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VI. Maximilian »der letzte Ritter« auf dem Throne.

 

1.

Als Maximilian den Thron bestieg, war er ein Jüngling von außerordentlicher Schönheit der Gestalt und ungemeinem Liebreiz der Sitten, rasch und feurig, bereit, das Gewagteste zu unternehmen. An ritterlichen Tugenden übertraf ihn Keiner. Aus einem Reichstage zu Worms erschien einst ein Ritter von riesenartiger Größe und forderte die tapfersten deutschen Ritter zu einem Turniere heraus. Lange mochte es keiner wagen, mit diesem Goliath in die Schranken zu treten; da kam in glänzender Waffenrüstung mit geschlossenem Visir ein feiner Ritter herangesprengt, und dieser warf nach kurzem Kampfe zum Erstaunen Aller den Riesen aus dem Sattel in den Sand hinab. Alle jubelten über die deutsche Kraft und Tapferkeit; aber die Freude ward erst recht groß, als der Ritter das Visir aufschlug und der Kaiserssohn erkannt ward.

Den Gemsen kletterte er nach bis auf die steilsten Felsenspitzen. Einmal ging er in die Tyroler Alpen auf die Gemsenjagd; da gerieth er in der Gegend von Innsbruck auf einen hohen Felsen, die Martinswand genannt. Er war so eifrig von Fels zu Fels geklettert und gerutscht, daß er nun in schwindelnder Höhe der Martinswand sich gegenüber sah und nicht mehr rückwärts noch vorwärts konnte. So viel auch sein Auge nach einem Ausweg forschte, nirgends war es möglich, die Schritte zurück zu lenken. Vor ihm war ein jäher Abgrund, wohl 200 Klafter tief. Seine Freunde hatten ihn aus dem Gesichte verloren; endlich entdeckten sie ihn an der gefährlichen Stelle. Zwei Tage und zwei Nächte brachte der allzu kühne Fürst auf der Felsplatte zu; da verzweifelte er an seiner Rettung. Unten hatte sich das treue Tyrolervolk versammelt, das ihm gern geholfen hätte; dem gab Max durch Zeichen zu verstehen, er wolle sich zum Tode vorbereiten und er verlange noch das heilige Abendmahl. Während nun der Priester tief unten Messe las und das Allerheiligste emporhob, fiel der fromme Fürst oben auf seine Kniee und empfahl seine Seele dem barmherzigen Gott und alles Volk lag auf den Knieen und betete mit. Aber während Max noch betet, hört er hinter sich ein Geräusch; er wendet sich um und schaut einen jungen Tyroler, der reicht ihm treuherzig die Hand und spricht also: »Gnädiger Herr, seid getrost! Gott lebt noch, der Euch aus der Gefahr erretten wird. Folgt mir nach und fürchtet Euch nicht, ich will Euch dem Tode entführen.« Und es gelingt dem braven Manne, der jede Felsspitze genau kennt, seinen fürstlichen Herrn sonder Gefahr hinwegzubringen und ihm das theuere Leben zu erhalten. Es war, als hätte der Himmel selber den rettenden Engel gesandt!

 

2.

Der berühmteste und klügste unter den Hofnarren des Kaisers Maximilian I. war Kunz oder Konrad von der Rosen. Dieser war ein vertrauter Günstling des Kaisers und hatte sich durch seine Treue und lustigen Einfälle so beliebt bei ihm gemacht, daß sein Herr ihn immer um sich haben mußte.

Als Maximilian noch als römischer König im Jahre 1488 in den Niederlanden einen Landtag ausschrieb, um die unruhigen Unterthanen in Ordnung zu bringen, rieth ihm Kunz von der Rosen, sein kurzweiliger Rath, er sollte sich nicht nach Brügge begeben, es möchte ihm sonst übel ergehen. Allein Maximilian kehrte sich nicht an die Warnung seines sonst so beherzten Freundes und reiste doch hin. Als nun der König vor der St. Katharinenpforte anlangte, ritt Kunz zu ihm und sagte in Gegenwart aller Andern: »Lieber König! Ich sehe wohl, daß du deinen getreuen Räthen und mir nit folgen, sondern gefangen sein willst. So sage ich dir, daß ich nit will gefangen werden. Ich will dir das Geleite bis zur Burg in der Stadt geben, aber mich alsbald zum Genter Thore wieder hinauspacken. Wenn du aber sehen und hören wirst, daß vor der Stadt die Dörfer und Lusthäuser brennen, so gedenke, daß dein närrischer Kunz solches verursacht habe.« König Maximilian gab ihm zur Antwort: »Kunz, ich sehe wohl, daß du meinen Söhnen zu Brugg nit viel Gutes zutrauest, die uns doch alle Treue versprochen haben.« Worauf Kunz sagte: »Das glaube ihnen der Teufel! Trau wohl, ritte mir das Roß hinweg!« Also ist er mit dem Könige in die Stadt und allein zum andern Thore wieder hinausgeritten nach Middelburg zu Herzog Christoph aus Baiern. Kurz, nachdem Maximilian in der Stadt abgestiegen ist, entsteht ein Tumult; der König reitet auf den Markt, ihn zu stillen, da reißen ihn die Bürger vom Pferde und schleppen ihn in eines Würzkrämers Haus, welches nachher die Kranenburg genannt worden; da muß er mit einem Anhaltischen Prinzen und etlichen Andern des Nachts auf der bloßen Bank liegen. Die Fenster in dem kleinen Stübchen sind mit eisernen Stäben wohl verwahrt und den Fenstern gegenüber stehen drei geladene Armbrüste, als ob man den König gar wollte todtschießen.

Kunz von der Rosen blieb unterdessen nicht müssig, sondern bewies seine Treue durch zwei Wagstücke. Erstlich hatte er sich zwei Schwimmgürtel machen lassen, womit er bei Nacht über den Schloßgraben bis zu der Burg, in die man nun seinen Herrn gebracht hatte, hinüberschwamm, willens, mit Hülfe des andern Schwimmgürtels den König aus der Stadt zu bringen. Er ward aber, als er sich in den Graben gelassen, von den Schwänen angefallen, welche unter großem Geschrei ihn mit ihren Flügeln dermaßen schlugen, daß er mit Lebensgefahr sich retten mußte und zurückschwamm. Diese Schwäne waren wie die Bürger von Brügge französisch gesinnt.

Nach diesem bedachte sich Kunz eines andern Anschlags. Er lernte das Barbieren oder das Haar- und Bartscheeren, stahl sich in Brugg hinein, kam zu dem Guardian des Franziskaner-Klosters, der dem König wohl gewogen war und entdeckte ihm sein Vorhaben, seinen Herrn zu befreien. Er begehrte, der Guardian sollte ihm eine Platte scheeren lassen und ihm ein Ordenskleid, auch einen Klosterbruder (Konventualen) zugeben; so wolle er in der Person eines Beichtigers zum Könige gehen, ihm gleichfalls eine Platte scheeren, dann ihn in seine Kutte stecken lassen und mit dem Konventbruder in's Kloster zurücksenden. Alsdann sollte der Guardian mit dem König sich auf ein Schifflein setzen, welches mit vier Knechten und drei Pferden vor St. Katharinenpforte auf ihn warten würde, und ihn also nach Middelburg abführen. Der Guardian fragte ihn, wo er denn bleiben wollte. Er antwortete: »Ich will des Königs Kleider anlegen und wenn die von Brugg den König suchen, werden sie an dessen Statt einen Narren finden, mit dem sie alsdann anfangen können, was sie wollen. Mir ist genug, ob sie mir gleich alle Marter und den Tod selber anthun, wenn ich nur meinen Herrn errette und diese Rebellen von einem Narren betrogen werden.« Der Guardian verwunderte sich über diese Treue, that, was er begehrte, und befahl dem Konventbruder, daß er von dem Kunzen sagen solle, er sei des Königs Beichtvater.

Als sie in des Königs Haus kamen und der Leibwacht-Hauptmann fragte, was sie beim Könige zu verrichten hätten, zog der Kunz die Kappe ab, entblößte die Platte und gab andächtig zur Antwort, er sei vom Guardian abgeordnet, den König Beichte zu hören und ihn aus Gottes Wort zu trösten. Wie er nun in des Königs Gemach kam, begann er seiner Gewohnheit nach mit starker Stimme den König also anzureden: »Siehe, nun finde ich dich da, mein frommer König? Daß dich Gottes Marter schänd Ein damals gebräuchlicher Fluch., warum hast du mir nit gefolgt, da ich dich gewarnt? Nun siehe, ich habe mein Leben deinethalben gewagt und will dich mit Gottes Hülfe aus deiner Feinde Händen erledigen, du mußt mir aber jetzt besser folgen.« Der König wußte nicht, wie ihm geschah; er erkannte wohl seinen Kunz an der Rede, ihm dünkte aber unmöglich, daß er also durch drei Wachen habe zu ihm kommen können. Als der Kunz den Max so bestürzt sah, sagte er ferner zu ihm: »Lieber Max! Laß dich's nit befremden! Du kennst ja deinen treuen Narren, den Kunzen. Da hab' ich mein Scheerzeug, damit will ich dir eine Platte scheeren; denn ich habe um deinetwillen dies Handwerk erlernt. Ich will auch mit dir die Kleider tauschen und hier bleiben; du aber sollst in meiner Kutte durch die Wacht hinausgehen. Es ist schon Alles bereit, komm nur und laß dich scheeren!«

Doch der edle König Maximilian vermeinte, es stünde seiner Hoheit übel an, auf solche Weise aus der Gefangenschaft zu entkommen, zumal da er vernommen hatte, daß eine starke Hülfe, ihn zu retten, im Anzuge sei. Darum wollte er seinem treuen Kunz nicht folgen; dieser aber sprach: »Lieber König! Ich sehe wohl, daß du immer noch so narrend bist, als zuvor. So behüt' dich Gott, mein närrischer König, du bist gar zu fromm für die Fläminger!« Weinend und betrübt ging er wieder zur Thüre hinaus und als der Hauptmann ihn fragte, wie er den König befunden, antwortete er: »Fromm!«


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