Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Vierter Abschnitt.
Völkerbewegende Religionen.

I. Muhamed und die Kalifen.

Muhamed Nach Lossius und Schulze. (622 n. Chr.).

 

1.

Muhamed wurde um's Jahr 570 zu Mekka geboren. Seine Mutter, eine Jüdin, hieß Amöna, sein Vater, ein Araber aus dem edlen Stamme Koreisch, hieß Abdallah. Dieser starb früh und hinterließ nichts als fünf Kameele und einen äthiopischen Sklaven. In seinem sechsten Lebensjahre verlor Muhamed auch seine Mutter und nun nahm sich der Oheim Abu Taleb des verwaisten Knaben an.

Abu Taleb führte die Aufsicht über die Kaaba, das Nationalheiligthum der Araber. In diesem Tempel wurde der schwarze Stein aufbewahrt und verehrt, den Gott dem Abraham durch den Engel Gabriel zuschickte, als jener Tempel zu Mekka gebaut wurde. Wie die Christen nach dem heiligen Grabe zu Jerusalem, so wallfahrteten die Araber zu diesem Heiligthume. Sieben Mal gingen die Pilger mit schnellen Schritten um die Kaaba, sieben Mal küßten sie den Stein, und sieben Mal warfen sie Steine in das Thal Mina. Diese Gebräuche haben sich bis jetzt erhalten.

Abu Taleb war ein sehr thätiger und unternehmender Kaufmann, der große Reisen machte und zuweilen auch den kleinen Muhamed mitnahm. In seinem Hause blühete der Knabe zu einem schönen Jüngling auf und man bewunderte dessen majestätische Gestalt, das durchdringende Auge, das anmuthige Lächeln, die Kraft und den Wohllaut der Stimme.

In seinem dreizehnten Jahre gelangte Muhamed mit seinem Oheim nach Syrien und dort lernte er einen christlichen Mönch Namens Sergius kennen. In seinem vierzehnten Jahre begleitete er den Abu Taleb auf einem Feldzuge gegen einige feindliche Stämme und zeichnete sich hier durch große Tapferkeit aus. Im fünfundzwanzigsten Jahre kam er in das Haus der reichen Wittwe Chadidscha, die ebenfalls aus dem Stamme Koreisch war. In ihrem Geschäfte machte er viele Handelsreisen und aus Dankbarkeit gab sie ihm ihre Hand, wodurch er ein reicher Kaufmann wurde.

 

2.

Seine Handelsreisen und der große Verkehr auf dem Markte und in der Kaaba zu Mekka hatten ihn mit Juden und Christen in Verkehr gebracht, seinen Blick geschärft, besonders ihn auch mit den Bedürfnissen seines Vaterlandes bekannt gemacht. Er hatte den Verfall der Religion bei den Juden gesehen, die Glaubensstreitigkeiten bei den Christen kennen gelernt, und konnte sich weder mit dem Judenthum, noch mit dem Christenthum befreunden. In seinem Lande herrschte aber viel Aberglauben, dazu war sein Volk in zahllose, feindlich sich bekämpfende Stämme zerspalten, die seine beste Kraft selber zerstörten. Arabien bedurfte auch eines Erretters und Erlösers, und wenn Muhamed in einsamen Stunden darüber nachdachte, so mochte ihm wohl eine innere Stimme sagen, daß er dazu berufen sei, die Araber mit neuer Kraft zu beseelen.

In seinem vierzigsten Jahre erschien ihm, wie erzählt wird, »die Nacht der Rathschlüsse Gottes,« oder, wie er selbst im Koran sie nannte, »die gesegnete Nacht.« Als er nämlich in der Höhle Harra ruhete, trat vor ihn ein Engel und sprach also: »Muhamed, du bist der Prophet Gottes und ich bin Gabriel!« Er erzählte dies seiner Frau; sie glaubte ihm und schwur bei demjenigen, der ihre Seele in den Händen habe, Muhamed sei ein Prophet. Hieraus glaubte ihr Vater, dann Ali, der neunjährige Sohn Abu Taleb's, dann der hochgeehrte Abu-Bekr, der getreue Zeuge und Nachfolger des Propheten, und sein Sklave Zeid, den er deshalb frei gab.

 

3.

Drei Jahre wirkte er in der Stille und gewann etwa vierzehn Personen. Im vierten Jahre aber beschloß er, öffentlich als Prophet aufzutreten. Eine neue Offenbarung erweckte ihn dazu. Er lud vierzig Personen aus seinem Stamme zu einem Gastmahle, und als sie Brod und Lammfleisch gegessen und Milch getrunken hatten, sprach er: »Niemand kann euch etwas Vortrefflicheres anbieten, als ich, denn ich bringe euch die Güter des jetzigen und des zukünftigen Lebens. Gott will, daß ich euch zu ihm rufe. Wer von euch will mein Vezier (Gehülfe) sein? Wer von euch will einen Theil der Bürde auf sich nehmen? Wer von euch will mein Bruder, mein Freund, mein Verweser sein?« – Sie scheueten sich zu antworten. Nur der jüngste und unansehnlichste von ihnen, Ali, der Sohn Abu Taleb's, sprang auf und rief: »Ich, o Prophet, ich will dein Verweser sein!« Muhamed umarmte den Ali und gebot den Uebrigen, ihm Gehorsam zu leisten. Allein sie lachten und sagten höhnisch zum Abu Taleb, er werde nun seinem eigenen Sohne gehorchen müssen.

Muhamed achtete ihres Hohnes nicht; rastlos verfolgte er seine Pläne. Er predigte unter seinen Stammesgenossen und unter den Pilgern zu Mekka und forderte sie auf, dem Götzendienste zu entsagen und an seine Sendung und Lehre zu glauben. Allein er fand wenig Gehör; die Zahl seiner Gegner mehrte sich, und selbst seine Freunde riethen ihm, von seinem Vorhaben abzustehen. Er aber erklärte mit unerschütterlicher Festigkeit: »Sollten sie auch die Sonne in meine Rechte und den Mond in meine Linke legen (d. i. sollten sie mir auch die allergrößten Vortheile versprechen), so lasse ich dennoch nicht ab.«

Den lebhaftesten Widerstand fand er bei seinen Stammesgenossen, den Koreischiten. Seine Lehre schien ihnen Beschimpfung der vaterländischen Religion, seine Sendung eitel Anmaßung zu sein. Sie nöthigten daher die meisten seiner Anhänger (83 Männer und 18 Frauen) in das benachbarte Aethiopien zu flüchten, schlossen ein Bündniß gegen ihn und hingen die Urkunde davon in der Kaaba auf. Dadurch sah sich Muhamed bewogen, Mekka zu verlassen. Aber sein Oheim Abu Taleb schützte ihn und Muhamed fand Mittel, das Bündniß der Koreischiten zu trennen. Er erklärte seinem Oheim, Gott habe einen Sturm geschickt, der jedes Wort jener Urkunde, den Namen »Gott« ausgenommen, durchlöchert habe. Wirklich wurde die Urkunde durchlöchert gefunden und die Koreischiten, heißt es, staunten dieses Ereigniß als ein Wunder an und hoben das Bündniß auf.

 

4.

Um dieselbe Zeit, im Jahre 619, starb sein Oheim Abu Taleb und seine Gattin Chadidscha; Beide hatten ihn geschützt. Jetzt nahm sich sein zweiter Oheim, Al-Abbas, der dem Abu-Taleb als Vorsteher der Kaaba folgte, seiner an; aber am meisten bauete Muhamed auf sich selbst. Da er sah, daß er unter seinen Stammesgenossen wenig ausrichten würde, so wendete er sich vorzüglich an die vielen Fremden, die des Handels oder der Wallfahrten wegen häufig nach Mekka kamen. Durch neue Offenbarungen, die er empfangen zu haben vorgab, wußte er Glauben zu gewinnen. Besonders merkwürdig ist eine Erzählung, die mit den prächtigen Bildern einer entzückten Einbildungskraft, die den Arabern von je her gefielen, reichlich ausgestattet ist.

Als Muhamed einst – so heißt es in der Erzählung – unweit Mekka unter freiem Himmel schlief, trat der Engel Gabriel in einem von Perlen und Goldfäden durchflochtenen Kleide zu ihm und reinigte sein Herz. Er nahm es nämlich aus Muhamed's Leibe, drückte den schwarzen Tropfen oder den Samen der Erbsünde aus demselben heraus und erfüllte es mit Weisheit und Gnade. Als er es an den gehörigen Ort zurückgebracht hatte, führte er einen wundersamen Grauschimmel herzu, Namens Al Borak, der die Schnelligkeit des Blitzes und die Gabe der Rede hatte. Der Prophet wollte ihn besteigen, aber das Wunderthier bäumte sich und war nicht eher fügsam, als bis ihm Muhamed die Aufnahme in das Paradies versprochen hatte. Kaum war dies geschehen, so trug es den Propheten unter Leitung des Engels in einem Nu zum Berge Sinai, von da nach Bethlehem, von Bethlehem nach Jerusalem. An allen diesen Orten verrichtete der Prophet sein Gebet; im Tempel zu Jerusalem gemeinschaftlich mit Abraham, Moses und Jesus. Von hier führte ihn der Engel (Al Borak blieb vor dem Tempel stehen) auf einer Leiter, deren Stufen von Gold, Silber, Perlen und anderen Kostbarkeiten waren, in alle sieben Himmel nach einander. Jeder dieser Himmel war von dem andern so weit entfernt, daß nach menschlicher Weise 500 Jahre nöthig gewesen wären, um von dem einen zu dem andern zu gelangen; Muhamed aber machte mit seinem Begleiter die Reise in einem Augenblicke. Die Herrlichkeiten, die er hier erblickte, lassen sich nicht malen; der Sprache fehlt es dazu an Worten, der Phantasie an Bildern. Alles war von Gold und Edelstein, voll von blendendem Licht, und in jedem Himmel begrüßten ihn Engel, Erzväter und Propheten der Vorzeit. Bis zum siebenten Himmel, wo schon die Stimme Gottes vernommen wurde, durfte Gabriel gehen, Muhamed aber gelangte über denselben hinaus bis in die Nähe des Thrones Gottes. Diesen Thron trug der Engel Asrafel, der so groß war als der ganze Raum vom Morgen bis zum Abend. Er hatte eine Million Häupter, jedes Haupt hatte eine Million Münder, jeder Mund eine Million Zungen, jede Zunge redete eine Million Sprachen, mit welchen er Tag und Nacht das Lob Gottes unaufhörlich pries. Der Thron Gottes wie jedes Thor der sieben Himmel hatte die Aufschrift: »Es ist kein Gott als Gott und Muhamed ist sein Prophet!«

Muhamed schwindelte, aber eine Stimme rief: »Tritt herzu und nähere dich dem herrlichen und allmächtigen Gott!« Er näherte sich und hielt eine lange Unterredung mit Gott. Unaussprechliche Süßigkeit und Wonne durchdrang sein Inneres; er empfing den vollkommensten Unterricht von dem Willen Gottes und die Verheißung, daß sein Name nie von dem Namen Gottes getrennt werden sollte. Die Anzahl der Gebete, welche jeder Araber täglich verrichten sollte, bestimmte Gott auf fünf. Als die Unterredung geendet war, kehrte Muhamed zurück. Gabriel führte ihn auf dem vorigen Wege und wieder nach Jerusalem zurück. Dort bestieg Muhamed abermals den Grauschimmel und langte noch in derselben Nacht in Mekka wieder an.

Diese kühne und ausschweifende Dichtung war wohl im Stande, auf die Sinnlichkeit eines phantasiereichen Volkes Eindruck zu machen; doch wurde sie anfangs verlacht und erst späterhin geglaubt. Abu-Bekr, der »getreue Zeuge,« empfahl sie mit der Bemerkung, daß Alles wahr sein müsse, was der Gesandte Gottes berichte.

 

5.

Aber noch wichtiger war es, daß sich die Einwohner von Jathreb (Medina), die seit langer Zeit mit den Koreischiten in Feindschaft lebten, für Muhamed erklärten. Feierlich gelobten sie ihm durch ihre Abgesandten, sie wollten ihn, wenn er verfolgt werden sollte, aufnehmen und aufs Aeußerste vertheidigen. Dagegen versprach er ihnen, sie niemals zu verlassen, und daß das Paradies ihr Lohn sein sollte, wenn sie in seinem Dienste umkommen würden. So gewann er treue und muthige Anhänger und eine Zufluchtsstätte, wenn seine Vaterstadt ihn ausstieß.

Wirklich traf das in Kurzem ein. Die Koreischiten, die sein wachsendes Ansehn bemerkten, verschworen sich auf's Neue gegen ihn; sein Tod ward beschlossen. Dies nöthigte ihn zur Flucht. In der Nacht des 16. Julius 622 machte sich der Prophet auf. Seine Anhänger hatte er vorausgeschickt; ein einziger, Abu-Bekr, begleitete ihn. Mit Mühe entkam Muhamed den Nachstellungen seiner Verfolger, und sechszehn Tage nach dem Anfange seiner Flucht gelangte er nach » Jathreb«, das von nun an » Medina el Nabi«, Stadt des Propheten, genannt wurde. Hier hatten die Einwohner für sein Leben gezittert; doppelt groß war nun das Frohlocken über seinen Einzug. Neue Zusicherungen der Treue und Ehrfurcht begrüßten ihn und eben die Flucht, die ihn ganz zu vernichten schien, führte ihn zur glänzendsten Periode seines Lebens. Billig setzte daher sein zweiter Nachfolger, der Kalif Omar, fest, daß von dieser Flucht (Hedschra) die Muhamedaner ihre Zeitrechnung beginnen sollten.

 

6.

Von nun an gab Muhamed seiner Lehre mehr Umfang und Bestimmtheit. Zu dem Hauptgrundsatz, den er gleich Anfangs aufgestellt hatte: »Es ist nur Ein Gott und Muhamed ist sein Prophet«, kamen genauere Erörterungen über die Ergebung in den göttlichen Willen (Islam), über das Waschen, Beten, Almosengeben, über das unvermeidliche Schicksal, dem kein Mensch entrinnen kann, über Belohnungen und Strafen jenseits des Grabes. Ein systematisch geordnetes Lehrgebäude stellte Muhamed nicht auf. Bei Gelegenheiten, wenn er irgend ein Gesicht oder eine göttliche Offenbarung gehabt hatte, ließ er solches auf einzelne Blätter schreiben und unter dem Namen »Koran« (Schrift) bekannt machen. Nach seinem Tode sammelte sein Nachfolger, der Kalif Abu-Bekr, die einzelnen Blätter zu einem Ganzen, das in 114 Suren oder Abschnitte getheilt und gleichfalls »Koran« genannt wurde.

 

7.

Vor der Flucht hatte Muhamed nur durch Unterricht seine Lehre auszubreiten gesucht und den Verfolgungen seiner Feinde Geduld entgegengesetzt; jetzt aber fing er an, das Schwert für seine Sendung zu ziehen. Aus dem begeisterten Prediger ward ein gewaltiger Heerführer, und Bekämpfung der Ungläubigen ward Glaubenspflicht. »Einen Tropfen Bluts,« rief er den Seinigen zu, »in Gottes Sache vergossen, eine Nacht in Waffen zugebracht, ist mehr werth, als zwei Monate Fasten und Beten. Wer im Treffen fällt, dessen Sünden sind vergeben. Am Tage des Gerichts werden seine Wunden glänzen wie Leuchtkäfer und riechen wie Moschus. Ihn empfangen die ewig schönen Gärten des Paradieses. Daselbst ruht er auf seidenen, mit Gold durchwirkten Kissen; Flüsse von Honig, Wein und Milch umgeben ihn; herrliche Speisen sind zu seinem Genusse bereitet. Zu ihm gesellen sich Jungfrauen (Houris) mit großen schwarzen Augen, schön wie Rubinen und Perlen, in blühender Jugend, von zarter Empfindsamkeit, die auch im Ehestande nicht aufhören, Jungfrauen zu sein. Nie vernimmt er schlechtes Geschwätz, nie einen Vorwurf wegen der Sünden, wohl aber süße Stimmen, welche ihm ewiges Heil zurufen.« – »Schrecklich sind dagegen die Strafen der Hölle, die Denen bevorstehen, welche nicht für den Islam streiten, oder ihn gottlos verlassen. In einem ewigen Feuer werden sie weder leben noch sterben können. Ist ihre Haut von dem höllischen Feuer durchbrannt, so wird sie eine neue Haut überziehen. Angeschlossen an eine 30 Ellen lange Kette werden sie stinkendes Aas essen und siedendes Wasser trinken müssen.« Durch solche Lehren befeuerte Muhamed den Muth seiner Anhänger. Mit furchtlosem Vertrauen rückten sie in's Treffen und ein glücklicher Sieg ward errungen.

 

8.

Anfangs schickte Muhamed seine noch kleinen Haufen nur zu Streifzügen gegen die Karawanen der Koreischiten aus. Bei dem Dorfe Bedr – noch beten daselbst wallfahrende Gläubige – erhielt er den ersten Sieg gegen eine dreimal stärkere Anzahl der Feinde. In dem zweiten Treffen gegen sie am Berge Ohod, nicht weit von Medina, wurde er verwundet und zurückgeschlagen. Aber er erhob sich über sein Unglück und erhielt die Seinigen im Glauben an seine Prophetenwürde. Die Koreischiten, die erst im folgenden Jahre Medina angriffen, wurden zurückgeworfen. Dies erneuete Glück erhöhte seinen Muth und vermehrte die Zahl seiner Anhänger. Nicht zufrieden, bloß die Koreischiten zu bekämpfen, griff er nun auch andere arabische Stämme und außerdem die in Arabien wohnenden Juden an. Ueberall war er glücklich und schrecklich. Er unterjochte seine Gegner und ließ die Gefangenen als Feinde seines Glaubens niederhauen. So gelangte er allmälig zu Macht und Reichthum; ein großer Theil Arabiens trat ihm bei und schon im Jahre 628 lud er den persischen König Kosroes, den oströmischen Kaiser Heraklius, dessen Statthalter in Aegypten, und den äthiopischen Fürsten Nagiaschi zur Annahme seines Glaubens ein. Der Erfolg dieses Schrittes war verschieden. Der persische König zerriß mit stolzer Verachtung den Einladungsbrief, aber sein Befehlshaber im Glücklichen Arabien trat dem Propheten bei; Kaiser Heraklius erwiederte die Einladung mit einem höflichen Antwortschreiben und ansehnlichen Geschenken; ebenso der ägyptische Statthalter; Nagiaschi aber trat feierlichst zum Islam über.

 

9.

Indeß fehlte dem Propheten noch Vieles, so lange er noch nicht Herr von Mekka und der dortigen Kaaba war. Erst durch diesen Besitz erschien seine Sendung über jeden Zweifel erhaben. Aber wie sollte er dazu gelangen? Eine freiwillige Uebergabe war nicht zu erwarten und gefährlich schien es, die Stadt mit Gewalt zu erobern; der Ruf der Heiligkeit ruhete auf ihr. Er näherte sich daher im Jahre 627 der Stadt Mekka auf eine friedliche Art und brachte einen Vergleich mit den Koreischiten zu Stande, kraft dessen ihm erlaubt wurde, im Jahre 628 die Kaaba zu besuchen und drei Tage daselbst zu verweilen. Während dieses Aufenthalts erbauete er das Volk durch Frömmigkeit und gewann selbst einige der angesehensten Koreischiten, unter Anderen den tapfern Chaled, der ihn bei Ohod geschlagen hatte und der nun im Dienste des Propheten das Schwert Gottes genannt wurde. Hierauf rückte er im Jahre 629 unter dem Vorwande, daß die Koreischiten den Vertrag gebrochen hätten, mit einem Heere von 10,000 Mann gegen Mekka. Aber auch jetzt wollte er nicht das Ansehen eines Eroberers der heiligen Stadt haben. Er suchte daher Mekka durch Unterhandlungen zu gewinnen, aber vergebens. Nun ließ er die Zugänge der Stadt besetzen; doch verbot er alles Blutvergießen. Plötzlich griff ein Haufen Koreischiten den tapfern Chaled an; aber dieser schlug sie zurück und drang mit den Flüchtlingen zugleich in Mekka ein. Die wichtige Stadt fiel in die Hände des Propheten.

Jetzt hatte Muhamed die glänzendste Epoche seines Lebens erreicht. Triumphirend zog er in Mekka ein, rothgekleidet, auf seinem liebsten Kameele sitzend, mit dem Scepter in der Hand und von einem glänzenden Gefolge umgeben. Die Stadt empfing ihn als Propheten und Herrn und er behandelte sie nicht als feindseliger Sieger, sondern als großmüthiger Beschützer. Er erklärte Mekka als unverletzliche Freistatt und verzieh den Koreischiten, die bisher seine unversöhnlichen Feinde gewesen waren; bloß zehn Personen, nämlich sechs Männer und vier Frauen, waren von dieser Verzeihung ausgenommen. Aber auch von diesen ließ er nur vier, die sich durch ihre Laster verhaßt gemacht hatten, hinrichten. Das Vorsteheramt über die Kaaba übertrug er dem Koreischiten Othman, der vor Kurzem zu ihm übergetreten war. Er selbst zog unter dem wiederholten Ausruf: »Gott ist groß!« siebenmal um die Kaaba herum und dann in dieselbe hinein. Mit Unwillen erblickte er hier Götzenbilder; er ließ sie allesammt hinauswerfen und zerschlagen.

 

10.

Kaum war Mekka in seinen Händen, so schickte er seine Feldherren aus, um die benachbarten Stämme zu bekehren. Er selbst zog nach 50 Tagen denselben nach. Seine Märsche waren Siege. Ehrfurcht und Schrecken ging vor ihm her und selbst da, wo seine Schaaren zurückgeschlagen wurden, wußte er doch durch Klugheit und Tapferkeit sich aus Verlegenheiten zu retten. Auch seine Freigebigkeit vermehrte und befestigte die Zahl seiner Anhänger. Fast alle Stämme Arabiens erkannten ihn theils freiwillig, theils gezwungen als den Oberherrn Arabiens an.

Auch nach Syrien unternahm der Prophet einen Kriegszug mit einem Heere von 30,000 Mann gegen den oströmischen Kaiser Heraklius. Unter großen Bedrängnissen einer fast unerträglichen Hitze kam er bis Tabuc, zehn Tagereisen weit von Damaskus. Aber weiter wagte er nicht vorzudringen: es war ihm genug, den Seinigen den Weg zu weiteren Eroberungen gezeigt zu haben und sie zum rastlosen Kampf gegen die Ungläubigen anzuspornen. »Streitet,« rief er ihnen nach seiner Rückkehr von diesem Feldzuge zu, »streitet wider die, die weder an Gott, noch an den Tag des Gerichts glauben. Auch wider Juden und Christen streitet so lange, bis sie sich bequemen, Tribut zu zahlen und sich zu unterwerfen.«

 

11.

Noch einmal von Medina aus unternahm Muhamed eine glänzende Wallfahrt über Mekka, welche die Ehrfurcht für seine Person erhöhen und allen übrigen Wallfahrten für die Zukunft zum Muster dienen sollte. Durch ganz Arabien wurde diese Wallfahrt mit größter Feierlichkeit ausgerufen; mehr als 100,000 Gläubige begleiteten ihn. Vor seiner Abreise von Medina salbte er sich, während der Reise sprach er unzählige Gebete und in Mekka zog er eben so festlich ein wie damals, als er sich dieser Stadt bemächtigt hatte. Die Kaaba begrüßte er mit tiefer Ehrfurcht, oft und laut erklärte er seinen Glauben an Gott und hielt auch viele Reden an das Volk, worin er allen seinen Bekennern die Wallfahrt nach Mekka zur heiligen Pflicht machte.

 

12.

Dieß war das letzte Unternehmen des Propheten. Bald nach seiner Rückkehr nach Medina fiel er in eine Krankheit, die seinem Leben ein Ende machte. Den Grund dazu soll eine Vergiftung gegeben haben, deren Wirkung erst nach mehreren Jahren sich zeigte.

Die empfindlichsten Schmerzen quälten ihn, er ertrug sie aber mit großer Standhaftigkeit. In ruhigeren Zwischenräumen ließ er sich in die Moschee führen und erbauete das versammelte Volk durch Demuth und Buße. »Ist einer unter euch,« sprach er, »den ich mit Härte gestraft, so laßt mich eben die Streiche fühlen; habe ich Jemandes guten Namen beleidigt, so thut meinem Namen ein Gleiches; habe ich von Jemand ungerechter Weise Geld genommen, so bin ich bereit, es wieder zu erstatten.« Mit diesen Worten verließ er den Lehrstuhl und betete. Nach geendigtem Gebet wiederholte er die vorige Aufforderung. Da rief ein Unbekannter: »Ich habe drei Drachmen zu fordern.« Der Prophet bezahlte die Forderung und dankte seinem Gläubiger, daß er ihn lieber in dieser als in der zukünftigen Welt angeklagt habe. Weiterhin äußerte er: »Gott habe ihm die Wahl zwischen dieser und der zukünftigen Welt gelassen; er aber habe die zukünftige vorgezogen.« Mit Schmerz hörten dieß die Gläubigen. Hierauf ertheilte er ihnen noch folgende Vorschriften, die genau befolgt wurden: »Sie sollten Arabien von allem Götzendienst frei erhalten, nie einen Proselyten (zum Islam freiwillig Uebergetretenen) gering achten und sich ohne Unterlaß mit Beten beschäftigen.«

Muhamed hinterließ keine männlichen Nachkommen; vier Söhne, die ihm Chadidscha, und noch einer, den ihm Maria, eine von seinen elf Frauen, geboren hatte, waren frühzeitig gestorben. Ueber seinen Nachfolger bestimmte er nichts und unter seinen drei Feldherren Abu-Bekr, Omar und Ali war die Wahl schwer. Indessen gab er doch, indem er seinen getreuen Abu-Bekr häufig zu seinem Stellvertreter ernannte, nicht undeutlich zu verstehen, daß er diesen zum Nachfolger zu haben wünschte.

 

13.

Bis zum dritten Tage vor seinem Tode ließ er sich in die Moschee bringen und sprach daselbst, wiewohl mit schwacher Stimme, einige Gebete. In einem Anfalle von Fieberhitze forderte er Feder und Tinte, um den Hauptinhalt seiner Offenbarungen aufzuschreiben. Seinen Vertrauten erschien aber dieß als eine Herabwürdigung des Koran, der ja bereits alle Lehren Muhamed's enthielt. Sie stritten sich, ob man ihm das Geforderte reichen sollte. Darüber unwillig, hieß er sie weggehen, mit der Aeußerung, es schicke sich nicht, in der Gegenwart des Propheten zu hadern.

Als sein Todeskampf eintrat, rief er: »Ja, ich komme mit den himmlischen Gefährten!« Er lag auf einem Teppich, sein Haupt ruhete auf den Knieen seiner geliebten Ayescha, und so entschlief er den 17. Juni 632, im 63sten Jahre seines Alters.

Bestürzung ergriff das Volk bei der Nachricht von seinem Hinscheiden. Anfangs wollte man gar nicht daran glauben. »Bei Gott,« hieß es, »er ist nicht todt: er ist, wie Moses und Jesus, in eine heilige Entzückung versunken und bald wird er wieder zu seinem treuen Volke zurückkehren.« Selbst Omar drohete, die zu tödten, welche sagen würden, der Prophet sei nicht mehr. Endlich gelang es dem verständigen Abu-Bekr, diesem Streite ein Ende zu machen. Er sprach zu Omar und der Versammlung: »Ist es Muhamed oder der Gott Muhamed's, den ihr anbetet?« Sie sprachen: »Der Gott Muhamed's!« – »Dieser Gott,« fuhr Abu-Bekr fort, »lebt ewig, aber Muhamed selbst war dem Tode unterworfen, wie wir, und ist nun zu den Ewigen hinübergegangen, wie er euch vorher verkündigt hatte.«

Ein neuer Streit erhob sich über die Begräbnißstätte. Auch diesen Streit schlichtete Abu-Bekr. Er gab vor, Muhamed habe oft geäußert, ein Prophet müsse begraben werden, wo er sterbe. Demnach wurde ein Grab unter dem Boden der Wohnung der Ayescha ausgemauert und die Leiche des Propheten von seinen nächsten Anverwandten beigesetzt. Noch jetzt wird dieses Grab von frommen Pilgern besucht.

 

Der Islam.

Muhamed's Religion, der Islam genannt, ist auf uralte Sagen und Gewohnheiten der Araber und auf Ueberlieferungen des Juden- und Christenthums gebaut. Ihrem wesentlichen Inhalte nach ist sie sehr einfach, aber vielfältig sind die Ceremonien, die sie vorschreibt. Ihr Hauptgrundsatz ist: »Es giebt nur Einen Gott und Muhamed ist sein Prophet.« Die Hauptpflicht, die sie vorschreibt, ist die völlige Ergebung an Gott, der unwiderruflich jedes Menschen Schicksal bestimmt hat. Ihm soll jeder Gläubige (Moslem) Ehrfurcht, Gehorsam und Vertrauen beweisen. Von dieser Hauptpflicht sind als gute Werke unzertrennlich das Waschen, Beten, Fasten, Almosengeben und die Wallfahrt nach Mekka.

Das Waschen der Hände, des Gesichts und des Leibes, eine alte Gewohnheit der Araber, wozu selbst ihr Klima auffordert, ward als Schlüssel zum Gebet empfohlen. Wo es an Wasser mangelt, was in Arabiens Wüsten meistentheils der Fall ist, darf sich der Gläubige mit Sand waschen. Das Gebet soll jeder Gläubige täglich fünf Mal verrichten, mit dem Gesicht nach der Kaaba hingewendet. Diese Richtung des Betenden wird Kebla genannt. – Das Fasten soll alljährlich während des Monats Ramadan dreißig Tage lang beobachtet werden, als ein Mittel, die Seele zu reinigen und den Körper zu bezähmen, als Uebung des Gehorsams gegen Gott und den Propheten. Während desselben sollen sich die Gläubigen vom Aufgang bis zum Untergang der Sonne des Essens, des Trinkens, der Bäder und alles Vergnügens der Sinne enthalten. Die Größe des Almosens, das den Zutritt zu Gott eröffnet, ist genau bestimmt; jeder Gläubige soll den zehnten Theil seiner Einnahme dazu verwenden, und klagt ihn sein Gewissen des Betrugs und der Erpressungen an, so soll dies Zehntel zum Fünftel erhöhet werden. Die Wallfahrt nach Mekka soll jeder Gläubige wenigstens einmal in seinem Leben unternehmen; ist ihm dieß unmöglich, so soll er am zehnten Tage des letzten Monats im Jahre, an welchem das große Opfer in Mekka geschieht, zu Hause fasten und Almosen geben. Erlaubt ist die Vielweiberei, verboten das Spielen und Weintrinken. Zum Unterschiede der Juden und Christen ist der Freitag jeder Woche zur öffentlichen Andacht und zur Unterweisung der Religion bestimmt. Die Gläubigen müssen an diesem Tage von ihren Geschäften ablassen und sich zur Andachtsübung in der Moschee versammeln. Zusammenberufen werden sie durch das Ausrufen der Worte: »Gott ist groß! Ich bezeuge, daß kein Gott ist, als der einzige! Ich bezeuge, daß Muhamed der Gesandte Gottes ist!« Von den Minarets, den spitzen Thürmen, erschallt dieser Ruf an Stelle unserer Glocken.

Der Islam geht aber noch mit seinen Lehren auf das zukünftige Leben ein; er verkündigt die Auferstehung und einen Gerichtstag Gottes, der über fünfzigtausend Jahre währen wird. Jeder wird dann empfangen, was er hier im Leben verdient oder verschuldet hat. Die Frommen werden in das Paradies eingeführt, wo sie in die Gesellschaft der Houris gelangen; die Gottlosen müssen die Qualen der Hölle erdulden.

Wahr ist es, diese Religion erscheint als eine Dienerin der Sinnlichkeit, als eine Beschränkung der Geistesfreiheit, als eine Befördererin des Aberglaubens; denn sie weist auf grobsinnliche Freuden hin, sie verbietet alle Untersuchungen über den Koran, sie lehrt, daß ein einziger Blick auf die Kaaba mehr nütze, als ein ganzes Jahr Buße. Aber nicht zu verkennen ist es auch, daß sie viel Gutes gewirkt hat. Sie hat die entzweiten Stämme der Araber zu einerlei Glauben und Gehorsam vereinigt; sie hat die heidnischen Völker, die sich zu ihr bekannten, von dem rohen Götzendienst zur Anbetung Eines Gottes geführt; sie hat Ehrfurcht, Gehorsam und Vertrauen zum Schöpfer, Regierer und Richter der Welt bereitet und viele Tugenden empfohlen, die das Leben schmücken und heiligen. Mit Recht kann sie also, bei allen Mängeln, die ihr ankleben, als eine für rohe Völker wohlthätige Erscheinung angesehen werden.

 

Die Kalifen.

Diejenigen, welche nach Muhamed über das Reich der Araber herrschten, führten den Namen Kalifen, d. i. Nachfolger, oder Emirs al Mummenin, d. i. Fürsten der Gläubigen. Keine Gesetze beengten ihren Willen, nur der Koran sollte ihre Richtschnur, sie selbst aber sollten die Ausleger des Koran sein. Sie waren Fürsten und Priester zugleich; in den Krieg gingen sie nicht, sondern übertrugen die Führung desselben ihren Feldherren. Sie hielten es für ihre wichtigste Herrscherpflicht, in den Moscheen ihrer Residenzen Gebete und Anreden an das Volk zu halten, daselbst Fluch und Segen auszusprechen und ihren Feldherren die Befehle zu ertheilen. Anfangs lebten sie in achtungswerther Einfalt in Medina, dann in Pracht und Ueppigkeit zu Damaskus, welche Stadt damals das irdische Paradies genannt wurde, und zuletzt in dem neuerbauten volkreichen Bagdad, wo sie die Künste und Wissenschaften übten und verbreiteten.

 

1. Abu-Bekr.

Abu-Bekr, gepriesen wegen seiner Rechtschaffenheit, Frömmigkeit und Gerechtigkeitsliebe, befestigte zuerst die Ruhe im Innern von Arabien und begann auf dem von Muhamed bezeichneten Wege auswärtige Eroberungen. Er schickte Heere aus gegen Persien und Syrien und sie waren auf beiden Seiten glücklich; Damaskus ward erobert (634).

Als er seinen Feldherrn Jezid gegen Syrien aussandte, gab er ihm folgende Verhaltungsregeln: »Denke daran, daß du stets in Gottes Gegenwart bist. Begegne deinen Soldaten mit Güte, ziehe deine Brüder zu Rathe und thue, was recht und billig ist. – Wenn du dem Feinde begegnest, so halte dich männlich und kehre ihm nicht den Rücken zu. Wenn du einen Sieg gewonnen, so verschone die Greise, die Weiber und die Kinder. Haue keinen Palmbaum nieder und stecke keine Kornfelder an. Verderbe keine Fruchtbäume und tödte nicht mehr Vieh, als zum Gebrauche des Heeres hinreichend ist. Laß dein gegebenes Wort heilig sein. Verschone gottesdienstliche Personen, die du an heiligen Orten findest; diese Letzteren verschone ebenfalls. Du wirst aber auch auf Leute treffen, die zur Schule des Satans gehören und eine geschorene Platte tragen« (er meinte hiermit wahrscheinlich die griechischen Mönche, die damals anfingen, ihr Haupt zu scheren und fern von den Klöstern herumzuziehen), »diesen sollst du den Hirnschädel spalten und sie niederhauen, bis sie den Islam annehmen und Tribut entrichten.«

 

2. Omar.

Nach Abu-Bekr's Tode wurde der zweite Schwiegervater des Propheten, Omar, dessen Nachfolger. Unter ihm machten die Araber, voll von Begeisterung und Religionsschwärmerei, die staunenswerthesten Eroberungen. Sie bezwangen einen großen Theil von Persien und Armenien, ferner Palästina sammt Jerusalem, die Städte Phöniciens, namentlich Tripolis und Tyrus, wodurch sie eine ansehnliche Seemacht erhielten, und vollendeten mit der Einnahme Antiochiens die Eroberung von ganz Syrien.

Der Patriarch von Jerusalem wollte seine Stadt unter keiner andern Bedingung den Arabern übergeben, als wenn der Kalif selbst herbeikäme und den Vergleich bestätigte. Ali's Rath und sein eigener Wunsch, in der Stadt, wo Muhamed gen Himmel gefahren sei, seine Andacht zu verrichten, bewogen den Kalifen, in dieses Verlangen zu willigen. Eine große Schaar von Gläubigen aus Medina zog mit ihm nach Palästina; es war ein stattlicher Zug, doch Omar beobachtete stets die größte Einfachheit. Bekleidet mit einem schlechten Gewand aus Kameelshaaren, ritt er sein rothes Kameel und führte nichts mit sich als zwei lederne Beutel, den einen mit Datteln, den andern mit Reis angefüllt, eine hölzerne Schüssel und einen Schlauch mit Wasser. Wo er anhielt, ließ er die ganze Gesellschaft der Reisenden speisen und heiligte die Mahlzeit durch Gebete und Ermahnungen. Im Lager vor Jerusalem, wo er in einem gemeinen Zelte auf der Erde saß, versicherte er den beängstigten Einwohnern Sicherheit des Lebens und Eigenthums, und Jerusalem hatte Ursache, seine Wahrhaftigkeit und Leutseligkeit zu rühmen.

Als Amru, Omar's Feldherr, die ägyptische Hauptstadt Alexandrien erobert hatte, fand er daselbst auch eine ausgezeichnet reiche Bibliothek, die große Schätze der wissenschaftlichen Werke des Alterthums enthielt. Er wollte erst bei dem Kalifen anfragen, was er mit den Büchern beginnen sollte, und erhielt von Omar folgenden Bescheid: »Was in den Büchern, deren du Erwähnung thust, geschrieben steht, ist entweder schon im Buche Gottes (Koran) enthalten, und dann sind jene Bücher überflüssig, oder es ist demselben zuwider, und dann sind jene Bücher schädlich. Befiehl also, daß sie vernichtet werden.« Dieser berüchtigte Vernunftbeschluß wurde mit blindem Gehorsam vollzogen. Amru ließ die Bücher der alexandrinischen Bibliothek unter die warmen Bäder der Stadt vertheilen, deren es damals in Alexandrien 4000 gab, und sechs Monate lang wurde mit dem köstlichen Nachlaß des Alterthums geheizt.

Omar ward um seiner Frömmigkeit willen von seinen Unterthanen wie ein Vater geliebt; gleichwohl wurde er, während er in der Moschee zu Medina betete, von einem Sklaven, dem er eine Bitte abgeschlagen hatte, tödtlich verwundet. Drei Tage darauf starb er, 63 Jahre alt, im elften Jahre seiner Regierung.

 

3. Othman.

Ihm folgte durch Wahl Othman, ein Schwiegersohn Muhamed's; eben so glücklich als seine Vorgänger, aber nicht so unbescholten. Die großen Eroberungen, die unter Omar gemacht waren, wurden unter ihm noch fortgesetzt. In Aegypten behauptete Amru, in Syrien Moawijah die Herrschaft, von wo aus auch noch die Inseln Cypern und Rhodus erobert wurden. Dem persischen Reiche ward völlig ein Ende gemacht. Othman selbst aber kam nie aus Arabien und machte sich durch Geiz und Parteilichkeit verhaßt. Eine Verschwörung entstand gegen ihn und er ward, 82 Jahre alt, im Aufruhr ermordet.

 

4. Ali.

Nun erst, da kein näherer Verwandter Muhamed's übrig war, ernannte man den frommen Ali zum Kalifen. Allein mit seiner Regierung fingen die innern Unruhen an, die von nun an bald mehr bald weniger an der Wurzel des arabischen Staates nagten. Ayescha, die »Mutter der Gläubigen«, Ali's unversöhnliche Feindin, hatte seine Ernennung zum Kalifen nicht hindern können, desto eifriger suchte sie ihn zu stürzen. Wirklich brachte sie das ganze Reich in Aufruhr, unterstützte den Moawijah, Statthalter von Syrien, der sich von seinen Truppen zum Kalifen ausrufen ließ, und zog selbst gegen Ali zu Felde. Doch hier war ihr der Mann überlegen. Sie ward geschlagen und gefangen, aber als Mutter der Gläubigen vom frommen Ali mit Schonung behandelt. Dagegen erhob sich Moawijah in Verbindung mit Amru, dem Statthalter Aegyptens; die Prophetenstädte Mekka und Medina fielen in seine Hände, nur Kufa blieb dem Ali treu. Doch konnte er seinen Feinden nicht entrinnen. Er wurde durch dieselbe Partei, die den Othman ermordet hatte, im fünften Jahre seiner Regierung (660) zu Kufa erstochen. In ihm starb ein edler Mann, dessen hoher Geist noch aus seinen Sittensprüchen zu uns redet Einige derselben mögen hier stehen: »Fürchte Gott, so bist du sicher.« – »Zufriedenheit mit dem göttlichen Willen ist Heiligung des Herzens.« – »Die Enthaltung der Seele von der Lustbegier ist der wichtigste heilige Krieg.« – »Ehre deinen Vater, so wird dein Sohn dich ehren.« – »Die Welt ist der Schatten einer Wolke und der Traum des Schlafenden.« – »Der Gläubige hat Gott beständig vor Augen und ist voller Gedanken. Er ist dankbar im Glück und geduldig im Unglück.« – »Das ist ein weiser Mann, der sich in seinem Zorn, seinem Verlangen, seiner Furcht regieren kann.« – »Der Werth eines jeden Menschen ist das Gute, so er thut!« – »Die Zunge eines weisen Mannes liegt hinter seinem Herzen, aber das Herz eines Narren liegt hinter seiner Zunge.« – »Wissenschaft ist der Reichen Zier und der Armen Reichthum.« – »Der ist der größte Narr unter Allen, der nichts Löbliches thut und doch gelobt und geehrt sein will, der Böses thut und doch die Belohnung des Guten erwartet.« – »Wer sich selbst kennt, der kennt Gott den Herrn.« – »Ein weiser Feind ist besser als ein thörichter Freund.«.

Diese Unterdrückung des Hauses Ali erzeugte große Spaltungen unter den Muhamedanern. Viele derselben glaubten, nur dem Ali habe die Herrschaft gebührt, und Abu-Bekr, Omar und Othman, so wie alle ihre Nachfolger, wären unrechtmäßige Regenten gewesen. Sie verehrten daher den frommen Ali als einen Märtyrer und Heiligen. Diese Anhänger des Hauses Ali, die sich besonders in Persien ausbreiteten, bekamen den Namen »Schiiten« oder Sektirer. Ihnen standen die Sunniten entgegen, welche der Sunna oder Tradition (Ueberlieferung) ein gleiches Ansehen beilegten wie dem Koran und die Ali's Andenken in ihren Moscheen verfluchten. Keine Zeit hat diese Parteien und ihren gegenseitigen Haß unterdrückt. Noch jetzt nähren die Perser als Schiiten einen unversöhnlichen Haß gegen die Türken und gegen Alle, welche die drei ersten Kalifen für rechtmäßig halten.

 

5. Harun al Raschid.

Von den Kalifen, die in Bagdad ihre Residenz hatten, ist Harun al Raschid der berühmteste geworden; er ist der Held des arabischen Märchens und seine Regierung wird als das goldene Zeitalter des arabischen Reichs gepriesen. Er durchzog mit seinen Truppen Kleinasien und zwang den griechischen Kaiser zum Tribut. Um die Oströmer ganz zu unterjochen, faßte er den kühnen Gedanken, sich mit Karl dem Großen, dem Haupte des weströmischen Kaiserthums, zu verbinden. Er schickte daher an diesen mächtigen Herrscher Gesandte, die unter andern Geschenken auch eine kostbare Schlaguhr, die erste, die man bis dahin in Europa hatte, mitbrachten. Das Bündniß kam freilich nicht zu Stande; vielmehr griff Karl die Araber in Spanien an; aber immer zeigt ein solcher Antrag die große Staatsklugheit des Kalifen.

Den vorzüglichsten Ruhm erwarb sich Harun al Raschid durch seine Liebe zu den Künsten und Wissenschaften; aber er belebte auch die Schifffahrt und den Handel der Araber, gründete eben so wohl Fabriken als Schulen und legte viele prächtige Paläste, Gärten und Wasserleitungen an. Der Hof des Kalifen war ein Sammelplatz von Gelehrten mancherlei Art; er selbst nahm noch Unterricht in der Beredtsamkeit, denn er bedurfte derselben zu den öffentlichen Vorträgen über den Koran, die er als Kalif halten mußte. Zum Lehrer seiner Söhne ernannte er den eben so gelehrten als freimüthigen Malek. Allein dieser war bereits mit Unterweisung der jungen Araber in der Moschee vollauf beschäftigt und sagte, er habe nicht Zeit, in den Palast des Kalifen zu kommen; Harun al Raschid möchte ihm nur seine Söhne in die Moschee schicken. Freimüthig sprach er: »Es ist besser, daß die Herren der Wissenschaft dienen, als daß die Wissenschaft den Herren dient.« Der Kalif, weit entfernt, durch diese Antwort beleidigt zu werden, befahl seinen Söhnen, in die Moschee zu gehen und dort mit den Arabern niedern Standes den Unterricht des weisen Malek zu empfangen.

Die guten Ermahnungen, die der erste Kalif Abu-Bekr seinen gegen Syrien ausziehenden Heeren gegeben hatte, »Saatfelder und Fruchtbäume zu schonen und nicht mehr Vieh zu tödten, als zur Unterhaltung der Armee durchaus nothwendig sei,« wurden nicht immer von den Arabern befolgt. Auch zu Harun's Zeit war dieß der Fall. Einst trat eine Frau niederen Standes zu ihm und beschwerte sich, daß die Soldaten ihren Feldern großen Schaden zugefügt hätten. Der Kalif, der auf die Klagen aller seiner Unterthanen hörte, suchte die Frau zu beruhigen und fragte sie, ob sie sich nicht der Stelle im Koran erinnerte, wo gesagt wird: »Wenn die Heere großer Fürsten ausziehen, müssen die Unterthanen leiden, durch deren Felder sie gehen?« – »Ja, Herr«, erwiederte die bedrängte Frau, »aber wiederum steht auch im Koran geschrieben, die Wohnung derjenigen Fürsten soll wüste werden, welche Ungerechtigkeiten gut heißen.« Diese treffende Antwort rührte den Kalifen. Auf der Stelle befahl er, daß man der Klägerin allen erlittenen Verlust ersetzen sollte.

 

6. Glanz des Kalifenthums.

Bagdad, vom Kalifen Al Mansur erbaut, wurde unter Harun al Raschid so glänzend und prächtig, daß die arabischen Märchen noch lange davon zu erzählen wußten. Es hatte 10,000 Moscheen und eben so viele öffentliche Bäder, 105 Brücken, 600 Kanäle, 400 Wassermühlen, 4000 Trinkanstalten und eben so viel Brodbuden, 100,000 Gärten, prächtige Paläste und Springbrunnen. Das Schloß des Kalifen hatte 7 Höfe und 10,000 Mameluken bildeten die Dienerschaft des Herrschers. Am glänzendsten entfaltete sich die arabische Baukunst mit ihren schlanken Thürmen, runden Kuppeln und prachtvollen Thoren in dem sogenannten Rundbogenstyl. Ein schönes Gebäude war die Moschee in Kordova, die war 350 Fuß tief und 450 Fuß breit und bestand aus 19 Schiffen, welche durch 150 Säulen und Bogen getrennt wurden. Die 19 ehernen Thore waren mit Goldblech überzogen, der Boden der Kapelle von Gold und Silber und das Ganze durch zahllose prachtvolle Lampen erhellt. Das Königsschloß Alhambra in Granada zeigt noch in seinen Ruinen den ehemaligen Glanz und Reichthum seiner Bauart. Die Höfe hatten kühle Springbrunnen, Balkone öffneten herrliche Aussichten auf die Schneegipfel des nahen Gebirges, die Wände der Säle waren wie bunte Teppiche mit schönen Steinen gemauert und schlanke Säulen trugen schattige Hallen. In den Gärten dufteten Rosenhecken und in den Kronen der Palmen fächelte der laue Wind. Aehnliche Pracht war in Aegypten, in Persien bis zum Thal des Ganges zu finden, wo Delhi noch voll Trümmer arabischer Bauwerke ist.

Auch in den Wissenschaften zeichneten sich die Araber aus. Sie lernten Griechisch, übersetzten die Werke griechischer Aerzte, Sternkundiger und anderer Gelehrten in ihre Sprache, legten Schulen an, Sternwarten und Laboratorien zu chemischen Versuchen, und mancher deutsche Geistliche wanderte nach Spanien, um dort zu lernen. Die Araber haben die ersten Apotheken und Hospitäler gehabt, aber auch den Aberglauben aufgebracht, daß man mit einem Spruch aus dem Koran die fallende Sucht zu heilen vermöge, oder daß man aus der Stellung der Gestirne sein künftiges Schicksal errathen könne (Astrologie). Manche Wörter aus ihrer Sprache sind in die Sprachen Europa's übergegangen, wie z. B. Algebra, das Rechnen ohne Ziffern mit allgemeinen (Buchstaben-) Zeichen, Alkali, Laugensalz, denn die Araber gewannen unser Laugensalz (Pottasche) aus einer Pflanze, welche sie Kali nannten; Zenith und Nadir (Scheitel- und Fußpunkt) und viele andere. So hat der Islam auch wieder bildend und befruchtend auf die christlich-europäische Bildung zurückgewirkt, einem Strome gleich, der anfangs Alles zu überschwemmen drohte, dann aber verlief und einen düngenden Schlamm zurückließ, aus welchem neue Ernten hervorwuchsen.


 << zurück weiter >>