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Wittekind.

Im Frankenreich scholl Kriegsruf; er flog von Meer zu Meer:
Zum Heerbann soll sich stellen, was Waffen trägt und Wehr!
So will es Kaiser Karol, der Große zubenannt,
Der wollt' mit Macht gewinnen der Sachsen treulos Land.

Er wollt ihr Land gewinnen, nicht geizend nach eitlem Ruhm,
Nein, Land und Volk zu lösen aus wüstem Heidentum;
In Aachens Dom auf Ostern bescheidet er sein Heer,
Daß Priestersegen weihe der Gottesstreiter Wehr.

Wittkind, der Sachsen Herzog, als des ihm Kunde ward,
Der saß in tiefem Sinnen, und strich den schwarzen Bart:
»Er hat mich aufs Haupt geschlagen in manchem blut'gen Strauß,
Er warf den Brand der Fakel in meiner Väter Haus;

Er stürzte die Irmensäule und fällte Odins Hain,
Und bräch' er wie Meeresbrandung auch über uns herein,
Nein, nimmer soll er brechen der Sachsen freie Macht,
Eh' sei versucht das Letzte, das Äußerste vollbracht.

Denn Freiheit nur ist Leben, und Knechtschaft, sie ist Tod,
Eh' ich dem Joch mich beuge, eh' fließ mein Herzblut rot!
Auf, auf! Bewehr' mich Freiheit, zu hemmen des Drängers Lauf,
Wo nicht, nehmt freie Väter, frei euern Sohn hinauf.«

Er spricht es und verhüllet in Bettlergewand den Leib,
Und birgt im Kleid das Kampfbeil, und herzet Kind und Weib;
Einsam durch Berg und Wälder erschallt des Wandrers Schritt;
Nicht einen seiner Treuen, nur Freiheit nimmt er mit.

Sie geht an seiner Seite, sie würzt ihm das karge Mahl,
Sie schöpft dem Müden Labung aus kühler Quellen Strahl;
Und wenn der Abend dämmert, sie bettet ihn in Moos
Und weich ruht, wie auf Seide, sein Haupt in ihrem Schoß.

So zog er durch Wald und Täler, und schwamm durch manchen Strom,
Und Ostern war gekommen, da stand er vor Aachens Dom;
Und alle Glocken läuten, und aus weit offnem Haus
Schallt jubelnd Halleluja und Orgelklang heraus.

Es dröhnt des Domes Halle von Waffen und von Wehr;
Versammelt um den Kaiser, wogt seiner Treuen Meer.
Wie spielten ihre Banner in hellem Farbenschein,
Wie weht durch die hohen Fenster mild Frühlingsduft herein!

Der Kaiser im Festornate kniet betend am Altar,
Umringt in dichtem Kreise von armer Leute Schar;
Die drängten, seiner Spenden gewärtig, sich heran,
Und vorwärts in ihre Reihen macht Wittekind sich Bahn.

Der Kaiser greift zum Schwerte, und als die Orgel schwieg,
Da reicht er es dem Priester: »Nimm hin und weih's zum Sieg!«
Der Segen war gesprochen, der Kaiser nimmt sein Schwert,
Und blickt empor zum Himmel von Frühlingsschein verklärt.

»Herr,« spricht er, »als deinen Boten hast du den Lenz gesandt,
Er bricht des Winters Dunkel und hoffend grünt das Land;
Herr, laß dies Schwert auch leuchten mit Frühlingskraft und Macht
Und schwinden vor seinem Strahle des Irrtums Winternacht!«

Er spricht's und hebt zum Himmel die Klinge rein und blank
Und dreimal in den Lüften schwingt er sie frei und frank,
Er schwingt sie, daß im Frühlicht ihr Schimmer blinkt und glitzt!
Da schlägt im Schwall der Menge ein Schrei empor: »Es blitzt!«

Und hinstürzt, der's gerufen, wie hingestreckt vom Strahl,
Und aus des Kleides Falten klirrt nieder der blanke Stahl;
Verrat! erscholl's, und plötzlich, wie rauschend durchs Laub der Wind,
Von Mund zu Munde flüstert's: »Er ist es, der Wittekind!«

Der aber zum Leben kehrend, rollt wild das Aug' umher,
Dann tritt er hin zum Kaiser, aufatmend tief und schwer:
»Ich bin es, Herr,« beginnt er, »ich bin dein grimmer Feind,
Und kam mit scharfem Stahle zu töten dich gemeint.

Ich kam für Sachsens Freiheit zum Mord bewehrt die Hand,
Dir aber ward ein Engel zum Schutz herabgesandt;
Ich sah ihn an deiner Seite, und als du schwangst dein Schwert,
Da sah ich seine Blicke glutflammend nach mir gekehrt.

Er drohte mit dem Finger, nein, nein, er drohte nicht,
Er winkte mir nach oben, zu Gott, zum Heil, zum Licht! –
Dem Schwert verfiel mein Leben, doch eh' es trifft mein Haupt,
Laß, Herr, nach dem mich heißen, den meine Seele glaubt!«

Da wiegt der Kaiser lächelnd das greise Haupt und spricht:
»Die Taufe sollst du haben, dein Blut begehr' ich nicht!
Verlangtest du nach Freiheit, wohlan jetzt ist sie dein,
Doch such sie nicht auf Erden, sie wohnt in Gott allein.

Was lebt, ist untertänig, und wer, wer diente nicht,
Die Mannen ihrem König und alle ihrer Pflicht;
Gott schuf den blöd', den weise, den arm und jenen reich,
In Gottes Wort, im Glauben nur sind wir frei und gleich!

Es gibt mir eine Knechtschaft, mein Sohn, es ist die Schuld;
Von ihrem Joch befreite dich gnädig Gottes Huld!
Und weil es so gekommen, kehr heim denn in dein Land;
Frei leg' ich es, dem Freien, zurück in deine Hand.

Und laß die Völker alle, vertrauet deinem Hort,
Gelöst vom Joch des Wahnes frei sein in Gottes Wort;
Ich hab' dich lind gehalten, so halt auch du sie lind!« –
So lebt im Buch der Sage die Mär' von Wittekind.


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