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22. Aufmarsch zum Feste

Großes Fest war angesagt auf Burg Fuchsenschroffen. Von allen Gegenden des Fürstentums kamen die eingeladenen vornehmen Familien. Auch das gewöhnliche Volk strömte in Scharen herbei, denn es war bekannt gegeben, daß Fürst Rolli am Tage seines Regierungsantrittes alle seine Untertanen auf der Burg bewirten werde.

Schon lagen unter den hohen Linden des Burghofes große Fässer Wein und Bier, ganze Berge von Schwarzbrot und Weißbrot, lange Kränze von Würsten, mächtige Käslaibe bereit. Vor dem Burgtore, der Straße entlang und im Walde waren Tische und Bänke aufgestellt. Mitten unter den Tischen hatte man für die fürstliche Musik ein Brettergestell aufgeschlagen, auf dem schon die Notenpulte und die Stühle standen, daß nur noch die Musikanten kommen brauchten, um mit ihren klingenden Weisen das Volk beim Festschmaus zu ergötzen.

Wie die Leute, die dichtgedrängt an der Straße standen, Augen machten, als die hohen Gäste in ihren vornehmen Gespannen zur Burg fuhren!

Da kamen die von Dachs, er ein sehr bejahrter, etwas griesgrämiger Herr, dem man ansah, daß er am liebsten daheim geblieben wäre. Sie aber hatte es nicht gestattet, daß er sich beim Fürsten wegen Fernbleibens vom Feste mit seinen Gichtknoten entschuldige. Denn sie mußte unbedingt dabei sein, wenn ihr Sohn, der Minister, den Aufruf des Fürsten an sein Volk vor den Reichsständen und dem höchsten Adel verlas.

Die von Dachs kamen in einer Kutsche angefahren, der man es ansah, daß sie seit Jahrzehnten im Schuppen gestanden hatte, obwohl sie frisch gewaschen war. Das Gefährt wurde von vier Ziegenböcken gezogen, die jung und feurig dahertrabten. Die Leute wichen von der Straße zurück, als sie die scharfe Ausdünstung der Böcke in die Nase bekamen. Die Freiin von Dachs aber meinte, das Volk habe eine so hohe Verehrung für die Familie, aus der ein Minister hervorgegangen war, daß es scheu ihrem Wagen Platz machte. Deshalb nickte sie huldvoll nach rechts und links, während ihr Gemahl schnurgeradeaus guckte und in seinen Bart brummte: »Eine schauerliche Komödie!«

Es kam danach eine Reihe eleganter Wagen mit näheren und weiteren Verwandten des neuen Fürsten: die von Bussi, die von Mizi, die von Lecker und die von Kratzer, auch einige wenige von Rolli. Die meisten derer von Rolli waren zu Hause geblieben, weil sie sich ärgerten, daß ihr Vetter Rolli von Katzenstein Nachfolger des Fürsten Fuchs von Fuchsenschroffen geworden war.

Besonderes Aufsehen erregte das Gespann des Barons Otter von Seebach. Der ganz neue blaulackierte Wagen wurde von zwei Rehböcken gezogen. Ihr Geschirr war über und über mit Silber beschlagen. Am Halse trug jeder ein Glöcklein, das mit hellem Klang die Leute auf der Straße schon von weitem darauf aufmerksam machte, daß eine hohe Herrschaft anfuhr.

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Aus dem Geschlechte derer von Has kam kein einziger, obgleich Schonzeit war. Sie hatten sich alle beim Fürsten entschuldigt, es sei ihnen leider unmöglich, beim Feste zu erscheinen, weil sie ihre vielen Kinder nicht allein zu Hause lassen könnten.

Eichhorn Freiherr vom Grünen Ast kam mit seiner Gemahlin nicht auf der Straße zur Burg. Die beiden hüpften ihrer Gewohnheit gemäß durch den Wald von einem Baum zum andern über die langen ineinander greifenden Äste und blieben mit ihren Vettern, den Burgeichhörnchen, auf einem Ast der alten Burglinde sitzen. Von dort aus konnten sie durch die offenen Fenster alles sehr gut sehen und die Reden, die gehalten wurden, deutlich vernehmen. Eichhorn hatte den Fürsten Rolli gebeten, er möge ihm und seiner Frau gestatten, diesen Platz einzunehmen, da er sich bei seiner Veranlagung zum Klettern weder auf dem Erdboden noch auf dem glatten Parkett des Saales genügend sicher fühle. Rolli hatte ihm die Vergünstigung gern gewährt.

Aus dem Geschlechte der Füchse lebten nur noch wenige im Fürstentum Fuchsenschroffen: Fuchs Freiherr vom Kroppenkopf, Fuchs Baron vom Scharfenstein und Fuchs vom Rabenfels. Keiner erschien. Sie hatten die Einladung Rollis entrüstet in den Papierkorb geworfen, da sie als, wenngleich sehr entfernte, Verwandte des verstorbenen Fürsten glaubten, ein besseres Recht auf den Thron von Fuchsenschroffen zu haben als Rolli der Kater. Auf den Zinnen des Burgtores erschienen vier Trompetenbläser, setzten mit einem Ruck ihre Instrumente an, schmetterten einen Tusch über die versammelte Volksmenge in den Wald hinaus, nahmen die Trompeten mit einem gleich schneidigen Ruck wieder vom Munde und blieben in strammer Haltung über dem Burgtor stehen.

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Die Leute reckten die Hälse hoch und schauten gespannt nach der Burg.

Aus der Burgkapelle wogte Orgelklang. Man vernahm undeutlich den Sängerchor.

Als der Gesang verklungen war, wurde die Menge wieder unruhig. Aber ein erneuter Tusch der Musiker auf der Zinne belehrte sie, daß jetzt alles sich völlig still verhalten müsse, da der Festakt im Schlosse seinen Anfang nahm.


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