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Schon am nächsten Tage dachte Fluderle nicht mehr daran, wie sehr das Fest aus Fuchsenschroffen durch das Gegackse gestört worden war. Auch Rolli setzte sich leicht über den peinlichen Zwischenfall hinweg. Denn er kümmerte sich sowieso wenig um das Gerede der Leute, und die Versammlung der Vornehmen seines Reiches hatte wenig Eindruck auf ihn gemacht. Was lag ihm daran, wenn diese alteingesessenen Adelsfamilien ihre abfälligen Bemerkungen machten! – Er war nun Fürst, machte, was er wollte, und regierte, wie es ihm beliebte.
Vor dem Mittagessen ging Fluderle mit Rolli im Burghof auf und ab. Die Fürstin schaute die hohe Linde und die dichtbelaubten Nußbäume an und sagte: »Mein lieber Gemahl, diese Bäume gehören alle umgehauen. – Das sieht aus wie ein Urwald. Hier könnte man die wunderbarsten Gartenpflanzungen nach ganz modernen Zeichnungen anlegen: vier große Beete wünschte ich mir und in jedem der Beete tausend Rosensträucher mit Rosen in allen Farben und ihrem himmlischen Duft. In der Mitte müßte ein lustiger Springbrunnen in ein weißes Marmorbecken plätschern. Wie herrlich denke ich mir das bei Mondenschein!«
Rolli blickte eine Zeit lang in die schattigen Kronen der hundertjährigen Bäume und sprach: »Im Herbst, wenn die Nüsse reif geworden sind und die Bäume das Laub verloren haben, könnte man sie entfernen. Im nächsten Frühling ließe sich dann die Rosenpflanzung anlegen und der Springbrunnen aufstellen.«
»Aber nein, lieber Schatz«, bat Fluderle, »das geht doch viel zu lang. Mach es lieber gleich! Es sieht so häßlich altmodisch aus in unserem Burghof.«
Noch einmal schaute Rolli die Bäume an, seufzte ein wenig und sprach dann: »Es ist wahr. – Was liegt an den paar Nüssen. – Morgen lasse ich die Holzhacker kommen.«
Richtig erschienen am andern Morgen Männer in harzigen Kleidern mit Äxten und Sägen. Die hohe Linde stürzte in ihrem sommerlichen Blätterschmuck, die Nußbäume mußten fallen, obwohl die Nüsse noch unreif in ihren grünen Schalen saßen.
Die Burgeichhörnchen liefen über die Ringmauer davon, setzten sich auf die große Eiche im nahen Walde und schauten dem Werke der Zerstörung zu. Es tat ihnen in der Seele weh.
Da lagen die schönen Bäume, auf denen sie aufgewachsen waren. In ihren Asthöhlen waren die behaglichen Stübchen mit trockenem Moos und weichem Heu ausgepolstert. Mit Tränen in den Augen schaute der Eichkater seine Frau an und sprach:
»Nun wird es schlimm für den Winter. Wir haben die Heimat verloren und müssen uns eine andere suchen. – Die dreizehn Nüsse, die Schlüpfer uns für die Arbeit versprach, bekommen wir auch nicht.«
Beide wischten sich die Tränen aus den Augen. Dann hüpften sie von Baum zu Baum in den Wald hinein, bis sie bei ihren vornehmen Verwandten, der Familie Eichhorn vom Grünen Ast, angelangten. Sie wurden dort freundlich aufgenommen und zum Mittagessen eingeladen.
»Mutterle!« sagte Eichhorn vom Grünen Ast zu seiner Frau, »ich habe richtig geahnt: es geht nicht gut weiter auf der Burg. Fürst Fuchs ließ unsere Verwandten immer in Ruhe und Frieden. Nun mußten sie ausziehen.«
Und er wandte sich an die Burgeichhörnchen und sprach:
»Wer weiß, was dort drüben noch alles kommt! – Vermutlich nicht viel Gutes. Seid froh, daß ihr weg seid. – Zwanzig Sprünge weiter von hier steht ein Kastanienbaum mit vorzüglichen Asthöhlen. Ziehet dort ein. Noch ist es Zeit, daß ihr eure Winterwohnung einrichtet und die Vorratskammern füllt. Die Haselnüsse fangen an zu reifen, es gibt reichlich Tannenzapfen in der ganzen Gegend, genügend zu essen für uns alle.«
Herzlich dankten die Burgeichhörnchen ihrem vornehmen Vetter.
Auf der Burg aber gab es keine ruhige Stunde mehr. Wenn die Fürstin lange genug an ihrem Erkerfenster gesessen hatte, um alles zu sehen, was in der Burg aus- und einging, rauschte sie mit ihrem Seidenmantel, im Kanarienpelz und mit den Distelfinksgamaschen am hellen Werktag durch die Eingangshalle. Denn sie mußte unbedingt wissen, wer in den Empfangszimmern saß und auf Audienz beim Fürsten wartete. Die einfachen Leute schaute sie kaum an. Die Vornehmen ärgerte sie durch ihr hochmütiges Benehmen und ihre einfältigen Bemerkungen.
»Na ja!« sagte sie einmal, als sie den alten Baurat Wassermann von Biber traf, »es wäre alles ganz nett hier und im Lande, aber es fällt mir sehr schwer, einen besseren Verkehr zu finden. Die Leute sind wirklich zu rückständig und noch nie in die große Welt gekommen.«
Auf der Burg wurde umgebaut, was umzubauen war. Fluderle wünschte, und Rolli befahl.
Dutzende von Arbeitern waren Tag für Tag beschäftigt. Wenn sie eine Arbeit beendigt hatten, konnte es Fluderle einfallen, alles wieder ändern zu lassen.
Die Maurer hatten eine Wand erstellt, die Maler hatten sie schon getüncht und gestrichen. Da kam Fluderle der Gedanke, es wäre doch schöner, wenn die Mauer nicht dastünde, und sie mußte wieder abgerissen werden.
Wohl trösteten sich die Arbeiter mit der Hoffnung auf einen schönen Lohn. Aber es ärgerte sie doch, daß eine gut ausgeführte Arbeit nur zum Zerstören gemacht war. So redete man bald überall davon, die Fürstin Fluderle könne nichts anderes als an den Leuten herumkommandieren und wüßte überhaupt nie, was sie wollte.
Und der Lohn? Rolli ließ seinen vollen Geldschrank verschlossen. Seine Arbeiter warteten schon seit Wochen auf ihr Geld. Er vertröstete sie immer wieder. Aber die armen Leute konnten beim Bäcker das Brot nicht mehr bezahlen und erhielten keines mehr ohne bares Geld. Sie brachten den Mietzins nicht mehr auf für ihre Wohnungen, und man setzte sie auf die Straße. Sie mußten mit ihren Frauen und Kindern betteln gehen.
Was kümmerte das Rolli! – Er verlangte von seinen Untertanen immer höhere Steuern und trieb sie unbarmherzig ein. Er raubte schlimmer als je zuvor.
Das ging eine Zeit lang fort. Aber immer unzufriedener wurden die Leute. Rollis vornehme Verwandte, die von Bussi, von Mizi, von Lecker und von Kratzer, schürten die Unzufriedenheit und sagten: »Unter dem Fürsten Fuchs ließ es sich noch leben, wenn auch manches zu tadeln war. Aber dieser Rolli treibt es zu schlimm. Warum hat man ihn auf den Thron gesetzt? Er hatte gar kein Recht darauf, dieser eingebildete Kater.«
Der alte Dachs lag fast immer zu Hause auf seinem Ruhebette, da er nicht mehr gut gehen konnte. Meist hatte er eine Flasche Wein neben sich stehen und las Noten. Denn er betrieb so nebenher etwas Musik und hatte dafür keine kleine Begabung. Zu ihm hatten die Leute großes Vertrauen. Sie kamen und klagten ihm ihr Leid. Dann tröstete er sie mit den Worten: »Ich habe es mir gleich gedacht, als ich die Komödie mitmachen mußte. – Der Rolli ist ein ganz durchtriebener Kerl. Er bringt uns noch alle an den Bettelstab. Aber meine Frau, die hält ihm immer die Stange.«
Da hättet ihr die Dächsin hören sollen: »Jawohl! – Ich bleibe bei meiner Ansicht. Rolli, der Fürst, versteht sich aufs Regieren. Mein Sohn, der Herr Minister, der gegenwärtig ins Ausland gereist ist, um den auswärtigen Mächten den Regierungsantritt Rollis anzuzeigen, hat es mir auch gesagt. – Aber … (dieses Aber sprach sie mit sehr hoher Stimme und machte danach eine lange Pause) aber … die Fürstin! die ist sein Verderben. Nichts als Neuerungen, nirgends hoch genug hinaus! Und dabei ist und bleibt sie eine gewöhnliche Bibbe. Schlimm genug, daß das Reich von einem Huhn regiert wird. Und sie ist ganz Huhn und riecht nach Huhn.«
Mehr und mehr kam es im Reiche herum: »Wir werden von einer Bibbe regiert.«
Ein Grollen ging durch das Land wie ferner Donner. – Wird das Gewitter kommen?