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Glück.

Was jeder sucht und was so wen'ge kennen,
Wonach mir alle jagen stets und rennen,
Wofür selbst Greise glühen noch und brennen,
Glück, was ist Glück? Wer weiß es mir zu nennen?

Befriedigung? – Das Herz kennt keinen Frieden!
Und Ruhe? Wem war jemals sie beschieden?
Freiheit vielleicht? – Doch wer ist frei hienieden?
Glück, was ist Glück? Wer hat es je entschieden?

Dem ist es Reichtum, jener nennt es Macht;
Dort grünt es einem in des Lorbeers Pracht,
Der findet es in wüst durchschwelgter Nacht,
Und dieser, wenn er sie beim Buch durchwacht!
Glück ist, was jeder sich als Glück gedacht!

Und träte einer nun zu mir heran,
Und spräche flehend: Zeige mir die Bahn
Zum Glück, zum Glück, nach dem wir alle jagen,
Die Worte müßt' ich ihm zur Antwort sagen:

Erst liebe, was auch deine Neigung wähle,
Ein Weib, ein Kind, Kunst, Wissenschaft, Natur,
Doch lieb' es ganz aus voller trunkner Seele,
Und leb' und web' in diesem einen nur!
Laß ganz aus dir des Ich's Bewußtsein schwinden,
Tauch' unter wie ins Meer in dein Empfinden,
Beglückend nur fühl' selber dich beglückt.
Gib ganz dich auf, und lerne froh entzückt,
Je mehr du gabst, nur reicher stets dich finden.

Dann schaffe, was es Sei, nach deinen Gaben,
Ein Lied, ein Bild; treib Handel, führ' den Pflug:
Doch mußt du hoch das Ziel gesteckt dir haben,
Und was du leistest, sei dir nie genug!
Laß nie die Kraft, den Willen dir erschlaffen,
Vom bessern dich zum besten aufzuraffen;
Nur wenn dein Geist nach Fortschritt ewig geizt,
Wenn ewig ihn Vollendung lockt und reizt,
Dann lebst du erst; es leben nur, die schaffen!

Und dann – dann stirb, denn besser nie erfahren
Der Liebe Glück, des Schaffens Drang und Lust,
Als sie verglimmen fühlen in der Brust,
Und traurig überleben, was wir waren.


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