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Sechster Abschnitt.
Deutsche Kaiser und Könige.

I. Heinrich I. und Otto I.

 

Heinrich I. der Städteerbauer (933 n. Chr.). Nach Fr. Körner.

 

1.

Die Nachfolger Karl's des Großen hatten weder den Muth noch die Geistesgröße ihres Ahnherrn, sein weitausgedehntes Reich in Ordnung zu erhalten. Da nun überdieß das Erbrecht der Erstgeburt noch nicht eingeführt war, so entstanden bald blutige Fehden unter den Söhnen der fränkischen Könige und diese Zersplitterung dauerte fort, als Deutschland als eigenes Reich sich von dem großen Frankenreiche abgelöst hatte. Die mächtigen Herzöge wollten dem deutschen Könige nicht gehorchen und bekriegten sich unter einander. Und zwei Feinde hatte der große Karl noch nicht besiegt, die Ungarn, welche man »Hunnen« nannte, und die Slaven, die jenseits der Elbe und Oder, in Mecklenburg, Pommern, Preußen und Polen wohnten. Beide Völker brachen oft über die Grenzen, besonders schrecklich aber hausten die Ungarn oder, wie sie sich selber nannten, die Magyaren. Das waren wilde Reiterhorden; wenn sie in das deutsche Land gleich Heuschrecken einfielen, zerstörten sie Alles, was sie fanden; Männer, Weiber und Kinder, die nicht schnell genug fliehen konnten, koppelten sie zusammen und trieben sie als Sklaven in's Ungarland heim. Rückte ein deutscher Heerhaufen in Reih und Glied gegen sie an, so flohen sie plötzlich auseinander; und hieß es dann: »Gott sei Dank, die Räuber sind fort!« so waren sie schon wieder da, den Deutschen im Rücken. In die Gotteshäuser und Klöster warfen sie die Brandfackeln, daß die Flammen hoch aufwirbelten. Der letzte Karolinger, der auf dem deutschen Königsthrone saß, war Ludwig das Kind. Der schwache junge König weinte ob des Reiches Zerfall und Ungemach, konnte aber nicht helfen. Er starb 911, achtzehn Jahre alt, und Deutschland wäre wohl schon jetzt in lauter kleine Staaten zerfallen, hätten sich nicht die Franken und Sachsen mit einander vereinigt und einen König als Reichsoberhaupt gewählt. Ihre Wahl fiel auf den alten Sachsenherzog Otto; der lehnte sie aber ab und empfahl den Frankenherzog Konrad. Dieser war ein guter Mann, besaß aber nicht die Geisteskraft, ein so zerrüttetes Reich zusammenzuhalten. Ueberdies kam er in Streit mit dem Sachsenherzog Otto und als dieser starb, wollte er dem Sohne Otto's, Heinrich, die Lehen des Vaters nicht bestätigen. Dies empörte die Sachsen und sie schlugen alle Angriffe der Franken zurück. In diesen Wirren brachen wieder die Ungarn in Deutschland ein und plünderten, ohne daß Konrad es ihnen wehren konnte.

 

2.

Konrad starb voll tiefen Schmerzes über seine erfolglose Regierung, aber er beschloß sein Leben mit der edelmüthigsten That. Er ließ seinen Bruder Eberhard, Herzog der Franken, zu sich nach Limburg kommen, allwo er krank lag, und sagte zu ihm in Gegenwart vieler Fürsten und Herren: »Lieber Bruder! Ich fühle, daß mein Ende nahe ist, darum höre auf meinen Rath und laß dir deine Wohlfahrt und das Beste der Franken empfohlen sein. Wohl haben wir noch Heere und Waffen und die Zeichen königlicher Hoheit, nur Glück und die Kraft der Väter haben wir nicht. Das Glück, mein Bruder, und die edelsten Sitten sind im vollen Maße bei Heinrich; auf den Sachsen beruht die Wohlfahrt des Reichs. Darum laß die Feindschaft ruhen, nimm hier diese Kleinodien, die heilige Lanze, die goldenen Armbänder, den Purpurmantel, das Schwert und die Krone, gehe damit zu Heinrich und mache ihn dir zum Freunde und Friedensgenossen auf immer. Er ist bestimmt, der König und Hort vieler Völker zu sein!« Als Eberhard versprochen hatte, den letzten Willen des Königs zu erfüllen, starb Konrad im Dezember 918 und ward im Kloster zu Fulda begraben. Eberhard aber stieg mit seinem Gefolge zu Rosse, ritt über Berg und Thal, bis hinaus in die schattigen Wälder des Harzes. Heinrich war eben auf dem Vogelherd, als die Ritter anlangten, denn die Jagd war sein Vergnügen. Eberhard spornte sein Roß, daß es im Nu neben dem Herzog Heinrich stand, und sprang ab, um seinem bisherigen Feinde freundlich die Hand zu reichen. »Ich komme als Freund«, sprach er, »und bitte um deine Freundschaft. Laß uns des Haders vergessen um des Vaterlandes willen!« Gern schlug Heinrich in die dargebotene Rechte und schüttelte sie nach alter deutscher Art. Doch Eberhard sprach weiter: »Ich verlange noch ein größeres Opfer; Deutschland ist verwaist, nur Einer kann es schützen und dieser Eine bist du. Mein Bruder hat noch im Sterben dein gedacht und sendet dir hier die Krone des Reichs. Willst du sie tragen?« – »Ich weiß wohl«, sprach Heinrich, »wie schwer eine Krone drückt; aber wenn so biedere Fürsten sie mir anvertrauen, will ich sie in Gottes Namen tragen und zu des Vaterlandes Besten verwalten.« Hierauf umarmten sich die beiden Männer und Alle, die es sahen, waren bis zu Thränen gerührt.

 

3.

Eberhard aber rief die deutschen Herzöge und Erzbischöfe nach Fritzlar zu einer Versammlung, wo er ihnen seines Bruders letzten Willen und Heinrich's Einwilligung zu dessen Befolgung mittheilte. Während er Heinrich's Heldenmuth, Hochherzigkeit und Vaterlandsliebe warm empfahl, wandten sich Aller Augen auf Heinrich, welcher gleichfalls anwesend war und bescheiden bei seinem Lobe schwieg. »Wer an seinem Feinde einen Lobredner findet,« sprach da der Erzbischof Heriger von Mainz, »der muß ein edler Mann sein!« Die Fürsten stimmten bei, wählten Heinrich zum König und theilten ihren Völkern diesen Beschluß mit. Da erhob sich gewaltiger Jubel, der nie enden wollte: Es lebe unser König Heinrich! und Alle wußten, daß Deutschland von seinem Schwert am besten geschützt und von seiner Weisheit am sichersten geleitet werden konnte. Es lebe König Heinrich! rief es aus jedem Zelt, in mannichfacher Sprachweise, Trompeten und Pauken fielen schallend ein in das Jubelgeschrei, Fahnen wurden geschwenkt und manches stille Gebet für des Reiches und seines Oberhauptes Wohl floß von den Lippen der Geistlichen.

Als der erste Freudensturm verbraust war, erhob Heriger von Neuem die Stimme: »Wohlan, laßt uns hinausziehen in den Münster, um den erwählten König zu salben vor dem Altar des Herrn!« – »Nicht doch,« entgegnete Heinrich, »es genügt mir, daß ich, der Erste aus meinem Geschlecht, durch die Gnade Gottes und eure Liebe zum König berufen werde. Ein Würdigerer als ich empfange Salbung und Krone, solcher Ehre achte ich mich nicht für würdig.« Solche Demuth gefiel dem Volke. Die Franken hoben nach altdeutscher Sitte den früheren Stammfeind Heinrich auf den Schild und zeigten ihn dem Volke mit dem Rufe: Sehet hier, euren König! Tausend Hände erhoben sich schwörend gen Himmel, tausend Lippen gelobten: Unserm König Heinrich Treue und Liebe! und in manchen grauen Bart rann die Thräne der Rührung.

Obschon die meisten deutschen Fürsten und das Volk sich von Herzen der Königswahl freueten, so gab es doch zwei eigennützige Männer, die nicht gern einen starken Herrn über sich haben mochten und denen die eigene Ehre höher stand, als die des Reichs. Dies war Arnulf, Herzog von Baiern, und Burchard, Herzog von Schwaben. Beide entfernten sich eilig, um dem König nicht den Eid der Treue leisten zu müssen. Vergeblich sandte ihnen Heinrich Boten nach und ließ sie an ihre Pflicht erinnern; sie wollten lieber Bürgerkrieg als Ordnung und Obrigkeit im Lande. Da mußte Heinrich die kriegsmuthige Jugend Sachsens, Thüringens und Frankens unter die Waffen rufen, damit scharfe Schwerter dem königlichen Worte Gehorsam verschafften. Tief betrübt zog der 38jährige König gegen seine eigenen Vasallen in den Kampf; aber er wollte nicht, daß um des Trotzes eines Einzigen willen Unschuldige das Leben verlieren sollten. Dem Schwabenherzog entfiel der Muth; als das Reichsheer in sein Land rückte, er erbat und erhielt Gnade und Vergebung im Jahre 920. Der Baier hingegen wollte sich nicht fügen, sondern warf sich in das feste Regensburg mit seinen Kriegern, wo er von Heinrich belagert wurde. Da hielt es der König für gut, noch einmal zu versuchen, den Streit mit den Worten zu schlichten und nicht mit scharfen Schwertern. Er bot Arnulf eine Zusammenkunft an. Dieser nahm das Anerbieten an und erschien vom Kopf bis zur Zehe schwer bepanzert, Heinrich dagegen hatte Helm, Panzer und Schild im Lager gelassen; denn er vertraute seinem Rechte und seiner Friedensliebe.

»Du widerstrebst mir,« begann er ernst, »du erneuerst den Bürgerkrieg, gleich als ob du nicht wüßtest, daß der Ungar nur auf diese Uneinigkeit der deutschen Fürsten wartet, damit er sie einzeln überwältige! Siehe hinüber nach Frankreich, nach Italien! Wodurch sind diese Reiche so schwach, so voller Zerrüttung und Elend geworden? Wodurch anders als dadurch, daß keine Obrigkeit zu Kraft und Ansehen gelangen konnte, weil es den einzelnen Grafen und Herzogen zu schwer fiel, dem Gesetz eines Königs zu gehorsamen. Willst du die Unabhängigkeit Baierns mit dem Untergang Deutschlands erkaufen? Willst du es vor Gott verantworten, wenn wegen deines Ungehorsams gegen den Willen der Reichsfürsten auch nur Ein Tropfen deutsches Blut vergossen wird? Ich habe die Krone nicht gesucht,« fuhr er nach einer Weile fort, »Gott hat sie mir durch die Stimme des Volkes gegeben. Wärest du zum Könige gewählt worden, ich würde dir als meinem Lehnsherrn gehorchen.« Die Wahrheit dieser schlichten Worte ergriff den trotzigen Baier so sehr, daß er demüthig um Verzeihung bat und den Lehnseid leistete.

Manchem schlachtbegierigen Sachsen war dies Ende des Heerzuges nicht lieb, aber alle Vaterlandsfreunde priesen die edle Gesinnung des Königs, der ohne Blutvergießen Ordnung, Frieden und Gehorsam herzustellen wußte. Während Heinrich's 16jähriger Regierung hat kein Vasall es wieder gewagt, ihm den Gehorsam zu verweigern.

 

4.

So war die innere Ruhe Deutschlands durch Milde und Versöhnlichkeit hergestellt. Nun galt es aber auch, Deutschland gegen die Verheerungen durch raubsüchtige Nachbarn zu schützen, denn 924 erschienen die Ungarn wieder, die man wie Würgengel fürchtete. Sie kamen aus den grasreichen Steppen Ungarns auf kleinen, häßlichen, aber unermüdlichen Pferden an der Donau heraufgezogen wie Hagelwetter; überall, wohin sie kamen, steckten sie Höfe, Weiler und Flecken in Brand, tödteten alles Lebendige oder schleppten es mit fort. Gefangene Menschen banden sie nicht selten an die Schweife ihrer Pferde und schleiften sie auf diese Weise unter schrecklichen Qualen zu Tode. Schon ihre Gestalt flößte Ekel und Grauen ein; denn ihre Gesichter waren braun und durch Narben bis zur größten Häßlichkeit entstellt, ihre Köpfe kahl geschoren und aus den tief im Kopfe liegenden Augen blickten thierische Rohheit und Habgier. So tapfer die Deutschen auch kämpften, diese Feinde waren ihnen stets überlegen, weil sie auf ihren flüchtigen Rossen bald hier bald dort erschienen und einzelne Landstriche überfielen, ehe man es ahnte und helfen konnte. Auch wichen sie einem ernsten Massenkampfe aus, überfielen dagegen einzelne Schaaren oder flohen, indem sie ihre sicher gezielten Pfeile im Davonreiten auf die Verfolger richteten. Sie hatten durch die Erfolge ihrer Ueberfälle einen so furchtbaren Namen bei den Deutschen erhalten, daß Verzagtheit und Schrecken nur zu oft deutschen Muth und deutsche Tapferkeit niederhielten.

Es erscholl also plötzlich das Wehgeschrei durch's Land: die Ungarn kommen! die Ungarn kommen! Es flüchtete, wer konnte, als sie wie Holle's wildes Heer durch Sachsen und Thüringen zogen. König Heinrich aber mochte nicht fliehen, sondern stellte sich ihnen zum ritterlichen Kampfe entgegen. Er verlor jedoch das Treffen, sei es, weil er gerade krank war, oder weil seiner Streiter zu wenig und sie der Kampfweise des Feindes ungewohnt waren, welcher im Fliehen zu siegen pflegte. Genug, Heinrich mußte sich in die königliche Pfalz (Burg) Werla bei Goslar einschließen, von wo aus er sich muthig vertheidigte. Sturm auf Sturm unternahmen die Ungarn, aber sie konnten die Burg nicht ersteigen, vielmehr nahmen Heinrich's Mannen bei einem muthigen Ausfall einen Ungarnhäuptling gefangen, worüber die Belagerer so erschraken, daß sie einen neunjährigen Frieden schlossen unter der Bedingung, daß ihr Häuptling freigegeben und von Heinrich ein jährlicher Tribut gelobt werde. Heinrich nahm das wenig ehrenvolle Opfer auf sich, um eine bessere Zukunft vorzubereiten.

Nicht aus Feigheit hatte Heinrich Tribut versprochen, sondern weil sein scharfer Verstand ihm sagte, es müßten, um Deutschland von der Ungarnplage zu befreien, große Vorkehrungen getroffen werden. Denn er frug sich: worin liegt die Unwiderstehlichkeit ihrer Angriffe? und mußte bald erkennen, daß die Ungleichheit der Waffen und die Wehrlosigkeit der norddeutschen Ebenen den deutschen Kriegsschaaren den Sieg raubten. Die Ungarn waren ein Reitervolk, die Deutschen vorzugsweise Fußvolk, welches jene Reiter nicht angreifen und verfolgen konnte. Es war der alte Heerbann, d. i. das Aufgebot der wehrhaften deutschen Männer, außer Gebrauch gekommen und daher selten eine hinreichende Anzahl von Streitern beisammen; endlich gab es im Lande Sachsen und Thüringen noch nicht, wie bereits in Süddeutschland, ummauerte Ortschaften und große Burgen, sondern nur einzeln liegende Höfe und kleine Ritterburgen. Wie nützlich feste Orte waren, da sie von Reitern nicht erstürmt werden konnten und daher den umwohnenden Landleuten eine sichere Zuflucht gewährten, erkannte Heinrich im Jahre 929, als die Ungarn Baiern und Schwaben durchzogen bis Lothringen, das altehrwürdige Kloster St. Gallen plünderten, die Vorstädte von Constanz abbrannten, die ummauerte Stadt selbst aber nicht erobern konnten.

Heinrich erließ also ein Gebot durch das Land, daß an passenden Orten große geräumige Festen angelegt würden, wohin ein jeder neunte Mann aus dem umliegenden Gau als Besatzung ziehen sollte. Zwar war das Wohnen in Städten der Gewohnheit des Norddeutschen zuwider und es gab hie und da viel Widerstreben; aber man erkannte sehr bald die Weisheit der königlichen Verordnung und baute Tag und Nacht mit solchem Eifer, daß sich bald überall im Lande Städtchen mit stattlichen Thürmen und starken Mauern erhoben, hinter deren Zinnen die wehrhaften Bürger trotzig die Ungarn erwarteten. Da ward Hamburg befestigt, Itzehoe ausgebaut, die Mauern um Magdeburg, Halle und Erfurt erweitert, denn diese Flecken bestanden schon seit Karl's des Großen Zeit; es wurden neu gegründet Quedlinburg, Merseburg, Meißen, Wittenberg, Goslar, Soest, Nordhausen, Duderstadt, Gronau, Pölde und viele andere, von denen in alten Chroniken nichts aufgezeichnet ist.

Der in der Burg Wohnende hieß Bürger und fing an, sich mit allerlei zu beschäftigen, um nicht müßig zu bleiben und Waaren vom Landmann eintauschen zu können. Die Kaiser begünstigten den Städtebau, gaben jedem Leibeigenen, der in die Stadt zog, die Freiheit, verlegten Messen und Märkte in die Städte, verliehen an dieselben Münz- und Steuerrechte, schenkten ihnen viel liegende Gründe und Forsten, so daß das Städtewesen sich rasch entwickelte und die Kaiser in ihren Streitigkeiten mit dem unfügsamen Adel bei den kampfgeübten Bürgern stets treue Hülfe fanden. Nach wenig Jahrhunderten waren die Städte, die nun meist Republiken unter dem Namen »freie Reichsstädte« wurden, der Sitz der Kunstfertigkeit, des europäischen Handels, der Wissenschaften und der Bildung. Sie waren eine Zeit lang die dritte Macht im Staate und welche Bedeutung sie gegenwärtig für Staat und Bildung haben, liegt ja auf der Hand. Diesen unermeßlichen Nutzen hatte Heinrich's Befehl zum Städtebau.

Außerdem erneuerte er den Heerbann, d. i. die uralte Landwehr, indem er befahl, daß nicht nur die Vornehmen, sondern jeder älteste Sohn eines Hofes zu Pferde erscheinen mußte. Weiter verordnete er, daß diese Landwehren in ihren Gauen sich öfter versammeln sollten, um sich zu üben, in Reihe und Glied zu reiten, zu schwenken, anzugreifen u. s. w. Die kleinen Schaaren theilten sich dann gewöhnlich in zwei Abtheilungen, die gegen einander ritten und die feindliche Reihe zu durchbrechen suchten. Jede Abtheilung trug ein gemeinschaftliches Abzeichen und hatte eine gemeinsame Kasse, denn die, welche sich von ihrem Corps hatten abschneiden lassen, mußten eingelöst werden. Diese Reiterübungen sind die Anfänge der Turniere und jene Verbindungen der Reiterparteien der Ursprung der Ritterorden mit ihren Wappen. Da bei großen Uebungen Damen zuzuschauen pflegten, so ist Heinrich der Gründer des Ritterthums mit seinem Damendienste und seiner Liebe zu Kriegsabenteuern.

Nachdem Heinrich diese Einrichtung getroffen hatte, wollte er ihre Brauchbarkeit gegen einen schwächern Feind versuchen. Die slavischen Heveller an der Havel reizten seinen Zorn, er ließ ihre Hauptstadt Brennabor (Brandenburg) mitten im Winter erobern, nahm den Daleminziern an der Elbe Grana und baute an dessen Stelle Meißen, unterwarf die Obotriten, Wilzen und Redarier in Mecklenburg und der Priegnitz, zwang den Böhmenfürsten Wenzel, ihm den Lehnseid zu leisten, und sandte die Grafen Bernhard und Thietmar nochmals gegen die Redarier, die sich empört hatten. Die Deutschen belagerten deren Hauptort Lenzen fünf Tage, dann nahmen sie am frühen Morgen nach einer stürmischen Regennacht das Abendmahl, griffen unverzagt den zahlreichen Feind an, besiegten ihn nach tapferer Gegenwehr und eroberten Lenzen. Hierdurch übte Heinrich seine Krieger im Kriegführen und sicherte Deutschlands Ostgrenze, welche von der Elbe, Havel und Lausitz damals gebildet wurde. Im Jahre 934 zog der unermüdliche König sogar hinaus nach Schleswig, besiegte den übermüthigen Dänenkönig Gorm bei dieser Stadt und machte die Provinz Schleswig zu deutschem Reichsland, indem er sächsische Kolonien dahin führte. Der Bischof Unni von Bremen predigte in dem neuen Lande das Christenthum und gewann Gorm's Sohn, Harald, für dasselbe.

 

5.

Während dem waren die neun Jahre verflossen, in welchen die Ungarn Sachsen und Thüringen mit ihren Raubzügen verschonen wollten. Ihre Gesandten erschienen, um den fälligen Tribut zu holen, Heinrich aber ließ ihnen einen verstümmelten Hund überreichen. »Das ist Alles, was ich für euch habe!« sagte er mit Entschlossenheit. Ein Racheschwur und ein Fußtritt gegen den Hund war der Gesandten Antwort, die sich fluchend entfernten.

Daheim erzählten sie die erlittene Beschimpfung und bald riefen Feuerzeichen die raublustigen Schaaren zu einem Rachezuge nach Norddeutschland zusammen. Ihr zahlloser Haufen stürmte durch Oestreich und Baiern hinein nach Thüringen; allabendlich rötheten brennende Weiler und Flecken den Himmel und wimmelte es auf den Straßen und Waldpfaden von flüchtigen Weibern, Greisen und Kindern. Ungarn und Deutsche hatten sich in zwei große Haufen getheilt und standen einander endlich in der Gegend zwischen Gera, Merseburg und Sondershausen gegenüber. Bei der letzteren Stadt erlag ein Ungarnhaufe dem Schwerte der Deutschen und die Raubhorden zogen sich in die Ebene der Saale zurück. Ihnen gegenüber lag Heinrich mit seinem Heere, der Sage nach an der Saale bei Keuschberg, eine Stunde südlich von Merseburg, um die Seinen an den Anblick und die Gewohnheiten der wilden Feinde zu gewöhnen.

Da leuchteten weithin ihre Wacht- und Kochfeuer, da scholl Jubel und rauher Gesang von früh bis Abends im Ungarnlager, das Gekreisch derer, die sich beim Theilen der Beute zankten, das Siegesgeschrei neu ankommender Schaaren, die frische Beute brachten, dazwischen aber auch das Wehgeheul der gemißhandelten Gefangenen. Gar oft stand Heinrich auf einem Warthügel und sah mit verhaltenem Zorn dem Treiben der Feinde zu, deren leichte Schaaren oft an das Lager der Deutschen heransprengten, um sie höhnend zum Kampfe herauszufordern. Endlich war die Ungeduld der Deutschen nicht länger zu halten, sie verlangten nach der Feldschlacht. Durch Beichten und Abendmahl bereiteten sie sich vor auf's Sterben und stellten sich dann in wohlgeordneten Abtheilungen auf. Um ihren Muth zu erhöhen, ritt Heinrich an sie heran und redete sie an: »Von wie großen Gefahren unser ehemals so zerrüttetes Reich frei ist, wißt ihr selbst am besten, denn ihr erlaget unter der Geisel innerer Zwietracht und auswärtiger Krieger. Jetzt aber seht ihr es durch Gottes Gnade, durch unsere Anstrengungen und eure Tapferkeit beruhigt und in Ordnung gebracht und den einen Feind, die Slaven besiegt. Es bleibt uns übrig, uns ebenso gegen den allgemeinen Feind, die Ungarn, zu erheben. Bisher habe ich alles das Eurige hingeben müssen, ihre Schatzkammern zu füllen, jetzt müßte ich die Kirchen und ihre Diener plündern; denn das Unserige ist dahin. Bedenket also euer Heil und beschließet, was geschehen soll. Soll ich das dem Dienste Gottes Geweihte hinwegnehmen und damit von den Feinden Gottes den Frieden erkaufen, oder dasselbe dem göttlichen Dienste erhalten, damit Er uns erlöse, der in Wahrheit unser Gott und Erlöser ist?« – Einstimmig rief das Heer und reckte die Hand zum Schwur empor: »Wir wollen streiten für die Altäre Gottes, für des Reiches Ehre und die Sicherheit der Unsrigen!« – »Nun denn zur Schlacht!« rief der König.

Die Heerpauken erschollen, Trompeten schmetterten, die Fahnen wehten, voran aber schwebte die Reichsfahne mit dem Bilde des Erzengels Michael und in kurzem Trabe rasselten die geharnischten Schaaren mit vorgestreckten Lanzen die Ebene dahin auf das Ungarnlager los. Wie blitzte es da von blanken Helmen und Schilden, wie schnoben die muthigen Rosse, wie schlachtenmuthig schlugen die Herzen ihrer Reiter!

Die Ungarn ihrerseits waren auch nicht müßig gewesen, schnell hatten sie sich geordnet und rückten den Angreifenden entgegen. Bereits waren die Heere einander nahe genug, da erhoben die Deutschen das Feldgeschrei: Kyrie! Kyrie! worauf es von drüben hieß: Hui! Hui! und wie zwei Wetterwolken stürzten die Heere in gestrecktem Galopp aufeinander. Bald wirbelte dicker Staub empor unter dem Hufschlag der Rosse, das Reitertreffen wogte auf und ab, hierhin und dorthin, aber wo die geschlossenen Schaaren Heinrich's erschienen, warfen sie den Feind vor sich nieder, den endlich Schrecken ergriff und ihn in eilige Flucht trieb. Acht Tage lang verfolgten ihn die Sieger, die im Lager unermeßliche Beute fanden. Heinrich aber ließ ein Bild der Schlacht malen und es im Dom zu Merseburg aufhängen.

Im Jahre 936, also wenige Jahre nach dieser Befreiungsschlacht, die 933 geschlagen wurde, ward Heinrich zu Bothfeld bei Elbingerode vom Schlagfluß getroffen. Dies mahnte ihn an den Tod, er berief daher eine Reichsversammlung nach Erfurt, wo sein Sohn Otto zum König gewählt ward, und kurz darauf warf ihn ein neuer Schlagfluß auf seiner Pfalz Memleben an der Unstrut auf's Krankenlager. Seine treue Gattin saß weinend an seinem Sterbebette, als Heinrich mit diesen Worten von ihr Abschied nahm: »Ich danke, du Theuerste, meinem Erlöser, daß ich dich nicht überlebe. Kein Mann hat je eine treuere und frömmere Frau gehabt; habe Dank, daß du oft meinen Zorn besänftigt, mir nützlichen Rath ertheilt, mich von Unbilligkeit zur Gerechtigkeit geführt und zur Barmherzigkeit gegen die Unterdrückten ermahnt hast. Jetzt empfehle ich dich und unsere Kinder, sammt meiner aus dem Körper entfliehenden Seele, dem allmächtigen Gott und der Fürbitte seiner Auserwählten.«

Da stürzte Mathilde hinweg nach der Kapelle und bat Gott um Erhaltung des theuren Gemahls. Noch hatte sie ihr Gebet nicht geendet, da erschien auch schon der Presbyter Aldedag, um die erste Messe für den eben verschiedenen König zu halten. Mathilde kehrte, vom Gebete getröstet, zurück an's Sterbelager und ermahnte hier ihre weinenden Söhne, zu leben in der Furcht Gottes und im Gehorsam gegen seine Gebote.

Wir aber wollen, wenn wir unsere Städte mit ihren Herrlichkeiten sehen, oder wenn wir von den ruhmvollen Thaten des Mittelalters lesen, mit treuem Herzen daran denken, daß wir dies Alles dem König Heinrich zu danken haben. Mit Recht sagt einer unserer Geschichtschreiber: Griechenland würde Heinrich unter die Götter versetzt haben.

 

Otto I. (955 n. Chr.)

 

1.

Also huldigten die Fürsten und die edlen Herren dem Königssohne Otto; von ihnen begleitet, brach dieser nach Quedlinburg auf und fuhr nach Aachen. Dort erneuerten die Herzöge von Baiern, Schwaben, Franken und Lothringen mit den andern Großen des Reichs in einer Halle neben dem Dom am 8. August 936 die Wahl und schwuren dem Otto Treue und Lehnspflicht. Dann schritten sie mit ihm in den Dom, wo die Geistlichkeit und das Volk versammelt waren. Und der Erzbischof Hildebert von Mainz, als erster Kirchenfürst von Deutschland und als Erzkanzler, nahete dem jungen König mit der Inful auf dem Haupte und dem Hirtenstabe in der Hand, führte ihn in die Mitte des Domes, zeigte ihn allem Volk und sprach: »Seht hier Otto, welchen Gott zum König ausersah, weiland Herr Heinrich dazu empfahl und die Fürsten der Reiche erkoren haben. Gefällt euch die Wahl, so erhebe jeder von euch seine rechte Hand!« Da hob das Volk frohlockend die Hände auf und nun führte der Erzbischof den König zum Altar, wo die Reichskleinodien lagen. Er umgürtete ihn mit dem Schwerte Kaiser Karl's des Großen und sprach zu ihm: »Nimm und führ' es den Feinden Christi zum Schrecken, der Christenheit zum Heil.« Dann that er ihm den Kaisermantel und die Armringe an mit den Worten: »Bleibe, in den heiligen Glauben gehüllt, getreu bis in den Tod und erhalte den Frieden.« Hierauf legte er ihm das Scepter und den Stab in die Hände, salbte ihn mit dem geweihten Oele und sprach dazu: »Herrsche recht als Vater über deine Unterthanen, schütze die Diener Gottes, die Wittwen und Waisen; das Oel der Barmherzigkeit gehe dir nimmer aus!« Nach diesem setzte er mit Hülfe der Erzbischöfe von Köln und Trier dem Könige die Krone auf's Haupt und alle drei führten ihn zwischen zwei Marmorsäulen auf den Thron hinan; dort erblickte ihn alles Volk im vollen Glanze der Majestät. Otto aber dachte, während das Hochamt gesungen wurde, an Karl den Großen, welcher unten in der Gruft des Domes auf seinem goldenen Stuhle saß, und schwur sich's zu, dessen Reich wieder herzustellen. Nach Beendigung des Gottesdienstes zog der König mit allen Fürsten, Grafen und Edlen, Bischöfen und Aebten in den kaiserlichen Palast und setzte sich an einen Marmortisch; da ward das Krönungsmahl vor ihm aufgetragen und die Herzöge bedienten ihn dabei, der von Franken als Truchseß, der von Schwaben als Mundschenk, der von Baiern als Marschall und der von Lothringen als Kämmerer. Von dieser Zeit schreiben sich des Reichs vier Erzämter her, wodurch die höchste Herrlichkeit des Königs über alle Fürsten ausgedrückt ist, welche ihn aus ihrer Mitte erwählt haben, da er zuvor ihres Gleichen gewesen war.

 

2.

Bald zeigte Otto dem deutschen Volke durch die That, daß er die Krone verdiente. – In Böhmen hatte damals der wilde Heide Boleslav seinen Bruder, den Herzog Wenzeslav, welcher ein frommer Christ war, an der Pforte der Veitskirche zu Prag erschlagen und weigerte die Huldigung. Da rüstete Otto, der Oberlehnsherr Böhmens, gegen den Brudermörder und sandte einen tapfern Mann, den Hermann Billung, das Gericht zu vollstrecken. Dieser kam mit einem Heere kampfrüstiger Sachsen, schlug den Boleslav und zwang ihn, daß er die Lehnspflicht erneuerte und Zins gab.

Bald darauf hielt der König das königliche Ansehen auch in Baiern aufrecht. Dort war Herzog Arnulf (937) gestorben und die drei Söhne desselben wollten das Land von dem König nicht zu Lehen haben, sondern es unabhängig beherrschen. Da kam Otto plötzlich nach Baiern, sprach sie des Landes verlustig und übergab es ihrem Oheim Berthold, einem treuen Mann, welcher bis dahin Markgraf an der Etsch gewesen war. Während dieser Zeit aber waren die Ungarn wieder in Sachsen eingebrochen. Schnell zog nun Otto aus Baiern gegen sie heran, schlug sie, kehrte nach Baiern zurück, bezwang (949) die drei Brüder und verbannte Eberhard, den trotzigsten von ihnen, nach Schwaben, einen andern aber, den Arnulf, machte er zum Pfalzgrafen, und zu Regensburg, in der alten Hauptstadt Baierns, setzte er als seinen besonderen Stellvertreter einen »Burggrafen« ein, damit durch diesen die Willkür der Pfalzgrafen ebenso in Schranken gehalten werde, wie die der Herzöge durch jenen.

 

3.

Gleichwie Karl der Große, welchen Otto stets zum Vorbild nahm, die Bekehrung der Sachsen und ihre Verschmelzung mit allen übrigen Deutschen erstrebt hatte, also trachtete Otto sein ganzes Leben hindurch nach dem Ruhm, die Slaven zu Christen und zu Deutschen zu machen. Das war ein unrechtes Werk, wiewohl Otto es für ein gottgefälliges hielt; denn keinem Fürsten der Welt giebt Gott das Recht, ein Volk zu unterdrücken. Und gleichwie die irrige Absicht verwerflich war, so war auch die Ausführung schändlich. Wider die Slaven focht nämlich der Markgraf Gero, welcher ein gewaltiger Kriegsmann, aber roh und grausam war und die Slaven wie Hunde ansah, die nur durch die Peitsche in Treue zu halten seien. So hat er einmal dreißig ihrer Fürsten zu einem Gastmahl laden und, während sie sorglos zechten, überfallen und ermorden lassen. Darnach hat Gero (940) alle Wenden bis an den Oderfluß unterworfen, daß sie Zins geben mußten, und Otto stiftete die Bisthümer Brandenburg und Havelberg. Aber durch die Unmenschlichkeit der deutschen Christen wurden die unterdrückten Slaven erst recht verstockt und heimtückisch.

Auch die nördlichen Nachbarn des Reichs, die kriegerischen Dänen, empfanden Otto's Arm. Ueber diese herrschte König Harald, mit dem Zunamen »Blauzahn«; der hatte die Mark Schleswig, welche König Heinrich gestiftet (um's Jahr 948), erobert und mit Mord und Brand verwüstet. Da ist Otto wider die Dänen ausgezogen, über das »Danewirk«, gestiegen und hat sein Heer siegreich bis zur äußersten Spitze Jütlands hinaufgeführt. Dort warf er, zum Wahrzeichen, daß nur das Meer seinem Siege Grenzen setze, seinen Speer in die Wogen hinab; davon heißt der Meerbusen dort der »Ottensund.« Nach einer Schlacht bei Schleswig bat Harald »Blauzahn« endlich um den Frieden und erhielt ihn unter der Bedingung, daß er sich taufen ließ und sein Reich Dänemark dem deutschen Könige zu Lehen übergab. Da stiftete Otto drei Bisthümer in Jütland zur Bekehrung des Volks; denn die Religion war ihm ein heiliger Ernst, wenn er auch in der Wahl der Mittel zum Zweck nach der Ansicht seiner Zeit oft irrte. Aber der gute Zweck soll nie ein schlechtes Mittel heiligen.

Durch so viele kühne Thaten hatte Otto, da er erst 38 Jahre zählte, das Ansehen der deutschen Königswürde und die Grenzen des Reichs weit ausgebreitet; mit freudigem Stolze sah das deutsche Volk auf ihn, wie er es bei allen andern Völkern zu hohem Ruhme brachte. Die Freien kamen wieder zu Ansehen; der Heerbann hielt sich fest zusammen und der Stern der Ehre leuchtete ihnen zu kühnen Thaten. Auch die Geistlichkeit hielt den König Otto gar hoch, weil er nicht blos den Glauben durch Schwertesmacht ausbreitete, sondern auch die Kirche durch reiche Gaben und kostbare Rechte trefflich versorgte. In den Städten wuchs indessen das Bürgerthum still und unbeachtet, aber kräftig heran, vom ersten Morgenschimmer der neuen Freiheit begrüßt. So war im Innern des Landes ein schönes Einverständniß zwischen allen Ständen und hoch oben auf der Spitze der Ordnung stand der König, gerecht, kühn, fromm, mild und weise, das deutsche Herz voll stolzer Hoffnungen auf noch größere Herrlichkeit.

 

4.

Damals lebte nun in Italien ein treuloser Tyrann, Berengar, Markgraf zu Ivrea. Dieser hatte Lothar, den jungen König von Italien, vergiftet und dessen Wittwe, die schöne Adelheid, welche von Geburt eine Königstochter aus Burgund war, gefangen genommen, weil sie sich weigerte, Berengar's Sohn, Adalbert, zum Mann zu nehmen. In dem finstern Thurm eines Schlosses am Garda-See hielt sie dieser verschlossen. Da saß Adelheid vier Monde lang in ihrem Leid und betete inbrünstig zu Gott, daß er ihr einen Retter sende. Ihr getreuer Kaplan brach endlich heimlich ein Loch in die Mauer des Thurmes und grub einen Gang in die Erde in's Freie; auf diesem flüchtete er die schöne Wittwe und brachte sie glücklich bis an den See bei Mantua, wo sie ein Fischer von Almosen pflegte; von dort kam sie auf das feste Schloß Kanossa, das auf einem hohen Felsen stand, um welchen ringsum Wasser floß. Azzo, der Herr des Schlosses, nahm sie mit Freuden auf und vertheidigte sie getreulich gegen Berengar, als dieser in seinem Grimme heranzog und das Schloß belagerte. Nun hatte Adelheid gar viel von dem Ruhme des deutschen Königs Otto vernommen, darum sandte sie jetzt zu ihm und bat ihn, er möge als christlicher Ritter ihre weibliche Ehre rächen; dafür bot sie ihm ihre Hand und das Reich Italien. Wie Otto, welcher Wittwer war, diese Kunde vernahm, rief er alle Freien und Treuen zusammen und ermahnte sie, ihm zum Schutze der bedrängten Unschuld beizustehen. Das war deutschen Herzen ein lieber Klang; schnell ritt ein edles Heer mit dem König, seinem Sohne Ludolf und seinem Bruder, dem Baiernherzog Heinrich, im Jahre 951 gen Welschland. Als sie herankamen, floh Berengar voll Schrecken von den Mauern des Schlosses hinweg, während die Stadt Pavia sich dem deutschen Könige mit Freuden ergab. Alsbald huldigte ihm das Reich Italien, wo seit Arnulf kein Deutscher mehr als König oder Kaiser geherrscht hatte. Die schöne Adelheid aber zog nun ihrem deutschen Ritter entgegen und gab ihm als seine Hausfrau die Hand. Zu Pavia wurde die Hochzeit mit großer Pracht und Herrlichkeit gefeiert und es strahlte die Kraft des Königs wie Sonnenglanz und wie Mondesschimmer leuchtete die Holdseligkeit der Königin.

 

5.

Kaum war im Jahre 954 der Friede zur Freude aller Wohlgesinnten geschlossen, so kamen im nächsten Jahre die Ungarn aus Frankreich zurück in's Baierland und drohten übermüthig, daß ihre Rosse die deutschen Ströme austrinken sollten. Zahlloses Volk (es wird erzählt, daß ihrer 100,000 gewesen) tobte gegen Baiern heran und legte sich an den Lech vor Augsburg. In dieser Stadt war der Bischof Ulrich, ein gar frommer, muthiger Mann; der machte die Augsburger wehrhaft und stärkte sie im Vertrauen auf Gott. Wie nun die Ungarn eines Morgens zu den Mauern aufschauten und sie von lauter Harnischen und Schwertern leuchten sahen, ward ihnen plötzlich Botschaft, daß der König mit dem deutschen Heerbann wider sie auf's Lechfeld herangezogen sei; das breitet sich zwischen dem Lech und der Wertach zehn Wegstunden lang aus. Da mochten die Ungarn vor Kampflust nicht länger vor Augsburg liegen bleiben und eilten dem König entgegen an den Lech. Schnell zogen nun auch die Augsburger mit Bischof Ulrich zum Heerbann hinaus. Der König theilte denselben in acht Haufen; drei davon waren lauter Baiern, die führte Graf Eberhard von Sempt und Ebersberg an (weil der Herzog Heinrich krank lag), den vierten Haufen bildeten die Franken, an ihrer Spitze stand Herzog Konrad, der voll Scham über seinen Verrath war und vor Begierde brannte, ihn durch einen ehrlichen Tod in der Schlacht zu büßen; der fünfte Haufe bestand aus den edelsten Kampfhelden des ganzen Heeres, der König selbst war ihr Vorfechter und vor ihm her flog der Erzengel Michael, wie vor seinem Vater bei Merseburg; den sechsten und siebenten Haufen bildeten die Schwaben, mit ihrem Herzog Burkhard, und den achten die Böhmen; – alle diese Völker schwuren sich unter einander Treue und Hülfe wie leibliche Brüder. Das war am 10. August 955. Wie nun die Ungarn das deutsche Heer in Schlachtordnung erblickten, schwammen sie, voll Ungeduld, auf ihren Rossen durch den Lech an's linke Ufer; dort umringten sie die Schlachtordnung der Deutschen und warfen sich plötzlich mit wildem Geheul auf die Böhmen. Diese hielten den Pfeilregen nicht lange aus, flohen und überließen voll Schrecken den Ungarn den Troß. Da brachen die Sieger schnell auch auf die Schwaben los, welche sich mannhaft wehrten, aber endlich dennoch weichen mußten. Wie der König diese große Gefahr sah, winkte er dem Herzog Konrad von Franken; wie ein gereizter Löwe sprang dieser den Ungarn entgegen, warf sie zurück, befreite alle Deutschen, die sie gefangen hatten, und brachte sie dem König. Am andern Morgen (am Festtag des heiligen Laurentius) betete der König inbrünstig zu Gott, und gelobte, wenn Christus ihm die Feinde des Glaubens und des Vaterlandes überwinden helfe, dem heiligen Laurentius ein Bisthum in Merseburg zu stiften. Dann las Bischof Ulrich dem Heere die Messe und reichte dem knieenden König den Leib des Herrn. Wie sich Otto wieder erhoben, sprach er zu den Deutschen: »Seht um euch! Zahllos sind die Haufen der Heiden, aber mit uns ist der mächtige Helfer, Christus, mit seinen Schaaren. So laßt uns aushalten und lieber sterben, als weichen. Doch, wozu viel Worte? Statt der Zunge rede das Schwert!« Hoch zu Roß, den Schild am Arm, die heilige Lanze schwingend, sprengte er jetzt im Glanze der Morgensonne seinen Deutschen voran. Nun beginnt die Schlacht. Unwiderstehlich rückte das deutsche Heer, Mann an Mann, gegen die Ungarn heran; vor deutscher Einigkeit und deutscher Begeisterung wird ihr blinder Ungestüm zu Schanden. Schon weichen sie auseinander; um so heißer wird ihre Wuth; viele deutsche Helden müssen sie büßen. Da sinken Graf Theobald (Bruder des Bischofs Ulrich) und sein Vetter Reginald; Herzog Konrad von Franken löst sich in der Hitze den Helm los, da trifft ihn ein Pfeil in die Kehle und so löst ihn der Tod von seiner Schuld. Wie nun die Ungar-Haufen zersprengt werden, schreiten die Deutschen über die, welche noch widerstehen wollen, zermalmend hinweg. Jetzt wird die Verwirrung der Ungarn allgemein; ihr Entsetzen wächst; die weite Ebene wimmelt von Flüchtlingen; die Deutschen über sie herein, wie der Zorn Gottes! Heulend sprengen die Ungarn in den Lech, aber der ist gut deutsch und läßt weder Roß noch Reiter los; Leichen füllen das Flußbett, die blutgefärbten Wasser schwellen über. So wird das übermüthige Volk vernichtet; nur Wenige entrinnen dem heißen Tag. Noch am Abend zieht Otto mit Bischof Ulrich glorreich in Augsburg ein und dankt dem Herrn für Deutschlands Befreiung. – Am andern Tage ritt er auf's Schlachtfeld hinaus, seine Todten zu zählen; da fand er Konrad's Leiche und weinte um den tapfern Mann. Dann zog er über den Lech und ließ allerorten in Baiern gebieten, auf die Flüchtigen zu fahnden. Wo sie sich blicken ließen, schlug sie das erbitterte Baiernvolk wie Wölfe todt; drei gefangene Ungarfürsten ließ Herzog Heinrich vor dem Osterthor in Regensburg aufhängen. Nur sieben Männer von den 100,000, die gekommen waren, sollen die Botschaft der Niederlage nach Ungarn heimgebracht haben. Darnach hielt Herzog Heinrich zu Regensburg ein strenges Gericht über alle Verräther des Vaterlandes, welche sie herbeigerufen. Unter diesen war auch der Bischof von Salzburg, der wurde geblendet. Das war des Baiernherzogs letztes Werk auf Erden; er starb noch im selben Jahre. Die Ungarn wagten sich aber seit der Zeit nicht weiter vor, als bis zu ihrer Grenzfestung, welche die Eisenburg hieß; diese stand gar trutzig auf einem Felsen am rechten Donauufer, auf der Stelle, wo nachher das stattliche Kloster Mölk erbaut worden ist.

Indessen hatten sich die Wenden um ihre Freiheit wieder erhoben und den Sachsenherzog Hermann Billung hart bedrängt. Schnell zog Otto, der überall war, wo das Reich seiner bedurfte, in ihr Land, lagerte am Fluß Dossa, wo dieser in die Havel rinnt; da umgingen ihn die Obotriten und Ukern mit andern slavischen Völkern und schlossen ihn ein, so daß er in große Gefahr kam; obendrein schlichen sich zwei böse Gäste, Hungersnoth und Seuche, in sein Heer. Gerade noch zur rechten Zeit kam der Schrecken aller Slaven, der Markgraf Gero, herbei und schlug die Feinde am 16. Oktober desselben Jahres, in welchem Deutschland der Ungarn ledig geworden; ihr Fürst Stoinek kam auf der Flucht um.

 

6.

Während dieser Zeit hatte Berengar in Italien, welches er vom deutschen Reich zu Lehn trug, seines Lehneides spottend, mit unerträglicher Willkür und Grausamkeit gewaltet; er wähnte sich sicher, weil König Otto mit den Ungarn und Wenden zu kämpfen hatte. Da riefen die welschen Fürsten dessen Hülfe an, und Otto übergab seinem Sohne Ludolf ein wohlgerüstetes Heer, daß er sich die Herrschaft der Lombardei erkämpfe. Wie nun der Königssohn dahin kam, thaten sich ihm alle Herzen und Städte auf und Berengar hatte bald nirgends mehr einen Zufluchtsort. Durch Verrätherei ward er sogar dem tapfern Ludolf überliefert, aber dieser ließ ihn schwören, sich dem König Otto wieder zu unterwerfen, und gab ihn dann großmüthig frei; auch über Adalbert gewann Ludolf den Sieg. – Doch bald darauf starb er (957) jähen Todes und die Welschen sagten, Berengar habe ihn vergiften lassen. Dieser aber fiel jetzt frohlockend sogar in den römischen Kirchenstaat ein. Da beschloß König Otto, auf die vielen Bitten des Papstes und der Großen Italiens, selbst nach Italien zu kommen, um den Berengar zu züchtigen, Ordnung und Gerechtigkeit herzustellen und das Kaiserthum endlich mit dem deutschen Königthum zu vereinigen, wie Karl der Große, Otto's ruhmreiches Vorbild, es gethan. Darum berief er im Jahre 961 die deutschen Fürsten auf einen Reichstag zu Worms und sie billigten seinen Vorsatz und wählten seinen Sohn, den siebenjährigen Otto, welchen er ihnen vorgeschlagen hatte, zu ihrem Könige; dann zog er mit ihm nach Aachen zum Pfingstfest, dort wurde der Knabe gekrönt. Hierauf brach der König mit einem großen Heere und von seiner Gemahlin Adelheid begleitet, von Deutschland auf und fuhr gen Welschland, in voller Pracht und Herrlichkeit, wie es der Würde eines Königs der Deutschen geziemte. So kam er nach Pavia. In Mailand erklärten alle geistlichen und weltlichen Fürsten den Berengar und sein ganzes Geschlecht als verflucht, für ewige Zeiten der Herrschaft unwürdig und erwählten Otto zum König. Dann holten sie diesen nach Mailand. Der Erzbischof dieser Stadt salbte ihn und setzte ihm die »eiserne Krone« der Lombarden auf; die war von Gold und hieß also von einem eisernen Reif im Innern, welcher aus einem Nagel vom Kreuze Christi geschmiedet worden.

Als König von Lombardien zog nun Otto im Januar des nächsten Jahres (962) nach Rom. Dort wallten ihm der Senat, die Ritter und das Volk, seinen Ruhm lobsingend, zum goldenen Thore heraus entgegen und er ritt auf einem weißen Roß zum Vatikan und stieg die Stufen zur St. Peterskirche hinan. Vor ihren silbernen Pforten schwur er, daß er die römische Kirche immerdar schirmen werde, wie Kaiser Karl es gethan. Am andern Tag (Mariä Lichtmeß-Fest) salbte ihn der Papst Johannes XII. in der Peterskirche zum Kaiser und setzte ihm die Krone auf. Zahlloses Volk aus den verschiedensten Ländern der Christenheit jauchzte ihm zu und alle Großen Roms beschworen ihm auf die Reliquien St. Peters ihre Treue. Otto aber wollte nicht bloß dem Namen nach Kaiser sein, sondern waltete auch als solcher in Italien. Da wurden die ersten Grundsteine der freien städtischen Verfassungen gelegt; besonders aber ließ sich's der Kaiser angelegen sein, sowohl sein Verhältniß zu dem Papst, als auch das des Papstes zu den Römern festzustellen. Doch bald mußte er erfahren, daß die Römer das Kaiserthum nur als eine leere Würde ohne Macht betrachteten und ihre Selbstständigkeit der Fremdherrschaft nicht aufopfern wollten. Mit Strenge trat er denn als oberster Richter mitten unter die Römer und sie beugten ihren stolzen Nacken; aber so oft er wieder ferne war, richteten sie sich grimmig empor und rüttelten an der deutschen Oberherrschaft. Die Deutschen nannten dies Wankelmuth und schalten die Welschen untreu; doch das ist der Fluch jeder Fremdherrschaft, daß sie rings um die unvertilgbaren Wurzeln des edlen Freiheitsdranges das Unkraut der Heimtücke großzieht. Der Kaiser aber bändigte die Widersacher seines Ansehens, endlich (964) bekam er auch den ruchlosen Störenfried Berengar in seine Gewalt und ließ ihn nach Deutschland auf die feste Babenburg bringen, wo derselbe starb.

Otto selbst ging im nächsten Jahre dorthin zurück. Dort hatte indessen der Markgraf Gero (964) die Slaven in der Niederlausitz unterworfen, aber in der Schlacht seinen einzigen Sohn verloren, für dessen künftige Hoheit er sein langes Leben hindurch so tapfer gekämpft; dies Herzeleid hatte er jetzt zum Lohn für seine Unmenschlichkeit gegen die Slaven. Verzweifelnd pilgerte der narbenvolle Greis nach Rom, legte sein Schwert auf den Altar St. Peters, that Buße, zog auf der Heimkehr zu St. Gallen ein Mönchsgewand an und starb (965) in der Heimath.

 

7.

Während nun der Kaiser in Deutschland war, hatte Adalbert, der Sohn Berengar's, in Italien den Kampf alsogleich erneuert; zur selben Zeit stritten in Rom die mächtigen Adelsgeschlechter um die Herrschaft, so daß große Verwirrung war. Da schickte der Kaiser zuerst den Herzog Burkhard von Schwaben nach Italien; dann kam er selbst (966) hin und hielt ein furchtbar Gericht über Alle, welche das kaiserliche Ansehen keck verachtet hatten. Erschrocken huldigten ihm die Fürsten von Benevent und Capua; der Kaiser trachtete nun aber auch darnach, das innere Italien, welches bis dahin noch unter der Oberherrschaft der griechischen Kaiser gestanden, zu gewinnen, damit das römische Kaiserthum in der ganzen Fülle der alten Macht und Herrschaft wieder aufblühe. Er hoffte dies friedlich in's Werk zu setzen. Darum berief er seinen Sohn Otto II. nach Rom, ließ ihn von dem Papste zum Kaiser krönen und warb für ihn um Theophanien, die Stieftochter des griechischen Kaisers Nikephoros. Durch diese Vermählung gedachte er die Landschaften Unteritaliens von den Griechen als Brautschatz der Prinzessin zu erhalten. Aber Nikephoros war voll thörichten Dünkels und betrachtete sich selbst als einzigen rechtmäßigen Erben des römischen Kaiserthums, sowie des ganzen Reichs Italien, den deutschen König hingegen bloß als einen Räuber jener Würde und dieses Landes. Also mißhandelte er dessen Gesandte, schlug ihm die Prinzessin Theophania ab und verbündete sich heimlich mit Adalbert. Da gab Otto in Unteritalien durch Waffenthaten kund, daß sich der deutsche Name nicht ungestraft beschimpfen lasse, am wenigsten von einem so entnervten und verderbten Volk, wie die Griechen waren. Bald darauf (968) wurde Nikephoros zu Konstantinopel ermordet; sein Nachfolger, Johannes Tzimiskes, welcher den Frieden suchte, sandte Theophanien, als Braut des jungen Otto II., nach Italien und Otto I. ließ nun den Griechen die Landschaften Apulien und Calabrien bis auf Benevent und Capua.

Mit großer Pracht wurde die Hochzeit Otto's II. (972) mit Theophanien zu Rom gehalten. Dann kehrten die beiden Kaiser, Vater und Sohn, nach Deutschland, zurück und begingen das heilige Osterfest (973) zu Quedlinburg. Da saß Otto I. in seiner Pfalz, welche, auf lieblicher Anhöhe ragend, auf die wogenden Waldgipfel des Harzes weithin schaute; rings um den alten Kaiser saßen sein Sohn Otto II., die edlen Frauen Adelheid und Theophania, die Herzoge von Sachsen, Schwaben, Franken, Baiern, Lothringen, Polen und Böhmen, nebst vielen Markgrafen, Grafen und edlen Herren, dazu alle geistlichen Fürsten des Reichs, und Gesandte kamen herbei aus Ungarn und Griechenland, Rußland und Bulgarenland, aus Dänemark und Italien, brachten Geschenke und suchten die Bundesfreundschaft des mächtigen Kaisers, dessen Ruhm wie Windeswehen über die Erde ging. Also genoß er mit vollem Behagen das höchste irdische Glück, daß er, zufrieden mit sich selber, sein Lebenswerk überschauen konnte. Denn in Deutschland war Friede und Einigkeit, Wohlfahrt und Segen bei großem Waffenruhm und es war für die andern Länder Europa's Das, was das gesunde hochklopfende Herz für die Glieder eines Leibes ist. Nach jenem Osterfest zog Otto I. nach Merseburg und von dort in die güldene Au, nach Memleben, wo sein Vater Heinrich gestorben war. Dort verschied auch er, sanft und ruhig (973), seines Alters im 61. Jahre.


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