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II. Hermann, der Cherusker, und Civilis, der Bataver.

 

1. Hermann Die Geschichte des deutschen Volkes von E. Duller. der Retter (9 n. Chr.) der deutschen Freiheit.

 

1.

Unter der Regierung des Kaisers Augustus suchten die Römer auch ihre Herrschaft über Niederdeutschland zu verbreiten. Ein glücklicher Erfolg begleitete den Anfang dieser Unternehmung. Die Deutschen, zwar muthig, kriegslustig und freiheitsliebend, aber in mehrere Völkerschaften getheilt, unter sich uneins und der Kriegskunst unkundig, setzten keinen vereinigten und geordneten Widerstand entgegen. Von dem Rhein bis zur Elbe hin drangen die Römer vor und schon schien es, daß ganz Niederdeutschland ihrer Uebermacht auf immer unterliegen würde. Aber Alles, was sie durch 25jährige Anstrengung errungen hatten, raubte ihnen ein einziger Schlag durch die Klugheit und Tapferkeit eines deutschen Helden, dessen Name noch jetzt vom deutschen Volke mit dankbarer Liebe gefeiert wird.

Arminius oder Hermann – so hieß der edle deutsche Held – war der Sohn des Segimer (Sigmar), eines Anführers der Cherusker, die vom Harz bis zur Elbe hin wohnten. In früher Jugend kam er mit seinem Bruder als Söldner nach Rom; denn die Cherusker standen damals in gutem Vernehmen mit den Römern und diese zogen gern Deutsche in ihre Kriegsdienste, um Deutsche durch Deutsche zu unterdrücken. Einige Jahre blieb Arminius in Rom. Sein lebhafter, hervorstrebender Geist fand daselbst Nahrung; er lernte römische Sprache, römische Kriegskunst und römische Schlauheit und machte sich bald so beliebt, daß ihm Augustus das römische Bürgerrecht und die römische Ritterwürde ertheilte. Als aber sein Vater Segimer gestorben war, kehrte er, mit Erlaubniß der Römer, in seine Heimath zurück. Vielleicht glaubte man zu Rom, daß der Jüngling, den man zu Ehren und Würden erhoben hatte, mit Liebe für Rom erfüllt sei und daß er seine Landsleute zu gleichen Gesinnungen führen würde; aber man irrte sich. Sowie Moses einst, als er am Hofe der Aegypter erzogen wurde, in aller Weisheit derselben zunahm und doch voll heißer Liebe für sein armes, unterdrücktes Volk erglühete: so war auch Hermann nur seiner Bildung, nicht seiner Gesinnung nach ein Römer geworden. Sein Herz war und blieb seinem Vaterlande mit heißer Liebe zugethan.

Er sah, als er in die Heimath zurückkehrte, die nahe Unterjochung seines Vaterlandes vor Augen. Immer weiter hatten sich die Römer mit List und Gewalt ausgebreitet; immer zahlreicher wurden ihre Schanzen und Besatzungen auf deutschem Boden; immer mehr wurden deutsche Sitten verdrängt. Um allmälig und unvermerkt das Joch der Knechtschaft über den Nacken der Deutschen zu werfen, entzog man ihnen durch Aushebung ihre junge Mannschaft, gewöhnte man sie an fremde Bedürfnisse und römische Lebensweise und schickte ihnen römische Advokaten zu, die nach römischem Recht die Streitigkeiten schlichten sollten. Besonders hart wurden die Deutschen von Quintilius Varus gedrückt, der jetzt Statthalter war diesseits und jenseits des Rheins. Die Deutschen haßten ihn; denn dieser Römer nahm ihnen nicht bloß ihr Hab und Gut, sondern suchte ihnen auch das alte gute Recht aus der Hand zu winden und die Sprache ihrer Väter zu verdrängen, damit sie auch dann, wenn sie redeten, immer daran denken sollten, daß sie Knechte seien des römischen Kaisers.

Hermann ergrimmte in seinem Herzen, als er die Schmach seines Vaterlandes sah, und er beschloß die deutsche Freiheit zu retten. Aber das Unternehmen war schwierig und für einen gemeinen Kopf ganz unausführbar. Die Römer standen da mit einer großen Kriegsmacht, die sich an das rauhe Klima von Deutschland gewöhnt hatte. Die Deutschen waren getheilt, schwer zu vereinigen und noch schwerer zusammenzuhalten. Im offenen Felde konnten sie es nicht mit den kriegserfahrenen Römern aufnehmen; nur in sumpfigen, waldigen Gegenden, die sie genau kannten, ließ sich Vortheil für sie erwarten. Das bedachte Hermann und entwarf danach seinen Plan.

 

2.

Ein Bruder Hermanns, Flavius mit Namen, war ganz und gar römisch geworden. Nach dessen Sinnesart beurtheilte nun auch Varus den Hermann, welcher eben so freundlich als Flavius gegen den römischen Feldherrn that und oft von Varus zu Tische geladen ward. Hermann ließ ihn beim Glauben, bis das Werk der Befreiung, das er heimlich im Herzen trug, zur Reife gediehen sei. Denn heimlich hatte er die Besten seines Stammes zusammenberufen und mit ihnen in stiller Waldeinsamkeit Rath gepflogen. Alle erkannten, daß für die Deutschen nur darin Heil sei, wenn sie alle Römer, die im Lande saßen, wie böse Raubthiere auf einem einzigen Treibjagen erschlügen. Dazu lud er nun die benachbarten Brukterer und die Marsen und noch andere Gaue ein und alle schlossen mit den Cheruskern eine Eidgenossenschaft aus Leben und Tod. Vorerst wollten sie aber die Römer durch erheuchelte Demuth recht sicher machen und wenn sich Römer bei ihnen zeigten, thaten sie nicht den geringsten Widerstand.

Indessen hatte Hermann eine Jungfrau gesehen, die hieß Thusnelda. Keine andere im ganzen Cheruskerlande kam ihr gleich an Schönheit des Leibes und der Seele und mit bitterem Schmerz sah auch sie die Erniedrigung ihres Volks. Ihr Vater aber, Segest, hielt zu den Römern und hoffte durch ihren Beistand sich die Herrschaft über sein Volk zu erringen. Zu dieser Jungfrau trug Hermann treue Liebe im Herzen und treu und innig hing Thusnelda an ihm. So ging denn Hermann zu Segest und freite um die Hand der Jungfrau, und als sie ihm verweigert ward, achtete er in seiner großen Liebe weder der alten Sitte noch der Gefahr für seine Freiheit, wenn der Vater ihn ereilte. Er entführte Thusnelden und brachte sie heim als sein ehelich Weib. Dafür schwur ihm Segest ewige Rache und er begann dieselbe damit, daß er den Varus vor Hermann als einem Verräther warnte. Doch Segest predigte tauben Ohren; der römische Feldherr meinte, an allen den Verläumdungen sei bloß die Entführung der Thusnelda schuld, und überdies dünkte er sich klüger und verachtete den Rath eines »plumpen Deutschen.« So schlug ihn Gott mit Blindheit.

 

3.

In seinem Sommerlager an der Weser saß Varus, als er die Kunde erhielt, ein deutscher Stamm an der Ems habe sich erhoben und alle Römer, die in seinen Marken wohnten, erschlagen. Also war es verabredet worden unter den Eidgenossen. Denn Hermann, die Seele des Bundes, hatte zuvor bedacht, daß Varus in solchem Falle nicht säumen würde, mit aller Macht in's Feld zu ziehen. Und so kam's auch. Der Römer beschloß, ohne Verzug aufzubrechen und Rache zu nehmen. Beim Abschiedsmahl im Lager waren Hermann und Segest zu Gast und Segest warnte noch einmal. Doch Varus glaubte ihm abermals nicht und gebot vielmehr dem Hermann, daß dieser den Heerbann der Deutschen aufbiete und sie als Bundesgenossen den Römern zuführe. Dann brach er stolzen Muthes mit drei erprobten Legionen auf und zog in die Berge an der Weser, in die Gegend, wo jetzt Herford und Salzufeln liegen. Rasch bot Hermann den Heerbann auf und freudig nahmen die Eidgenossen ihre Schwerter, um für die Freiheit zu kämpfen. Auf wohlbekannten kürzeren Wegen führte Hermann sie hinter den Römern her und fiel plötzlich deren Nachhut an. Noch ahnte Varus nicht den ganzen Umfang der Gefahr und hielt für Uebermuth Einzelner, was Plan und kluge Berechnung war. Denn zuerst wollte Hermann die römische Kriegsmacht schwächen und zerbröckeln, um dann die Trümmer desto sicherer zermalmen zu können.

Es kamen und schwanden die Rächer wie Schatten der Nacht. Bald hier, bald dort fiel ein Römer im Engpaß. In dem Gedränge konnte Varus die Gefahr nicht überschauen; er befahl, geschlossenen Marsch zu halten, aber in der Wildniß war das unmöglich. Endlich neigte sich der Tag und Varus gebot dem Heere, Halt zu machen, sich zu verschanzen, so gut es ginge, und zu verbrennen, was vom Gepäck überflüssig sei und im Zuge nur hindern könne. Am andern Tage rückte das Heer, immer von den Deutschen umschwärmt, doch in bester Ordnung in der Ebene weiter, die sich an der Werra ausdehnt, und gelangte in die Gegend von Detmold, wo die hohe Teutoburg ragte. Da ward auf Ein Mal jeder Busch lebendig, aus jeder Bergschlucht raschelte es wie viel hundert Schlangen empor und die uralten Bäume schüttelten, wie sonst nach dem Wetter Regentropfen, jetzt Pfeile ohne Zahl auf die erschrockenen Römer herab. Der Himmel wollte auch nicht feiern und half den Deutschen mit Sturm und Regen. Von den Güssen unterwühlt, sank die deutsche Erde unter des Römers Füßen ein; im losen Erdreich schwankend, vom Sturm gerüttelt, stürzten die deutschen Eichen über die Unterdrücker hin und zermalmten sie im Fall. Ueberall dringen die Deutschen heran; Schritt für Schritt kämpft der Feind um den Boden, auf dem er steht, um den Weg, um jeden Baum und Stein, und er kommt nicht eher zu Athem, als bis die Nacht hereinbricht. Da läßt Varus abermals Lager schlagen und ermattet sinken die Römer hin; aber in jedem Augenblick scheucht der Deutschen Kriegsgeheul sie aus der kurzen Nachtruhe empor. Als der dritte Morgen tagt, entdecken sie erst, wie licht es in ihren Reihen geworden ist. Mann an Mann geschlossen brechen sie auf und kommen auf's offene Land, das die »Senne« heißt. Da sehen sie mit Grausen die ganze Masse der Eidgenossen vor sich entfaltet. Ringsum Deutsche, nirgends ein Ausweg! Für alle Tapferkeit ist nichts mehr feil als der Tod. Jauchzend stürzt jetzt die Eidgenossenschaft in der verzweifelnden Römer starre Reihen. »Die Freiheit, die Freiheit!« schallt's wie Donner des Himmels den Römern in die Ohren. Wie die Saat unter Hagelschloßen sinken die Tapfersten unter deutschen Hieben nieder. Hermann selbst ist überall; hier ordnet er als Feldherr die Schlacht und ruft: »Drauf, Brüder, drauf!« Dort kämpft er mit der Kraft von zehn Männern, Stirn an Stirn; kein Eidgenosse, der nicht mit ihm um den Preis wetteifert! Des Feindes Schaaren sind zersprengt, nur wenige wilde Haufen ragen noch aus dem Meer der Schlacht empor. Jetzt wird die Flucht allgemein; doch die Meisten rennen blind in die Spieße der Deutschen. Da faßt Verzweiflung das Herz des Varus und er stürzt sich in sein eigenes Schwert Germanikus soll später die Gebeine dieses Feldherrn auf das befestigte Lager bei Xanten ( castra vetera), das von Varus angelegt war, gebracht haben, während sein Haupt dem Markomannenkönig Marbod geschenkt wurde, der es an Augustus sandte., um sein Unglück und seine Schmach nicht zu überleben. Nur Wenige aus dem großen Römerheere entrinnen; die Meisten liegen auf dem Wahlplatz.

Wer in Gefangenschaft kam, ward entweder den Göttern geopfert oder als Sklave verkauft. Am grausamsten rächte das Volk die lang erduldete Fremdherrschaft an den Sachwaltern und Schreibern, die ihm statt des guten alten Rechts das spitzfindige neue aufgedrängt hatten; einem riß man die Zunge aus und rief dazu: »Nun zische, Natter, wenn du kannst!«

Das war die Schlacht im Teutoburger Walde, die geschlagen ward im 9. Jahre nach Christi Geburt.

 

4.

Als Augustus die Kunde erhielt von dem Unglück, stieß er in Verzweiflung die Stirn an die Wand und rief einmal über das andere: »Varus, Varus! Gib mir meine Legionen wieder!« Ganz Rom war voll Bestürzung und Jeder glaubte, der Deutschen furchtbare Heerschaaren kämen wieder wie einst die Cimbern und Teutonen nach Welschland herabgezogen. In der Provinz Gallien und am Rhein ward zur Nothwehr gerüstet. Grundlose Furcht! Eroberungen wollten die Deutschen nicht machen, nur von der Fremdherrschaft wollten sie frei sein. Sie waren zufrieden, als sie die Zwingburgen im Lande gebrochen hatten und als kein Römer mehr am Rhein zu schauen war. Hermann allein dachte daran, wie die Freiheit auch für alle künftige Zeiten gewahrt werden müsse, und das einzige Mittel fand er in einem Bunde der deutschen Völker. Aber die Mißgunst der Häuptlinge, die für sich selbst die Herrschaft zu erringen hofften, widerstrebte ihm; vor Allem Segest. Der trug noch immer unversöhnlichen Groll gegen Hermann im Herzen, überfiel ihn unversehens und schlug ihn in Ketten. Doch das treue Gefolge befreiete den Helden und rächte sich an dem Verräther.

Sobald die Römer von dieser Zwietracht vernahmen, wuchs ihnen auf's Neue der Muth und sie beschlossen, die Niederlage des Varus zu rächen. Große Macht ward gerüstet; zuerst brach Tiberius, der Stiefsohn des Augustus, auf, aber die Deutschen zogen sich in ihre Wälder zurück. Bald darauf drang Germanikus, des Drusus Sohn, an den Rhein vor, überfiel die Marsen und die Chatten, schlug sie und verwüstete ihre Gaue. Da sandte ihm Segest durch einen Vertrauten die Botschaft, er, der stets ein Freund der Römer gewesen, werde von seinem eigenen Volk in seiner Burg belagert, und er bitte den Germanikus, daß er mit Heeresmacht käme, um ihn zu befreien. Diese Kunde war dem Römer sehr erfreulich; er zog hin und befreite den Verräther. In Segest's Burg wurden viele edle Frauen gefunden, unter ihnen auch Hermann's Weib, Thusnelda; alle diese übergab der treulose Segest den Römern als Gefangene. Schweigend und thränenlos stand Thusnelda in ihrer Würde da, die Hände unter dem Busen gefaltet; sie dachte an Hermann. Als dieser von Segest's Niederträchtigkeit vernahm, eilte er von Schmerz durchdrungen von Gau zu Gau und entflammte das Volk zur Rache. Da erhoben sich die Vaterländischgesinnten auf's Neue voll Wuth gegen die Römer. Germanikus aber zog stolz und in Siegeshoffnung durch den Teutoburger Wald heran. Da fand er auch den Wahlplatz, wo die Legionen gefallen waren, und begrub die meisten Gebeine seiner erschlagenen Landsleute. Noch standen die Altäre, aus welchen die Hauptleute der Römer den Göttern geopfert waren. Germanikus zog Rache schnaubend tiefer in's Land hinein; da kam wiederum Hermann wie im Sturm mit seinen Schaaren herbei und schlug die Römer zurück. Die flohen in Eile bis hinter den Rhein.

Doch Germanikus rüstete sich mit neuer Macht und bot alle List und Kriegskunst auf. An den Meeresküsten fuhr er mit einer Flotte bis hin zur Ems; von dorther drang er jetzt in's Land. Da wichen die Cherusker, in der Gegend, wo heutzutage Minden steht, hinter die Weser zurück und erwarteten ihn zur Schlacht. Bevor sie begann, sah Hermann seinen Bruder Flavius auf feindlicher Seite stehen und rief ihm zu: »O komm' herüber zu deinem freien Volk, mein Bruder! Was kämpfest du in den Reihen der Römer gegen dein eigenes Vaterland? Kennst du die alten Eichen nicht mehr? Hörst du nicht, wie sie dir Grüße zurauschen aus unserer Knabenzeit? Wirf hin, wirf sie von dir die goldenen Ehrenzeichen, mit denen die Römer deine Knechtschaft vergülden! Wie ist es doch viel schöner, von freien Brüdern geliebt zu sein und auf heimischer Erde zu sterben!« Aber Flavius war zum Römer geworden und hatte kein Herz mehr für solche Worte. Da gebot Hermann voll Grimm die Schlacht; sie dauerte vom Morgen bis tief in die Nacht. Klug hatte Hermann den Plan erdacht und bestellt; doch die Wuth des Kampfes verdarb das Wohlersonnene. Die Cherusker rannten von den waldigen Hügeln, wo Hermann sie aufgestellt, zu früh in's Thal hinab. Dadurch entstand Verwirrung. Die Römer benutzten sie, drangen von allen Seiten vor und wurden Meister des Schlachtfeldes. Da stürmte Hermann hoch zu Roß wider die Bogenschützen und bahnte sich endlich eine Gasse. Plötzlich stieß er wieder gegen eine lebendige Mauer; das waren die römischen Bundesgenossen aus Gallien, aus Tyrol, vom Lech. Verwundet, daß das Blut ihm über's Gesicht rann und ihn unkenntlich machte, brach der tapfere Held dennoch durch und gewann das Freie.

Wie aber die Römer den Rückzug antraten, stand alles Volk in den Gauen wider sie auf und abermals ward grimmig geschlagen bis tief in die Nacht. Die Römer nannten's einen Sieg, zogen sich aber doch eiligst zurück. Darauf fuhren sie auf der Ems in's Meer, dort zerstörte der Sturm ihre Flotte. Ungebeugt durch diesen Verlust griff Germanikus die Chatten und Marsen an, legte das Land wüst und hoffte mehr denn je, Deutschlands Meister zu werden. Doch der Kaiser Tiberius, eifersüchtig auf den Ruhm des tapfern Germanikus, rief ihn zurück und sprach dabei ein Wort, das sich leider zu allen Zeiten als wahr erwiesen hat: »Sicherer als durch fremde Waffen wird die Kraft der Deutschen durch sie selbst gebrochen!«

 

5.

In der Gefangenschaft hatte Thusnelda ihrem geliebten Manne, der sein treues Weib nicht wieder sehen sollte, ein Söhnlein geboren; sie mußte mit andern Gefangenen ihres Stammes nach Rom wandern und ward hier im Triumphe aufgeführt, Segest, ihr Vater, schaute schamlos zu.

Hermann's einziger Trost war das Vaterland; dem lebte er, für das wirkte er. Aus der Römer Gewalt hatte er es errettet und nun wollte er es von einem andern Feinde befreien, von dem bösen Beispiele der Alleinherrschaft eines Fürsten. Das gab Marbod, der von den Alpen bis an die Elbe sein gewaltiges Markomannenreich aufgerichtet hatte und darin als unbeschränkter König herrschte. Nach der Teutoburger Schlacht hatte ihm Hermann den Kopf des Varus zugeschickt, aber er hatte den Wink nicht verstehen wollen und den Kopf des Römers zum Kaiser Augustus gesandt. Um als König herrschen zu können, hielt er es nun mit dem Despoten Tiberius. Doch zwei tapfere Stämme des Suevenvolks, die Langobarden und die Semnonen, mochten das nicht ertragen; sie trennten sich von dem Bunde der Markomannen und reichten den treuen Cheruskern die Hand. Bei diesen aber ergrimmte Hermann's Oheim, Ingiomar, in Eifersucht über den Ruhm seines Neffen und ging aus Trotz zu den Markomannen. So entstand Krieg und Deutsche kämpften wieder gegen Deutsche. Die Einen, Hermann's Eidgenossen, waren geringer an Macht, doch stärker an Tugend, und kämpften für die Unabhängigkeit deutschen Landes; die Andern, Marbod's Gefolge, waren zahlreicher und kämpften für die neue Herrschergewalt. Endlich mußte Marbod weichen und er schämte sich nicht, die Römer um Beistand anzuflehen; so tief hatte die Herrschsucht sein Ehrgefühl verderbt. Da brach ihm plötzlich ein junger Edler aus dem Stamm der Gothen, mit Namen Katwald (Catualda), in's Land und gewann seine Burg und seinen Schatz; Marbod floh in den Schutz der Römer. Sie wiesen ihm die Stadt Ravenna zum Aufenthalt an; dort lebte Marbod ruhmlos noch achtzehn Jahre lang.

Den Hermann aber, den edlen Cherusker, traf der Tod in der Blüthe seiner Kraft. Ihm, der die Freiheit noch mehr geliebt als Weib und Kind, ihm ward von neidischen Verwandten nachgesagt, er strebe nach der Alleinherrschaft! Eine Zeit lang vertheidigte er sich mit abwechselndem Glücke; endlich aber unterlag er der Arglist. Er wurde von seinen Kriegsgesellen überfallen und getödtet, im zwölften Jahre nach der Schlacht im Teutoburger Walde, im siebenunddreißigsten Jahre seines Lebens (21 nach Chr.). Doch sein Ruhm, schon damals in Heldenliedern gefeiert und auch von römischen Schriftstellern anerkannt, lebt unsterblich fort in den Jahrbüchern der Geschichte und in der Dankbarkeit seiner Nachkommen.

 

2. Civilis, der brave Bataver (70 n. Chr.).

 

1.

Nach dem Tode des römischen Kaisers Nero (im Jahre 68 n. Chr. Geb.) entstand großer Zwiespalt um die Herrschaft des römischen Reichs, das in sich zusammenbrach, seitdem Treue und Redlichkeit daraus verschwunden waren.

Damals lebte im Lande der Bataver (an den Rheinmündungen), welches Volk schon lange zu den Römern als Bundesgenosse gestanden hatte, ein Mann, Namens Civilis, den sie über eine Abtheilung seiner Landsleute gesetzt, welche in ihrem Heere dienten. Er hatte nur ein Auge, sah aber damit besser, als hundert Andere mit zwei Augen, die Noth und Schmach seines Vaterlandes und wie niederträchtig die geizigen, wollüstigen Römer darin walteten. Diese aber, erkannten bei Zeiten sein vaterländisches Herz, darum legten sie ihn in Fesseln, ja ermordeten sogar seinen Bruder, der eben so gesinnt war. Endlich gaben sie den Civilis wieder frei; doch er ließ sich Bart und Haupthaar wachsen und that einen Eid, nicht eher wolle er sein Haar scheeren, als bis er Rache genommen habe. »Dulden wir's länger, daß sie unsere Knaben nach Rom schleppen und unsere Greise zu Soldaten pressen, um schweres Lösegeld zu gewinnen?« – so rief der Brave seinen Landsleuten zu, und alle sprachen einmüthig: »Nein!« und hoben die Waffen. Alsbald schickte er insgeheim Botschaft an die Andern, die in Mainz den Römern dienten, und an die Friesen und Kaninefaten; diese beiden Völker stimmten ihm bei, daß die Fremdherrschaft nicht länger zu ertragen sei, und alle zusammen schlugen die Römer. Da ward es auch den Belgiern warm um's Herz und den Deutschen über'm rechten Ufer des Rheinstroms, und jene Bataver, welche in Mainz lagen, eilten zu ihren Brüdern.

Im Lande der Brukterer war um jene Zeit eine Jungfrau, vor deren Augen die Zukunft offen lag; die hieß Velleda. Alles deutsche Volk verehrte sie und horchte gläubig auf ihre Worte. Sie selber sprach nur mit ihren Verwandten; diese allein und kein Fremder durfte zu dem Thurm kommen, in dem sie wohnte; der stand in tiefer Waldeinsamkeit an den Ufern der Lippe. Jetzt, als die Bataver, von Civilis angeführt, den Krieg um die Freiheit begannen, sprach die begeisterte Jungfrau: »Die Götter billigen den Kampf und die Römer werden im alten Lager ( castra vetera – Xanten am Rhein) untergehen!« Auf dies Wort griffen auch die Brukterer und Teuchterer zu den Waffen, eilten zu den Batavern und alle Verbündeten stürmten auf das »alte Lager« ein, worin sich die Römer verschanzt hatten und mit dem Muth der Verzweiflung wehrten. Nachdem sie wegen anhaltender Hungersnoth schon ihre Pferde verzehrt hatten, baten die Uebriggebliebenen um das Leben und freien Abzug, was Civilis, ihre Tapferkeit achtend, ihnen auch gewährte. Nun erst hielt Civilis sein Gelübde für gelöst, und im Angesicht des ganzen Heeres ließ er sich wieder Bart und Haupthaar scheeren; den besten Theil der Beute schickte er aber der Seherin Velleda.

 

2.

Nun verbündeten sich auch die Gallier mit den Deutschen, aber den Letzteren gereichte dieser Bund zum Verderben. Der römische Kaiser Vespasian schickte einen alten erfahrenen Feldherrn, Cerealis mit Namen, nach Gallien, und gab ihm die besten Truppen mit. Dieser schlug bei Trier das ganze Heer der Verbündeten und nun fielen die Gallier von den Deutschen ab. Am schlechtesten erwiesen sich die Ubier; diese überfielen und erschlugen bei Nacht bundgenössisches Volk von den Friesen und Chauken, da es eben beim Schmause saß; sie bekamen auch die Frau und Schwester des Civilis in ihre Hände und lieferten sie den Römern aus. Civilis verlor im tiefsten Schmerz über diesen Verlust den Muth nicht; ja, er setzte um so beharrlicher den Freiheitskrieg fort. Bei Xanten sammelte er sein Heer; dann bauete er einen Damm am Rhein, damit die Wasser des Stroms weit umher sich ergössen und die Feinde darin untergingen. Er selbst und seine Bataver waren ja mit den Fluthen vertraut. So gab er guten Muths das Zeichen und trieb die deutschen Völker, jedes wie einen scharfen Keil, in die sechs Legionen der Feinde. Aber ein Ueberläufer hatte diesen einen Umweg gewiesen, auf dem sie die Deutschen hinterrücks überfielen. Da gab Civilis den Sieg verloren, aber noch immer nicht die Hoffnung. Er durchstach jetzt den Rheindamm, den Drusus einst gebaut hatte; – auf Ein Mal stand alles Niederland bis an die Waal unter Wasser und nun griff er mit vier Heereshaufen die Römer an. Dennoch gewannen diese durch ihre Tapferkeit und die Kriegskunst ihres Feldherrn den Sieg. Als die Eidgenossen flohen, stellte sich ihnen Civilis in den Weg und hielt sie mit Bitten und Ermahnungen auf; endlich ward ihm das Roß unter dem Leibe getödtet, da sprang er in den Rhein und gewann schwimmend das sichre Ufer. Binnen kurzer Zeit stand er schon wieder den Römern schlagfertig gegenüber. Man kämpfte wieder zu Schiffe im Bataverland; als der Ausgang des Treffens unentschieden blieb, zog der unermüdliche Freiheitsheld über die Waal zurück, um neue Pläne zu ersinnen und unversehens in's Werk zu setzen. Die Römer aber, so tapfer sie auch gekämpft hatten, erkannten, daß offener Krieg für sie keinen glücklichen Ausgang haben könne, so lange Civilis mit seiner eisernen Ausdauer an der Spitze des Bundes flehe. Darum wiegelten sie das Volk und die Vornehmsten gegen ihn auf und bethörten beide durch listige Reden so lange, bis die Bataver in ihrem Glauben und in ihrer Treue zu Civilis wankend wurden. Da mußte denn der verlassene Held dem Erbfeinde die Hand zum Vergleiche bieten; er that's, im Jahre 70, um größeres Unheil von seinem Volke abzuwenden.

Auch bei den Brukterern, den Cheruskern und den Chatten streuten die Römer mit gleichem Erfolg den Samen der Zwietracht aus, und die böse Saat keimte schnell. In dem Kriege, den jene Stämme unter einander erhoben, verblutete fast alles Volk der Brukterer, und Velleda, die Seherin, ward von den Römern gefangen.


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