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26. Fluderle ein Adler

Und Fluderle? – Es lag im Bette und träumte: Im Burghofe, wo die alten Bäume weggeschafft waren, hatte man hunderttausend Rosenstöcke gepflanzt, ein turmhoher Springbrunnen ließ seinen plätschernden Strahl in ein weites Marmorbecken fallen. Fluderle ging mitten durch die Rosengärten spazieren, atmete den Blütenduft, hörte das rauschende Wasser … und wachte auf.

In sein Zimmer drang das Geschrei: »Fluderle heraus!«

Die Fürstin hüpfte mit einem Ruck aus dem Bette, öffnete das Fenster, sah die erbosten Leute und erkannte die gefährliche Lage. Sie rief um Hilfe.

Lisa und Nina, die beiden Rebhühnchen, kamen hereingestürzt. Sie waren zu Tod erschrocken.

Da drang der Ruf herauf: »Das Pulver unter die Mauern!«

Die beiden Rebhühnchen flüchteten sich unter die Bettstelle.

Fluderle stand zitternd in seinem vornehmen Gemach. – »Nun muß ich sterben«, hauchte es, fiel um und lag wie tot auf dem Boden.

Da hörte es das Stimmchen, das wie ein silbernes Maiglöckchen klang: »Fluderle, steh auf!«

Schon saß Blinkeblitz auf des Huhnes Rücken. Fluderles Schwingen wuchsen. Es sprang auf das Fenstersims, schwang seine gewaltigen Flügel und erhob sich in die Luft. Über den stürzenden Mauern der Burg flog es dahin, zog weite Kreise über den Staubwolken und schaute aus der hohen Luft den Zusammenbruch von Fuchsenschroffen und Katzenstein.

.

Kein Gedanke mehr an die beiden unglücklichen Rebhühnchen, die jämmerlich unter den Trümmern der Burg begraben wurden.

Fluderle flog in immer weiteren Kreisen und freute sich, daß unter ihm alles kleiner und kleiner wurde. Wie ein schwarzer Tupfen im Grün der Wiese erschien das Haus der Karline auf dem Hagenberg. Dort hatte Fluderle als Küken und Henne heranwachsen müssen. – Schauerlich! – Ein helles Trümmerfeld, wo Fuchsenschroffen und Katzenstein gestanden hatten. – Was bedeutete es, Fürstin von Fuchsenschroffen gewesen zu sein, jetzt, da es ein Adler war. – Herrlich, über der kleinen Welt zu schweben, mag aus Rolli geworden sein, was da will!

Fluderle flog und schwebte. Es flog über die höchsten Berge und sah unter sich einen dunklen See im grünen Rahmen des Tannenwaldes. Die Sonne spiegelte sich darin und schaute zu Fluderle herauf.

»Ich will mich selbst in dem Wasser sehen«, dachte es und ließ sich in Spiralen gegen den See nieder. – Noch hundert Meter über dem Wasserspiegel. Schon bewegte sich Fluderles eigener Schatten über der still glänzenden Flut – da …

Kraftlos sanken des Huhnes Flügel zusammen. Es stürzte mit einem rauschenden Patscher kopfüber in den Mummelsee.

Hochauf spritzte das Wasser, daß die Bäume ringsum mit perlenden Tropfen bestreut wurden. Immer weitere Wellenkreise wälzten sich von der Mitte des Sees gegen die Ufer und verrannen im Sande.

Ein Jäger hatte den großen Vogel bemerkt, der über dem See seine Kreise zog, legte das Gewehr an und schoß. Der Schuß ging viel zu hoch.

Blinkeblitz lachte und flog davon. Fluderle stürzte, weil Blinkeblitz nicht mehr auf seinem Rücken saß.

Der Jäger aber dachte freudig, er habe einen Meisterschuß getan, löste am Ufer einen Nachen und suchte den ganzen See ab. Er fand aber nichts und konnte nie begreifen, daß ihm der seltene Vogel entgangen war, den er doch so sicher getroffen hatte.


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