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Unendlich.

Mußte einst vor manchem Jahr,
Als ich noch Studentlein war,
Algebra mußt' ich studieren,
A mit B multiplizieren,
Mußte Wurzeln extrahieren,
Krause Zeichen sonder Zahl –
Ach es war nicht meine Wahl! –
Mußt' ich lernen und behalten,
Ohne nur die Stirn zu falten!

Einst jedoch ward aufs Papier –
Mir vergingen die Sinne schier –
Eine liegende Acht 8
Ward mir bedeutsam hingemacht!
»Seht euch hier das Zeichen an,«
Sprach dozierend der Lehrer dann,
»Merkt euch das« – mir ist's wie
»Daß es Unendlichkeit bedeute!
Trefft ihr hier nun oder dort
Dieses Zeichen,« fuhr er fort,
»Wendet mir in tollem Wahn
Nicht die vier Spezies darauf an;
Denn hiemit sei euch gelehret
Ob ihr mindert oder mehren.
Addiert oder subtrahiert,
Multipliziert und dividiert,
Immer bleibt des Fazit gleich
Immer – Bursche, merkt es euch –
Bleibt unendlich, was unendlich!«
Allen schien dies wohl verständlich;
Mir allein, mir ging's nicht ein,
Wie es könne möglich sein,
Nicht durch Nehmen und Gewähren
Dort zu mindern, hier zu mehren!

Heut, so voll von deinem Bild,
Daß die Brust mir überquillt.
Heut, mein Lieb, erkenn' ich klar,
Was mir damals dunkel war,
Meine Liebe, die ohne Maß
Wachsend ohne Unterlaß,
Ewig doch zu jeder Frist
In sich selbst dieselbe ist,
Meine Liebe, der die Zeit
Weder Gluten nimmt noch leiht,
Meine Lieb' hat mich gelehrt
Was kein Lehrer mir erklärt,
Meine Lieb' macht mir's verständlich:
Was unendlich, bleibt unendlich!


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