blick grüßte die Blumen und die geschmückten Frauen. Er war der Sohn eines armen Kantors, der bei Sankt Pankraz dem greisen Johann Sebastian Williguth aushalf, denn auch mit fünfundachtzig Jahren ließ dieser alte Trotzkopf nicht von seiner Musik. Glanz und Reichtum hatten für den grundgelehrten Chirurgen noch immer etwas Verwirrendes.

»Und da ich seit meiner kargen Studentenzeit in diesem Hause nur Gutes genoß und Liebes fand, will ich hoffen und bitten, daß unser kleiner Elias ein ganzer Kerl werde und ein aufrechter und guter Mensch.«

Seine Stimme schlug in ein leichtes Zittern über, in dem scheuer Trotz mitschwang.

»Und daß der Ruhm seines Großvaters ihm eine milde Sonne sei.« Schnell blickte er jetzt auf das Tischtuch nieder.

Philipp Emanuel saß aufrecht und steif, ebenso seine Brüder Friedemann und Robert. Giacomo spitzte den schweren, breiten Mund wie zum Pfeifen. Nur Frau Gundl Tredenius hob horchend den Kopf, blickte sonderbar und nachdenklich auf die Tür und seufzte ein klein wenig. Renate dankte ihr diesen Blick, den sie schnell begriff. In kindischer Freude langte sie über den Tisch und drückte der gliedermächtigen und herzensguten Frau die Hand. Aber Gundl zog ihre runden weißen Finger schnell zurück und saß jetzt würdevoll und steif, wie ihre Brüder. Auch sie war eine Williguth.

Schückedanz aber sprach weiter und ließ seine Stimme hoch und schrill durch den dunkelnden Raum schnellen, in dem die weiße Tafel einen lichten Streif zog. » Vivat, crescat floreat das Haus der Titanen!«

Schwere Schritte stampften um den Tisch, Stühle krachten und Gläser klangen, alle waren aufgesprungen und stießen mit dem verwirrten Männlein an. Philipp Emanuel klopfte ihm auf die Schulter: »Gut gemacht, Kleiner. Das Haus der Titanen soll gelten. Ich will es halten. Verlaß dich darauf.«

Die großen grauen Augen leuchteten vor innerer Glut.

Aber hinter seinem Rücken zog die kleine Renate eine höhnische Fratze. Prinz Elias, dem der Champagner mundete, meinte jovial: »Bei Ihnen, Geheimrätchen, wird mir immer ganz warm ums Herz.«

Philipp Emanuel verbeugte sich gut gelaunt: »Ich freue mich sehr, daß Hoheit in meinem Hause sich behaglich fühlen.« Jäh brach er ab.

Ein neuer Gast war eingetreten, jung und schön, mit lässigen, etwas linkischen Bewegungen, als trage er stets einen Zwang mit sich. Er war im Frack, aber das Hemd war zerknittert und die weiße Krawatte saß schief. Die nervösen Hände fingerten daran. Große, graue, etwas kurzsichtige Augen musterten die Tafelrunde. Das bartlose Antlitz war grobknochig, nur das Kinn war weich und kurz und trat zurück. Die hohe Stirn, die in schmale Schläfen auslief, hatte frühzeitiges Faltenwerk, wie von leichter Müdigkeit. Der volle Mund war halb spöttisch und halb unsicher.

»Da ist mein Sohn,« sagte der Geheimrat laut über die Tafel hin und flüsterte dann: »Sein Hemd ist ein Skandal.«

Jakobe war sehr rot und hielt ihr Glas umklammert.

Doktor Heinrich Williguth plauderte mit dem Prinzen, zurückhaltend und fremd. Unfreiheit lag über seinem ganzen Wesen.

Mit breiten Schultern schob sich der Geheimrat dazwischen: »Ein Partiechen Whist, Hoheit?«

»Mit Vergnügen.«

An kleinen, grünen Tischen fielen die Karten. Von verblaßten Gobelinwänden blickten braune Niederländer in weißen Halskrausen, das goldschimmernde Weinglas in der derben Hand, ernsthaft und selbstbewußt auf die Spieler. Jakobe spielte mit dem Prinzen und dem Geheimrat.

»Meine Schwiegertochter ist eine ausgezeichnete Partnerin, Hoheit. Sie hat von mir gelernt.«

Der gute alte Prinz verbeugte sich galant und verlor.

Philipp Emanuel nickte zufrieden. Er hatte es nicht anders erwartet. Doktor Heinrich Williguth bot Rauchwerk und Schnäpse an. Er selbst spielte nicht.

Wie Elefanten im Zirkus saßen die Brüder Williguth um die kleinen, grünen Tische und lachten unbändig, wenn ihnen ein Trick gelang. Dicke Zigarren dampften wohlriechenden Rauch. Immer dichter hingen die blauen Wölkchen. Wie aus weiter Ferne kam das Kichern und Schelten der Williguths, so gewaltig schmauchten sie. Graf Forcade opferte sich und gab der Superintendentin, die keine Karte kannte, Unterricht im Piquet. Um die übrigen Frauen kümmerte sich niemand. Nur die Karten klatschten.

Alles war fort. Durch die offenen Fenster des Spielzimmers zogen graublaue Schwaben in die kalte Nachtluft. Geheimrat Williguth sammelte die Karten und schob jedes Spiel in sein Futteral. Heinrich leerte die Aschenschalen in einen Topf aus Tulasilber, langsam und widerwillig, als machte er sich innerlich über sein Tun lustig. Noch immer saß die Krawatte schief.

Der Geheimrat öffnete einen braunen Wandschrank und versorgte die Karten und Spielteller. Dann wandte er sich zu seinem Sohn zurück, rieb die Hände mit den Knöcheln wider einander und sagte selbstzufrieden: »Es war ein gelungener Tag.«

Die grauen Augen unter den buschigen, steilstehenden Brauen warteten auf Antwort.

Es zuckte wie Bosheit über das schöne Gesicht mit dem kurzen Kinn und dem weichen Frauenmund. Heinz Williguth schlenkerte mit den Armen und murmelte endlich: »Nur eine Blitzlichtaufnahme für die »Woche« hat noch gefehlt.«

Philipp Emanuel kreuzte die Arme und warf das Kinn wie ein Bugspriet vor. Die Kinnladen gingen grimmig auf und nieder, doch er verbiß den Zorn.

Sorgsam hob er die dunkelfarbigen Schnapsflaschen gegen das Licht und verschloß sie im Schrank, über die Schulter weg fragte er dann gelassen: »Das Lumbalsarkom?«

Und als Heinz erstaunt schwieg, sehr scharf und knapp: »Der Fall von Bett 123. Wie steht es?«

»Tot.«

Und Wort auf Wort in atemloser Folge stieß Heinrich Williguth hervor: »Es ist gut, daß mancher uns doch stirbt. Das knickt den Hochmut.«

Die grauen Augen von Vater und Sohn trafen sich, wie Ringer, die ihre Kräfte messen. Die Köpfe hielten sie leicht gesenkt, wie zum Stoß. Rote Flecken brannten unter ihren Augen. Aber sie schwiegen und ließen es beim Blick.

Ganz langsam trat eine Frau ins Zimmer, steif und abgemessen, voll kühler Würde.

Sofort lächelte der Geheimrat: »Na, Schirlitzchen, sind wir nicht gute Kinder, daß wir so wacker helfen?«

Die Hausdame Flora Schirlitz glättete pedantisch und ein wenig geschmeichelt das steife, terrakottafarbene Seidenkleid und schob die dicke Goldbrosche zurecht. In der linken Hand schwang sie den Schlüsselbund, und es gab ein leises Klirren, wenn die dürre knochige Schirlitz einen Schritt nach vorne tat. Wie ein Mann setzte sie den breiten Fuß, und doch lag über all ihrer Wichtigkeit ein Schimmer von Scheu, daß ihre verwaschenen blauen Augen bald herrisch blitzten, bald ängstlich hin und her flatterten, wie gescheuchte Vögel. Niemand ahnte, wie alt Flora Schirlitz eigentlich war. Zwei Männer hatte sie einst begraben, das stand fest. Und an fünfundzwanzig Jahre trug sie den Schlüsselbund in Geheimrat Williguths Hause. Mit der tiefschwarzen Perücke und dem kräftigen Schnurrbartanflug auf der Oberlippe glich sie schier dem Hamlet einer Provinzbühne in Weiberkleidern. Aufmerksam blickte sie den Geheimrat an. Sie kannte alle die kleinen Zeichen seines aufsteigenden Zornes, die roten Flecken unter den Augen, das Kauen der Kinnbacken, dies alles gehörte zum Hausbrauch, wie das Verschließen des Silbers. Philipp Emanuel fing ihren Blick auf und schmunzelte. Die Schirlitz sollte stets Unrecht behalten, auch um harten Preis. So schluckte er seinen Groll hinab und sagte beinahe lustig: »Der große Junge da braucht neue Frackbinden, Flora. Sehen Sie sich bloß den Jammerfetzen an!« So schränkte er alles, was ihm an seinem Sohn nicht gefiel, auf die zerdrückte Halsbinde ein. Die Hausdame legte Heinrich Williguth die knochige, gichtknotige Hand auf die Schulter: »Wird besorgt.« Und dann flüsterte sie beinahe verschämt: »Witte ist mit meinem Plüschaffen eingeschlafen. Er hat ihm sogar eine Nachtmütze gemacht. Eben habe ich der gnädigen Frau gezeigt, wie hübsch er daliegt.«

Es klang, als wollte sie erinnern, daß Heinrich noch anderes tun könne als Asche und Zigarrenstümpfchen in den Topf von Tulasilber sammeln. »Schirlitz, Sie verwöhnen mir Witte zu sehr,« murrte Philipp Emanuel.

»Gott sei Dank, Papa, daß sie es tut.«

Heinrich warf die Lippen auf.

Die knochigen Hände der Schirlitz strichen schnell und erregt über das knisternde terrakottafarbene Seidenkleid.

Der Geheimrat schwieg. Aber die roten Flecke unter den Augen waren dunkler als vorher.

Da sagte Heinrich ganz kurz: »Gute Nacht« und ging, als kein Gegengruß kam, schnell aus dem Zimmer, wie einer, der endlich eine Last abwirft.

Flora Schirlitz schloß die Fenster. Langsam sagte Philipp Emanuel, gleichsam nur in das Knarren der Fensterflügel hinein, um den Gedanken im Lärm zu begraben: »Ja, er wird nicht anders.« Bitterkeit schwang jetzt in seiner Stimme, schier alt und verfallen stand er da in seinem tadellosen Frack mit der Ordenskette. Es wetterleuchtete in dem bartlosen Gesicht, harte Falten gruben sich um Auge und Mund. Flora Schirlitz zuckte unmerklich die Achseln und sperrte den Silberschrank ab. Scharf schnappten ihr die Worte in den Rücken: »Wenn die gnädige Frau noch wach ist, lasse ich sie einen Augenblick bitten.«

Die Schirlitz schaute fragend über die Schulter, etwas ängstlich, wie ein Wachthund, der für seine Herde fürchtet. Der Geheimrat lächelte.

»Morgen abend kommen drei Herren aus Paris.«

Da nickte die Hausdame beruhigt und willfährig und stapfte auf ihren großen, flachen Landsknechtfüßen zur Tür.

Als Jakobe kam, rasch in einen rotseidenen Schlafrock gehüllt, todmüde, das Haar nur lose aufgesteckt, entschuldigte sich Philipp Emanuel sogar: »Es ging nicht anders, Kind.«

Sie sah ruhig zu ihm auf, wie eine gehorsame Tochter. Nur ihre feinen weißen Hände zuckten ein wenig, als reichte ihr Widerstand gegen seinen Willen nur zu dieser armseligen Bewegung. Der Geheimrat plauderte über die Speisenfolge für die Herren aus Paris, Jakobe hatte Papier und Bleistift vor sich und notierte eifrig seine Wünsche. Die braunen Flechten lagen reich und schwer auf dem schmalen, feinen Kopf, als hätte diese junge Frau nur Lasten zu tragen. Die dichten, an der Nasenwurzel leicht zusammengewachsenen Brauen hatte sie in gespannte Falten geschoben, wie um besser aufmerken zu können. Die müden Augen versteckten sich hinter langen, vibrierenden Wimpern. Nur einmal kam ein Funkeln in diese stillen, geduldigen Augen, als im Garten der Nachtwind durch die Bäume fuhr und Schnee und Eiszapfen prasselnd abschleuderte. Wie zornige Ungeduld schlich es sich in das Zimmer, in dem des Geheimrats Stimme noch immer das Wort hatte. Jede Kleinigkeit schrieb er genau vor. Jung und schön war Jakobe Williguth und saß wie eine Sklavin vor dem starken Mann mit dem trotzigen Kinn. Sie hatte keinen Widerspruch gegen diese selbstverständliche Überlegenheit, die immer und immer befahl. Am Hochzeitstage lautete der erste Befehl: »Ich wünsche Orangenblüten.« Und die Siebzehnjährige hatte in hilfloser Bewunderung vor der Größe und dem Willen ihres Schwiegervaters stumm gehorcht. Seitdem war sie sein Ding, mit dem er machen konnte, was er wollte. Wieder horchte sie auf den Wind, der die Bäume im Garten zauste. Sie lächelte. Den Bäumen ging es nicht anders als ihr. Jakobe schloß die Augen. Aus weiter Ferne drangen Stimmen zu ihr.

»Bist du müde?« fragte Philipp Emanuel.

»Ach nein, Papa.« Sie saß wieder kerzengerade und schrieb.

»Ich verlasse mich ganz auf dich. Es wird alles in Ordnung sein. Gute Nacht, liebes Kind.«

Langsam stand sie auf. Er küßte sie auf die Stirn, als reichte er ein Geschenk.

 


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