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Am Krankenbett.

Ich saß an deinem Lager,
Du lagst erschöpft von Qual
In halbem Schlaf versunken,
Die Wangen blaß und fahl.

Um deine Lippen spielte
Ein Zug von herbem Leid,
Ich aber saß und dachte
Vergangner, ferner Zeit!

Wie da dein Auge blitzte,
Wie deine Stimme klang,
Wie stolz dein Haupt sich wiegte,
Wie schwebend leicht dein Gang!

Wenn einer nun mich fragte,
Gedacht' ich still bei mir,
Ob jene mehr ich liebte,
Ob jetzt die Kranke hier? –

»Tor! würd' ich ihm erwidern,
Zeit, die sonst Schönheit raubt,
Häuft neuen Liebreiz täglich
Mir auf dies blasse Haupt;

Durch Jahre still verbunden,
Zwei Herzen nur ein Herz,
Glück, jubelnd mit empfunden,
Und treu geteilter Schmerz;

Ein Streben nach einem Ziele,
Ein Wandeln Hand in Hand,
Vertrauen, Dank und Treue
Und der Gewohnheit Band;

Das webt Verklärungsschimmer
Mir um dies Antlitz her,
Und liebt' ich jene glühend,
Lieb' diese ich noch mehr!

Und könnt' ich mehr noch lieben –«
Da regen – war es Wahn? –
Im Schlaf sich deine Lippen
Und lächeln mild mich an,

Als sprächen sie: »Ich weiß es,
Du liebst mich treu und heiß!« –
O sprich, ob deine Seele
Auch wachend noch es weiß!


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