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VIII. Ehrungen. Baron Münch-Halm Generalintendant der Wiener Hoftheater. Lebensende.

Trotz der verschiedenen Anfeindungen, welche sich am heftigsten in der Fechterfrage zeigten, aber wie wir gesehen, schon früher in hämischer Weise den Verfasser der »Griseldis« verfolgten, wurden dem Dichter Friedrich Halm von vielen Seiten gerechte und hohe Anerkennungen zuteil. Dies beweisen die Auszeichnungen, durch welche er schon lange vorher sowohl von wissenschaftlichen Korporationen und Instituten als auch von seiten kunstliebender Fürsten geehrt wurde.

Als im Jahre 1847 die kaiserliche Akademie der Wissenschaften gegründet wurde, war Halm einer der ersten, die zu wirklichen Mitgliedern der philosophisch-historischen Klasse der Akademie ernannt wurden. Die Regenten von Bayern, Frankreich, Griechenland, Sachsen-Weimar, Dänemark, obenan der Kaiser von Österreich, verliehen ihm hohe Ordensauszeichnungen. Nach der Aufführung seines zur Jahrhundertfeier von Schillers Geburt 1859 in Weimar aufgeführten Festspieles »Vor hundert Jahren« wurde Friedrich Halm auch zum Ehrendoktor der Philosophie von der Universität Jena ernannt. Im Jahre 1861 war Baron Münch mit unter jenen Männern, welche der Monarch ihrer hervorragenden Verdienste wegen als lebenslängliche Mitglieder in das österreichische Herrenhaus berief. Es sei gleich hier bemerkt, daß, als zur Zeit des Schleswig-Holsteinischen Krieges im November 1864 das Wiener Herrenhaus beschlossen hatte, die kaiserliche Thronrede mit einer Adresse zu beantworten, Baron Münch mit der Abfassung derselben betraut wurde. Anläßlich der sich daran knüpfenden Adreßdebatte bot die Stelle des Münchschen Entwurfes, welche die Erfolge der österreichischen Waffen über jene auf legislatorischem Gebiete im Reiche stellte, Gelegenheit zur Entgegnung des Herrenhausmitgliedes Graf Auersperg – Anastasius Grün – welcher die legislatorische Tätigkeit als wichtige Quelle des Wohlstandes, der Vaterlandsliebe, der Geisteskultur und der Rechtssicherheit für nicht minder bedeutend und verheißungsvoll erklärte und die Hoffnung aussprach, daß auch auf diesem Gebiete gleiche Erfolge, wie auf dem Gebiete der Waffen in Aussicht stehen. Die Gegenantwort Baron Münchs gipfelte in dem Schlußsatze: »Die Erfolge mit dem Blute ihrer Söhne erkauft, werden auf die Völker immer größeren Eindruck machen, als alle Bestrebungen in geistiger Richtung.«

Eine Ehrung besonderer Art war es auch, als im Jahre 1860, anläßlich der 25jährigen Feier der ersten Aufführung der Griseldis, eine Denkmünze geprägt wurde, welche das Bild des Dichters, sowie die bis dahin geschaffenen Stücke angeführt enthielt. Im Jahre 1865wurde Friedrich Halm Vorsitzender des Verwaltungsrates der deutschen Schillerstiftung – Vorort Wien – und hatte als solcher öfter Gelegenheit, seinen Einfluß zu Gunsten bedürftiger Schriftsteller geltend zu machen. Leider gelang es ihm in einem Falle nicht, der Bitte eines Dichters Gehör zu verschaffen, dessen Name in der Folge zu den glänzendsten der deutsch-österreichischen Poeten gezählt wurde. Es war dies Robert Hamerling, der schon 1858 einen anonymen, aber außerordentlich eingehenden und die hohe Begabung Halms rückhaltslos anerkennenden Aufsatz: »Über Friedrich Halms dramatische Werke« in der »Triester Zeitung« veröffentlicht hatte. Auch späterhin bezeugte Hamerling seine Verehrung für den Dichter des »Fechters von Ravenna« durch Übersendung der eigenen Werke sofort nach deren Erscheinen an den »verehrten Meister«. Als aber Hamerling im Jahre 1866 jene Bitte an Baron Münch richtete, welche die Unterstützung seiner armen Eltern durch die Schillerstiftung betraf, und in einem weiteren Schreiben die von einer edlen Verehrerin Hamerlings dargebotene Gabe von 6000 Gulden der Schillerstiftung gegen eine Leibrente für seine Eltern auf Lebenszeit zu übergeben vorschlug, erhielt er zwar von Münch selbst die Versicherung, daß dieser seine Bitten gern unterstützen wolle, aber Hamerlings Ansuchen wurde in der Sitzung, weil statutenwidrig, abgelehnt. Beide Dichter haben im Laufe der Jahre eine Reihe von Briefen gewechselt, die auch veröffentlicht worden sind, und die von der Wertschätzung zeugen, welche Hamerling und Friedrich Halm sich gegenseitig entgegenbrachten. Hamerling aber hat in seinem 1872, leider erst nach Halms Tode erschienenen Scherzspiel »Teut« noch in Erinnerung an die Kränkung, welche seinerzeit dem Verfasser des »Fechters von Ravenna« angetan wurde, als Person den »Schulmeister und Barden Bacherl« eingeführt, der als »Teutschester der Teutschen« in dem Stücke eine ebenso lächerliche Figur spielt, wie dies in der Wirklichkeit der Fall war.

In der Mitte der sechziger Jahre war Baron Münch häufig leidend, namentlich wurde er durch sein nie ganz behobenes und damals wieder heftiger auftretendes Augenleiden vielfach am Arbeiten gehindert. Wie schon erwähnt und begreiflich, hat ihn durch den Tod Julie Rettichs im Jahre 1866 ein Schlag getroffen, den er nie ganz verwinden konnte und der auch für seine ohnehin angegriffene Gesundheit doppelt nachteilig erschien. Aber bald darauf sollte noch in dem Leben Friedrich Halms ein Ereignis Eintreten, welches einen von ihm schon lange gehegten Wunsch erfüllte und wodurch Baron Münch zugleich eine der höchsten sozialen Stellungen erlangte. Es war nämlich Jahre hindurch schon sein Streben darauf gerichtet, an dem Theater, für welches er bisher in so hervorragender Weise als dramatischer Dichter gewirkt, auch tatsächlich eine einflußreiche, natürlich auch dem Range nach bedeutende Stelle einzunehmen. Nicht allzuviele der fernerstehenden Persönlichkeiten erschienen mit diesem Streben des Dichters vertraut, aber aus manchem seiner Briefe und namentlich aus den letzten Briefen Dingelstedts an Münch ist dasselbe zwischen den Zeilen herauszulesen. Leider sind die Gegenbriefe Münchs an Dingelstedt nicht zu Tage gefördert worden, welche hierüber wohl ganz deutlich Aufklärung geben könnten. Schon eine Bemerkung Dingelstedts über Laube in einem Schreiben aus dem Jahre 1856 (»Was Sie von Laubes Fall schreiben, weckt keinerlei Hoffnung mehr in mir ...«), dürfte darauf hindeuten, daß Münch an eine Veränderung in der Leitung des Burgtheaters dachte, die vielleicht mit seiner Person in Beziehung zu bringen gewesen wäre. Freilich leugnete er dies selbst in einer Briefstelle an die getreue Freundin Rettich.

Im Juli des Jahres 1867 übernahm nach dem Tode des Oberstkämmerers und damit obersten Hoftheaterleiters, Fürsten Vinzenz Auersperg, Fürst Konstantin zu Hohenlohe das Oberhofmeisteramt. Schon dem Fürsten Auersperg war Baron Münch beratend in Theaterangelegenheiten zur Seite gestanden und das besondere Wohlwollen des neuen Oberstkämmerers war es auch, welches bewirkte, daß zwischen diesem obersten Hofamte und der Direktion der Hoftheater eine Zwischeninstanz, die Generalintendanz geschaffen und Baron Münch für dieselbe in Aussicht genommen wurde. Noch mehr. Auch die seit längerer Zeit nicht mehr besetzte Stelle eines Hofbibliotheks-Präfekten sollte neu ausleben und ihr die vier naturwissenschaftlichen. Kabinette unterstehen. Münch selbst wurde vom Fürsten Hohenlohe in dieser Angelegenheit um Rat befragt und es liegt ein charakteristisches Schreiben Münchs an den Fürsten vor, in welchem sich Münch schon mit Bezug auf seine eigene Person über die vorzunehmenden Umgestaltungen äußert. Die wichtigsten Stellen aus diesem Schreiben müssen ihres bezeichnenden Inhaltes wegen hier hervorgehoben werden. Sie lauten: »Der seltsame Zufall, der mich in die Lage versetzt, den mir abgeforderten Aufsatz über die etwaige Umgestaltung der dermalen dem Oberstkämmereramt unterstehenden wissenschaftlichen und Kunstanstalten des A. H. Hofes Ew. Durchlaucht nunmehr zum zweitenmale zu überreichen, hat einen tiefen Eindruck auf mich gemacht. Ich glaubte darin einen Fingerzeig der Vorsehung zu erkennen, die Aussicht, die mir die Huld Ew. Durchlaucht für den Fall des Eintrittes jener Umgestaltung eröffnet, und meine persönliche Befähigung für die Übernahme der mir dadurch erwachsenden Obliegenheiten nochmals eingehend zu prüfen. – – Wenn es sich bloß darum handelte, die Oberleitung der eigentlichen wissenschaftlichen und Kunstanstalten des A. H. Hofes zu übernehmen, so bin ich überzeugt, vollständig das Vertrauen Ew. Durchlaucht rechtfertigen zu können. – – Anders verhält es sich, wenn mit der Oberleitung dieser Anstalten auch jene der beiden Hoftheater verbunden werden soll. Meine Bescheidenheit würde zu weit gehen, wenn ich ableugnen wollte, daß ich etwas vom Theaterwesen verstehe, und daß ich nicht selbst die Oberleitung des Hofoperntheaters mit Erfolg durchzuführen mich getraute, wenn mir bei meiner äußerst mangelhaften musikalischen Bildung taugliche Ratgeber und Hilfsarbeiter zur Seite ständen. Allein zur Lösung dieser Aufgabe bedarf es der Energie und Rührigkeit, der Kraft und Ausdauer eines jungen Mannes, während ich mein sechzigstes Jahr zurückgelegt habe, und nun nach Vollendung meines vierzigsten Dienstjahres früher oder später die Zeit an mich herantreten wird, in der der Geist der Ruhe, der erschöpfte Körper der Pflege erheischt. Ich halte mich in meinem Gewissen verpflichtet, Ew. Durchlaucht nochmals auf diesen Umstand aufmerksam zu machen und den Vorwurf von mir fern zu halten, als ob ich mich irgendwie um eine Stellung beworben hätte, deren Übernahme mich im Gegenteil mit so vielen Sorgen und Bedenken erfüllt, daß nur der ausdrückliche Befehl Sr. Majestät mich bestimmen könnte, mich über meine Zweifel hinwegzusetzen. Sollte dieser Allerhöchste Befehl an mich ergehen, so würde ich allerdings als ein getreuer Diener alle meine Kräfte aufbieten, um das Vertrauen meines Allergnädigsten Herrn und die Erwartungen Ew. Durchlaucht zu rechtfertigen, vorausgesetzt, daß mir durch die Besorgung der Theaterzensur von seiten des Ministeriums die Last einer Verantwortlichkeit abgenommen würde, da ich entweder dem Hofe oder der Journalistik gegenüber unterliegen müßte, vorausgesetzt, daß mir ein so selbständiger Wirkungskreis verbunden mit solchen Geldmitteln gesichert würde, daß meine Bemühungen auf einigen Erfolg zählen könnten, vorausgesetzt endlich, daß ich darauf rechnen könnte, in dem rückhaltslosen Vertrauen Ew. Durchlaucht sowohl bei der Wahl meiner Untergebenen hinreichende Unterstützung als auch gegen Widersetzlichkeiten, Anfeindungen und Verdächtigungen, an denen es mir gewiß nicht fehlen würde, kräftigen und ausdauernden Schutz zu finden.«

So weit die bemerkenswertesten Stellen aus Baron Münchs Briefen an den Fürsten. Daß ihm die Gnade des Monarchen in hohem Grade in der Tat zu teil geworden, erweist die bald darauf erfolgte Ernennung, welche in dem amtlichen Teile der k. k. Wiener Zeitung vom 12. Juli 1867 enthalten war und wörtlich lautete: »Seine k. k. apostol. Majestät haben mit Allerhöchstem Kabinettsschreiben vom 11. Juli d. J. den erledigten Hofdienst eines k. k. Hofbibliotheks-Präfekten dem ersten Kustos dieser Hofanstalt, Hofrat Eligius Freiherrn von Münch-Bellinghausen zu verleihen und demselben zugleich die Überwachung der naturwissenschaftlichen Sammlung und der Kabinette des Allerhöchsten Hofes zu übertragen befunden. Ferner haben Se. Majestät mit demselben Allerhöchsten Kabinettsschreiben zu bestimmen geruht, daß Freiherr von Münch die Oberleitung der beiden Hoftheater unter dem Titel eines Generalintendanten zu übernehmen und in allen diesen Beziehungen dem k. k. ersten Obersthofmeister zu unterstehen habe.« Mit den neuen Ämtern war die Geheimratswürde verbunden, welche zu dem Titel Exzellenz berechtigte, und der Dichter Halm hatte dadurch eine Stellung erlangt, wie sie wohl noch keiner von den Poeten Österreichs im ganzen Jahrhundert auch nur annähernd erreicht hatte, am wenigsten natürlich der greise, damals schon ganz zurückgezogen lebende Grillparzer.

Die nächste Folge des Antrittes feiner Generalintendantenstelle war für Münch leider der offene Bruch mit dem Burgtheaterdirektor Heinrich Laube. Zunächst beanspruchte Münch als Generalintendant selbst jene Rechte, welche dem artistischen Direktor Laube gebührten, falls derselbe so ersprießlich wie bisher weiter wirken sollte. Laube sprach, als er sich bei dem neuen Vorgesetzten meldete, seine Freude darüber aus, daß er nun unmittelbar mit einem dramatischen Poeten zu verhandeln haben würde, aber ein Schreiben Baron Münchs besagte bald, wie er dem artistischen Direktor alle früher gehabten Vollmachten entziehen müsse, nämlich die Wahl der Stücke, die Bildung des Repertoires, die Besetzung der Rollen und die Befugnis zu einjährigen Engagements. Alle diese Befugnisse müsse er, der Intendant, in Anspruch nehmen. Damit war natürlich, wie Laube selbst sagt: »die artistische Direktion inhaltslos geworden«, da ihr jegliche Gelegenheit, »schöpferisch zu wirken«, entzogen wurde. Anfangs schien es zu einem Kompromiß zu kommen, Laube legte den Entwurf einer Dienstinstruktion vor, nach welchem dem artistischen Direktor einige der wichtigsten Befugnisse unbedingt zu erhalten gewesen wären. Dagegen hatte auch Münch eine Instruktion ausgearbeitet, welche der Generalintendanz allein diese und andere Befugnisse zusprach und am 17. August 1867 genehmigte der Kaiser diese letztere Instruktion, welche an Laube zugestellt wurde. Dieselbe veranlaßte ihn zu einem ausführlichen Memoire in Briefform an den Oberstkämmerer, das vom 9. September 1867 datiert war und die Gründe für die nötige Selbständigkeit des artistischen Direktors klar auseinandersetzte. 'Für den Fall, daß darauf nicht eingegangen mürbe, erbat sich Laube die ehrenvolle Entlassung aus seinem Amte. Baron Münch selbst war es nun, der allerdings mit dem Ausdrucke des Bedauerns die Versetzung Laubes in den Ruhestand befürwortete, welche denn auch mit Zuspruch eines Ruhegehaltes von 2000 Gulden am 26. September 1867 erfolgte. Damit hatte Heinrich Laubes so reiche und ersprießliche Tätigkeit als Hofburgtheaterdirektor durch fast 18 Jahre geendet und Baron Münch, der neue Generalintendant, nahm neben seinen übrigen Obliegenheiten auch dieses schwierige Amt ganz allein in seine Hände. Allerdings stand ihm der von ihm persönlich bezeichnete frühere Mannheimer Oberregisseur August Wolff zur Seite. Es liegt mir eine Zahl von Briefen Münchs an Wolff vor, deren ersten vom 10. November 1867 schon der Generalintendant mit den Worten schließt: »Entnehmen Sie aus diesen Zeilen, wie sehr es mir daran liegt, Sie für das Burgtheater zu gewinnen, welche Erwartungen ich von Ihnen hege und wie sehr ich wünsche, daß Sie eine Stellung einnehmen, für die ich Sie ganz besonders für geeignet halte.« Dieser Ton dringt in allen Briefen Münchs an Wolff durch, der am 10. Januar 1868 in der Tat die artistische Direktion übernahm. Dieselbe leistete aber nicht Genüge, dies beweist die kurze Direktionsführung Wolffs, welche schon im Jahre 1870 ihr Ende erreichte. Durch die Vermittlung des Generalintendanten Münch gelang es auch dem schon lange nach der österreichischen Residenz strebenden Freunde Franz Dingelstedt zunächst, die Stelle eines artistischen Direktors der Hofoper zu erhalten, welche Dingelstedt am 1. Oktober 1867 antrat, nicht ohne die Hoffnung zu hegen und auszusprechen, daß er in nicht allzu ferner Zeit die Direktion des ihm als dramatischem Dichter näher liegenden Hofburgtheaters selbst erreiche. – Zunächst begann der Generalintendant seine Amtsführung mit der Preisausschreibung für ein Lustspiel am 30. Oktober 1867, welche in der Folge die Komödie Hippolit Schauferts: »Schach dem König« als mit dem ersten Preise ausgezeichnet hervorgehen ließ. Wie in dieser Beziehung, so folgte man aber auch in anderen Dingen bei der neuen Direktionsführung dennoch den bewährten Grundsätzen, die Laube eingehalten hatte. Dieser selbst freilich ließ es an scharfen Beurteilungen über die Leistungen, welche nun auf der Hofbühne geboten wurden, nicht fehlen. Ja, der persönliche Einfluß Laubes durch Mittelspersonen, die am Burgtheater wirkten, machte sich sogar trotz seiner schroffen Stellung dem herrschenden Regime gegenüber bemerklich. Im Februar 1868 aber kam es zwischen Münch und Laube zum offenen Bruch. Letzterer hatte sein Stück: »Böse Zungen« dem Burgtheater eingereicht, die Zensurbehörde wenige geringe Anstände erhoben, aber Baron Münch stellte das Manuskript mit einem Schreiben an Laube zurück, in dem er unter anderem erklärte: »Ich finde es der Achtung und Würde des k. k. Hofburgtheaters nicht angemessen, seine Bretter einem offenkundigen und übelwollenden Gegner als Feld für seine Wirksamkeit, vielleicht gar als Arena für Parteiumtriebe einzuräumen.« Diese Zurückweisung erregte damals einen Sturm in der Öffentlichkeit und namentlich in den Wiener Blättern, und als im April die »Bösen Zungen« im Theater an der Wien zuerst aufgeführt wurden, zeigte auch das Publikum durch begeisterten Beifall, wie sehr es gegen diese Handlungsweise und für die einstige Direktion Laube eingenommen war.

Es gab unter Münchs Leitung Klagen von seiten des Publikums und der Presse, das Repertoire bot keine Abwechslung. Novitäten fanden keinen Anklang. Freilich lautete ein später erschienener Nachruf über Halm: »Einen Vorzug darf ihm der Unbefangene nicht streitig machen: er leitete die österreichische Bühne mit einem österreichischen Herzen. Er freute sich, den österreichischen Dichtern vor allem etwas gelingen zu sehen. – – Wohlwollender, teilnehmender, herzlicher sind österreichische Dichter und ihre Werke niemals empfangen und kultiviert worden als unter Friedrich Halm.«

Allerdings zeigte Münch auch bei diesen oft seine Ängstlichkeit und die ihm stets anhaftende bureaukratische Pedanterie. Hiervon ein Beispiel. Der Dichter Ludwig Goldhann hatte ein zweiaktiges Lustspiel: »Ein Tanz mit der Königin« eingereicht: als er sich persönlich bei Münch um das Schicksal seines Stückes erkundigte, gab es ihm dieser gutmütig lächelnd mit den Worten zurück: »Sehen Sie, in dem Stücke kommt ein König vor, der offenbar betrügt – und das – Sie sehen es doch ein – das kann ich doch nicht aufs Burgtheater bringen.« Goldhann sah den Intendanten einen Augenblick starr an und erwiderte hierauf: »Und wie halten Sie's mit ›König Johann‹ und ›Richard dem Dritten‹?« – Halm rieb sich verlegen die Hände und meinte nach einer Pause: »Mit Ihrem Stück kann ich's doch nicht wagen. Sie weisen auf Shakespeare hin. Ja, sehen Sie, Shakespeare ist ein Alter, bei dem geht so etwas hin, da nimmt man es nicht so genau, aber Sie – Sie sind ein Moderner.« – Richtig ist, was Münch in einem Briefe an einen unbekannten Adressaten im März 1870 geschrieben: »Seit dem Jahre 1867 ist Besuch wie Einnahme des Burgtheaters jährlich bedeutend gestiegen und auch in diesem Jahre kein Platz darin zu bekommen. Das Publikum hat also bei meiner Leitung, scheint es, seine Rechnung gefunden; wenn ich in artistischer Beziehung weniger geleistet, als ich zu leisten gewünscht hatte, so wird jeder billig Denkende die Umstände in Erwägung ziehen, daß Josef Wagner jahrelang krank war, daß alle Versuche, sein Fach und andere Lücken zu besetzen, wegen Mangel an schauspielerischen Talenten fruchtlos geblieben, daß meine Lustspielausschreibung bewiesen, daß die dramatische Produktion in Deutschland nahezu auf Null herabgesunken ist und daß ich unmöglich bringen konnte, was ich nicht hatte. Das Mögliche habe ich getan.«

Friedrich Halm (etwa 40 Jahre alt). Nach einer Zeichnung von Grilhofer, gestochen von C. Kotterba.

Münch selbst sah es schließlich ein, daß das Burgtheater künstlerisch zurückzugehen im Begriffe stehe und er dachte nun ernstlich daran, Laube in seine frühere Stellung wieder zurückzuversetzen, mit dem er sich ausgesöhnt hatte. Bei einem Besuche Laubes, den ihm dieser nun doch machte, rief er ihm zu: »Nun Laube, Sie haben Recht gehabt, es geht nicht ohne einen mächtigen Direktor! Ich hätte Sie nicht gehen lassen sollen und Sie hätten nicht gehen sollen.« Freilich entschied diesmal Fürst Hohenlohe gegen die Rückberufung Laubes.

Baron Münch aber, der sich schon lange mit Rücktrittsgedanken getragen und auch seiner immer zunehmenden Kränklichkeit wegen das ihm zur Last gewordene Amt ablegen wollte, erbat in der Tat bald darauf die Enthebung, welche im November 1870 erfolgte. Seitdem lebte Friedrich Halm still und zurückgezogen im Kreise seiner kleinen Familie. Daß ihn in den letzten Jahren immer trübere Gedanken verfolgten, erweist das von ihm 1869 verfaßte bezeichnende (ungedruckte) Sonett, welches hier einen Platz finden möge:

Grabschrift.

Hier lieg ich, von des Todes Sensenhiebe
Hinweggemäht, daß Staub zum Staube kehre,
Ob tauber Halm, ob eine volle Ähre,
Die Zeit wird's richten ohne Haß und Liebe.

Mir gilt es gleich! Entrafft dem Weltgetriebe,
Was fragt' ich noch nach diesem Traumbild Ehre,
Und sorgte, ob mich Nachruhm nicht verkläre,
Ob meines Namens Klang im Wind zerstiebe!

Ausströmt' ich, was Natur in mich gegossen,
Und drei Gedanken fühlt' ich mich umweben,
Als Todesschatten mir den Blick umflossen:

Ein großes Herz war liebend mir ergeben,
Dem Schönen neidlos war mein Blick erschlossen
Und was ich schuf, das atmet eignes Leben!

Schon im Frühjahre 1871 machte sich des Dichters Leiden in stärkerem Grade bemerkbar und bald war jede Hoffnung am Aufkommen des schwer Kranken geschwunden. Friedrich Halm verschied am 22. Mai 1871 um ½5 Uhr in seiner Stadtwohnung, Wollzeile Nr. 29, im 65. Lebensjahre. Seinem Wunsche nach wurde er in dem von dem Dichter stets so geliebten Hütteldorf begraben, wo sein Grabmal aus Granit, von einem goldenen Kreuze überragt, das Familien-Wappen der Freiherrn von Münch-Bellinghausen in Bronze aufweist und die Inschrift trägt:

Eligius
Reichsfreiherr von
Münch-Bellinghausen
genannt
Friedrich Halm,
Präfekt der Hofbibliothek
k. k. Geheimer Rat und Kämmerer
geboren am 2. April 1806
gestorben am 22. Mai 1871.
Gleich groß und edel
Als Mensch und als Dichter
wird er seiner Familie
Und seinem Vaterlande
unvergeßlich bleiben.
Die trauernde Witwe.

Mit Friedrich Halm ist der letzte Vertreter echter Romantik aus dem Gebiete des Dramas aus dem Leben geschieden, eine feine und künstlerisch angelegte Dichternatur dem österreichischen Poetenkreise entrissen worden, zu dessen glänzendsten Vertretern er viele Jahre hindurch gezählt hat. Erst in der jüngsten Zeit ist unverdienterweise die Erinnerung an diesen feinsinnigen Poeten zurückgedrängt worden, dessen Hauptwerke einst von allen gebildeten Nationen bewundert worden sind.


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