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Erzählende Gedichte.

König Dagobert und seine Hunde.

Todsiech saß König Dagobert,
Er saß auf goldnem Thron;
Zu Füßen lag ihm Stab und Schwert,
Sein Haupt umfing die Kron'.

Und auf des Thrones Stufen ruht
Sein treues Rüdenpaar,
Und Kronenglanz und Abendglut
Umstrahlt ihm das greise Haar.

Es stehen seine Mannen all'
Der Halle Raum entlang;
Vom Münster dröhnet Glockenschall,
Und dumpfer Orgelklang.

Und zitternd hebt der Greis den Blick
Empor zum Abendrot,
Und schließt das Ang' und sinkt zurück
Da meinten sie ihn tot!

Sein Erbe tritt hinan zum Thron,
Und greift nach Schwert und Stab
Und langt empor und nimmt die Kron'
Dem bleichen Vater ab.

Und aus der Halle schreitet er
Mit seiner goldnen Last,
Der Menge Schwall, ein wogend Meer,
Drängt nach in stummer Hast.

Nicht einer weilte; nebelgleich
Brach Dämmerung herein;
Der greife König still und bleich
Saß einsam und allein.

Nur seine Hunde treu und klug,
Die halten, bei ihm stand,
Und lauschen auf seinen Atemzug
Und lecken ihm Mund und Hand.

Da flammt noch einmal in lichtem Strahl
Hell auf sein trüber Blick,
Da flutet ins Herz zum letztenmal
Sein stockend Blut zurück.

Sein Auge späht nach seinem Sohn,
Und sieh der Saal ist leer,
Er sucht, er greift nach seiner Kron',
Und findet sie nicht mehr.

Kein Laut rings; nur sein Rüdenpaar,
Das schnuppert ihn freundlich an;
Da faßt er's erst, da wird's ihm klar,
Er sei ein toter Mann.

Da wogt in des welken Busens Raum
Empor ein Meer von Schmerz;
Da träumt seines ganzen Lebens Traum
Zurück sein zuckend Herz.

Wie oft, was glühend er erfaßt
In Nebelduft zerrann,
Wie er geliebt, wie er gehaßt
Und alles war mir Wahn.

Wie selten Freude ihn entzückt
Und schwand dahin so schnell,
Wie hart die Kron' ihn oft gedrückt
Und glänzte doch so hell.

Das alles, wie dunkler Gnomen Schar,
Zog wirr an ihm vorbei,
Da sah sein brechend Auge klar,
Daß alles eitel sei! –

Zu seinen Hunden treu und gut
Hat sich sein Blick gewandt;
Liebkosend auf ihren Scheiteln ruht
Des Greises welke Hand.

Nach ihren treuen Augen späht
Sein Blick von Nacht umflort,
Und von den bleichen Lippen weht
Hinsterbend dieses Wort:

»Es strahlt kein Tag so hell, so licht,
Er geht zu End' einmal;
Es grünt kein Buchenwald so dicht,
Der Herbstwind macht ihn kahl!

Kein Becher schwillt von so süßem Schaum,
Er wird doch einmal leer,
Es hegt kein Herz so lieben Traum,
Am Ende träumt's nicht mehr!

Es strahlt keine Krone hell genug,
Am End' verlischt ihr Schein,
Es ist kein Freund so treu, so klug,
Es muß geschieden sein.«

Er sprach's, liebkost sein Rüdenpaar
Noch einmal, und sinkt zurück.
Und diesmal war sein Sterben wahr,
Und diesmal brach sein Blick.

So tut ein altes Buch uns kund;
Sinnt, Fürsten, drüber nach,
Was sterbend eines Königs Mund
Zu seinen Rüden sprach.


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