F. W. Hackländer
Das Geheimniß der Stadt
F. W. Hackländer

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Neunzehntes Kapitel.

Zwei Tage später saß der Polizeirath Merkel im Schreibzimmer seiner Wohnung und arbeitete. Es war dieses ein helles, freundliches Gemach auf der Polizeidirektion und bot einen ebenso behaglichen Anblick, als der Bewohner desselben mit seinem beständigen gleichförmigen Lächeln und der guten, wohlwollenden Miene. Die Wohnung des Polizeiraths, welche man ihm, dem Junggesellen und unermüdlichen Arbeiter, gern eingeräumt hatte, lag im ersten Stocke des großen, weitläufigen Gebäudes in einer der Hauptstraßen der Stadt, hatte eine weite Aussicht, da sie auf einen ziemlich großen Platz stieß, und bestand aus vier Zimmern und einem Vorzimmer, wo sich der Bureaudiener befand. Hier korrespondirte diese Wohnung mit der großen Treppe, hatte aber hinten vermittelst einer kleinen Stiege noch einen besonderen Ausgang und hier eine Thür mit einem festen und sehr künstlichen Schlosse, dessen Schlüssel Herr Merkel nie von sich ließ, ja, die er beständig selbst öffnete, wenn ein vertraulicher Besuch erschien, der sich durch eine nur sehr wenigen Personen bekannte Vorrichtung von der Straße her klingelnd bemerkbar machen konnte.

Die ganze Wohnung, obgleich so zu sagen im Herzen der Polizei gelegen, hatte aber durchaus nichts von jenem Finstern oder auch nur Ernsten, welches diese erhabene Behörde sonst in fast allen ihren Gliedern oder Zweigen zu kennzeichnen pflegt. Hier sah man weder düstere Aktenschränke noch jene drohenden Stehpulte, hinter denen hervor wir gewohnt sind, auf kategorische Weise befragt zu werden, auch nicht jene langweiligen Tische, mit grünen Tüchern bedeckt, auf denen wir allerlei verdächtige Gegenstände, erbrochene Schlösser, Schlüssel und Dietriche, dünne Strickleitern, ja, Dolche und Pistolen zu sehen wähnen. Nichts sah man hier von allem dem, obgleich jedes der eben genannten Requisiten hier genügend vorhanden war; die Akten hatten sich schlauer Weise hinter den Thüren eines zierlichen Bücherschrankes mit grünseidenen Vorhängen verkrochen, die anderen verdächtigen Zeugen von der Thätigkeit des Polizeirathes fanden sich wohlgeordnet in verschlossenen Schubladen, und statt des steifen, grau angestrichenen Stehpultes sah man hier, quer an eines der Fenster geschoben, einen sehr eleganten Schreibtisch von feinem Holze, mit harmlosen Nippsachen besetzt, vor dem der Polizeirath in einem äußerst bequemen Lehnstuhle saß. Doch befand er sich nicht allein; vor ihm, die rechte Hand auf den Schreibtisch gestützt, stand eine sehr elegante Dame, in schwerem, dunkelen Seidenzeug gekleidet, in einem kurzen, grauen Mantel mit weißen Perlmutterknöpfen, einen kleinen, coketten, weißseidenen Hut auf dem Kopfe, kurz, die Oberbauräthin Lievens, die Schwester des Polizeirathes, in ihrer ganzen üppigen Schönheit. In der linken Hand hatte sie einen feinen Regenschirm und machte sich das Vergnügen, die Spitze desselben in den Papierkorb neben dem Schreibtische zu bohren, während sie mit einigen anderen Zeichen von Ungeduld den Worten ihres Bruders lauschte, der, ohne diese Ungeduld im geringsten zu theilen, freundlich und behaglich, wie es seine Gewohnheit war, mit ihr sprach.

»Du siehst also, meine liebe Sophie,« sagte er, »daß ich dir eigentlich nicht mehr zu sagen im Stande bin.«

»Eigentlich ja, aber uneigentlich, wenn du willst, habe ich jetzt, so zu sagen, wieder einmal Kastanien für dich aus dem Feuer geholt und kann nun mit schönem Danke von dir nach Hause gehen – hoffe aber, daß dein Zusatz »eigentlich« so viel sagen will, als: du wolltest heute einmal ein Übriges thun.«

Der Polizeirath blickte lächelnd zur Decke empor, ehe er zur Antwort gab: »So seid ihr Weiber nun einmal, und wenn man die unschuldigsten Fragen von der Welt an euch stellt, so glaubt ihr immer, es müsse Gott weiß was Geheimes dahinter stecken.«

»Und bei dir mit vollem Rechte; ich kenne deine harmlose Miene, weiß aber ganz genau, daß du nicht einmal fragst: Wie geht es Ihnen? oder: Wie viel Uhr ist es? ohne deine besonderen Gründe dazu zu haben.«

»Da müßte ich ja ein ganz unglücklicher Mensch sein!«

»Das bist du auch, aber glücklich in deinem Unglücke; doch wozu diese Abschweifung, genug, ich will nun einmal wissen, warum mich der Herr Polizeirath mit seinem außerordentlichen Vertrauen beehrt, warum du mich veranlaßt, dir die genauesten Mittheilungen zu machen, was Herr Welden thut und treibt.«

»Warum? Weil ich an diesem jungen, vortrefflichen Manne, wie du selber weißt, einen ganz besonderen Antheil nehme – einen Antheil, setzte er freundlich lächelnd hinzu, in dem wir uns begegnen.«

»O, mein Interesse ist ganz anderer Art, in Wirklichkeit wohlwollend, harmlos, nicht nur dem Scheine nach.«

»Das meinige ebenfalls; habe ich je eine Äußerung anderer Art über ihn fallen lassen?«

»O nein, aber du hast deine guten Gründe, um über alles das, was er in den letzten Tagen that und thut, unterrichtet zu sein, und diese Gründe will ich wissen.«

»So, du willst?«

»Ja, mein lieber Bruder – wenn du nicht willst, daß ich Herrn Welden einfach sage: nehmen sie sich in Acht, die hohe Polizei läßt Sie beobachten, sie weiß durch mich, daß sie in den letzten zwei Tagen viel zu Hause waren und schrieben, alle ihre kleinen Rechnungen bezahlten, ja, gestern Abend spät einen Koffer packten, als wenn sie eine weite Reise machen wollten.«

»Nun, wenn du ihm das sagtest,« entgegnete Herr Merkel in fast lustigem Tone, »so würde Herr Welden ungefähr wissen, um was es sich handelt.«

»So werde ich es sogleich thun, sobald ich nach Hause komme.«

»Sei gescheit, Sophie, und glaube mir, daß alles, was geschieht, nur zum Besten deines Herrn Welden ist.«

»Meines Herrn Welden?« versetzte die schöne Frau achselzuckend – »gut denn, so sei auch du so gescheit und sage mir, was ich wissen will, denn du bist überzeugt, daß ich nichts gegen das Interesse meines Herrn Welden thun werde.«

Der Polizeirath hatte sich in seinen Stuhl zurückgelehnt, rieb alsdann seine Hände behaglich um einander und betrachtete seine Fingerspitzen, indem er sagte: »Das ließe sich allenfalls thun, wenn du klug genug wärest, nicht klüger sein zu wollen, als es dir die Klugheit – das bin ich – gebietet; es ist das auch eigentlich gar kein Geheimniß, am wenigsten ein Amtsgeheimniß und am allerwenigsten etwas gegen die Person des Herrn Welden gerichtet, nein, nein, wie schon bemerkt, das alles geschah und geschieht gerade in seinem Interesse.«

»Nun, so theile mir dieses Interesse mit.«

»Dir könnte ich das wohl, aber so wie du das dir Mitgetheilte weiter mittheiltest, so hätte es alles Interesse verloren für dich, für mich und für Herrn Welden.«

»Wenn ich dir nun aber mein Wort gebe, weder über das, was du mir mittheilst, zu reden, noch auf irgend welche andere Art Jemandem darüber Mittheilung zu machen – du weißt, man kann Jemandem auch schriftlich mittheilen oder in einem Selbstgespräche, – wenn ich dir nun aber verspreche, nichts dergleichen zu thun, oder wenn ich dir im anderen Falle die Versicherung gebe, sogleich Herrn Welden zu sagen, daß er beobachtet wird und daß du es leider schon wüßtest, er habe Vorbereitungen zu einer längeren Reise gemacht?«

»Ja, ja, vielleicht zu einer längeren Reise.«

»Nein, nein, das ist nicht möglich,« rief die schöne Frau in großer Erregung, »das würde Herr Welden niemals thun; er würde mich – uns nicht heimlich verlassen, das traue ich ihm nicht zu – o, gewiß nicht – gewiß nicht!«

»Man wird oft zu etwas gegen seinen Willen gedrängt.«

»Wer sollte ihn drängen? Herr Welden ist in jeder Beziehung ein wohlgeordneter junger Mann, und als mein Mann gestern seine kleine Tour antrat – er ist, wie du weißt, in Geschäften für acht Tage abwesend, – da besprach er noch Dies und Das mit Herrn Welden und übergab ihm das ganze Bureau, wie er es ja immer zu thun pflegt, sobald er sich in Geschäften entfernt – aber deine Worte sind zweideutig, wie immer, und wenn du sagst: eine Reise, so lauert etwas Anderes dahinter – sei ehrlich, Joseph, wie ich es immer gegen dich gewesen bin!«

»›Wer kann dir widerstehen?‹ heißt es in irgend einer Oper,« erwiederte freundlich Herr Merkel. »Gut, ich will von meiner Gewohnheit abgehen und dir ehrlich und offen sagen, um was es sich handelt; aber setze dich dort in den kleinen Fauteuil, damit, wenn du erschrickst . . .«

»Unbesorgt, ich habe eine starke Natur.«

»Herr Welden hat neulich Abends einen kleinen Streit mit irgend Jemandem gehabt, der ihn dabei auf's gröbste beleidigte, so daß also Herr Welden sich veranlaßt sah, jenen um eine Zusammenkunft zu bitten.«

»Ein Duell – ah, ich glaube, du sagst die Wahrheit!«

»Wie immer, wenn ich will. Allerdings, es ist ein Duell auf Pistolen, fünf Schritte Barriere, welches morgen früh sieben Uhr in einem kleinen Wäldchen zwischen hier und dem Landgute des Barons Rivola, Eichenwald, stattfinden soll.«

»Und ist Baron Rivola dabei betheiligt?« fragte Madame Lievens hastig.

»Kaum – es müßte denn sein, daß der Freiherr unserem jungen Freunde für einen möglichen ernsten Fall Wagen und dergleichen angeboten hat.«

»Sonst wäre kein Grund denkbar, weßhalb sich Herr von Rivola für dieses Duell interessirte?«

»Keiner, darüber kannst du dich beruhigen,« erwiederte der Polizeirath, indem ein ganz kleines Lächeln in seinen Mundwinkeln erschien.

Die Oberbauräthin that einen tiefen Athemzug und ihre schönen, dunkeln Augen schienen mit Einem Male umflort; sie preßte die frischen, weichen Lippen fest auf einander und blickte ihren Bruder ein paar Augenblicke starr an, ehe sie sagte: »Ich glaube dir – das ist ja aber entsetzlich!«

»Nicht wahr? Ein Duell auf fünf Schritte Barriere, und wegen einer ganz elenden Ursache!«

Die schöne Frau faltete ihre Hände krampfhaft zusammen und sagte mit einem flehenden Blicke: »Ich bitte dich, Joseph, theile mir auch jene Ursache mit!«

»Warum nicht; es war neulich Abends bei einer Spielgesellschaft, an demselben Tage, wo ich Herrn Welden bei dir traf und mit ihm fortging. Er kam zu dieser Gesellschaft, weil er es versprochen hatte, und da entstand ein Wortwechsel, bei welchem Herr Ferdinand Welkermann – du siehst, wie aufrichtig ich bin – unserem jungen Freunde eine Beleidigung zuschleuderte, die allerdings, nach unseren Begriffen von Ehre, nur durch ein scharfes Duell wieder abgewaschen werden kann.«

»O mein Gott, o mein Gott!« rief die schöne Frau aus, indem sie händeringend im Zimmer auf und ab ging.

»Ich erfuhr das alles zufällig,« sagte der Polizeirath mit großer Ruhe, »und da ich hoffte, die Sache ließe sich am Ende doch noch gütlich beilegen, so veranlaßte ich Herrn Welden, mir sein Ehrenwort zu geben, drei Tage lang das Duell zu verschieben. Das war nun vorgestern, und heute Abend oder vielmehr morgen früh um sieben Uhr sind die bedungenen drei Tage vorüber.«

»Und das Duell wird stattfinden?« rief sie angstvoll.

»Würde stattfinden, wenn du, meine liebe Schwester, mir nicht durch deine Mittheilung bewiesen hättest, daß Herr Welden ein Hitzkopf ist, der, trotzdem ihm Herr Welkermann die genügendsten Erklärungen geben will, doch die Sache mit der Pistole in der Hand abzumachen wünscht, und weil ich deßhalb andere Maßregeln treffen muß.«

»Und du glaubst, das Duell verhindern zu können?«

»Zuversichtlich, wenn du dein mir gegebenes Wort hältst und Herrn Welden keine Mittheilungen machst – wogegen im anderen Falle allerdings der junge Herr gewarnt würde und Mittel und Wege fände, die Zusammenkunft doch stattfinden zu lassen.«

»Also morgen früh?«

»Morgen früh um sieben Uhr.«

»Aber sage mir, Joseph, wie kannst du es möglich machen, daß Herr Welden das Haus morgen früh nicht verläßt, um seinen Feind irgendwo zu finden?«

»Ja, wenn ich das vermöchte, wenn ich ihn wie einen Schulknaben in sein Zimmer einzuschließen vermöchte, nur bis sieben Uhr – aber das ist unmöglich – doch habe ich noch ein anderes Mittel, das mir nicht so leicht fehlschlägt.«

Frau Lievens war an das Fenster getreten; sie faßte mit der Hand den Griff der Verschlußstange und drückte ihre heiße Stirn gegen das kalte Metall. So verblieb sie ein paar Minuten in tiefes Nachdenken versunken und schrack alsdann sichtbar zusammen, als ihr der Polizeirath in launigem Tone zurief:

»Nun, willst du mich in meinen Bemühungen unterstützen? Denke dir etwas aus, um ihn von diesem garstigen Duell zurückzuhalten. Ihr Weiber seid erfinderisch, du könntest ja zum Beispiel sämmtliche Hausschlüssel verloren gehen lassen.«

Sie hatte sich gegen ihren Bruder gewandt und blickte ihn starr an, wobei man aber deutlich an dem Ausdrucke ihrer großen, glänzenden Augen sah, daß ihre Gedanken anderswo beschäftigt waren, was auch der Polizeirath zu bemerken schien, denn er erhob sich, trat lächelnd auf sie zu und sagte, ihre Hand ergreifend:

»Wahrhaftig, Sophie, überlege dir das mit den verloren gegangenen Hausschlüsseln, du könntest mir und ihm dadurch einen großen Dienst erzeigen.«

»Also morgen früh um sieben Uhr,« sagte sie, tief und schwer athmend; »aber da ist es ja noch dunkel.«

»Im Gegentheil, hell genug, um seinen Mann auf fünf oder zehn Schritte zu sehen – man sieht, daß du spät aufstehst.«

»Ja, das ist wahr,« gab sie träumerisch zur Antwort, um aber gleich darauf mit ihrer gewöhnlichen Lebhaftigkeit hinzuzufügen: »Du wirst mit mir zufrieden sein, Joseph, das heißt mit der Verschwiegenheit, die ich deinem Vertrauen entgegensetze – also du glaubst wirklich, das Duell verhindern zu können, selbst wenn Herr Welden auf dem Kampfplatze erscheint?«

»Selbst dann noch – doch wäre es mir allerdings lieber, wenn er die gegebene Frist von drei Tagen freiwillig verlängern wollte; es ist aber dazu nicht die geringste Aussicht vorhanden – versuche du einmal deine Überredungskunst.«

»Recht gern,« gab sie zur Antwort, wobei es freudig in ihren Augen aufglänzte; »aber so müßte ich ihm ja gestehen, daß ich um das Duell weiß.«

»Nun so gestehe es ihm, es wissen noch mehr Leute darum.«

»Und meine Belohnung?« fragte sie mit einem reizenden, schalkhaften Lächeln.

»Das Bewußtsein, eine gute That gethan zu haben, mit dem ich mich so oft zufrieden geben muß.«

Sie reichte ihm ihre Hand, worauf er mit ihr das Zimmer verließ und sie über die kleine Nebentreppe hinabgeleitete.

Als er wieder zurückkam, trat er an das Fenster und sah die Oberbauräthin, welche das Ende des großen Platzes erreicht hatte und dort stehen blieb, um mit Jemandem zu sprechen; er erkannte aber die andere Dame nicht und nahm seine Lorgnette zu Hülfe, wo er dann, das rechte Auge zugekniffen, mit einiger Anstrengung sah, daß es die Frau Revisorin Welkermann war, welche mit seiner Schwester etwas Wichtiges zu verhandeln schien und sie dann in eine Nebenstraße begleitete.

»Ich möchte gerade nicht, daß sie mit dieser General-Stadtklatsche von der Geschichte spräche. Doch ist Sophie selbst so klug, das nicht zu thun.«

So dachte Herr Merkel, während er an seinen Schreibtisch zurücktrat und dort durch ein Zeichen mit der Glocke den Amtsdiener herbeirief, der auch sogleich erschien.

»Da, nimm meine Lorgnette, Anton, und laß sie mir wieder herstellen: es fehlt das rechte Glas.«

»Haben der Herr Polizeirath das Glas nicht mehr?«

»Doch, doch, ich glaube, ich habe es zu mir gesteckt – richtig, da ist es.« – Er griff in seine Westentasche und zog das in Papier eingewickelte Glas hervor. – »Da, nimm es; es ist mir vor ein paar Tagen herausgefallen, doch glaube ich nicht, daß es Schaden gelitten hat.«

Der Amtsdiener entwickelte das unscheinbare, vergilbte Papier und ließ es auf den Schreibtisch niederfallen, worauf er das Augenglas aufmerksam betrachtete, welches aber durch den Fall keinen Schaden gelitten hatte; dann verließ er das Zimmer, da er keinen weiteren Befehl von dem Polizeirathe erhielt.

Dieser ließ sich wieder in seinen Stuhl nieder, warf ein Knie über das andere und stützte den Kopf in die Hand.

»Ich weiß nicht,« dachte er, »warum ich den Gedanken nicht los werden kann, daß Ferdinand Welkermann in irgend einem Zusammenhange mit dem so plötzlichen Auftauchen falscher Banknoten steht? Die unsinnige Verschwendung dieses jungen Menschen in der letzten Zeit ist um so mehr Verdacht erregend, da mir der Stadtschultheiß die Versicherung gab, von ihm beziehe er dergleichen Summen nicht, und eben so wenig von der Frau Mama, wenn diese auch allerdings all ihr Erspartes, ja, das Meiste, worüber sie verfügen kann, an ihren saubern Herrn Sohn wendet; nun ist es allerdings möglich daß er sich mit Schulden behilft, mit Wucherschulden, doch die Leute, bei denen er anklopft, unter Anderen Madame Mayer, sind keine so ergiebigen Quellen. Daß Herr von Rivola allerdings die bewußte Fünfhundertgulden-Note für echt erklärte, hat mein Concept ein wenig verrückt, denn wenn Einer das versteht, so ist es der alte Freiherr; ja, wäre die Note falsch, so gäbe mir das ein wundervolles Licht, doch zweifelt ja auch der Chef der Notenfabrikation nicht an ihrer Echtheit – pah, das wäre eigentlich kein haltbarer Grund, sind doch sämmtliche Beamten nicht im Stande, mit Gewißheit zu sagen, welche von den vorgekommenen gleichlautenden Nummern der Tausender-Noten echt und welche falsch ist – – und immer und immer wieder kommen meine Gedanken auf jenen jungen Menschen zurück; dieses wahrhaft tolle Umgehen mit Banknoten, das Vorkommen der gefälschten in der königlichen Bank, und gerade in Paketen, welche niemand Anderes wie Welkermann sortirt hat – nein, nein, ich darf mich der Möglichkeit nicht aussetzen, daß mir Welden diesen kostbaren Ferdinand todtschießt – ah, es wäre keine Kleinigkeit, die Urheber solch' prächtiger Fälschungen zu entdecken, dadurch könnte mir ein glänzendes Avancement, vielleicht bis zum Polizeiministerium, nicht entgehen.« Er richtete sich bei diesen Gedanken hoch auf, indem er fortfuhr: »Mein alter, würdiger Chef wartet so nur noch auf einen passenden Nachfolger.«

Der Amtsdiener war leise in's Zimmer getreten und meldete den Polizeiagenten Schmetterer, welcher nach einer Handbewegung des Polizeirathes gleich darauf eintrat.

Wenn wir hier beifügen, daß Herr Schmetterer die rechte Hand seines unmittelbaren Chefs genannt werden konnte und ihm in den verwickeltsten Angelegenheiten schon die außerordentlichsten Dienste geleistet, so thun wir es, weil das unscheinbare Äußere dieses Mannes durchaus nicht im Einklange mit solchen vortrefflichen Eigenschaften stand.

Herr Schmetterer, der in Civilkleidern erschien, hatte ein unbedeutendes, verflachtes Gesicht von einem fast einfältigen Ausdrucke, dazu fahles, blondes Haar, eine schlaff herunterhangende Unterlippe und bewegte sich in eckiger, schlotteriger Art.

»Nun, was haben wir Neues?« rief ihm der Polizeirath entgegen.

»In der Angelegenheit mit Herrn Welden unveränderter Standpunkt; der Kutscher Klein ist mit einem verschlossenen Wagen auf morgen früh sechs Uhr an das Kaltenberger Thor bestellt, der Herr Lieutenant von Miltau war einige Male bei dem Doktor Brenner; auch wissen der Herr Polizeirath wohl, daß Herr Welden vorgestern, nachdem Sie ihn eben verlassen, zu Fuß nach Eichenwald hinaus spazierte.«

»Ja, ja, davon habe ich mich zufällig selbst überzeugt, und Sie sagten es mir ja auch.«

»Erfuhr aber noch, daß er droben an dem alten Wartthurme Fräulein von Rivola traf und mit ihr zu Fuße nach Eichenwald ging.«

»Ei der Tausend, das interessirt mich!«

»Auch daß Herr Welden bis drei Uhr Nachmittags in Eichenwald blieb und dann im stärksten Regen zu Fuße nach Hause zurückging?«

»Also mit Fräulein von Rivola spazierte er und traf die junge Dame ohne alle Begleitung da oben?«

»Sie war in ihrem kleinen Schlitten mit ihren Schecken und ihrem Bedienten dorthin gefahren.«

»Ich danke Ihnen – was wissen Sie sonst noch?«

»Etwas, das vielleicht interessanter ist: Franz Steffler bereitet sich stark zur Abreise vor – doch das wissen Sie und wäre vielleicht heute Morgen schon abgereist, wenn ich es nicht für gut befunden hätte, eine Verzögerung in der Ausfertigung seiner Papiere eintreten zu lassen.«

»Das ist sehr gut.«

»Er macht seinen Bekannten, unter denen ich einige Freunde habe, durchaus kein Hehl daraus, daß er Jemandem durch seine Abreise einen großen Dienst erzeigt.«

»Ei, ei – weiter, Herr Schmetterer!«

Der Polizeiagent schlug langsam seine Augen auf, mit denen er bis jetzt hartnäckig an sich hinunter geschaut hatte, und wer diesen Blick so ohne Verstellung, wie jetzt, aus dem dummen Gesichte hervorleuchten sah, dem mußte es sogleich klar werden, daß er es in Betreff dieses Gesichtes, sowie der ganzen einfältigen Haltung des Menschen mit einer wohlberechneten Maske zu thun habe; dieser Blick war voll Klugheit, Intelligenz und Bosheit.

»Ja, ja, das deuteten Sie neulich schon an, und dieser Jemand ist Herr Ferdinand Welkermann – aber glauben Sie in der That, Schmetterer, daß der einzige Zusammenhang zwischen Beiden jenes junge Mädchen ist, die Margarethe im Hause des Stadtschultheißen?«

»Die dort war, Herr Polizeirath,« erwiederte der Andere, wobei er das ›war‹ sehr stark betonte, »denn Jungfer Margarethe ist heute Morgen abgereist – zu Verwandten, wie es heißt; ich hätte auch gern ihre Abreise verhindert, doch war der Herr Stadtschultheiß selbst so gütig, sich der nöthigen Papiere für die hübsche Margarethe anzunehmen.«

»Beantworten Sie mir meine Frage: glauben Sie nicht, daß sonst etwas den Steffler zur Abreise nöthigen könnte oder er noch auf irgend eine andere Art mit Ferdinand Welkermann zusammenhängt?«

»Ich sehe nicht klar darin,« gab der Polizeiagent mit einem lauernden Blicke auf das in diesem Moment höchst gleichgültig aussehende Gesicht Herrn Merkels zur Antwort; »Steffler ist mir allerdings ein Räthsel, zu dem ich jedoch noch keine Auflösung finden kann: Schulden hatte er zwar, doch sind alle pünktlich bezahlt – mit was für Geld? Darüber sind die Ansichten verschieden; ich glaube, mit dem Kapital, welches er von Herrn Ferdinand Welkermann erhalten, um den Reisebegleiter der Jungfer Margarethe zu machen, Andere aber wollen dagegen behaupten, er sei von einem sehr vornehmen Herrn unterstützt worden.«

»Das sagten Sie früher schon: von Herrn von Rivola – doch ist das ganz unverdächtig; dieser Steffler war ein sehr geschickter Kupferstecher, und wir wissen ganz genau, daß Herr von Rivola dergleichen Leute gern protegirte.«

Wiederum leuchtete ein eigenthümlicher Blitz aus den herabfallenden Augenlidern des Herrn Schmetterer auf seinen Chef, um abermals auf dessen gleichgültigem Gesichte wieder zu erlöschen; dann sagte er: »Daß Steffler in letzter Zeit viel mit dem alten Bedienten des Herrn von Rivola verkehrte, ist übrigens unläugbar.«

»Lassen Sie das, Schmetterer,« fuhr der Andere fort; »wenn man in gewagten Zusammenstellungen zu weit geht, so kann es Einem gehen wie einem Reiter, der sein Pferd muthwillig und unvorsichtig steigen läßt, um es zu weiten Sprüngen zu forciren: man läuft Gefahr, zu überschlagen – lassen Sie mir den alten Friedrich in Ruhe, das war ein guter und braver Mensch.«

»Den Gefallen kann ich dem Herrn Polizeirathe mit großer Leichtigkeit thun, denn Friedrich, der Diener des Herrn von Rivola, ist heute in aller Frühe abgereist, und fand ich diese schnelle Abreise ein wenig sonderbar.«

»Ich durchaus nicht – dem armen Menschen war der Aufenthalt in dem alten, unheimlichen Hause, nachdem obendrein seine Frau gestorben, unleidlich geworden, und da das Haus verkauft wurde – ich war selbst bei der Verhandlung –, so begreife ich vollkommen, daß er es so bald als möglich verließ.«

»Jawohl, nachdem er Tag und Nacht gearbeitet, um die Gegenstände in dem sogenannten Atelier des Herrn von Rivola theils durch Feuer und Hammer zu zerstören, theils zum Mitnehmen in Kisten zu verpacken.«

»Auch diese Eile finde ich begreiflich, denn der Stadtschultheiß hat seine Gründe, so bald als möglich im Namen der Stadt von dem alten Thurme Besitz zu nehmen.«

Hier lächelte Herr Schmetterer so auffallend, daß der Polizeirath nicht umhin konnte, nach der Veranlassung zu fragen, worauf der Polizeiagent zur Antwort gab:

»O, nichts Besonderes, es ist nur die alte Geschichte, die mir immer so komisch erscheint, so oft ich davon höre, und ich höre oft davon; das Geheimniß der Stadt nämlich, der alte Thurm, der unterirdische Gang im Zusammenhange mit dem Rathhause und im Zusammenhange mit dem Stadtschultheißen – doch darf man Ihnen, Herr Polizeirath, mit solchen Klatschereien nicht kommen, ich weiß das wohl.«

»Nein, gewiß nicht – ich hasse dergleichen.«

»Auch ich glaube nicht daran, Herr Polizeirath, aber wie oft hat sich schon in solchen Reden und Gerüchten ein Körnlein Wahrheit gefunden, und die Kunst liegt nur darin, sie herauszubringen.«

»Pah, Unsinn!«

»Gewiß, sehr viel Unsinn, Herr Polizeirath – aber glauben Sie mir, es ist doch auffallend, daß es in unserer guten Residenz keine Zusammenkunft gibt, keine Thee- und Kaffeegesellschaft, worin das Geheimniß der Stadt, wie sie es nennen, nicht des Langen und Breiten verhandelt wird.«

»O ja, ich weiß das alles,« versetzte Herr Merkel mit Zeichen der Ungeduld: »der Stadtschultheiß hat Gott weiß welch' finstere Gründe gehabt, den unterirdischen Gang zumauern zu lassen – wer weiß, was er selbst in früheren Zeiten in dem alten Thurme Schreckliches getrieben und heute noch treibt, natürlich in Gemeinschaft mit Herrn von Rivola, dessen Reichthum, dessen plötzliches Erscheinen vor Jahren hier, ja, dessen blaue Brille Allen so verdächtig ist – geben Sie nur Acht, lieber Schmetterer, sogar daß er der Stadt sein kleines, aber immerhin nicht werthloses Besitzthum beinahe zum Geschenk macht, wird auf's Neue Veranlassung geben, ihn zu verdächtigen.«

»O ja, ist schon geschehen.«

»Ihn und seinen alten Diener, von dem man ja ohnehin schon erzählt, er hätte seine Frau umgebracht.«

»Und mit allen Nebenumständen erzählt man das: dadurch, daß er ihr Blei in's Ohr gegossen habe – will man doch von diesem geschmolzenen, erkalteten Blei unter verdächtigenden Umständen in dem unterirdischen Gange gefunden haben.«

»Zufällig war es Kupfer, wie ich Ihnen neulich schon sagte – sehen Sie, Schmetterer, wie dieses alte Weibervolk Land und Leute hinter einander hetzt.«

»Und schonen nicht einmal ihren Stadtschultheißen, denn daß er bei allem dem betheiligt ist, das erfährt man sehr leicht durch das Augenwinken und Achselzucken; die gewisse Frau, die in dem Häuschen am alten Thurme wohnte, war nicht des Dieners Frau und würde vielleicht am Leben geblieben sein, wenn man dem Stadtschultheißen gestattet hätte, den alten Gang zu vermauern.«

»Das sind ja Ungeheuerlichkeiten, Schmetterer – darin ist aber auch nicht die Spur eines vernünftigen Zusammenhanges.«

»Braucht's auch gar nicht, Herr Polizeirath, um in unserer guten Stadt Klatschereien auszusinnen und auszubreiten – ich möchte mich anheischig machen, es als glaubwürdig unter dieses Volk zu bringen, daß ich, Schmetterer, trotz meines blonden Haares und meiner durchaus nicht jüdischen Physiognomie, ein heimlicher Israelite bin, der an jedem Ostertage ein unschuldiges Christenknäblein abschlachtet – viele alte Weiber beiderlei Geschlechtes würden die Sache für möglich halten, und das wäre doch noch viel unwahrscheinlicher, als das Andere.«

»Als welches Andere?« fragte ihn der Polizeirath in sehr ungeduldigem Tone.

»Als ein Zusammenhang zwischen dem alten Thurme mitsammt seinem Besitzer, dem Herrn von Rivola, und dem Stadtschultheißen.«

»Pfui, Schmetterer, ich hätte Sie für gescheiter gehalten! Reden wir nicht mehr darüber.«

»Und Franz Steffler, für den sich Friedrich im Namen und Auftrage seines Herrn gestern Abend noch auf's dringlichste verwandte?«

»Er wird nicht aus der Welt gehen; halten Sie meinethalben seine Papiere noch ein paar Tage zurück, wenn es ohne Aufsehen geschehen kann.«

»Und mit Herrn Welden?«

»Das ist ein eben so unangenehmes als schwieriges Geschäft,« antwortete der Polizeirath, während er im Zimmer hin und her ging, gefolgt von dem zuweilen seltsam aufleuchtenden Blicke seines Untergebenen.

»Also kann ich darin weiter nichts thun?«

»Nein. Ich danke Ihnen, lieber Schmetterer; was da geschehen soll, muß ich selbst besorgen.«

Nachdem hierauf der Polizeiagent das Zimmer verlassen, trat Herr Merkel für einen Augenblick an das Fenster und murmelte mißmuthig, während er auf den Platz hinausschaute: »Der Teufel hole dieses Geheimniß! Es ist ein wahres Unglück, daß man Herrn Schmetterer und Consorten so nothwendig braucht – hat mir da mit seinem dummen Stadtklatsch die ganze Laune verdorben – suchen wir uns einen Sorgenbrecher.«

Dabei trat er an den Tisch zurück und nahm aus einem dort befindlichen Kistchen eine Cigarre, dann, als er kein Feuerzeug vorfand, klingelte er und ließ sich eine brennende Kerze bringen.

Der Diener stellte diese auf den Tisch und drehte aus einem unbeschriebenen Stückchen Papier, welches auf dem Schreibtische lag, einen Fidibus, den er angezündet seinem Herrn darreichte.

Der Polizeirath brannte seine Cigarre an, und als er hierauf den Fidibus ausblies, hefteten sich seine Augen auf das Stückchen Papier, zuerst mit einem Blicke höchster Gleichgültigkeit, welcher sich aber gleich darauf in den des höchsten Interesses verwandelte: er faltete das Papier rasch aus einander, legte es vor sich hin und öffnete hierauf eine kleine Schublade an seinem Schreibtische, worauf er hastig ein Briefcouvert und aus demselben die uns wohlbekannte angebrannte Fünfhundertgulden-Note nahm, dann eilte er mit beiden an das Fenster, wo er mit der größten Aufmerksamkeit die angebrannten Stellen mit einander verglich.

Er mußte dabei zu einem für ihn eben so wichtigen als überraschenden Ergebnisse gelangt sein, denn seine Augen glänzten hell vor Aufregung und um seine Mundwinkel spielte ein eigenthümliches Lächeln der Befriedigung. Er wiederholte diese Untersuchung noch einige Male auf's angelegentlichste, dann sprach er zu sich selber, während er beide Hände niedersinken ließ:

»Das wäre ein unerhörter Fund, zu schön, um so ohne Weiteres daran zu glauben; es ist mir doch schon damals aufgefallen, daß der verbrannte Rand dieser Banknote auf eine eigenthümliche Art in's Gelbliche schimmert, was ich früher an Papieren nie bemerkt .. . Und wenn dem so ist, so haben wir es hier mit dem gleichen Stoffe zu thun, aus dem man die Banknote verfertigt, und es ist dies dasselbe Stückchen Papier, in welches ich mein wiedergefundenes Augenglas wickelte und das ich gefunden in dem Atelier des Herrn von Rivola – vielleicht aber auch eine wunderbare, wenn gleich unverdächtige Zufälligkeit . . . Ah, wer könnte auch Anderes mit jenem Namen in Verbindung bringen?! Doch forschen wir weiter – und auf eine so einfache Art, daß es mir unbegreiflich ist, wie ich nicht sogleich darauf verfiel!« Er hob rasch das Papier in die Höhe, und als er, es gegen das Licht haltend, hinschaute, bemerkte er, aber nur am äußersten Rande, Spuren des ihm so wohlbekannten Wasserzeichens.

Er legte die Hände auf dem Rücken zusammen und ging nachdenklich auf und ab.

»Hier haben wir es also,« fuhr er in seinem Selbstgespräche fort, »unzweifelhaft mit einem Stückchen Banknotenpapier zu thun, und zwar der Farbe des Brandes nach mit einem Stückchen echten Papiers, da auch jene Fünfhundertgulden-Banknote, welche genau dieselben Brandränder hat, nach der Versicherung eines so großen Kenners wie Herrn von Rivola echt ist . . . Wie kommt aber ein Stückchen echten, ungedruckten Banknotenpapiers in den Besitz des Freiherrn? Eine wichtige Frage, doch im Grunde nicht schwer zu beantworten: wie oft hat Herr von Rivola an betreffender Stelle Rathschläge und Winke, die Notenfabrikation anbelangend, gegeben, und wie leicht ist es nicht möglich, daß er sich zu irgend einem Experimente in dieser Richtung etwas von diesem Papiere verabfolgen ließ! Wir wollen uns diesen Punkt notiren; eine Anfrage danach kann immerhin nichts schaden.«

Er zog bei diesen Worten seine bekannte Brieftasche hervor und machte die nothwendigen Notizen.

»Anders aber würden sich die Sachen gestalten, wenn, entgegen der Ansicht des Herrn von Rivola und meiner Ansicht gemäß, die bewußte Fünfhundertgulden-Banknote falsch wäre. Ich komme mit meinem Verdachte immer wieder auf Ferdinand Welkermann zurück, hinter dessen Namen sich natürlich die wirklichen Verfertiger verbergen.

»Wäre aber die Fünfhundertgulden-Banknote falsch, so könnte auch dieses Papier hier von einer Fälschung herrühren und wäre, als im Atelier des Herrn von Rivola gefunden, Verdacht erregend – auf wen aber? Auf diesen Herrn selber? Gott soll mich in Gnaden vor einem solchen Gedanken bewahren, das würde selbst für den Polizeirath Merkel zu ausschweifend, zu toll sein! Aber jene Werkstatt selber, Jahre lang im Besitze und unter der alleinigen Aufsicht jenes Dieners, der mit seinem finsteren, verschlossenen Wesen eigentlich nichts Zutrauen Erregendes hatte ...

»Vorläufig wollen wir eine zweite Notiz machen, genaue Untersuchung der besten Fachmänner einleiten, ob sie diese Fünfhundertgulden-Note für echt erklären, oder ob man irgend ein verdächtiges Zeichen an derselben entdecken könne.

»Wäre in dem Atelier des Herrn von Rivola etwas Ungehöriges vor sich gegangen, so müßte das vor Jahren geschehen sein, denn ich sah es ja selbst und ganz zufällig mit an, in welch' bestaubtem Zustande sich dort Alles befand – so was ist nicht künstlich herzustellen . . . oh über die trügerischen Blitze, die unsere Umgebung für Augenblicke erhellen, um nachher Alles desto finsterer erscheinen zu lassen!«

Er nahm vor seinem Schreibtische wieder Platz, wobei er die vor sich hingelegten Blätter aufmerksam betrachtete. Endlich schien ihm ein neuer und nicht unwichtiger Gedanke gekommen zu sein; seine Mienen belebten sich auffallend, sein Auge glänzte wie vorhin am Fenster, während er eine zweite Schublade seines Schreibtisches öffnete und derselben zwei Banknoten entnahm, eine zu einem Gulden, eine zu fünf Gulden. Darauf faltete er zuerst die erste zusammen, wie vorhin das Stückchen Papier, und entzündete sie an dem brennenden Lichte, um sie gleich darauf wieder sorgfältig auszulöschen und zu betrachten. – Ah, da war keine Täuschung möglich; die verbrannte Stelle dieser offenbar echten Banknote – denn sie war aus einem von dem Bureau der Notenfabrikation erhaltenen, noch unberührten Pakete – zeigte einen feinen Streifen, der offenbar bräunlich-gelb erschien. Rasch machte er die gleiche Probe mit der Fünfgulden-Note mit dem nämlichen Erfolge und war sicher, dadurch den Beweis hergestellt zu haben, daß er es sowohl bei der Fünfhundertgulden-Note als bei dem im Atelier des Herrn von Rivola gefundenen Papier mit einem anderen Stoffe zu thun habe, als das Papier war, dessen man sich zur Fabrikation der echten Noten bediene, daß also jedenfalls die Fünfhundertgulden-Note aus den Händen Ferdinand Welkermann's eine gefälschte war.

Er fühlte sein Herz vor Aufregung stärker klopfen und erhob sich rasch, um an das Fenster zu treten, dort seine Blicke auf den einförmigen grauen Winterhimmel zu richten und so seine Gedanken fester beisammen halten zu können. Er hatte nie so rasch, so scharf, so folgerichtig überlegt wie in diesem Augenblicke: ja, ja, daran hatte er keinen Zweifel mehr, die Fünfhundertgulden-Note war trotz der Versicherung des Herrn von Rivola, welcher sich wohl auch einmal täuschen konnte, eine gefälschte; Ferdinand Welkermann hatte dieselbe unter sehr erschwerenden Umständen weggegeben, und wenn dieser auch nicht bei der Fälschung betheiligt war, so wußte er doch sicher, daß es gefälschte Banknoten seien, die er so leichtsinniger Weise verschleuderte. Weiter wußte er, daß Ferdinand Welkermann besonders in letzter Zeit häufig in dem kleinen Hause bei dem alten Thurme, wo der bejahrte Diener des Herrn von Rivola hauste, gesehen worden war; ebenfalls Steffler, der zugleich ein liederlicher Kerl und ein geschickter Kupferstecher war; ferner Friedrich selbst, dessen Geschicklichkeit als Schlosser und Mechaniker der Polizeirath ja selbst schon erprobt – o, es war ihm gerade zu Muthe, als habe er bis jetzt geblendet im Dunkeln getappt und als werde ihm jetzt mit Einem Male die Binde von den Augen gerissen, um ihn in ein helles, Alles scharf beleuchtendes Licht blicken zu lassen!

Und jener alte Diener des Herrn von Rivola war verschwunden, Steffler auf dem Punkte, abzureisen, und Ferdinand Welkermann im Begriffe, sich vielleicht todtschießen zu lassen – denn davon war der Polizeirath überzeugt, die Vorbereitungen Welden's, von denen er erfahren, gingen darauf hin, eine Zusammenkunft mit Welkermann zu haben, sobald jene drei Tage vorüber wären, und daß jenes Duell stattfinde, mußte unter allen Umständen verhindert werden.

Der Polizeirath nahm Hut und Paletot, ließ sich einen Wagen kommen und fuhr zu seinem Chef, dem Polizeiminister.


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