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III. Friedrich Halm und Nikolaus Lenau.

Zunächst noch einige Mitteilungen über die zwischen Lenau und Münch gepflogenen Beziehungen, über welche bisher kaum einzelnes in die Öffentlichkeit gedrungen ist; auch dies einzelne dürfte schon ganz in Vergessenheit geraten sein. Lenau hatte wohl die Bekanntschaft Ferdinand Wolfs in dem bekannten und berühmten »silbernen Kaffeehause« Neuners in der Plankengasse gemacht, welches in den dreißiger Jahren von nahezu allen Wiener Schriftstellern und »Literatoren« aufgesucht wurde und wohin auch jeder Durchreisende kam, der auf literarischem Gebiete tätig war. Anastasius Grün (Graf Auersperg) beschreibt das Leben in jenem Kaffeehause und die Besucher desselben in seiner pietätvollen Biographie des unglücklichen Dichters und Freundes Lenau anschaulich. Ob Baron Münch durch Wolf in jenem Kaffeehause mit Nikolaus Lenau bekannt geworden oder im Hause Wolfs, ist ungewiß, jedenfalls war es der gelehrte Romanist, welcher die so verschiedenen und doch sich gegenseitig hochschätzenden Poeten zueinander geführt. Lenau, »der den sozialen Aristokratismus,« wie Raab berichtet, »die eingefleischte Borniertheit nannte und Münch, der ihn nur als eine Tatsache respektieren wollte, sie statuierten doch beide, mit Berufung auf den Aristokratismus der Geister, jenes von Laune und Stimmung eingegebene Ablehnen, das ihnen selbst so eigentümlich war und ihnen so oft als Hochmut oder falsche Vornehmheit gedeutet wurde.« – Friedrich Halm schätzte in Lenau den lyrischen Dichter hoch, er stellte ihn viel höher als den Epiker, wenn er auch dessen »Faust« den gewaltigen Schöpfungen deutscher Poesie beizählte. Was die Ansichten Lenaus über den Dichter der Griseldis betrifft, so war er vor allem kein begeisterter Anhänger des modernen Dramas. Raab bemerkt: »Die gleichzeitige Poesie erschien ihm, nicht ganz unberechtigterweise, ihrem innersten Wesen nach eine lyrische,« alles andere ein »Gerede von außen her.« Gewisse Theatergestalten waren ihm nicht mehr als »Dragantfiguren«, aufgelöst seien sie »Leim und Zuckerwasser«, dem sogenannten rein idealen Drama wendete er den Rücken und folgte halb unbewußt jener nun zuerst sich fühlbar machenden Strömung, die unaufhaltsam dem Begriffe der Aktualität zutreibt.« Aus diesem Grunde stammt auch sein hartes Urteil über Halms »Sohn der Wildnis«: »Zwei Seelen und ein Gedanke, das würde ja schrecklich langweilig sein. Zwei Herzen und ein Schlag! Das gibt keinen Rhythmus. Es war den Leuten recht, bei dieser berühmten Stelle das Universum der Liebe ganz kurz beisammen zu haben in ein paar klingenden Versen. Sie sind nicht mehr, aber es ist gerade so recht für das Fassungsvermögen. Das Publikum in Wien hat gewiehert bei dieser Stelle, besonders die Galerie. Ich greife den Stoff an: Liebe macht empfänglich für Kultur, aber sie ist noch keine, sie ist nicht damit zu verwechseln.«

Literarische Beziehungen zwischen den Dichtern stellten sich zwar nicht häufig heraus, aber schon in einem Briefe aus Ebergassing an Wolf vom 4. Juli 1838 (ungedruckt), in welchem sich Münch für eine Ausgabe von Aufsätzen Enks über Lope de Vega verwendet, die Brockhaus hätte übernehmen sollten, der sich aber scheinbar nicht recht entschließen konnte, schreibt Münch an Wolf: »Lenau, der Ihnen persönlich verpflichtet, ist ein guter Freund Cottas, wie ich genau weiß, und durch ihn wäre vielleicht ein Anwurf an Cotta zu machen, der etwas weniger mäkelt und dessen Zusage mir für Enk noch wünschenswerter wäre als die von Brockhaus.«

Bald waren Lenau und Münch in häufigerem freundschaftlichen Verkehr. So teilt Lenau der Freundin Sophie Löwenthal am 25. Juni 1839 einen Besuch bei seiner Schwester in Kirling mit. Er, der eben mit dem Abschlusse der »Albigenser« beschäftigt, bemerkt ferner in dem Schreiben: »Trotz der guten und schlimmen Störungen der letzten Tage, als da waren eine Entzündung meiner Schwester, ein Besuch von Wolf, Münch und Karajan in Kirling ist es mir doch gelungen, unterdessen ein paar hundert Verse weiter zu machen. – – Ich ging mit den drei genannten Sonntagsgästen nach Klosterneuburg zum Essen und von dort abends in die Stadt. Die Tischgespräche in Klosterneuburg waren eben nicht die heitersten, einige Späße Karajans abgerechnet, wie z. B. daß er mir eine Knödelsuppe empfahl, indem er sagte: »Diese vortreffliche Leberknödelsuppe zu verachten, das tun Sie mir nicht an, Verfasser des Savonarola!« Ich verachtete sie dennoch.

Münch teilte mir auf die unbefangenste und zutraulichste Weise mit, daß er einen von mir in einem früheren Gespräche hingeworfenen Gedanken zu einem Sonette verarbeiten wolle. Ich hatte nämlich geäußert: »Der Teufel ist doch eigentlich kein reales Wesen; der Kampf Gottes mit ihm ist nur ein scheinbarer, und die Weltgeschichte gleichsam eine Schachpartie, die Gott mit sich selber spielt, die Züge seines einzigen Gegners so stellend, daß derselbe, aller seiner fingierten Vorteile ungeachtet, am Ende matt werden muß und die Partie von Gott gewonnen ist. Münch beichtete mir seine kleine Dieberei so liebenswürdig offenherzig, daß ich mich vielmehr darüber freute, als daß ich den zufälligen Einfall reklamieren mochte, dessen ich mich sonst vielleicht nie wieder erinnert hätte. Münch ist ein recht lieber, treuherziger Mensch. – – Unser Hereingang an dem kühlen Ufer der Donau war recht angenehm und ich benutzte ihn dazu, Münch zu bereden, daß er Philosophie studiere. Es gelang mir, ihn zu überzeugen von der mißlichen und gedrückten Stellung eines Dichters, der, in seiner Zeit gar nicht philosophisch orientiert, ihren höchsten Fragen, um sich nicht zu kompromittieren, aus dem Wege gehen muß, nur dort eine Stimme hat, wo das Vergängliche verhandelt wird; im hohen Rate aber, wo der Menschheit Ewiges beraten wird, staunen muß. Er bat mich angelegentlich um einige philosophische Bücher.«

Was das in diesem Schreiben erwähnte Gespräch betrifft, so hat allerdings Münch in seiner ersten Sammlung der »Gedichte« Friedrich Halms Werke. Wien 1856 ff. ( H. W.) Bd. 1, S. 88. zwei Gedichte unter dem Titel: »Dämonologisches« aufgenommen, welche das Gespräch über den Teufel behandeln; es sind aber keine Sonette. Dagegen bin ich in der Lage, aus des Dichters Nachlaß hier das noch ungedruckte Sonett, welches gemeint ist, zum Abdrucke bringen zu können, denen noch drei andere Sonette beigefügt seien, die sich ebenfalls auf Gespräche beziehen, die Münch um jene Zeit mit Lenau geführt und von denen nur das letzte Stück unter dem Titel: »An –« in etwas veränderter Form in demselben Bande der Gedichte aufgenommen wurde, während die zwei anderen ebenfalls hier zum ersten Male gedruckt werden.

An Nikolaus Lenau.

1.

Gedenkst du noch wie einst beim goldnen Weine
Wir stritten, ob der Teufel mehr als Sage,
Du aber löstest so die krause Frage:
»Der Teufel sei, doch sei er nur zum Scheine.«

Bloß Schach spiel' Gott der Herr, der ewig Eine
Zu Zeiten mit sich selbst, und sinn' und zage,
Als wär's daran, daß ihn der Gegner schlage,
Doch wie sein Wesen scheinbar er vereine.

Für sich nur tu er stets die besten Züge
Und so verspiel', verstrickt im Netz der Lüge,
Der Teufel stets, wie fein er Ränke schmiede!

So floß der Tau des Wortes dir vom Munde,
Und nicht versank er in des Meeres Grunde,
Die Muschel Liebe reift' ihn dir zum Liede!

2.

Und wieder sprachst du einst – und Blitzesröte
Sah flammend ich dir übers Antlitz gleiten,
Uns kündend, wer der Meister unsrer Zeiten
In deinem Sinn den andern überböte.

»Das reichre Saitenspiel ertön' in Goethe,
Doch schall' sein mächt'ger Klang auch aller Weiten,
Stets Menschengeist nur weh' aus seinen Saiten:
Wo Schiller sei, die schlichte Hirtenflöte

Erfüllt gewesen von dem Hauch der Engel.
Wann immer, sprachst du, sein Gesang erklungen,
Ein höh'rer Geist hab' ewig mitgesungen,

Und übertönt der Erdenstimme Mängel!«
Wir aber, weißt du noch? – wir nickten alle,
Und Schiller rief's bei frohem Becherschalle.

3.

»Stets weck' dir eines Briefes Anblick Grauen,
Gleich einem Tropfen Blutes schein' das Siegel,
Gleich einem Vorhang überm Zauberspiegel
Gespenstisch dich der Umschlag anzuschauen.

Du zagtest,« sprachst du, »welchen Trunk dir brauen
Das Schicksal mög' in zugedecktem Tiegel;
Du zagtest ob, klirr' auf der Pforte Riegel,
Vor dir die Wüste lieg', ob Edens Auen?«

So sprachst du, und ich dabei im stillen
Erwog, wenn schon um jedes Briefes willen
Dich Wunsch und Bangen in der Schwebe halten,

Ob schrecklicher die großen, dicken, schweren,
Ob leichte goldberänderte dir wären,
Wie weiße Hände sie zusammenfalten?

4.

Und wieder sprachst du einst, was mir mißfallen,
Und rügt' ich es auch nicht in jener Stunde –
Denn Ort und Zeit war gegen mich im Bunde –
Nie wird im Geiste mir sein Klang verhallen;

Und wie auch mächtig deine Lieder schallen,
Und weithin tragen deines Namens Kunde,
Sie sühnen's nicht, daß deinem Sängermunde,
Dem Gott geweihten jenes Wort entfallen;

Sie sühnens nicht, daß scheidend in die Quelle,
Die labend dich getränkt mit ihrer Welle,
Du Steine warfest, statt ihr Dank zu zollen,

Sie sühnens nicht! – du mochtest sie verlassen,
Du mochtest, was du liebtest, glühend hassen,
Doch ihrer spotten hättest du nicht sollen!

Der Verkehr zwischen Lenau und Münch ist überhaupt in jenem Jahre ein reger gewesen, im Juli 1839 will der erstere nach Ischl kommen und schreibt hierüber an Sophie Löwenthal: »Wäre nicht Baron Münch den ganzen Morgen bei mir gewesen, so erhielten Sie einen ausführlicheren Brief. So aber muß ich eilen.« Etwa ein Jahr später, am 2. August 1840, berichtet er an dieselbe Adressatin über das Fortschreiten seines »Faust« und fügt bei: »So sehr auch Münch mir jedes Ändern an meinem »Faust« mißraten hat, indem ich, nach Jahren notwendig ein anderer geworden, die alte Stimmung mit dem alten Ton nicht mehr würde finden können, und somit Gefahr liefe, nur Fremdartiges und Einheitswidriges in mein Gedicht hineinzuarbeiten; ich habe mich dennoch daran gemacht und, wie ich glaube, mit gutem Glück.«

Im Sommer des Jahres 1842 hatte Münch eine Reise nach Süddeutschland unternommen, er besuchte München, Karlsruhe, Heidelberg, Frankfurt am Main und andere Städte; auf dieser Reise berührte er auch Stuttgart, wo er den Kreis der schwäbischen Dichter persönlich kennen lernte. Lenau war damals gerade wieder bei Reinbecks, welche den Poeten stets so freundlich aufnahmen, in der ihm so lieben Hauptstadt Württembergs. Über den Eindruck, welchen der Dramatiker Halm auf die schwäbischen Freunde gemacht, schreibt er am 11. Juli 1842 an Ferdinand Wolf nach Wien: »Münch ist hier gewesen und hat um so günstigere Eindrücke zurückgelassen, als alle die irrigen Vorstellungen von diplomatischer Gemessenheit und aristokratischer Vornehmheit, mit welcher man seiner persönlichen Bekanntschaft entgegengesehen hatte, in seinem offenen und biederen Wesen eine angenehme Widerlegung fanden.« Der liebenswürdige Schwabenpoet Karl Mayer, welcher 1853 »Lenaus Briefe an einen Freund« herausgegeben, aber berichtet in dem genannten Buche von seinem Zusammentreffen mit Münch aus jenen Tagen: wie ihm dasselbe bei Lenau »sehr willkommen« gewesen. Er schildert Halm: »der in frischem jugendkräftigen Aussehen auch mich freundlich begrüßte und sich sehr befriedigt über unser Landvolk aussprach, dessen energische und gescheite Gesichter ihm auf der Durchreise sehr gefallen hatten.«

An seine Freundin Emilie v. Reinbeck hat Lenau anfangs September 1843 auch jenen ausführlichen Brief gesendet, in welchem er ihr von dem Tode Enks, des unglücklichen Freundes und getreuen Beraters Halms, Mitteilung machte und die Einzelheiten über den Selbstmord des armen mit sich und der Welt zerfallenen geistvollen Mannes erzählte.

Es wurde schon früher anläßlich der Erwähnung des Besuches Uhlands in Wien 1838 jenes Augenleidens gedacht, welches damals den Dichter Halm verhinderte, den von ihm verehrten Uhland aufzusuchen. Dieses Leiden nahm aber in den nächsten Jahren zu und gestaltete sich zu einer Augenkrankheit, welche Münch dem Erblinden nahe brachte. Da waren es nun zwei Frauen: seine Gattin und deren Schwester Albertine, die ihm sorgsamste Pflege angedeihen ließen und in der Tat wahrhaft aufopferungsvoll in derselben das Übel zum Weichen brachten. Halm hat im Jahre 1840, da er genesen war, ein von ihm verfaßtes einaktiges Stück »Die Pflegetochter«, welches am 29. November desselben Jahres zum Vorteile des Instituts der barmherzigen Schwestern über die Bretter des Burgtheaters ging, im Drucke diesen »zwei edlen Frauen, der liebevollsten Gattin, der nachsichtigsten Freundin Sophien und Albertinen in Liebe und Dankbarkeit gewidmet« und eine Zueignung vorangestellt, welche, da das Stückchen in dieser Ausgabe keine Aufnahme finden kann, hier ihre Stelle finden möge:

Bewahrt ihr das Gedächtnis noch der Stunden,
Die dunkle Binden mir ums Auge schlangen,
Die lähmend mich aufs Siechbett niederzwangen?
Entschwand es euch, mir ist es nicht entschwunden.

Und als ich jenen jetzt den Kranz gewunden,
Die losgesagt sich von des Lebens Prangen,
Und Elend mit der Liebe Arm umfangen,
Noch tiefer fühl' ich, was ich stets empfunden.

So nehmt denn, die an meinem Pfühl gesessen,
Die treu den Leidenskelch mir zugemessen,
Mit mir geleert bis auf die letzten Neigen,

Nehmt diese Blätter hin; dann atmet Milde,
Geduld und frommer Sinn aus ihrem Bilde,
So kam's von euch und so sei's euer eigen.


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