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II. Roland's des Kühnen Tod. Nach O. Klopp.

 

1.

Nachdem der herrliche Kaiser Karl sich Spanien unterworfen und zum Glauben an Gott und seine heiligen Apostel bekehrt hatte, zog er zurück und kam nach Pampelona und ruhete dort einige Tage aus mit seinem ganzen Heere. In Saragossa aber waren damals zwei sarazenische Könige, die Brüder Marsilies und Beligand, die der Sultan von Babylon dahin geschickt hatte. Sie waren dem Kaiser Karl unterthänig geworden und dienten ihm scheinbar gern in allen Stücken; aber sie meinten es nicht ehrlich mit ihrer Treue und Anhänglichkeit an ihn. Da schickte ihnen der Kaiser den Ganelon zu, der zu den zwölf besten Mannen Karl's gehörte, aber Untreue im Herzen trug, und ließ ihnen sagen, daß sie sich taufen lassen oder ihm den Tribut schicken sollten. Sie schickten ihm dreißig Rosse mit Gold und Silber und feinen Gewändern beladen, vierzig Rosse mit dem süßesten und reinsten Weine und eben so viel auch für die anderen Kämpfer, dazu tausend schöne Maurinnen. Dem Ganelon aber boten sie zwanzig Rosse, mit Gold und Silber und feinen Gewändern beladen, wenn er die Krieger Karl's in ihre Hand liefern wollte. Darein willigte der böse Ganelon und empfing den Lohn.

Nachdem sie dann Alles wohl mit einander verabredet hatten, kehrte Ganelon zum König Karl zurück und gab ihm die Schätze, welche die maurischen Könige ihrem Oberherrn darbrachten und sagte auch dem Könige, daß Marsilies Christ werden wollte und sich schon vorbereitete, in's Frankenreich zu Karl zu gehen, um dort bei diesem die Taufe zu empfangen. Karl schenkte den Worten Ganelon's Glauben und schickte sich an, die Pässe der Pyrenäen zu übersteigen. Ganelon aber gab ihm ferner den Rath, er solle seinem Neffen Roland und dem Grafen Oliver den Nachtrab übergeben, da diese mit 20,000 Streitern im Thale Ronceval die Wacht hielten, bis Karl und das ganze Frankenheer wohlbehalten hinüber gekommen sei. So geschah es. Aber Einige aus dem Heere der Christen überließen sich zügellosem Leben und allerlei Ausschweifungen und dafür mußten sie bald den Tod erleiden.

Während Karl mit Ganelon und dem Erzbischof Turpin und vielen Tausenden der christlichen Streiter die Pässe überstieg, hielten Roland und Oliver mit ihren 20,000 Kriegern treue Wacht. Aber in der Frühe eines Morgens stiegen Marsilies und Belegand mit 50,000 Kriegern von den Hügeln und aus den Schluchten, wo sie sich auf Ganelon's Rath zwei Tage und zwei Nächte lang verborgen gehalten hatten. Sie machten zwei Haufen, den einen von 20,000, den andern von 30,000 Kriegern, und als der größte Haufe noch zurück war, griff der kleinere Haufe die Franken sofort im Rücken an. Diese aber wandten sich und kämpften so wacker, daß nach der dritten Stunde auch nicht ein einziger von den 20,000 Mauren noch am Leben war. Aber unterdessen waren auch die Andern herangekommen und die ermatteten Franken mußten abermals gegen sie kämpfen. Da fielen sie vom Größten bis zum Geringsten, einige durch den Speer, andere durch das Schwert, andere durch die Streitaxt und wiederum andere durch Pfeile und Wurfspieße. Manche wurden auch lebendig geschunden, andere verbrannt und an Bäumen aufgehängt. Darauf zogen sich die Mauren eine Strecke zurück.

 

2.

Roland aber war noch nicht gefallen, sondern als die Heiden sich zurückzogen, kehrte er zurück und forschte, wie es mit den Seinen stünde. Da erblickte er einen Mauren, der kampfesmüde sich in den Wald zurückgezogen hatte und dort ausruhete. Sogleich ergriff ihn Roland lebendig und band ihn mit vier starken Stricken an einen Baum. Dann stieg er auf eine Anhöhe, um sich nach den Feinden umzusehen, und als er erkannt hatte, daß ihrer viele in der Nähe waren, stieß er in sein gewaltiges Horn, um die Franken zu rufen, welche etwa noch leben und sich verloren haben möchten. Da versammelten sich ungefähr hundert um ihn und mit diesen stieg er wieder hinab in's Thal Ronceval. Als er zu dem Mauren kam, den er vorher gefesselt hatte, band er ihn los und erhob die entblößte Klinge seines Schwertes über das Haupt des Gefangenen und sprach zu ihm: »Wenn du jetzt mit mir kommst und mir den Marsilies zeigst, so sollst du das Leben behalten, wenn aber nicht, so mußt du sterben.« Damals kannte Roland den Marsilies noch nicht. So ging denn der Maure voran und Roland folgte ihm, und der Gefangene zeigte ihm bald in der Ferne unter den Reihen der Mauren den Marsilies, der auf seinem Rothfuchs saß und den runden Schild schwang. Da ließ Roland seinen Gefangenen entweichen, er betete zu Gott und stürzte sich dann mit seiner kleinen Schaar auf die Mauren. Einer von diesen kam zu Roland heran, der war größer und stärker als die Andern; aber Roland faßte sein Schwert und spaltete ihn mit einem Hiebe vom Scheitel an, also daß rechts und links vom Pferde ein halber Maure niedersank. Da erfaßte Schrecken die Andern, sie eilten davon und ließen Marsilies mit wenigen Begleitern allein im Felde. Roland aber vertrauete auf Gott und auf die Kraft seines Armes und drang in die Reihe der Mauren, gerade auf Marsilies los. Der begann zu fliehen, aber Roland erreichte ihn und schlug ihn mit starker Hand, also daß auch Marsilies hinfiel und starb.

Aber unterdessen waren die hundert Begleiter Roland's, die vom Frankenheer noch übrig waren, alle gefallen und Roland selbst war von vier Speeren und vielen Steinwürfen hart verletzt und nur mit Mühe gelang es ihm, zu entkommen. König Karl aber war mit seinem Heere schon über die Spitze der Berge hinüber und wußte nichts von dem, was in seinem Rücken geschah. Da irrte der gewaltige Held Roland kampfesmüde und tiefbekümmert um den Untergang eines so herrlichen Heeres einsam umher und kam bis an den Fuß des Berges, welchen er nicht mehr zu übersteigen vermochte. Dort stand ein Baum neben einem Marmorstein, hier sprang Roland vom Pferde und überdachte sein Geschick. Noch hatte er sein Schwert Durenda, das herrliche und leuchtende, von kostbarer Arbeit, scharf zugleich und stark, das nur Roland's Arm mit rechter Kraft schwingen konnte. Den Namen Durenda hatte es aber von seinen harten Schlägen ( durus – hart). Dies Schwert zog Roland aus der Scheide, betrachtete es traurig, und mit Thränen in den Augen sprach er dann: »O du herrliches, immerdar leuchtendes Schwert, du bist geziert mit einer elfenbeinernen Koppel und mit einem goldenen Kreuze, du trägst den Namen Gottes eingegraben auf deiner Klinge und bist mit aller Tugend eines Schwertes begabt. Wer aber soll von nun an dich führen im Streit? Du hast viele Mauren gefällt und so oft ich einen Ungläubigen niederschlug, gedachte ich dabei an Gott und Christum. Nun aber werden die Ungläubigen selbst dich hinwegnehmen und ihnen wirst du dienen müssen!« Als Roland diese Worte sprach, gedachte er lieber sein treues Schwert zu zertrümmern, als es den Mauren zu überliefern, und er schlug aus allen Kräften auf den Marmorstein, der da errichtet war. Aber das Schwert spaltete den Stein und zerbrach doch nicht. Dreimal versuchte es Roland und es wollte ihm nicht gelingen und Durenda blieb unversehrt.

Alsdann nahm Roland sein Horn und stieß mit Macht hinein, damit die Christen, welche etwa noch im Walde sich verborgen hielten, sich um ihn sammelten; oder wenn Einige von denen, die das Gebirge bereits überschritten hatten, etwa den Ton vernähmen, zu ihm eilen und bei seinem Tode gegenwärtig sein möchten. Er stieß aber mit solcher Kraft in's Horn, daß es zersprang und die Sehnen an seinem Halse zerrissen. Und selbst König Karl, der schon acht Meilen entfernt war, vernahm den gewaltigen Schall; denn die Engel des Himmels trugen ihn dahin. Da wollte Karl sogleich umkehren und ihm Hülfe bringen; aber der schlimme Ganelon, der wohl wußte, was dort geschah, hinderte ihn daran und sprach: »Vielleicht ist Roland auf der Jagd und ruft seine Gefährten zusammen; denn oft stößt er auf diese Weise in's Horn!«

Roland aber lag nun auf dem Grase ausgestreckt in heißer Fiebergluth und sehnte sich nach einem Trunke Wassers. Da kam ein Franke daher, Namens Balduin, und ihn bat Roland um einen Trunk. Balduin suchte lang, aber er fand keine Quelle und da er zurückkehrte und Roland schon im Sterben lag, betete er mit ihm und segnete ihn. Dann aber bestieg er eilends sein Roß und jagte dem fränkischen Heere nach, damit Einige wiederkehrten und Roland's Leiche nicht in die Hände der Mauren fallen ließen. Als Karl diese Nachricht vernahm, ward er sehr bekümmert und kehrte selbst wieder um. Da fand er seinen Neffen, der todt da lag, die Arme in Kreuzesgestalt auf der Brust. Der Kaiser und alle Franken jammerten und beklagten bitterlich den Tod des wackern Helden und aller seiner Mannen. Ganelon aber ward des Verraths überwiesen und an die vier wildesten Pferde gebunden, die im fränkischen Heere zu finden waren, und von diesen schrecklich zerrissen.

 

3.

Das Andenken an Roland, ob an diesen oder einen andern, lebt noch in mancher andern Sage fort. Wo der grüne Rhein das Gebirge verläßt, das er in grauer Vorzeit zwischen Bingen und dem Siebengebirge durchbrochen haben soll, unfern von Bonn, liegt ein Ort, Rolandseck genannt. Auf einem steilen Berge steht da noch ein alter Fensterbogen, der einst zu Roland's Burg gehört haben soll, welche auf diesem Felsen stand. Von da schaut man hernieder auf die schöne Insel Nonnenwerth, im breiten Spiegel des Rheines, und gegenüber liegt die jähe Wand des Drachenfelsen, wo einst der Drache die Jungfrau bewachte, die von dem leuchtenden Helden Siegfried erlöst ward. Hinter dem Drachenfelsen aber ragen die sechs andern Kuppen des Siebengebirges hervor.

Aber noch in einer andern Weise ist uns das Andenken Rolands und zwar im Sachsenlande erhalten. In vielen alten Sachsenstädten findet man gewaltige Steinbilder, die man Rolande nennt. Es sind riesenhafte Männergestalten, mit Waffen geschmückt; die Rechte hebt hoch das Schwert empor und die Linke deckt mit dem Schilde die Brust. Von allen der berühmteste ist der Roland von Bremen, der mitten auf dem Markte steht. Außerdem aber findet man Rolandsbilder in Naumburg, Nordhausen, Magdeburg, Halberstadt und – wohin später der sächsische Stamm vordrang, nachdem die eingedrungenen Slaven wieder zurückgetrieben waren, – in Brandenburg, Stendal, ja auch in kleineren Städten, wie in Perleberg, selbst in Flecken und Dörfern, wie in Reichenwalde in der Lausitz.


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