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Ich lebe noch ...

Ich lebe noch! – Du wolltest so es haben,
Du wolltest, reine Seele, wohlbewahrt
An einem warmen Herzen deiner Art
Dein sanftes Mädchen, deinen wilden Knaben
Geborgen wissen, auch wenn du begraben! –
Ich lebe denn, doch dein Gebot ist hart!

Ich lebe, ja! In schmerzlichem Entbehren
Aus meines Glückes Paradies verbannt,
Das Auge wie den Sinn zurückgewandt,
Nach schönem Tagen, die nicht wiederkehren,
So leb' ich! – Ach, wie konntest du begehren,
Was meine Seele auf die Folter spannt!

Ich lebe, doch ich leb' nur starren Pflichten,
Der Freude schnitt dein Tod die Wurzeln ab,
Und was sonst Antrieb meinem Geiste gab,
In Haus und Welt, im Leben und im Dichten
Nach würd'gen Zielen seinen Flug zu richten,
Das starb mit dir, das liegt bei dir im Grab!

Ich lebe und nur eins schafft mir Genügen,
Zu wissen: Ja, ich geh' auf ihrer Bahn,
Das hätte sie gemieden, das getan,
Und lebte sie, Verklärung in den Zügen,
Mild lächelnd spräch' und strahlend von Vergnügen
»Ja, du bist treu!« zum Lohne sie mich an!

So leb' ich und so häufen sich die Tage.
Die Kraft verwelkt und es erlahmt der Geists
Es naht die Stunde, die mich gehen heißt,
Und so wird täglich leichter, was ich trage:
Denn näher tritt mit jedem Herzensschlage
Der Engel, der zu dir den Weg mir weist!


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