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An die Natur.

Wie achtlos ging ich einst vorbei,
Natur, an deiner Reize Prangen,
Als in den Adern frisch und frei
Des Blutes Wellen mir noch sprangen!

Da horchte trunken nicht mein Ohr
Des Wasserfalles wildem Rauschen;
Es hatte auf den mächt'gen Chor
Der Geister in mir selbst zu lauschen!

Vergebens wehte Hag und Strauch
Mir Blütenschnee und Duft entgegen;
Berauschend fühlt' ich Gottes Hauch
In meiner Brust die Flügel regen!

Stumpf ging an Berg und Tal ich hin
Und stand nicht still am Seegestade:
Denn in den Wolken schwamm mein Sinn
Und stählte sich im Ätherbade!

Aufschäumend hob ein brandend Meer
In mir die dunklen mächt'gen Wogen,
Und Sterne glänzten drüber her
Und goldner Hoffnung Regenbogen! –

Wie anders jetzt! – Wie zieht's mein Herz
Nun mächtig hin nach grünen Matten!
Wie blick' ich sehnend alpenwärts
Und lechze heiß nach Waldesschatten!

Wie winken nun so süß vertraut
Mich Berg und Tal in ihre Mitte:
Wie kos' ich nun mit Blatt und Kraut,
Zertreten sonst mit raschem Schritte.

Natur, wie lieb' ich nun so heiß
Dein üppig Grün, dein Blütenprangen,
Daß nimmer ich zu ruhen weiß,
Hält nicht dein Arm mich traut umfangen.

Ist's Weisheit, die so spät mir reift?
Ist's Unvermögen zu genießen,
Das nach dem letzten Zweige greift,
Wo rote Beeren noch ihm sprießen?

Wie, oder zieht mich unbewußt
Ein Ahnen zu dir, grüne Erde,
Daß bald an deiner Mutterbrust
Ich still und friedlich schlummern werde?


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