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5. Efrosine

Karline ging in die Küche, zündete im Herd das Feuer an, holte Mehl, Milch und Eier aus dem Schrank und rührte davon einen Teig. Denn sie wollte Pfannkuchen zum Mittagessen machen. Ihr Mann, der Naz, war in der Morgenfrühe mit einer Fuhre Holz ins Tal gefahren. Wenn er nach Hause kam, hatte er einen gewaltigen Hunger und wollte sofort etwas zu essen auf dem Tische sehen. Sonst war es mit seiner guten Laune aus.

Während Karline in der Küche hantierte, trat Efrosine unter die Türe.

»Grüß Gott! Karline. – Kochst du schon das Mittagessen?«

»Grüß Gott, Efrosine! – Hast du den Naz mit seinem Kuhfuhrwerk nicht gesehen. Er ist ins Tal gefahren.«

»Ich komme auch aus dem Tal, habe ihn aber nicht gesehen. Im Vorbeigehen wollte ich wieder einmal bei dir ankehren. Da habe ich gerade vor dem Haus in der Mistlache etwas flattern sehen, und es war dies schwarze Bibbele.«

»Das Schwarze?«

»Ja, schau nur! Es zappelt noch ein wenig.«

»Das arme Tierlein!« sprach Karline, legte den Kochlöffel beiseite und wischte sich die Hände an der Schürze ab.

»Es hätte nicht mehr lange gedauert«, meinte Efrosine, »so wäre es ersoffen.«

Ging's um ihr Federvieh, so vergaß Karline Küche und Mittagessen.

»Ach je!« seufzte sie und nahm der Freundin das Küken aus der Hand, »es wäre schade darum gewesen. Das kann einen dauern, das nasse, halbtote Vögelchen.« Zärtlich strich sie über die nassen Federchen hin.

»Efrosine, halte mir das Tierchen noch einen Augenblick und gehe in die Stube! – Ich komme gleich wieder.«

Sie kam mit einem Körbchen zurück, das mit weichem Heu gefüllt war, bettete das Schwarze darauf, stellte es am Fenster in die warmen Sonnenstrahlen und schaute das Tierchen lange an.

»Efrosine! – Es kommt davon. Schon hat es das linke Auge ein bißchen aufgemacht.«

»Ich hab' mir's gedacht. – Solch ein Bibbele hält manchmal viel aus. Wenn es trocken und warm geworden ist, springt es so munter einher wie zuvor.«

»Jetzt hat es schon das Schnäbelchen aufgesperrt.«

»Dann kann's auch bald wieder piepsen.«

»Mit den Füßen strampelt's!«

»So lernt es auch wieder hüpfen.«

»Es hebt die kleinen Flügel.«

»Flattern wird es auch bald wieder können.«

»Meinst du nicht, Efrosine, ich sollte ihm die Füßchen mit Kirschwasser einreiben?«

»An den Füßen kann Kirschwasser einem Bibbele nichts schaden«, sagte Efrosine. – »Mir könntest du auch einen Schluck bringen. Es hat mir den Berg herauf ziemlich warm gemacht.«

Karline holte ein Gläschen Kirsch, rieb dem Küken die Beine ein und gab ihrer Freundin den Rest zu trinken.

»Erst das kranke Bibbele und hernach die gesunde Freundin!« dachte Karline.

Efrosine war etwas gekränkt und sprach:

»Sehr schön ist das Bibbele gerade nicht. – Meine sind alle gelb, und ich habe dir doch von meinen Eiern gegeben. Wie kommst du zu dem schwarzen Krabb?«

»Es ist aus einem von deinen Eiern ausgeschlüpft.«

»Unmöglich!«

»Wo soll's denn sonst herkommen? – Ich habe es allerdings erst drei Tage später bemerkt. Am Anfang hat mir das Schwarze nicht gefallen wollen. Wenn es aber wieder gesund wird, habe ich es lieber als alle andern.«

Die beiden Freundinnen halten sich derweilen an den Tisch gesetzt. Fluderle reckte sein Köpfchen über den Rand des Körbchens empor. Der scharfe Geruch des Kirschwassers war ihm in die Nase gestiegen, daß es ein paar Mal kräftig niesen mußte. Das hatte aber die Karline nicht bemerkt. Nun schaute Fluderle die beiden Bäuerinnen an und sprach zu sich selbst:

»Die Karline lass' ich mir gefallen. – Sie hat mich lieber als alle andern. – Aber die Efrosine! … nein! Einen schwarzen Krabb hat sie mich geheißen! – Wenn ich nur reden könnte!«

Fluderle reckte den Hals, sperrte den Schnabel weit auf und: »tiu, tiu!« war alles, was es herausbrachte.

Karline sprang vom Tische auf, schaute ihr krankes Küken verklärt an und rief: »Jetzt kommt es sicher davon! Es kann wieder piepsen.«

»Ja, ja!« sprach Efrosine, »wäre es in der Mistlache liegen geblieben, so hätte es ausgepiepst! – Der Schaden wäre nicht groß gewesen. Du hättest junge Hühner von der gelben Rasse ohne Ausnahme. Aber ich muß es noch einmal sagen: Von mir kommt das Schwarze nicht.«

»Schön schwarz ist auch nicht häßlich«, meinte die andere, die wegen ihrer rabenschwarzen Haare die schwarze Karline hieß.

... »aber so halbrot!« wurde etwas leiser beigefügt.

»Was sagst du, Karline, halbrot?«

»Hörst du Geister, Efrosine? – Kein Gedanke daran!« sprach Karline, aber sie log ein bißchen, denn sie hatte auch so etwas gehört und wußte nicht recht, ob sie es selbst gesagt hatte.

»Ich werde meinen eigenen Ohren noch trauen dürfen«, bemerkte Efrosine spitzig, »ich höre gut.«

»Und ich habe nichts von halbrot gesagt. Das wirst du mir noch glauben. Ich sag's dir noch einmal: schön schwarz ist nicht häßlich!«

... »aber die Malefizblonden sind nicht mein Fall«, wurde wieder leise hinzugesetzt.

»Karline!« … sprach Efrosine gereizt, »als wir noch in die Schule gingen, haben mich alle andern wegen meiner roten Haare gefoppt, nur du hast nicht mitgemacht. Nun fängst du in deinem Alter mit diesen Kindereien an. Hätte ich nur das schwarze Dreckvieh in der Mistlache ersaufen lassen!«

.

»Du grausame rote Hexe!« ließ sich wieder das Stimmchen vernehmen. – In demselben Augenblick flog ein goldig glänzender Käfer zum Fenster hinaus. Weder Karline noch Efrosine hatte es gehört, daß er beim Abflug Fluderle ins Ohr gesagt hatte: »Du garstiges Küken, freches Fluderle! – Pfui!«

Einen Augenblick war alles still in der Stube. Dann aber fing Efrosine an:

»Da hört sich doch alles auf! – Malefizblond … rote Hexe … das muß ich von dir hören! – Ich habe dir im Leben noch nie ein krummes Wort gesagt. Heute komme ich in aller Freundschaft zu dir. Du denkst und redest nur von dem halbersoffenen Bibbele. Mir wirfst du Schimpfnamen der Reihe nach an den Kopf. – Ich gehe und komme so bald nicht wieder.«

»Ich habe es nicht gesagt, Efrosine, ich habe es wirklich nicht gesagt.«

»Nun lügt sie auch noch in ihren alten Tagen wie ein verlegenes Schulkind.«

»Ich lüge nicht, glaube mir doch!«

»Ich gehe, ich will nichts mehr wissen von Freundschaft. Man kann keinem Menschen mehr trauen.«

Efrosine trat unter die Haustüre. Karline stand da und begriff nicht, was die Freundin sagte.

»Heut geht es nicht mit rechten Dingen zu«, dachte sie, als zu allem noch der Naz, ihr Mann, ins Haus kam. Er hatte die Kühe vom Wagen abgespannt, in den Stall geführt, ihnen Heu aufgesteckt und wollte sich an den Tisch setzen, um seinen Hunger zu stillen.

Kein Tisch gedeckt! Das Feuer im Herd war ausgegangen. Er sah das Küken, das aus seinem Körbchen piepste, und brummte: »Fizebomben, Heiden und Galeeren! – Hühnergeschichten und Weibergeschwätz, aber kein Mittagessen!«

Er stieg auf den Speicher in die Speckkammer, schnitt sich einen langen Streifen herab, nahm einen halben Laib Brot dazu und steckte beides in seine Tasche. Kein Wort mehr sprach er mit der Karline und ging in den Wald. Dort aß er seine Sachen auf und machte hernach, immer noch über die Weibsleute und über die Hühner schimpfend, an seiner Holzmacherarbeit weiter.

Fluderle sprang am Nachmittag schon wieder mit den gelben Küken im warmen Sonnenschein herum und schlief am Abend unter den Flügeln der braunen Glucke so ruhig ein, als wäre an diesem Tage gar nichts Schlimmes geschehen. – Glaubt ihr, es hätte sich Gewissensbisse gemacht über die Kränkung, die es der guten Efrosine zugefügt hatte? – Nicht daran zu denken! – Meint ihr, es hätte Mitleid gehabt mit Putt, der unschuldig Prügel abbekommen hatte, den die Wunden noch schmerzten, die ihm Kuh-hong gekratzt und gepickt hatte? – Nicht im geringsten!


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