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10. Kuh-hong freut sich wieder

Warum war Kuh-hong so mißmutig? – Es gibt viele Dinge, die einen Hahn in schlechte Laune versetzen können. Jedenfalls handelte es sich diesmal nicht um Nahrungssorgen oder Wohnungsnot. Karline ließ ihre Hühner, wie wir bisher gesehen haben, nicht hungern, und im Hühnerstall war Platz genug.

Aber man bedenke, daß Kuh-hong über fünfzehn Hühner zu gebieten hatte. Das war kein Kinderspiel. Soviel Hühner, soviel Köpfe, und lauter Hühnerköpfe! Da waren Amelia, Lilli und Lolo, Mizi und Fifi, Lu und Muggel aus vornehmer städtischer Zucht und alle sehr von sich eingenommen. Da kamen die von gewöhnlichen Bauernglucken ausgebrüteten und aufgezogenen Landhühner: Fränz, Babett, Resi, Käth, Brid, Urschel, Finele. Sabine, die braune Glucke, mit ihren Küken ging gegenwärtig den Hahn nichts an. Aber auch die restlichen vierzehn machten Kuh-hong genug zu schaffen.

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»Bibben sind sie alle«, sprach der Hahn zu sich selbst. »Gibt man der einen ein gutes Wort, so drücken dreizehn andere gleich ein Gesicht in die Welt, als hätten sie seit acht Tagen Kopfweh. – Fährt man einmal energisch dazwischen, wenn sie sich kippen, so sind sie sofort einig, und die ganze Herde fällt über einen her und schreit: ›Du bist ein grober Tyrann.‹ – Mit keiner einzigen läßt sich ein vernünftig Wort reden. Essen und schlafen, im warmen Sand baden, die Federn putzen, das ist alles, woran sie denken, alles, wovon sie reden. Und legt eine ein Ei, so schreit sie ihre Tat in die ganze Welt hinaus.«

Kuh-hong sprach häßlich von seinen Hühnern. Er sah nichts Gutes mehr an ihnen, weil er schlecht aufgelegt war. Aber es steckte noch etwas anderes dahinter.

Das schwarze Küken, dessentwegen Kuh-hong den blutigen Streit mit Putt ausgefochten hatte, kam dem Hahn nicht mehr aus dem Sinn. Aber Fluderle hatte mit Kuh-hong noch nie ein Wort gesprochen. Es ging auch jetzt wieder ganz allein für sich auf der Wiese spazieren. Kuh-hong schaute von seinem hohen Sitze dauernd dem jungen schwarzen Hühnchen nach und dachte:

»Freilich! das hübsche Schwarze dort, das macht eine Ausnahme. Es ist sicher besser als alle andern. Das geht schön bescheiden für sich, es beteiligt sich nicht an den gewöhnlichen Klatschereien. Das ist ein Huhn von Geist und Bildung. Es hat sich weise von den gewöhnlichen Küken abgesondert, es läßt sich nicht von der einfältigen Glucke am Gängelband führen. Das zeigt klar, daß es sehr verständig ist. – Und hübsch ist es geworden, aaaah! so zierlich, so vornehm, so elegant in jeder Bewegung! Aber … ach jeh! … es will von mir nichts wissen.« – »O Fluderle«,sagte er laut vor sich hin, »Fluderle! … Wärest du nicht so stolz! … Wenn du wüßtest, was Kuh-hong leidet! … Du könntest ihn wieder froh, du könntest ihn glücklich machen! … aber ich bin deiner nicht wert.«

Kuh-hong weinte still, und seine Tränen tropften auf den harten Stein.

Ohne daß der Hahn es bemerkt hatte, war Fluderle in seine Nähe gekommen und stand jetzt neben dem Grenzstein.

»Du weinst, edler Kuh-hong!?« sprach es, und seine Stimme ließ die innigste Teilnahme erkennen.

Der Hahn schaute herab und sprach: »Bist du da, mein liebes Fluderle? – Dann will ich nicht mehr weinen.« Und schon war er von dem Steine herabgehüpft und stand neben unserem Schwarzen.

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»Hast du Kummer?« fragte Fluderle.

»Jetzt nicht mehr, mein schönes Kind, … ich meinte … ich glaubte … ach, ich kann's nicht sagen … du hättest mich verachtet.«

»Verachtet!? – ich? – dich? – den edlen Herrn? Meinen Lebensretter? – Nie! Immer denke ich daran, wie du Putt, den abscheulichen Hund, abgehalten hast, daß er mich nicht totbeißen konnte. – Du starker und guter Hahn!«

»Du bist ein Engel, Fluderle. Gut bist du und lieb gegen mich. Nun bin ich glücklich. – Und wie hübsch du geworden bist! – Schöner als all die andern. – Dich liebe ich, wie ich noch nie eine Henne geliebt habe.«

Und Fluderle legte ihr schwarzes Köpfchen an Kuh-hongs weiße Ohrlappen und sagte ihm verschämt ins Ohr:

»Auch ich, Getreuer, liebe dich ganz allein und sonst niemand von allen, die hier herumgehen.«

Darauf gingen die beiden über die Wiese spazieren. Sie redeten noch vieles miteinander, aber ich will nichts verraten.


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