F. W. Hackländer
Das Geheimniß der Stadt
F. W. Hackländer

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Sechzehntes Kapitel.

Während so die beiden jungen Leute langsam nach Eichenwald zogen und droben von dem Kammerdiener des Freiherrn, der im schwarzen Fracke und weißer Halsbinde ehrfurchtsvoll wartend am Fuße der Terrassentreppe stand, empfangen wurden, hatte Herr von Rivola mit seinen raschen Pferden und seinem leichten Coupé schon längst die Stadt erreicht, und seine Equipage hielt vor dem königlichen Bankgebäude.

Er war die Treppe hinaufgegangen in den ersten Stock, wo die Wohnung sowie das Arbeitscabinet Herrn Schwemmer's waren, der ihm an der Treppe entgegenkam und sich mit den tiefsten Verbeugungen und den allerhöflichsten Worten entschuldigte, dem Freiherrn eine so große Mühe gemacht zu haben. »Doch werden Sie deutlich in meinem Billet gelesen haben«, sagte er, »daß ich ausdrücklich um die Erlaubniß bat, Sie draußen in Eichenwald aufsuchen zu dürfen.«

Worauf der Freiherr von Rivola verbindlich erwiederte: »Gewiß, Herr Direktor; doch werden Sie es durchaus als eine Mühe der kleinsten Art betrachten, daß ich zu Ihnen komme, nicht einmal der geringsten Zeitverschwendung, denn ich hatte nicht nur in der Stadt zu thun, sondern auch später auf Ihrer Kasse.«

Der Bankdirektor war vorausgeeilt und hatte die Thür seines behaglichen Arbeitszimmers so weit als möglich geöffnet. Hier trat der Fuß auf dicke Teppiche, hier sah man die Wände in Sammttapeten von einem wohlthuenden, hellen Grau, wozu die blauen Vorhänge von schwerem Seidendamast von einer sehr angenehmen, ruhigen Wirkung waren.

Der Bankdirektor rollte einen Fauteuil an seinen Arbeitstisch, bat Herrn von Rivola, Platz zu nehmen, und nachdem dieser sich niedergelassen, erkundigte sich Herr Schwemmer stehend nach dem Befinden der hochverehrten Familie Rivola.

»Ich danke Ihnen sehr, Herr Direktor! Meine Frau und Tochter befinden sich recht wohl, erstere allerdings hier und da ein wenig ermüdet von den großen Leistungen in Gesellschaften aller Art, die uns in diesem Winter zugemuthet werden. Aber was thut man nicht alles und mit bestem Willen, wenn man ein einziges Kind in die Welt führt!«

»Und welche Tochter, Herr Baron!« erwiederte der Bankdirektor, indem er mit dem Ausdrucke des Entzückens gen Himmel blickte. »Nein, ich sage Ihnen, wie war die junge Dame wieder reizend und liebenswürdig auf dem Balle Seiner Excellenz des Herrn Ministers des Auswärtigen – und dabei diese Güte und Milde, so unbewußt ihres großen Werthes!«

»Ich glaube, das ist so, und von allem Angenehmen, was Sie über Lucy sagen, freut mich das am meisten.«

»Und dabei der feine, richtige Takt ihres Benehmens, der Verstand, die Klugheit, mit der sie, unter uns gesagt, das oft so fade Geschwätz der jungen Männer zu würdigen und zu beantworten weiß! Hörte ich doch neulich selbst, wie Königliche Hoheit der Prinz Georg zum Grafen Eugen in Beziehung auf Fräulein Lucy sagte: ›Ja, mein lieber Graf, schön zu sein ist keine Kunst, aber diese Schönheit so durch Geist und Liebenswürdigkeit zu heben – à la bonne heure!

»Und die Frau Baronin ist doch nicht leidend?« fragte der freundliche Finanzmann, da Herr von Rivola, einen Augenblick an Lucy denkend, sinnend vor sich niedersah.

»O, durchaus nicht, im Gegentheil, sie befand sich nie wohler, als gerade jetzt, und ist so glücklich im Glücke ihrer Tochter ... – Darf ich auch meinerseits mich nach dem Befinden der Frau Direktor erkundigen?«

»Sie ist passabel wohl und auch im Übrigen zufrieden.«

»Man sieht sie wenig in diesem Winter.«

»Meine Tochter erwartet Familienzuwachs, ich bin im Begriffe, in die Würde eines Großvaters einzutreten – sehr schmeichelhaft und ehrenvoll, aber . . .« Er fuhr mit der Hand durch seine schon stark ergrauten Haare, wobei sich auf seinem Gesichte ein zweifelhaftes Lächeln zeigte. »Doch, es ist immerhin ein großes Glück, das zu erleben, und ich danke dem Himmel dafür!«

»Gewiß, Herr Direktor. Genehmigen Sie meinen besten Glückwunsch! Und nun bitte ich, wenn Sie etwas Geschäftliches für mich haben, versichert zu sein, daß ich ganz zu Ihrem Befehle stehe.«

»Bitte, Herr Baron, ich erwarte stets die Ihrigen und erlaube mir, Ihnen zuerst zu bemerken, daß nach Ihrem Befehle der Ankauf der hundertzwanzigtausend Gulden in österreichischen Creditaktien bestens besorgt wurde.«

»Ich danke Ihnen – und nun?«

Der Bankdirektor hatte sich in seinen Stuhl niedergelassen und sagte, indem er seine Hände zusammenfaltete: »Und nun, mein Herr Baron, eine kleine Privatangelegenheit, das heißt vielmehr, eine private Bankangelegenheit, eine vertrauliche Bankangelegenheit, ein Amtsgeheimniß von größter Wichtigkeit.«

Da Herr Schwemmer einen Augenblick, wie eine Antwort erwartend, schwieg, so sagte Herr von Rivola: »Sehr schmeichelhaft für mich, eine solche Mittheilung – ich werde Ihr Vertrauen zu würdigen wissen.«

»Erlauben Sie mir, vorauszuschicken,« fuhr der Bankdirektor fort, »daß ich in dieser delikaten Sache zuerst mit meinem unmittelbaren Chef, mit Seiner Excellenz dem Herrn Finanzminister, berieth, der nach den ersten Worten ausrief: ›Wenn wir den Herrn Baron von Rivola veranlassen könnten, uns darin mit seiner tiefen Sachkenntniß, seinem gewichtigen Rathe an die Hand zu gehen, so wäre das von außerordentlicher Wichtigkeit!‹«

»Ich stehe mit Vergnügen bereit; es handelt sich also . . .«

Der Direktor der königlichen Bank blickte um sich her, als wolle er sich vergewissern, daß sonst Niemand in der Nähe sei, der ihn hören könne; dann sagte er in flüsterndem Tone: »Es handelt sich um gefälschte Banknoten!«

Baron von Rivola drückte seine blaue Brille mit großer Ruhe etwas näher an die Augen und sagte dann mit einem leichten Achselzucken: »Wieder einmal die schon so oft dagewesene und schon so oft verunglückte Geschichte.«

»Allerdings schon oft da gewesen, mein hochverehrter Herr Baron, aber noch nicht in diesem kolossalen Umfange, mit solcher Sicherheit auftretend, so wahrhaft kunstvolle, ja, bewundernswürdige Arbeit, wenn ich mich in einer so schlechten Sache dieses Ausdruckes bedienen darf. Wir Alle sind rathlos: der Vorstand der königlichen Banknoten-Fabrikation, mein Hauptkassirer, ein Geschäftsmann, der, ich möchte sagen, eine falsche Banknote am Geruche kennt, ich selbst, dem doch auch schon manches Stück durch die Finger gelaufen ist.«

Auf den Zügen des Herrn von Rivola zeigte sich ein ungläubiges Lächeln.

»Und dabei ist das keine Fälschung im gewöhnlichen Maßstabe, wie schon oft vorgekommen ist, lumpige Einser oder Fünfer, die obendrein noch so schlecht gemacht sind, daß der unwissendste Gewürzkrämer sie erkennt – nein, hier handelt es sich um Tausendgulden-Noten – Kunstwerke, bewundernswerthe Kunstwerke, scheußliche, niederträchtige Kunstwerke!« Herr Schwemmer hob bei diesen Worten jammernd die Hände in die Höhe.

»Und worin liegt denn eigentlich der Beweis,« fragte Herr von Rivola mit jenem ruhigen, energischen Tone, der ihm eigen war, »daß Sie es wirklich mit Fälschung zu thun haben?«

»Weil durch den größten Zufall von der Welt eine Nummer zweimal bei der Bank eingelaufen ist, und diese beiden Nummern liegen vor – ich werde sie Ihnen sogleich zeigen; aber weder ich, noch der Hauptkassirer der Bank, noch einer der technischen Beamten der Notenfabrikation sind im Stande, darauf zu schwören, welches die echte und welches die unechte ist. Das kann einen Geschäftsmann zur Verzweiflung bringen. Ich hatte anfänglich die schwache Hoffnung, dieselbe Nummer könnte von uns zweimal angefertigt worden sein.«

»Unmöglich,« sagte Herr von Rivola mit der gleichen, großen Ruhe. »Noten werden, wie bekannt, durch die Maschine gestempelt; ein Mensch kann sich irren, die Maschine nie.«

»Das sagte auch der Maschinenmeister; also haben wir es mit einer Fälschung zu thun.«

»Wenn zwei gleiche Nummern vorliegen, gewiß.«

»Gott der Gerechte! Und mit wem haben wir es in diesem Falle zu thun? Nicht mit einem einzigen Bösewichte, sondern mit einer ganzen Bande von Schurken, welche zu gleicher Zeit die größten Künstler sind!«

»Woraus schließen Sie das?«

»Weil ein Mensch allein nicht im Stande ist, eine Banknote herzustellen wie die, welche ich sogleich die Ehre haben werde, Ihnen vorzulegen. Es ist nichts daran verfehlt, nichts auch nur mit einer Spur von Leichtsinn gemacht, Alles trifft zu, es ist, um sich die Haare auszureißen! Papier, Wasserzeichen, Arabesken, Schrift und Ziffern in Ausführung und Farbe mit einer fürchterlichen Genauigkeit – ha, unter uns gesagt, sogar die geheimen Zeichen, von denen doch eigentlich Niemand außer uns eine Ahnung haben kann!«

Als der Bankdirektor von Haarausraufen sprach, fuhr er im Eifer der Aufregung nach seinem grauen Kopfe, so daß ihm Herr von Rivola lächelnd die Hand auf den Arm legte und in dem beruhigendsten Tone sagte: »Wozu diese Alteration, mein verehrtester Herr und Freund? Ich bitte Sie, es ist nicht das erste Mal, daß falsche Banknoten gemacht worden sind, es wird auch nicht das letzte Mal sein, und gerade, daß die Falsifikate so täuschend sind, dient als Entschuldigung für Ihre Beamten, dieselben nicht früher entdeckt zu haben; oder glauben Sie, daß diese Ausgaben von jüngster Zeit datiren?«

»Es wäre mir eine Beruhigung, das zu wissen, davon nur eine Ahnung zu haben; aber wir wissen gar nichts, wir stehen vor einem grausenvollen Räthsel, wir fahren mit der Stange im Nebel herum, denn unter uns im höchsten Vertrauen gesagt: läge die doppelte Nummer nicht vor, so würden wir nie auf die Vermuthung gekommen sein, es mit falschen Banknoten zu thun zu haben. Nachdem aber einmal dieses Gespenst in solcher Furchtbarkeit vor uns erschienen, sehen wir überall Gespenster, und hat mein Hauptkassirer,« setzte Herr Schwemmer mit einem tiefen Seufzer hinzu, »schon eine ansehnliche Menge Scheine von fünfhundert und tausend Gulden als verdächtig ausgeschossen. Dabei aber hat er immer noch einen Trost, der Ihnen allerdings seltsam erscheinen wird; aber es war und ist mir heute noch eine, wenngleich ganz kleine Beruhigung: auf einigen Scheinen nämlich, die ich Ihnen auch vorlegen werde befindet sich, allerdings in flüchtigen Bleistiftzügen, Ihr Name: an diesen Nothanker klammerten wir uns, mein Hauptkassirer und ich.«

»Wie so das?« fragte Herr von Rivola.

»Ohne Ihnen Complimente machen zu wollen, sind wir von Ihrer tiefen Sachkenntniß, vor Allem, was Kupferstecherkunst und dergleichen anbelangt, so überzeugt, daß wir denken, einem scharfen Blicke wie dem Ihrigen würde etwas Verdächtiges in einer Banknote nicht entgangen sein – Sie, welcher schon so häufig unserem betreffenden Chef bei der Notenfabrik gediegene Winke über Dies und Das gab; ja, der die geheimen Zeichen unserer Noten kennt, würden Ihren Namen nicht auf ein Billet gesetzt haben, das Ihnen auch nur im geringsten verdächtig erschienen wäre.«

Der Baron von Rivola hatte mit einem leichten Kopfschütteln zugehört, dann seine Brille abgenommen und mit einem feinen Battisttuche leicht sein krankes Auge betupft. Dann sagte er: »Ach, mein lieber Freund, hätten Sie vor zehn, zwölf Jahren von meinem scharfen Blicke gesprochen, so würde ich Ihnen gern Recht gegeben haben, heute aber brauche ich sogar für mein gesundes Auge eine sehr scharfe Loupe, wenn ich überhaupt etwas genau untersuchen will. Glücklicher Weise trage ich immer eine solche bei mir, um Ihnen dienlich sein zu können. Was nun aber meinen Namen auf gewissen Banknoten anbelangt, so habe ich allerdings die Gewohnheit, zuweilen Noten damit zu versehen; es ist das eine Versicherungsmaßregel, die ich gebrauche, um wenigstens noch nach einiger Zeit zu wissen, woher ich diese oder jene Zahlung erhalten. Leider muß ich Ihnen aber sagen, daß ich auch zuweilen meinen Namen auf irgend eine besondere Art schreibe, wenn mir vielleicht an einer Banknote, die durch meine Hände läuft, etwas verdächtig erscheint.«

»Gerechter Himmel,« rief der Bankdirektor schmerzlich bewegt, so haben Sie vielleicht selbst eine Ahnung davon gehabt, daß wir es mit Falsifikaten zu thun haben?«

»In früheren Zeiten,« fuhr Herr von Rivola in ruhigem Tone fort, »habe ich das als eine sehr praktische Maßregel befunden und erinnere mich eines Falles in Brüssel vor langen Jahren, wo gerade dadurch, daß ich einer mir verdächtig erscheinenden Banknote meinen Namen beifügte, ich mich nach einiger Zeit noch zu erinnern im Stande war, woher ich sie erhalten, und so zur Entdeckung des Verbrechens, leider nicht der Verbrecher, welche spurlos verschwunden, wesentlich beitrug.«

»So helfen Sie uns auch diesmal, mein verehrter Herr Baron!« rief der Bankdirektor, indem er beide Hände des Anderen ergriff und sie herzlich schüttelte. »Denken Sie, welch' ungeheuren Dienst Sie dem Staate leisten, denn wie ich schon vorhin gesagt, wir haben es hier mit einer Bande zu thun, die uns mit den kolossalsten Summen überschwemmt!«

»Mit dem größten Vergnügen,« gab der Freiherr zur Antwort. »Doch da fällt mir eben ein, daß ich letzthin eine Zahlung, allerdings von wenigen Tausend Gulden, die ich von der königlichen Eisenbahnkasse erhielt, mit meinem Namen bezeichnete, da ich gerade diese Papiere – ich glaube, es waren Billette zu tausend Gulden – zu einem besonderen Zwecke bestimmt hatte. Und nun bitte ich, lassen Sie mich die Wunderwerke sehen.«

Der Bankdirektor drehte seinen Stuhl etwas gegen den Schreibtisch, schloß dort eine Schublade auf, nahm eine große Brieftasche und aus dieser zwei Bankbillette von je tausend Gulden, welche er dem Herrn von Rivola mit den Worten darreichte: »Bitte, zuerst die gleichen Nummern zu betrachten – alle Zahlen derselben von einer so schauderhaften Schärfe, von einer so fürchterlichen Ähnlichkeit, daß man toll werden möchte!«

Der Andere hatte die Banknoten genommen, sich erhoben und damit an das Fenster gestellt, wo er seine blaue Brille gegen die Stirn schob, die Loupe aus der Westentasche nahm und nun die beiden Zettel auf das genaueste und umständlichste untersuchte.

Herr Schwemmer, in höchster Aufregung, trippelte, seine Hände um einander bewegend, um ihn herum, schaute ihm zuweilen über die Achsel oder in das Gesicht und machte seiner gespannten Erwartung Luft in verschiedenen Ausrufungen, als: »Nicht wahr, erschrecklich täuschend, furchtbar ähnlich? Ein Meisterwerk des Verbrechens! Höllische Kerle, die dabei thätig waren, ganz verfluchte, verfluchte, verfluchte Spitzbuben! Habe ich nicht Recht, mein Freund?«

Herr von Rivola ließ sich dadurch nicht im mindesten stören, seine Untersuchung eben so sorgfältig fortzusetzen und zu beendigen, wie er sie angefangen; er untersuchte jede Stelle des Druckes auf's genaueste mit der Loupe, er betrachtete prüfend und aufmerksam die Wasserzeichen, er ließ das Papier wiederholt durch die Finger gleiten, er berührte es mit der Zunge, knitterte dann eine der Noten fest in der Hand zusammen, um zu beobachten, wie rasch sich dieselbe und mit wie viel Elasticität wieder aus einander bog – dann zuckte er die Achseln und sagte: »Das ist allerdings eine wunderbare Arbeit; Sie haben Recht; wir stehen hier vor einem noch nie dagewesenen Räthsel.«

»Nicht wahr, mein lieber Freund, es ist entsetzlich! Und glauben Sie im Stande zu sein, mit Bestimmtheit sagen zu können: das ist die echte und dies ist die falsche Banknote?«

»Wie sprach sich Ihr Hauptkassirer über diesen Punkt hier aus?«

»Nicht mit Bestimmtheit; das ist gerade das Grauenhafte. Sehen Sie,« fuhr Herr Schwemmer, mit dem Finger auf zwei Stellen der verschiedenen Noten zeigend, fort, »diese Zahlen Eins und Zwei hat der Hauptkassirer in meiner Gegenwart beigefügt; wir nahmen ein Protokoll auf über unsere Untersuchung, natürlich im Beisein des Chefs der Notenfabrik, und wir alle Drei waren der Ansicht, Nummer Eins sei die echte Banknote, obgleich keiner von uns, ehrlich gesagt, im Stande war, triftige, stichhaltige Gründe für unsere Behauptung anzugeben.«

»Es war ein finanzieller Instinkt,« meinte Herr von Rivola, »aber ich fürchte, derselbe hat Sie irregeführt.«

»Wie so? Wie meinen Sie das? Glauben Sie, Nummer Zwei sei die echte Banknote?«

»Ja, meinen geringen Kenntnissen nach glaube ich das allerdings aussprechen zu dürfen.«

»Und Ihre Gründe, Herr Baron? Verzeihen Sie, daß ich danach frage! Sie können sich denken, wie wichtig es mir ist, für Ihre entgegengesetzte Behauptung Gründe zu haben. Haben Sie in der That Gründe zu Ihrer Vermuthung?«

»Gewiß; aber ehe ich sie ausspreche, möchte ich Sie bitten, mir noch ein paar Banknoten des gleichen Werthes vorzulegen, am liebsten solche, welche kürzlich im öffentlichen Verkehre waren.«

»Das soll sogleich geschehen,« sagte der Bankdirektor, indem er rasch einige Zeilen schrieb und dann durch einen Zug an der Klingel einen der Bankdiener herbeirief mit dem Befehle, das hier Verlangte beim Hauptkassirer zu holen. Darauf wandte er sich mit der Bitte an Herrn von Rivola, gefälligst wieder Platz nehmen zu wollen, da er fürchten müsse, ihn allzu sehr zu ermüden. Doch dankte dieser und bat höflich um Erlaubniß, im Zimmer auf und ab gehen zu dürfen, wobei ihm denn auch der Bankdirektor sogleich Gesellschaft leistete, die Hände auf dem Rücken verschränkt, in gleichem Schritt und Tritt.

Nach einigen Sekunden sagte der Freiherr: »Halten Sie mich nicht für indiscret, wenn ich mir erlaube, noch eine Frage an Sie zu stellen; natürlicher Weise hängt es ganz von Ihnen ab, mir eine Antwort zu geben oder nicht. Sie werden mir glauben, daß ich jedes Amtsgeheimniß achte.«

»Fragen Sie, fragen Sie, mein lieber Baron – was Amtsgeheimnisse! Wie konnten wir vor Ihnen dergleichen haben? Haben Sie nur Ihre tiefe Sachkenntniß betreffend, keine Geheimnisse vor uns armen Beamten! Wie froh bin ich, Sie belästigt zu haben, denn schon die Gewißheit, mit der Sie eine andere Banknote hier als die ächte erklären, beruhigt mich ganz außerordentlich! Fragen Sie, ich bitte!«

»Sie sagten vorhin, Ihr Hauptkassirer hätte, nachdem einmal ein Verdacht rege geworden, eine Menge verdächtiger Noten ausgeschieden?«

»Allerdings verdächtige; aber, wie Sie vorhin sagten, verdächtig aus finanziellem Instinkt, ohne Gründe, ohne genügende Gründe.«

»Gut; aber glauben Sie mir, ich achte diesen finanziellen Instinkt. Haben Sie eine Ahnung davon, woher diese verdächtigen Papiere in Ihre Kasse geflossen sind?«

»Das ist das Furchtbare, daß wir davon gar keine Ahnung haben!«

»Und die doppelten Nummern betreffend?«

»Eben so wenig; diese befanden sich in zwei Paketen, von denen einer unserer jüngeren Beamten, der Herr Ferdinand Welkermann, behauptete, sie seien beide von der Generalsteuerdirektion eingesandt worden. Ferner sagen der Hauptkassirer und die beiden Nebenkassirer aus, daß Banknoten in gleich hohem Werthe nur aus großen, ganz bekannten Häusern eingelaufen seien, und daß auch mit diesen Umwechslungen in bedeutenden Beträgen seit Jahren nicht stattgefunden, so daß es also unmöglich ist, daß auf eine oder die andere Art falsche Banknoten bei uns eingeschmuggelt werden konnten. Das Protokoll darüber ist unterzeichnet von dem Hauptkassirer, den beiden Nebenkassirern und dem Kassenhülfsbeamten Herrn Ferdinand Welkermann – den Sie ja wohl kennen –, Sohn des Stadtschultheißen.«

Ein heiteres, vielleicht auch ein wohlwollendes Lächeln hätte man es nennen können, welches bei den letzten Worten über die Zuge des Herrn von Rivola flog, als er erwiederte:

»Ja, ich kenne ihn, ein intelligenter junger Mensch, etwas lustig zwar und, ich glaube, gibt viel Geld aus.«

»Ist aber dabei ein tüchtiger Arbeiter. Was wollen Sie, mein verehrter Herr – Jugend hat keine Tugend, und vor allen Dingen unsere reiche Jugend nicht. Mama Welkermann hilft ihrem einzigen Söhnchen gern mit ihrem Ersparten aus – die Leute haben's ja.«

Unterdessen war der Bankdiener mit der Meldung eingetreten, der Hauptkassirer wolle, wenn es dem Herrn Direktor genehm wäre, das Verlangte selbst bringen; worauf dieser, nach einem Blicke auf Herrn von Rivola und einem zustimmenden Zeichen desselben, den Beamten ersuchen ließ, rasch herauf zu kommen.

Dieser erschien denn auch nach einigen Minuten, verschiedene Banknoten in der Hand haltend, die er nach einer tiefen Verbeugung gegen den ihm wohl bekannten Freiherrn von Rivola seinem Chef übergab.

Herr Beil, der Hauptkassirer der königlichen Bank, war ein schon ältliches, vertrocknetes Männchen mit langsamen, eckigen Bewegungen; sein Gesicht zeigte eine hervortretende, spitzige Nase und ein Paar scharfe Augen unter buschigen Augenbrauen, deren Stärke um so mehr hervortrat, als fast sein ganzer übriger Kopf kahl und glatt war wie eine Billardkugel. Auf der Kasse pflegte er eine schwarzsammtne Mütze zu tragen, die er jetzt unter dem Arme hielt.

Während Herr von Rivola, wiederum am Fenster stehend, die erhaltenen Banknoten aufmerksam betrachtete, flüsterte der Bankdirektor Herrn Beil in die Ohren:

»Er ist nicht unserer Ansicht, daß Nummer Eins die echte Banknote sei.«

»Und welche Gründe gibt der Herr Baron dafür an?«

»Pst – die werden Sie sogleich von ihm erfahren.«

Herr von Rivola ließ die Hand mit den Banknoten sinken und sagte in einem Tone der Überzeugung: »Es ist in der That so, wie ich Ihnen vorhin angedeutet – darf ich die Herren bitten, näher zu treten und mich einen Augenblick anzuhören?«

Die Beiden traten herbei, und Herr Schwemmer schob den Kassirer dicht vor Herrn von Rivola hin, da er dem kleinen Manne über die Achseln schauen konnte.

»Sie werden sich wohl erinnern, Herr Bankdirektor,« sagte nun Herr von Rivola, »daß ich Sie schon vor Jahren auf eine allerdings sehr kleine Verschiedenheit in den Wasserzeichen der Banknoten aufmerksam machte, ich glaube, es war im Beisein des Herrn Mettel, des Chefs der Notenfabrikation; doch waren Sie beide der Ansicht, daß dies nicht Verdacht erregend sei, und ich glaube, Sie hatten Recht, denn ich überzeugte mich später, es sei durch irgend einen Zufall möglich, daß Wasserzeichen aus der gleichen Form allerdings ähnliche unbedeutende Verschiedenheiten zeigen könnten, sei es durch eine Ungleichheit des Papierbrei's, durch eine zu langsame oder zu rasche Trocknung, oder der Himmel mag wissen, durch welchen anderen Umstand. Gehen wir also darüber hinweg, obgleich ich eine von diesen Abweichungen auch hier wieder entdeckt habe. Aber nun bitte ich, Herr Hauptkassirer, nehmen Sie meine Loupe – ich hoffe, sie wird nicht zu scharf für Sie sein – und betrachten Sie einmal hier in der linken Ecke die Arabeske in Schneckenform – prägen Sie sich die Form derselben genau ein und betrachten nun dieselbe Arabeske auf dieser anderen Banknote – sind Sie im Stande, die Verschiedenheit zu entdecken?«

»Allerdings, aber kaum: hier ist das haarscharfe Ende jener Verzierung etwas mehr eingebogen und länger. Wenn ich sage: länger,« fuhr er lächelnd fort, »so verstehe ich darunter die Länge von ein paar Millimetern, welche aber hier das Ende der Arabesken näher an den letzten Ring bringen, als dort. Wahrhaftig; es ist so!« sagte Herr Beil.

»Erstaunlich!« rief der Bankdirektor mit einem Blicke der Verwunderung auf Herrn von Rivola aus.

»Nun wäre es aber möglich, daß der Künstler, der diese Platte geschnitten, dieselbe, nachdem sie eine Zeit lang gedient, nochmals zur Durchsicht erhalten und vielleicht das Betreffende nachgeschnitten hätte und in diesem Falle nur ein Theil der Banknoten gleicher Summe diese Abweichung zeigte, wogegen im anderen Falle, wenn der betreffende Künstler nicht selbst die echte Platte nachgeschnitten, alle Noten, auf denen sich die Verlängerung zeigte, falsch wären, und das ist auch meine Ansicht, weßhalb ich diese hier, Nummer Eins, entgegengesetzt Ihrer Meinung, für die falsche erklären muß.«

»Das ist doch wenigstens ein Anhaltspunkt,« sagte der Bankdirektor.

»Aber ein sehr kleiner und schwacher, mit allem Respekt vor der erstaunenswerthen Sachkenntniß des Herrn Barons,« sprach Herr Beil, der unterdessen auch die übrigen Banknoten an der bezeichneten Stelle mit der Loupe auf's genaueste untersucht – »denn ich bitte, diese Note zu betrachten, eine stark gebrauchte Note von sehr alter Ausgabe, welche ebenfalls die eingebogene Arabeske zeigt, wonach also damals schon, vor langen, langen Jahren das Falsum begangen worden wäre.«

»Da haben Sie Recht,« antwortete Herr von Rivola nach minutenlangem Nachdenken und Betrachten der betreffenden Banknote; »dann also wäre das Falsum schon vor ungefähr fünfzehn Jahren geschehen, fünf Jahre früher, ehe ich das Glück hatte, hier zu sein.«

»Entsetzlich, entsetzlich!« rief der Bankdirektor, indem er hastig durch das Zimmer rannte und sich dabei mit den Händen an beide Ohren griff. »So wären wir also seit jener Zeit mit falschen Noten von so großem Betrage überschwemmt worden, so wären vielleicht fabelhafte Summen im Umlauf, die wir nicht einmal festzustellen vermögen – Herr des Himmels,« fuhr er, plötzlich stehen bleibend und die Hände zusammenschlagend, fort, »wenn davon etwas in die Öffentlichkeit dränge, nachdem wir gezwungen sind, einen Bericht an Seine Majestät den König zu machen, worin wir ihm anzeigen, daß Allerhöchstdesselben Notenfabrikation sowie Allerhöchstdesselben Bankdirektion auf so fürchterliche Art hinter die Ohren geschlagen wurde, ohne zu wissen, woher diese hageldichten Streiche fielen – das überlebe ich nicht, ich nehme vorher meine Entlassung!«

Der Hauptkassirer schauderte sichtlich zusammen.

»Das wäre wohl der Mühe werth,« meinte Herr von Rivola mit einem leichten Achselzucken, »einem solchen Faktum gegenüber das Feld zu räumen und sich dadurch als geschlagen zu bezeichnen – im Gegentheil, es gilt jetzt, das Steuer fest in der Hand zu behalten und mit dem Senkblei des Verstandes nach diesen unsichtbaren, gefahrdrohenden Klippen zu sondiren – still und verschwiegen.«

»Ja, still und verschwiegen,« seufzte Herr Schwemmer, »das war auch meine Ansicht gegenüber Seiner Excellenz dem Herrn Finanzminister, der sogleich die ganze Schweinerei an die große Glocke hängen wollte, das heißt mit anderen Worten: öffentliche Anzeige machen von dieser unerhörten Banknotenfälschung.«

»Das wäre sehr unpraktisch, und sobald ich Seine Excellenz sehe, werde ich mir erlauben, ihm das zu bemerken.«

»Thun Sie das der Sache zu lieb, hochverehrter Freund, thun Sie das so bald als möglich,« sagte der Bankdirektor, die Hände zusammenfaltend; »und dann stehen Sie uns mit Ihrem guten Rathe bei, wie und wo wir unser Senkblei auswerfen sollen – ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht, denn es kann doch einem Chef der königlichen Bank nichts Fürchterlicheres vorkommen, als daß er Noten ausgeben oder annehmen muß, von denen er nicht weiß, ob sie echt oder falsch sind – fürchterlich!«

»Entsetzlich!« hallte es aus der Brust des Hauptkassirers wieder.

Herr von Rivola hatte die Noten wieder auf den Schreibtisch niedergelegt und sagte, mit dem Finger auf eine derselben deutend, auf der sein Name in leichten Bleistiftstrichen stand: »Das ist eine, von denen wir vorhin sprachen, und ich erinnere mich genau, sie auf der Eisenbahnkasse erhalten zu haben, wo ich vor dem betreffenden Beamten meinen Namen schrieb. Doch wie schon gesagt, verehrter Freund,« fuhr Herr von Rivola fort, nachdem er dem Bankdirektor die Hand gereicht, »nehmen Sie sich die Sache nicht so zu Herzen; vor allen Dingen Ruhe und Verschwiegenheit. Will man einen wirksamen Schlag gegen diese Banknotenverfertiger führen, so muß man suchen, ohne Lärm in ihre Nähe zu kommen.«

»Und dazu rechne ich sehr auf Ihre Hülfe.«

»Ich werde thun, was ich kann.«

Herr von Rivola hatte seinen Hut genommen und war im Begriffe, das Zimmer zu verlassen, als der Bankdiener, eintretend, den Herrn Polizeirath Merkel meldete, welcher den Herrn Direktor sogleich zu sprechen wünschte.


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