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Leogair.

Die Erlen rauschen am Uferrand,
Der Mond blickt über die Felsenwand;

Und ferneher tönt es wie Rosses Huf,
Wie Waffenklang und Hörnerruf,

Und Banner wallen im Mondenschein
Und Helme blitzen! – Wer mag das sein?

Das ist der König Leogair
Mit seiner Mannen reis'gem Heer;

Gewinnen will er Leinsters Land,
Drum nahm er Speer und Schwert zur Hand,

Drum flattert sein Banner im Mondenstrahl,
Drum braust er wie Sturmwind durch das Tal!

Und als er zum Flusse gekommen war,
Da tauchte empor der Nixen Schar;

Und horchten und lauschten dem Waffenschall,
Und sangen aus der Fluten Schwall:

»Was flattert dein Banner, was greifst du zur Wehr,
Und ziehst gegen Leinster, Leogair?

Beim Eichenbühel vor manchem Jahr,
Als fliehend zerstreut dein Heerbann war,

Als Leinsters Volk – o Schmach und Gram –
Dich Leogair, gefangen nahm,

Gelobtest du nicht, wenn Wiederkehr
Dir in dein Reich verstattet wär',

Gelobtest du nicht mit Mund und Hand,
Nie mehr zu brechen in Leinsters Land?

Du hast es beschworen bei Sonn und Wind,
Denk deiner Schwüre, Menschenkind! –«

Da lacht der König Leogair:
»Und hab' ich's geschworen, ei was mehr!

Und hab' ich's geschworen bei Sonn' und Wind,
Wo sind sie, die mir Zeugen sind?

Die Sonne ging unter, bei der ich schwor,
Und stieg aus der See nicht mehr empor!

Der Wind, dem Frieden ich gelobt,
Hat längst in den Wolken sich tot getobt!

Dahin fuhr die Sonne, dahin der Wind,
Mein Schwur ist, wo die Zeugen sind!« –

Und lacht und gibt dem Roß den Sporn,
Und fährt dahin über Stock und Dorn;

Und hinter ihm in wildem Drang
Sprengt seine Schar das Tal entlang;

Dumpf dröhnte die Erde von Rosseslauf.
Trüb dämmernd wachte der Morgen auf!

Da stellt zum Kampf sich Leinsters Schar
Im Engpaß drohend ihnen dar;

Und rings erschallt's vom Kampfgetos
Und Waffenklang und Lanzenstoß;

Und als empor die Sonne stieg,
Zu Leogair neigt sich der Sieg;

Und als der Morgenwind erwacht,
Da war gebrochen Leinsters Macht.

Da sprach die Sonne: »Das duld' ich nicht,
Daß siege, der mir brach die Pflicht!«

Und zürnend braust des Windes Hauch:
»Er war mir falsch, ich bin ihm's auch!«

Da hat die Sonne zornentbrannt
Sich gegen Leogairs Schar gewandt:

Wirft ihre Strahlen, hell und licht,
Gleich Pfeilen ihnen ins Angesicht;

Und blendet feindlich Roß und Mann,
Daß wüstes Wirrsal rings begann;

Da kam der Wind, nicht minder toll,
Nimmt rächend seine Backen voll,

Nacht wirbelt er um Leogair
Und seine Scharen brausend her;

Der Führer Ruf, der Hörner Ton
Trägt unvernommen er davon,

Die Banner reißt er in den Staub,
Macht blind, was sieht, die Blinden taub;

Da rafft sich Leinsters Schar empor,
Denn Wind und Sonne ficht ihr vor,

Dringt los auf sie, die schreckerfaßt
Treibt durcheinander dumpfe Hast;

Noch wehrt dem Wirrsal Leogair;
Da zischt ein Pfeil vom Bogen her,

Er blutet, sinkt, und über ihn
Wälzt blind des Kampfes Drang sich hin.

Die fliehen, die verfolgen wild,
Leer wird das blutige Gefild',

Das Kampfgewirr erstirbt, verhallt,
Stumm liegt die Heide, ruht der Wald;

Und ferneher vom Flusse drang
Der Erlen Rauschen, der Nixen Sang,

Und flüsternd weht es im Abendwind:
»Denk' deiner Schwüre, Menschenkind!«


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