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V. Friedrich der Schöne von Oestreich und Ludwig der Baier (1322 n. Chr.).

 

1.

Friedrich und Ludwig waren blutsverwandt, beide König Rudolph's Enkel, Friedrich von väterlicher, Ludwig von mütterlicher Seite, denn Ludwig's Mutter Mechthild war eine Schwester König Albrecht's. Einst, da Ludwig noch im zarten Jugendalter, war Mechthild mit ihm vor den Mißhandlungen ihres andern Sohnes Rudolph zu ihrem Bruder Albrecht gen Wien geflohen, dort wurde Ludwig mit Friedrich dem Schönen erzogen. So waren Beide in Jugendfreundschaft herangewachsen, Beide reich an herrlichen Gaben, muthvoll und ritterlichen Sinnes. Nun begab sich's, daß Herzog Otto von Niederbaiern auf seinem Todbett sein unmündiges Söhnlein und seine zwei Neffen der Treue seiner Städte Straubing und Landshut übergab, daß sie die Waisen schützen und seinen tapferen und edlen Vetter, den Herzog Ludwig von Oberbaiern, als Vormund anerkennen sollten. Sie thaten's mit Freuden. Aber der niederbairische Adel wollte diese Bevorzugung der ihm verhaßten Städte nicht dulden, verband sich, die strenge Gerechtigkeitsliebe Ludwig's scheuend, mit Herzog Friedrich von Oestreich und übertrug diesem die Vormundschaft. Voll Thatenlust und Ruhmdurst nahm Friedrich sie an und als Ludwig sich das nicht gefallen lassen wollte, kam es zwischen beiden Jugendfreunden zum Krieg. Aber Ludwig vertrauete auf die Kernkraft des Volkes, die in den Bürgern lag, und freudig schwangen diese ihre Schwerter, dem stolzen Adel zu weisen, daß nicht das Vorrecht der Geburt, sondern die Kraft des freien Mannes den Ausschlag giebt. Bei Gammelsdorf in Baiern schlug Ludwig mit Hülfe der schlichten Bürger 1313 die übermüthige Ritterschaft Oestreichs und Baierns. Da setzte Ludwig den streitbaren Bürgern von Landshut drei Ritterhelme in ihr Stadtwappen. Hierauf vertrug sich Friedrich der Schöne zu Salzburg mit Ludwig dem Baier und entsagte den Ansprüchen auf die Vormundschaft in Baiern. Ihm stand jetzt ein höheres Ziel vor Augen – die Herrschaft des deutschen Reichs, welche durch Heinrich's VII. Heinrich von Luxemburg war nach der Ermordung Albrecht's zum König von Deutschland gewählt worden; das war ein kräftiger und tapferer Herrscher. Um das kaiserliche Ansehen in Italien wieder herzustellen, war er nach Italien gezogen, hatte Rom erstürmt und sich in der Laterankirche die Kaiserkrone aufsetzen lassen. Aber auf seinem Zuge nach Neapel starb er plötzlich am 24. August 1313 zu Buenconvento, wahrscheinlich durch Gift, das ihm ein Dominikaner im heiligen Abendmahle beigebracht haben soll. Tod erledigt war; Ludwig versprach ihm, bei der Königswahl ihm nicht hindernd in den Weg treten zu wollen.

 

2.

Friedrich der Schöne hoffte zuversichtlich, daß die Wahl der Fürsten auf ihn fallen würde; denn groß war Habsburg's Macht und die Zahl seiner Freunde, der Erzbischof von Köln, der Pfalzgraf Rudolph, die Herzöge von Sachsen-Wittenberg und von Kärnthen waren für Friedrich, und noch mehr, er hatte einen Bruder, der für ihn gegen die ganze Welt gekämpft hätte, das war der tapfere Herzog Leopold, »die Blume der Ritterschaft« genannt. Aber eine nicht minder mächtige Partei war gegen das Haus Habsburg: der junge König Johann von Böhmen, Heinrich's von Luxemburg Sohn, die Kurfürsten von Mainz und Trier, Markgraf Waldemar von Brandenburg und der Herzog von Sachsen-Lauenburg, kurz Alle, welche dem Hause Luxemburg anhingen, dessen Sprößling, König Johann von Böhmen, noch zu jung für die deutsche Kaiserkrone war. Diese luxemburgische Partei wandte ihre Blicke auf Ludwig den Baier, der als ein edler, gerechter und tapferer Herr bekannt war; ihm trug sie die Krone an. Als diese Botschaft zu ihm kam, sprach er überrascht: »Was wollen die Fürsten mit mir? Ich gab meinem Vetter Friedrich mein Wort, ihm bei der Wahl nicht zuwider zu sein! Ihn wählet zum König; auch ist seine Macht bei weitem größer als die meinige.« Darauf entgegneten ihm die Kurfürsten von Mainz und Trier: »Das Versprechen, das Ihr ihm gabt, ist null und nichtig; denn Ihr gabt es, bevor Ihr wissen konntet, daß man Euch selbst zum Kaiser wählen würde. Was aber Eure Macht betrifft, so wisset, daß alle Freunde des Hauses Luxemburg für Euch einstehen.« Nun willigte Ludwig endlich ein. Aber kaum hatte er's gethan, so kam auch der Eigennutz der Kurfürsten an den Tag und sie bedingten sich große Summen Geldes und wichtige Vorrechte von ihm aus, denn den Fürsten war der Kaiser am liebsten, der sie in ihrer Selbstherrlichkeit nicht störte.

Als nun der Tag zur Königswahl da war, lagerten sich beide Parteien, die habsburgische und die luxemburgische, vor Frankfurt am Main. Die erstere wählte am 19. Oktober 1314 mit vier Stimmen Friedrich den Schönen, die letztere am folgenden Tage mit fünf Stimmen Ludwig den Baier. Freudig schloß diesem die Stadt Frankfurt die Thore auf und huldigte ihm als rechten Herrn des deutschen Reichs, während sie Friedrich den Schönen abwies. Da wollte sich dieser schnell in Aachen krönen lassen, doch Ludwig kam vor ihm an, und so ließ sich Friedrich am 25. November in Bonn durch den Erzbischof von Köln krönen. Ludwig empfing des folgenden Tages zu Aachen aus der Hand des Erzbischofs von Mainz die Krone. So hatte jeder der beiden Nebenbuhler ein Herkommen für sich und zwar Friedrich, daß ihn jener Erzbischof gekrönt hatte, welcher diese Handlung schon seit alten Zeiten zu verrichten pflegte, Ludwig hingegen die Krönungsstadt. Da nun bisher nur die Einhelligkeit der Wahlstimmen gegolten hatte, so behauptete Jeder, er habe Recht, und die Entscheidung ward auf das Gottesurtheil des Kampfes gestellt. Darüber wurde ganz Deutschland zum Schlachtfeld und leider Jahre lang!

 

3.

Endlich vermochte der feurige Friedrich seine Ungeduld nach einer Entscheidung nicht länger mehr zu bemeistern und brach im Herbste des Jahres 1322 ins Baierland ein. Seine zuchtlosen Kriegsleute hausten dort so übel, daß Ludwig, vom Schmerz über die Noth des Volkes tief ergriffen, lieber der Krone entsagen, als es noch länger leiden sehen wollte. Doch schon drängten ihn Friedrich und Leopold zur Schlacht. Leopold wollte von Schwaben her gegen ihn vordringen; Friedrich lagerte mit einem zahlreichen und starken Heere, das noch durch ungarische Hülfsvölker verstärkt war, bei dem Städtchen Mühldorf am Inn und schickte Eilboten an seinen Bruder Leopold, so schnell wie möglich mit seinen Truppen herbeizukommen. Gelang's beiden Brüdern, ihre Streitkräfte zu vereinigen, so war Ludwig verloren. Doch Leopold säumte zur Unzeit, indem er aus Rache die Güter des Grafen von Montfort verwüstete, und zu Ludwig's Glück fingen die Mönche von Fürstenfelde die Boten auf, die zwischen den beiden Brüdern hin und wieder gingen, so daß keiner vom andern etwas erfuhr. Rasch zog jetzt Ludwig seinem Feinde entgegen und stellte seine Heeresmacht bei Ampfing (nicht weit von Mühldorf) auf; mit ihm waren die meisten Bürger nebst Kriegsvölkern des Kurfürsten von Trier und des Königs Johann von Böhmen. Er übergab die Leitung der Schlacht und den Oberbefehl einem wohlerfahrenen Ritter, Seifried Schweppermann. Als dieser, ein gebeugter Greis, herangeritten kam, schlotterten ihm die Füße in den Steigbügeln, daß ihn alle jungen Herren verlachten; er ließ sie lachen und bestellte still die Schlachtordnung. Den Burggrafen von Nürnberg, Friedrich von Hohenzollern, legte er mit 400 Rittern, welche aus Kriegslist östreichische Farben und Fahnen angenommen hatten, in einen Hinterhalt. König Ludwig trug einen einfachen Waffenrock, wie ein gemeiner Mann, aus Vorsicht, da seinem Leben schon öfters meuchlings nachgestellt worden war. Friedrich ritt, als König gerüstet, in leuchtendem goldenem Harnisch, den Reichsadler darauf, die Krone auf dem Helm, stolzfreudig den Seinen voran; nie schien er schöner, als an diesem Tage. Am frühen Morgen des 18. September 1322 brach die Schlacht los. Die Schlachthörner ertönten, die Heerpauken schmetterten drein; mit Geheul jagten Friedrich's Hülfsvölker aus Ungarn, die wilden Kumanen und Bulgaren, gegen den linken Flügel von Ludwig's Schlachtordnung heran. Dort standen die Böhmen unter ihrem König Johann und vertheidigten sich heldenmüthig. Dennoch mußten sie und die Baiern über den Innfluß zurückweichen.

Schon stand Ludwig selbst in Gefahr, gefangen zu werden; da brachen die Münchener Bäcker zu ihm heran und machten mit tüchtigen Hieben freie Bahn. Bairische Ritter hielten die Flucht ihres Fußvolkes auf, und nun konnten sich auch die Böhmen wieder sammeln. Indessen wandte der kluge Schweppermann plötzlich den linken Flügel, so daß die Feinde Sonnenschein, Wind und Staub in's Gesicht bekamen. Begeistert focht Friedrich mit ritterlichem Heldenmuthe um die Krone; Siegesjubel erscholl in seinem Heere. Doch unerschrocken schlug und wehrte sich Ludwig's Heer zehn Stunden lang. Horch, da erscholl vom rechten Flügel des östreichischen Heeres helles Freudengeschrei, aus einem Waldthal an der Isar rückten frische Schlachthaufen mit östreichischen Farben und Fahnen heran. Das ist gewiß Herzog Leopold! Die Schaaren eilten dicht in Seiten und Rücken der Oestreicher heran. Jetzt erst, Stirn an Stirn, erkennen diese die Kriegslist; nicht Leopold, sondern ihr Feind, der Burggraf von Nürnberg, ist es. Da bricht Entsetzen in die östreichischen Reihen. Von allen Seiten umstellt, drängen sie sich zur Flucht. Nur Friedrich kämpft noch mit drei edlen Genossen wie rasend auf einer Wiese. Endlich stürzt sein Roß; da eilt der Ritter Albrecht von Rindsmaul, Schweppermann's Schwager, auf ihn zu; diesem übergiebt er sein Schwert.

Freundlich begrüßte ihn Ludwig, welcher durch diesen Sieg nun Alleinherr geworden war: »Wir sehen Euch gern, Herr Vetter!« Friedrich aber schwieg mit gesenktem Blicke und tiefem Schmerz. Als sich darauf am Abend die müden Helden zum Mahl setzten, gab's nach so viel Arbeit nur spärliche Kost; in der ganzen geplünderten Gegend waren nur noch einige Eier aufzutreiben gewesen. König Ludwig vertheilte sie; sie reichten je eins auf den Mann und eins blieb übrig. Das gab er dem alten Feldhauptmann und sprach: »Jedem ein Ei, dem frommen Schweppermann aber zwei!« Diese Worte ließ der alte Held auf seinen Grabstein schreiben. Der gefangene König Friedrich aber wurde auf das Schloß Trausnitz unweit Landshut in Baiern abgeführt. Als das eiserne Thor des Schlosses knarrend sich öffnete und Friedrich hineinfuhr, sprach er: »Ja wohl, Trausnitz (trau es nicht!) – ich würde nicht hier sein, wenn ich meinen Kräften nicht allzusehr getrauet hätte!«

 

4.

Hiermit war aber der Krieg noch nicht zu Ende; Herzog Leopold führte ihn fort und brachte den König Ludwig sehr in's Gedränge. Dazu kam, daß der Papst Johann XXII., gegen den Ludwig nicht gehorsam genug gewesen war, Freund und Feind gegen ihn aufhetzte, ja zuletzt den König mit dem Bann und das deutsche Land mit dem Interdikt belegte. Da fand indeß Ludwig und das deutsche Volk einen unerwarteten Beistand in den Minoriten (Franziskanermönchen). Diese vertheidigten hartnäckig das Gelübde unbedingter Armuth, demzufolge sie nicht das geringste irdische Gut besitzen durften. Weil nun der Papst diese Satzung verwarf, traten sie kühn gegen ihn auf und bestritten sein Ansehen. Eifrig öffneten sie dem lang verblendeten Volke die Augen, sowohl durch Predigten, als in den Beichtstühlen, über alle Anmaßungen des römischen Stuhles, über alle Mißbräuche und Laster am römischen Hofe. So zerrissen sie den Schleier des Wahns, hinter welchem sich das Volk den Papst nicht blos wie Gottes Stellvertreter, sondern fast wie den allmächtigen Gott selber in unbegreiflicher Heiligkeit und Majestät gedacht hatte. Da verlor die früher so furchtbare Waffe des Interdikts ihre Schrecken, und wollten die Geistlichen, dem Gebote des Papstes folgsam, etwa keinen Gottesdienst mehr halten, so zwang sie nun das Volk dazu. Aber das brachte den Papst nur noch mehr gegen Ludwig auf.

In dieser Noth trat der Karthäuser-Prior Gottfried von Mauerbach, Friedrich's Beichtvater, zu Ludwig und redete mit sanften Worten an sein Herz. Fromm horchte ihm Ludwig zu; er gedachte der alten Jugendfreundschaft und voll Vertrauen auf Friedrich's edles Herz sah er in der Versöhnung den Stern des Heils. So ritt er in aller Eile von München zur Veste Trausnitz und bot dort Friedrich dem Schönen ohne Lösegeld die Freiheit an. Freiheit! – Dies Wort tönte dem Gefangenen wie Osterglocken; freudetaumelnd verzichtete er auf das Reich und versprach, sowohl für sich als auch für seine Brüder, dem König Ludwig zu huldigen und ihm auch wider den Papst beizustehen; – endlich, wenn es ihm nicht gelingen sollte, die Feinde zu versöhnen, sich auf den Johannistag wieder in Haft zu stellen. Andächtig hörten hierauf die versöhnten Jugendfreunde die Messe und nahmen das heilige Abendmahl; der edle Prior Gottfried theilte die Hostie zwischen ihnen zur Weihe der Eintracht und des Friedens. Sie umarmten und küßten sich und der Geist des Herrn heiligte diese Stunde der Versöhnung. Es war am 13. März 1325.

Blaß und abgemagert kehrte Friedrich, der einst so schön und freudig gewesen war, nach Wien zurück. Seine treue Gattin Isabella konnt' es nicht mehr sehen, wie seine Schönheit im Unglück dahin geschwunden war; sie hatte sich um ihn blind geweint. Doch er berief sogleich alle seine Brüder zusammen und bat sie, dem König Ludwig zu huldigen und ihm die Reichsgüter in Schwaben und im Elsaß zurückzugeben; das ganze deutsche Reich forderte er auf, Ludwig als den rechtmäßigen Herrn anzuerkennen. Doch Herzog Leopold verschloß allen Bitten sein Ohr und sprach: »Nie werde ich erfüllen, was du überrascht in der Noth versprochen hast. O sieh! Mein ganzes Leben gab ich ja einzig für die Macht und Ehre unseres Hauses dahin – für dich, mein Friedrich, für dich! Und Alles wäre jetzt umsonst? Nein! Endlich ist das Glück uns hold; du bist frei, ich bin gerüstet, unsere Bundesgenossen harren ungeduldig des Kampfes. Darum nichts vom Frieden!« Der Papst reizte noch diesen Ungestüm und sprach: »Nichtig ist der Eid, welchen du dem Ludwig geschworen, und willst du ihn halten, so treffe auch dich der Bann, wie ihn!« Und der unversöhnliche Papst rief noch die Könige von Polen und Frankreich gegen Deutschland auf, um Ludwig den Baier zu verderben.

Als nun Friedrich sah, daß es ihm unmöglich sei, das gegebene Versprechen zu erfüllen und die Feinde Ludwig's zu versöhnen, wollte er doch sein Wort halten. Er reiste um Johannis nach München und stellte sich freiwillig in die Haft. Tief gerührt schloß ihn Ludwig an's Herz und wollte ihn nicht mehr davon lassen. Von Stund an aßen Beide an Einem Tische und schliefen in Einem Bette, wie zwei leibliche Brüder. Der Papst konnte solche deutsche Treue lange nicht für möglich halten, doch Ludwig bauete fest darauf. Und als er seinem Sohne, dem er die Mark Brandenburg verliehen hatte, zu Hülfe ziehen mußte, übergab er dem treuen Friedrich die Obhut Baierns. Am 5. September 1326 aber schloß Ludwig mit Friedrich einen Vertrag, daß sie auch die Herrschaft theilen wollten, wie Tisch und Bett. Dies hielten sie jedoch geheim, damit der Papst mit den Kurfürsten nicht Einsprache dagegen erheben möchte.


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