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7. Hoppel, das Häslein

So lange zu warten, bis es dem schlauen Kater gefallen hätte, von der hohen Buche herabzusteigen, dazu hatten die beiden Hunde keine Lust und keine Zeit. Während sie zornig in die Höhe schauten, ließ sich das Häslein vernehmen, das mit zitternder Stimme fragte:

»Wollt ihr mich wirklich nicht auffressen?«

»Kein Gedanke!« sagte Putt, »wir sind ehrliche Hunde und keine Wilderer.«

»Gott sei Dank!« – Das Häschen machte Männchen und wischte sich mit beiden Pfoten die Tränen aus den Augen. – »Es gibt also auch noch gute Hunde. – Meine Mutter warnte mich: ›Hüte dich vor den Hunden!‹ – Aber ihr habt mich aus den Zähnen des bösen Katers befreit. Wie kann ich euch danken?«

.

»Nichts zu danken!« sprach Hektor, – »kannst du wieder gehen?«

»Ja! – ich bin nicht verletzt. Nur war ich zu Tod erschrocken. – Wird mir der Kater nicht wieder nachsetzen?«

»Gehe ein Stück Weges mit uns!«

»Gern!« sagte das Häslein gerührt, »nehmt mich in die Mitte, denn ich habe immer noch ein wenig Angst.«

Nach ein Paar Schritten fragte Putt: »Wie heißt du denn?«

»Hoppel.«

»Wo wohnst du?«

»Auf dem Dachsberg.«

»Wie magst du dann in diese Gegend kommen, da doch um die alte Burgruine eine Bande von Räubern haust?«

»Das wußte ich wohl, und meine Mutter hat mich gewarnt, aber der Kater …«

»Natürlich der Rolli!« unterbrach Putt.

»Ja, der Rolli traf mich drüben in der Wiese, kam freundlich auf mich zu und sagte: ›Bist du nicht der Junge vom Dachsberg?‹ Und er gab mir gleich die Pfote, schaute mich freundlich an und fuhr fort: ›Du bist ein prächtiges Kerlchen geworden. Du warst noch ein kleines Kindchen, als ich dich das letzte Mal sah. Damals besuchte ich deine Mutter. Sie ist eine alte Freundin von mir. Du gleichst deinem Vater. Das war der vornehmste Hase in der ganzen Welt. Schade, daß er so früh hat sterben müssen.‹

›Nun ist auch noch die Mutter krank‹, sagte ich ihm.«

»Du armes Häschen!« meinte Hektor mitleidig.

»Ja, sie hat seit zwei Tagen Leibschmerzen und sagt, sie müsse sterben, wenn sie nicht das Kräutlein Haswohlverlei bekäme.«

»Wird stimmen«, dachte Hektor und sagte: »Kennst du das Kräutlein?«

»Die Mutter hat es mir beschrieben und hat gesagt, daß es hier am Berge wachse, und ich wollte der kranken Mutter die Heilpflanze holen, damit sie wieder gesund wird. Das erzählte ich alles dem Kater, der mich so liebevoll begrüßt hatte.«

»Und was sagte er?« fragte Putt.

»Das trifft sich gut, liebes Hoppelchen. Gestern habe ich das seltene Kraut Haswohlverlei zufällig gesehen. Es ist eben daran, Blüten zu treiben. Nun hat es die kräftigste Wirkung, zumal wenn es bei Mondenschein ausgegraben wird. Denn mit der Wurzel muß es gegessen werden. – Komm mit! Ich führe dich an den Platz, wo das Kräutlein steht, und helfe dir ausgraben. – Weil er mir gesagt hatte, er sei der Freund meiner Mutter, Hasen und Katzen seien sowieso Verwandte, darum würden sie auch alle beide von den Hunden verfolgt, deshalb ging ich ohne Sorge mit ihm. Da sagte er plötzlich: ›Es kommen Hunde! – Wäre es nur einer, so kratzte ich ihm die Augen aus. Aber es sind zwei, darum wollen wir uns im Gebüsch verstecken, bis sie vorbeigegangen sind.‹

Ich habe dem Betrüger geglaubt. Kaum aber waren wir über den Straßenrand gesprungen, da packte er mich.«

»Und dann Packte ich ihn gerade noch im rechten Augenblick«, bemerkte Hektor. – »Hätte ich ihm doch das Genick gebrochen!«

»Er hätte es längst verdient«, meinte Putt, »aber wir erwischen ihn doch noch.«

Während des Gespräches waren die Drei stehen geblieben. Hektor schaute nachdenklich in den Sternenhimmel und sprach dann: »Freund Putt, du gehst nun nach Hause. Dir kann von den Räubern nichts geschehen, denn du weißt dich ihrer zu erwehren. Ich werde umkehren und den kleinen Hoppel begleiten, damit er das Kräutlein Haswohlverlei finden und es seiner Mutter bringen kann.«

Putt verabschiedete sich. Das Häslein dankte ihm noch einmal voller Rührung.


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