Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

III. Die großen Hohenstaufen. Nach Th. Welter.

 

1. Konrad III.

In der Mitte des schwäbischen Landes, unfern des blühenden Städtchens Göppingen im heutigen Königreich Würtemberg, erhebt sich der hohe Staufen, ein kegelförmiger Berg, auf dessen Gipfel einst das Stammschloß der schwäbischen Herzoge und Kaiser stand. Nur ein kleines Stück morscher Mauer ist der ganze Ueberrest dieses ehemals so glänzenden Stammsitzes und bietet ein trauriges Bild von der Hinfälligkeit aller Menschengröße und Erdenherrlichkeit dar. Hier entsproß vor acht Jahrhunderten eines der edelsten und mächtigsten Geschlechter, aus welchem sechs deutsche Kaiser hervorgingen.

Als nämlich das fränkische Kaiserhaus mit Heinrich V. im Jahre 1125 erloschen war, wurde Lothar, der Herzog von Sachsen, zum Könige gewählt. Dieser regierte bis 1137. Er hatte mächtige Gegner an den beiden hohenstaufischen Brüdern Konrad von Franken und Friedrich von Schwaben. Fast die ganze Zeit seiner Regierung war ein ununterbrochener Krieg gegen sie. Um seinen Feinden gewachsen zu sein, verband er sich mit Heinrich dem Stolzen, Herzog von Baiern, und gab ihm seine Tochter nebst seinem Herzogthume Sachsen. Durch den Besitz dieser beiden Herzogthümer wurde Heinrich der mächtigste Fürst von Deutschland und der Schrecken seiner Feinde. Als nun Lothar ohne Kinder starb, betrachtete der Stolze den Thron als sein zuverlässiges Eigenthum, das ihm wohl Keiner streitig machen würde, und er nahm auch sogleich die Reichskleinodien zu sich. Aber eben seine große Macht und der Uebermuth, mit welchen sie ihn erfüllte, vereitelten seine Hoffnung. Die Großen des Reiches fürchteten ihn nur, liebten ihn aber nicht. Zu seinem nicht geringen Erstaunen wählte man nicht ihn, sondern Herzog Konrad von Hohenstaufen zum deutschen Kaiser.

Ueber diese Wahl war Heinrich sehr entrüstet und wollte sie nicht gelten lassen. Da ward er als Empörer seiner beiden Herzogthümer entsetzt und geächtet. Baiern bekam der kriegerische Markgraf Leopold von Oestreich, Sachsen dagegen der Markgraf von Brandenburg, Albrecht der Bär. Um diese Zeit findet man auch zuerst den Namen Berlin genannt, gleichwie an den Ufern der Donau in der Gegend des alten Vindobona sich die Stadt Wien erhob.

Heinrich war jedoch nicht der Mann, der sich seine Länder ohne Schwertstreich nehmen ließ. Er griff zu den Waffen und vertrieb Albrecht den Bären. Und schon rüstete er sich zum zweiten Kampfe um sein Herzogthum Baiern, als ihn der Tod vom Schauplatze des Krieges abrief. Er hinterließ einen Sohn von zehn Jahren, der sich nachher durch seinen Muth den Namen Heinrich der Löwe erwarb. Billig hätte der Kleine, weil er an des Vaters Vergehungen unschuldig war, beide Herzogthümer wieder erhalten sollen; Konrad gab ihm aber nur Sachsen zurück. Da nahm sich Welf, ein Bruder des verstorbenen Herzogs, des jungen Prinzen an und griff für dessen Erbe zu den Waffen. Bei dem Städtchen Weinsberg im heutigen Königreich Würtemberg kam es zwischen ihm und Konrad im Jahre 1140 zu einer Schlacht. In dieser war das Feldgeschrei der Baiern: »Hier Welf!« und die Losung der Hohenstaufen: »Hier Waiblingen!« womit die Stadt Waiblingen in Würtemberg gemeint war, die zu den Stammgütern der Hohenstaufen gehörte. Hieraus entstanden die Parteinamen der Welfen und Waiblinger, oder, wie die Italiener sagten, der Guelfen und Ghibellinen (Baiern und Schwaben), und die Feindschaft dieser Parteien spann sich durch Jahrhunderte fort, indem sich die Päpste, um die Macht der hohenstaufischen Kaiser niederzuhalten, auf Seite der Welfen stellten.

Die Welfen wurden in jener Schlacht besiegt und das umlagerte Weinsberg konnte nicht länger Widerstand leisten. Erzürnt über die lange und hartnäckige Gegenwehr der Belagerten beschloß Konrad, die härteste Rache an der Besatzung zu nehmen. Nur die Weiber und Kinder sollten freien Abzug haben; den Männern aber drohte Tod oder Kriegsgefangenschaft. Den Bitten und Thränen der Weiber gab endlich der Kaiser so weit nach, daß er allen Weibern erlaubte, so viel aus der Stadt mitzunehmen, als sie auf ihren Schultern fortschaffen könnten. Und siehe da! aus den geöffneten Thoren kam ein langer Zug von Frauen, die trugen das Kostbarste, was sie hatten, auf ihrem Rücken, nämlich – ihre Männer! Der Kaiser lachte über den listigen Einfall und fand so großes Wohlgefallen an diesem Beweise von Liebe und Treue, daß er um der braven Weiber willen alle Männer begnadigte.

 

2. Friedrich I. oder Barbarossa (1152-1190).

 

1.

Konrad III. beschloß seine thätige Regierung im Jahre 1152 und in demselben Jahre wählten die deutschen Fürsten seines Bruders Sohn, den Herzog Friedrich von Schwaben, zum Oberhaupt des deutschen Reichs. In Friedrich, dem ersten Friedrich in der deutschen Kaiserreihe, vereinigten sich die ausgezeichnetsten Eigenschaften des Geistes und des Körpers, die ihn der Ehre des weltlichen Oberhauptes der Christenheit vor vielen Anderen würdig machten. Des Kaisers große Seele wohnte in einem schön gebildeten Körper. Von Gestalt hoch gewachsen und starken Gliederbaues, flößten seine erhabene Stirn, seine feurigen, durchdringenden Augen, seine angenehmen Gesichtszüge Jedem, der sich ihm näherte, Liebe und Bewunderung ein. Sein gelbliches Haupthaar, den echten Deutschen beurkundend, verwandelte sich im Barte in's Röthliche, daher Friedrich I. von den Italienern Barbarossa, d. i. Rothbart, genannt wurde. Den Deutschen war besonders lieb seine nahe Verwandtschaft mütterlicher Seits mit dem welfischen Hause. Sie hofften, daß er die Streitigkeiten, welche schon so lange zwischen Hohenstaufen und Welfen gedauert hatten, beilegen würde. Und wirklich that er auch viel zur Beseitigung derselben. Er gab dem sächsischen Herzog Heinrich dem Löwen auch das Herzogthum Baiern zurück, das ihm mit Unrecht entzogen worden war, und dadurch gewann er an dem tapferen jungen Helden einen tüchtigen Waffengefährten in seinen ersten Feldzügen. Derselbe Heinrich gründete auch die Stadt München; dafür ward die bisherige Markgrafschaft Oesterreich zu einem von Baiern unabhängigen Herzogthume erhoben und Wien zur Hauptstadt desselben.

Nicht sobald hatte sich die Nachricht von Friedrich's Erhebung auf den Kaiserthron verbreitet, als auch fast alle europäischen Fürsten sich beeiferten, ihm ihre Aufmerksamkeit und Achtung zu bezeigen. Aus allen Gegenden kamen Gesandte nach Merseburg, dem neuen Kaiser Glück zu seiner Erhebung zu wünschen. Der König von Dänemark fand sich in Person ein, um die Lehen seines Reiches von dem deutschen Kaiser zu erhalten, sich von ihm krönen zu lassen und als Vasall des deutschen Reiches den Eid der Treue in seine Hand zu legen. Wie glücklich auch sich dieser Anfang der Regierung Friedrich's des Ersten in solchen Huldigungen zeigte, so wenig entsprach ihm der Fortgang, indem Aufruhr und Empörung den Kaiser unaufhörlich zwangen, das Schwert zu ihrer Vertilgung zu ziehen.

 

2.

Zuerst richtete der Kaiser seinen Blick auf Italien. Hier war während der großen Unruhen in Deutschland, welche die ganze Thätigkeit seiner Vorgänger in Anspruch genommen hatten, das kaiserliche Ansehen fast gänzlich erloschen. Der eigentliche Herd der Empörung war die Lombardei. Unter dem Schutze freier Verfassung waren in vielen Städten derselben Handel und Gewerbfleiß aufgeblüht; Genua, Lukka, Pisa, Mailand, Pavia, Kremona, Lodi, Venedig, Florenz und viele andere waren reich und mächtig geworden. Sie wählten aus der Mitte ihrer Bürger ihre Obrigkeiten und fragten weder nach dem Kaiser als ihrem gemeinschaftlichen Oberherrn, noch nach den von ihm eingesetzten Statthaltern. Durch Errichtung starker Festungswerke, durch Bewaffnung ihrer Bürger suchten sie sich gegen die Unterwerfung durch Waffengewalt zu sichern; sie schlossen unter einander einen Bund, der machte sie so mächtig, daß sie hoffen konnten, selbst dem deutschen Kaiser Trotz zu bieten. Am übermüthigsten war das mächtige Mailand, das seine Macht bald dazu benutzte, die Nachbarstädte sich selber unterthänig zu machen. Jeder Bürger übte sich in den Waffen, um als freier Mann den heimischen Herd tapfer gegen jeden feindlichen Angriff zu vertheidigen. Das Vorrecht des Erzbischofs von Mailand, die Könige Italiens mit der eisernen Krone zu schmücken, trug nicht wenig zum Stolze der Mailänder bei.

Die Bürger von Lodi hatten sich bei dem Kaiser über die unaufhörlichen und unerträglichen Bedrückungen beschwert, die sich von den übermüthigen Mailändern erdulden mußten, und Friedrich säumte nicht, zu Gunsten der Bedrückten einen Abgeordneten nach Mailand zu senden. Aber das kaiserliche Schreiben, welches den Bürgern das Ungesetzliche ihres Benehmens vorhielt, wurde zerrissen und in den Koth getreten; der kaiserliche Gesandte, welcher das Schreiben überbrachte, verhöhnt. Nur durch schleunige Flucht konnte er sich den Mißhandlungen des Pöbels entziehen. Eine solche Verletzung des Völkerrechts durfte nicht ungeahndet bleiben, und in Friedrich's Herzen stand der Entschluß fest, den unerhörten Frevel nach Gebühr zu züchtigen.

Augsburg ward nun der Sammelplatz der deutschen Schaaren, welche bestimmt waren, den Kaiser nach Italien zu begleiten, ihm dort die Anerkennung seiner Rechte zu erkämpfen. Im Jahre 1154 überstieg Friedrich an der Spitze eines mächtigen Heeres die Tyroler Alpen, zog in die Ebene von Verona, und am Po, wo einst Hannibal nach seinem kühnen Alpenzuge Heerschau gehalten, musterte er sein Heer und ordnete dann einen großen Reichstag an. Von allen Seiten strömten die Gesandten der lombardischen Städte herbei und suchten durch reiche Geschenke, die sie dem Kaiser darbrachten, sich der Gunst desselben zu versichern. Selbst das stolze Mailand hatte seine Boten gesendet, den Kaiser durch eine große Geldsumme zur Bestätigung der angemaßten Herrschaft über Komo und Lodi zu bewegen. Mit Verachtung lehnte Friedrich das schimpfliche Anerbieten ab und wendete sich zu den Gesandten der Bürger von Komo und Lodi, ihre Klagen wider die Mailänder zu vernehmen.

Alle Städte der Lombardei hatten sich damals in zwei mächtige Parteien getheilt, für welche Mailand einerseits, Pavia andererseits das Oberhaupt war. Friedrich erklärte sich für Pavia und zog mit seinem Heere dorthin, um sich zum Könige der Lombardei krönen zu lassen. Unterwegs zerstörte er mehrere mailändische Festungen und gab die Stadt Asti der Plünderung seiner Krieger preis. Dann belagerte er Tortona, eine Stadt, welche mit Mailand eng verbündet war. Nach hartnäckigem Widerstande der Bürger wurde Tortona endlich erobert und völlig geschleift. Kaum erhielten die Bürger noch die Erlaubniß, so viel von ihrer Habe, als sie auf den Schultern forttragen konnten, mit hinwegzunehmen. Die Flammen ihrer geplünderten Häuser beleuchteten ihnen den Weg, den sie nach Mailand hin einschlugen. Nachdem sich Friedrich in der alten Residenz des Longobardenreichs die Königskrone Italiens hatte aufsetzen lassen, zog er nach Rom. Hier herrschte große Uneinigkeit zwischen dem Papste und dem Volke. Ein unternehmender Mann, Arnold von Brescia, ging mit dem Plane um, die römische Republik wieder herzustellen, und hatte für dieselbe bereits einen großen Anhang gewonnen. Im Taumel der neuen Freiheit ward der Papst Hadrian vertrieben. Dieser floh in das deutsche Lager, fand sich aber dort nicht wenig betroffen, als Friedrich ihm beim Absteigen vom Pferde nicht den Steigbügel hielt, wie dieses doch früher von Lothar geschehen war. Solches Versäumniß sah Hadrian als ein böses Zeichen der kaiserlichen Gesinnung an. Als aber bald darauf der Kaiser sich vor ihm niederwarf und ihm die Füße küßte, faßte der Papst wieder Muth und machte ihm Vorwürfe, daß er ihm die schuldige Ehrerbietung nicht erzeigt habe. Friedrich gab nach und hielt, als der Papst wieder fortreiten wollte, ihm beim Aufsteigen den Bügel, entschuldigte sich jedoch lächelnd mit den Worten: »Ich werde es nur ungeschickt machen, da ich noch nie Stallknecht gewesen bin!« Friedrich zog nach Rom und ließ dem Papst zu Liebe den Arnold von Brescia auf einem Scheiterhaufen verbrennen. In der Peterskirche empfing er aus den Händen des Papstes die Kaiserkrone.

 

3.

Wohl hätte der Kaiser noch länger in Rom verweilt, die Unterwerfung der hochmüthigen Römer zu vollenden, allein er sah sich genöthigt, die Umgegend von Rom schleunigst zu verlassen. Denn der Mangel an Lebensmitteln begann sein Heer auf die empfindlichste Weise zu drücken, zudem hatte die große Hitze und ansteckende Krankheiten, welche manchem wackern deutschen Kämpfer ein ruhmloses Grab bereiteten, die Reihen seiner Krieger gar sehr gelichtet. Deshalb führte der Kaiser sein Heer in die gesunden Gebirgsgegenden des Herzogthums Spoleto und beschloß, gelegentlich die Bürger von Spoleto für den Frevel, daß sie einen kaiserlichen Gesandten zu mißhandeln gewagt hatten, nachdrücklich zu züchtigen. Die Spoletaner hofften in thörichtem Uebermuth erfolgreichen Widerstand leisten zu können und kamen dem kaiserlichen Heere bis vor das Thor ihrer Stadt mit Schleudern und Armbrüsten entgegen. Alsbald donnerten ihnen die deutschen Reiterschaaren entgegen, deren gewichtigen Schwertern die Städter nicht zu widerstehen vermochten. In grenzenloser Verwirrung stürzten sie nach der Stadt zurück, gedrängt von den deutschen Reitern, die zugleich mit ihnen durch die Thore eindrangen und Spoleto den Flammen preisgaben.

Wie gern wäre Friedrich nun nach Mailand gezogen; aber er sah seine Siegesbahn unerwartet gehemmt. Die deutschen Fürsten waren des Ungemachs und der Mühseligkeiten dieses Feldzuges, der so manchen tapfern Landsmann bereits hingerafft hatte, so überdrüssig, daß sie mit ernstlichen Vorstellungen in den Kaiser drangen, den Rückzug nach Deutschland anzutreten. Mehrere von ihnen verließen mit ihren Schaaren das Heer, um in die Heimath zurückzukehren, und der Kaiser durfte sie nicht hindern, da mit dem Beginn des Herbstes die Verpflichtung zum Kriegsdienste aufhörte. Doch der größere Theil des Heeres dachte noch ehrenhaft genug, den Kaiser auf seinem Rückzuge durch ein so feindliches Land nicht zu verlassen. In der That bedurfte es aller Vorsicht und Tapferkeit, um den Gefahren zu entgehen, welche den Heimzug des Kaisers bedroheten. Zuerst waren es die Bürger der Stadt Verona, welche ihm zu schaden suchten. Diese Stadt hatte seit undenklichen Zeiten das Vorrecht, dem kaiserlichen Heere den Durchzug zu wehren; sie pflegten selbiges auf einer oberhalb ihrer Mauern erbauten Schiffbrücke über die Etsch zu führen. Diese Schiffbrücke nun zimmerten jetzt die Veroneser aus so zerbrechlichen Balken zusammen, daß sie durch große Holzlasten, die man von oben herab mit dem Flusse treiben ließ, nothwendig zertrümmert werden mußte. Allein die Raschheit der Deutschen vereitelte die Arglist der Italiener und die Lasten trieben erst, Alles zersprengend und zertrümmernd, gegen die Brücke an, als das kaiserliche Heer schon das jenseitige Ufer erreicht hatte.

Ein anderes gefährliches Abenteuer hatte Friedrich mit seinen Schaaren in einer wilden Gebirgsgegend zu bestehen. Hier nämlich erhob sich auf einem Felsen eine Burg, die den engen vorüberziehenden Pfad beherrschte. Der Besitzer, ein veronesischer Edelmann, forderte von jedem Reiter ein Pferd und einen Harnisch, von dem Kaiser aber eine Summe Geldes, wenn er den Durchzug gestatten solle. Außerdem drohte er Jeden, der den Fußpfad betreten würde, durch Hinabrollen von Steinen zu zerschmettern. Unmöglich konnte der Kaiser die schmachvollen Bedingungen des verwegenen Raubritters eingehen; allein die Gefahr seiner braven Krieger schreckte ihn und er war nicht gesonnen, ihr Leben nutzlos auf's Spiel zu setzen. Als er nun in dieser Verlegenheit die Umgegend genauer betrachtete, gewahrte er mit dem ihm eigenen Scharfblicke, daß ein Felsen über der Burg einen passenden Angriffspunkt auf das Raubnest bildete. Ein Wink von ihm rief den tapfern Grafen Otto von Wittelsbach an seine Seite und bald darauf zog dieser an der Spitze von 200 Jünglingen, den kühnsten und unerschrockensten im ganzen Heere, hin auf die Berghöhe, um sich des Felsen zu bemächtigen. Einer auf dem Rücken des Andern, abwechselnd ihre Speere als Leitern gebrauchend, gelang es den 200 Helden, die steile Anhöhe zu ersteigen. Alsbald wehete, von des Wittelsbachers kecker Hand gepflanzt, die kaiserliche Fahne von der Felsenspitze herab und mächtige Felsstücke rollten donnernd auf den Raubritter und seine Genossen nieder. Nun entsank diesen der Muth; sie suchten zu fliehen, wurden aber theils von den niedergewälzten Felsstücken zerschmettert, theils gefangen. Unter den Gefangenen befand sich auch der Burgherr, mit Namen Alberich, der mit den Uebrigen, lauter angesehenen Edelleuten aus Verona, an einem schnell errichteten Galgen ohne Weiteres aufgeknüpft wurde.

 

4.

Mit Ruhm und Ehre gekrönt betrat Friedrich den deutschen Boden, dessen Bewohner dem mannhaften Kaiser fröhlich zujauchzten, daß er den deutschen Namen den Ausländern so furchtbar gemacht hatte. Allein es sollte das, was er in Italien ausgerichtet, nur ein Vorspiel von dem sein, was er künftig dort zu vollbringen gedachte. Die übermüthigen Mailänder trugen nicht wenig dazu bei, den Kaiser zu einem abermaligen Römerzuge zu reizen. Kaum hatte nämlich Friedrich mit seinem Heere den Boden Italiens verlassen, als sie auch sofort Anstalt trafen, das zerstörte Tortona wieder aufzubauen; sie zogen noch andere Städte in ihr Bündniß gegen den Kaiser, erneuerten den Krieg gegen Pavia und ließen dieses und andere kaiserliche Städte das Gewicht ihrer Uebermacht doppelt drückend empfinden. Abermals erschienen Gesandte beim Kaiser, ihn um Hülfe zu bitten, und Friedrich sagte sie abermals zu. Während sein Kanzler Reinald, der nachmalige Erzbischof von Köln, und der tapfere Otto von Wittelsbach nach Italien voraus eilten, die Ankunft Friedrich's zu verkündigen, sammelte der heldenmüthige Kaiser in den Gefilden von Augsburg ein Heer, wie noch keines von einem seiner Vorgänger nach Italien geführt worden war. Es zählte an 100,000 Mann und ward von den berühmtesten deutschen Fürsten und Feldherren befehligt. Im Jahre 1158 überschritt es die Alpen und sein Vortrab stand wenige Tage darauf unter dem tapferen Böhmenkönige Wladislav vor den Mauern von Brescia, einer Stadt, welche mit Mailand im Bunde dem kaiserlichen Ansehen Trotz zu bieten wagte. Der Anblick der gesammten deutschen Macht aber setzte die Brescianer in so gewaltigen Schrecken, daß sie um Gnade baten, 60 Geiseln aus den edelsten Familien der Stadt stellten und durch eine große Summe Geldes sich Schonung erkauften. So konnte Friedrich bereits am 6. August desselben Jahres die erste Belagerung von Mailand beginnen, nachdem er die Einwohner als Empörer und Feinde des Reichs in die Acht erklärt hatte. Nicht weniger als 60,000 Streiter zählte die große und wohlbefestigte Stadt in ihren Mauern und der Kaiser erkannte wohl, daß sein zahlreiches Heer doch nicht hinreichen würde zur völligen Einschließung der Stadt; auch konnten wegen des breiten mit Wasser gefüllten Grabens die Kriegsmaschinen zur Zerstörung der gewaltigen Mauern nicht angewendet werden. Friedrich theilte daher seine Kriegsmannen in sieben Heerhaufen, welche vor den sieben Thoren der Stadt sieben verschanzte Lager bezogen, um so die Mailänder durch Hinderung der Zufuhr zur Uebergabe zu zwingen.

Nun begann der Greuel der Verwüstung in einem weiten Kreise rings um die Stadt. Vor Allen zeichneten sich in der Zügellosigkeit ihrer Wuth bei der Verheerung des Landes die Italiener aus, besonders die Einwohner von Kremona und Pavia. Sie rissen die Weinstöcke, die Feigen- und Oelbäume aus dem Boden und verbrannten sie, und jede Hütte, die sie vorfanden, wurde niedergerissen. Nicht minder grausam bewiesen sie sich gegen die gefangenen Mailänder, die sie mit Pfeilen langsam todt schossen. Die Bürger von Mailand verteidigten sich tapfer und fügten durch ihre kühnen Ausfälle dem deutschen Heere manchen Schaden zu. Allein da sie es ganz versäumt hatten, sich mit Lebensmitteln zu versehen, so entstand schon nach wenig Tagen der drückendste Mangel; Seuchen und Krankheiten brachen aus und nahmen auf eine furchtbare Weise überhand. Da begaben sich die Mailänder in das kaiserliche Lager und baten demüthig um Frieden. Erst erschien der Erzbischof und die übrige Geistlichkeit, barfuß, in zerrissenen Kleidern, dann der Bürgermeister und der Adel, ebenfalls barfuß, mit entblößtem Haupte, in Lumpen gekleidet, mit einem bloßen Schwerte am Halse; endlich ein Theil des Volkes mit Stricken um den Hals, gleich als ob sie zum Galgen gingen. Alle warfen sich demüthig vor dem Kaiser nieder und fleheten um Gnade. Solche Demuth nach solchem Hochmuth war süße Rache für den Kaiser. Gerührt bewilligte er ihnen den Frieden unter gemäßigten Bedingungen.

 

5.

Jedoch bald zeigte es sich, daß ihre Unterwerfung nur scheinbar und das Werk der Noth gewesen war. Denn kaum war der Kaiser abgezogen, so wogte der Sinn für Freiheit und Unabhängigkeit und der Haß gegen die deutsche Oberherrschaft von Neuem auf. Sie jagten sogar den kaiserlichen Gesandten, der einen neuen Bürgermeister einsetzen wollte, schimpflich aus der Stadt. Da ergrimmte der Kaiser und schwur, nicht eher die Krone wieder auf sein Haupt zu setzen, als bis er die meineidige Stadt der Erde gleich gemacht habe. Zuerst griff er Krema an, Mailands unerschütterliche Freundin. Die Bürger wehrten sich hinter ihren Mauern auf das Hartnäckigste und reizten dadurch den Kaiser zu noch größerer Wuth. Er ließ 40 Bürger aus Krema, dir er als Geiseln in seinem Lager hatte, hinrichten; und die Kinder der vornehmsten Kremenser, die ihm gleichfalls als Geiseln übergeben worden waren, ließ er an einen beweglichen hölzernen Belagerungsthurm binden, von dem aus er die Mauern zu ersteigen hoffte! Umsonst! die Belagerten zerschmetterten mit ungeheuren Steinblöcken zugleich den Thurm und die Kinder und priesen diese glücklich, daß sie schon im zarten Alter einen so schönen Tod für's Vaterland sterben könnten. Nach sechsmonatlicher harter Belagerung mußte sich Krema endlich ergeben; die Bürger erhielten freien Abzug, die Stadt aber wurde dem Erdboden gleich gemacht.

Nun legte sich der Kaiser vor Mailand. Auch dieses leistete verzweiflungsvolle Gegenwehr. Allein abermals begann der grimmigste Feind der Belagerten, der Mangel, die Kräfte derjenigen zu lähmen, deren Muth durch kein anderes Mittel sich gebeugt hatte. Sie entschlossen sich endlich, drei ihrer Gesandten an den Kaiser zu senden, um wegen des Friedens zu unterhandeln. Allein noch ehe diese den Ort ihrer Bestimmung erreichten, wurden sie von einer Schaar deutscher Reiter aufgefangen und fortgeführt, ein Umstand, der die Mailänder bewog, in ihrer hartnäckigen Vertheidigung fortzufahren.

Schon war das Jahr 1161 verronnen und noch droheten die Wälle von Mailand unbesiegt den Belagerern entgegen. Friedrich's Zorn stieg immer höher und verleitete ihn jetzt zu Grausamkeiten, die seines hohen Charakters gänzlich unwürdig waren. Fünf der vornehmsten Gefangenen, welche bei dem nächsten Ausfalle der Mailänder in seine Hände fielen, ließ er beide Augen ausstechen, einem sechsten aber die Nase abschneiden, damit er im Stande sei, die übrigen Verstümmelten nach Hause zu führen. Allen denen, die durch Mitleid oder Gewinnsucht bewogen den Mailändern Lebensmittel zubrachten, wurde die rechte Hand abgehauen.

Mit jedem Tage ward das Elend der unglücklichen Stadt größer und nichts blieb ihnen übrig, als ein qualvoller Hungertod. Da beschlossen sie von Neuem, dem Kaiser Friedensanträge zu machen; aber dieser forderte Uebergabe der Stadt auf Gnade und Ungnade. Es blieb den Mailändern kein anderer Ausweg. Der 1. März des Jahres 1162 war der denkwürdige Tag der Uebergabe Mailands. Am Morgen desselben zogen die Konsuln und zwanzig der vornehmsten Edelleute, Alle mit bloßen Schwertern auf dem Nacken, in das Lager des Kaisers, um dem Ueberwinder die Stadt mit allen Gütern und Personen zu übergeben. Am folgenden Tage zogen abermals die Konsuln in's feindliche Lager und ihnen folgten in der Kleidung von Büßenden 300 der vornehmsten mailändischen Ritter, wobei die Stadtschlüssel und die Fahnen von 36 Thoren und Schlössern getragen wurden, um sie dem Kaiser zu überreichen. Am dritten Tage endlich kam das ganze Volk von Mailand, alle Kriegsleute mit der Fahne der Stadt. Als diese an Friedrich's Thronsitz gebracht und zum Zeichen der Unterwerfung niedergebeugt wurde, sprang der Kaiser zornig auf und riß den Saum der Fahne herunter – ein schlimmes Zeichen für das Volk, welches angstvoll harrend der Entscheidung des Siegers entgegensah. Finster blickte Friedrich um sich, mit düsterer Miene hörte er die Rede an, welche einer der Konsuln hielt, um Friedrich's Zorn zu beschwichtigen. Das Volk, welches zur Erde gesunken war, streckte laut jammernd die Kreuze empor, die es mit seinen Händen umfaßt hielt. Aber die Erbitterung in Friedrich's Herzen war zu groß. Ein Wink von ihm beschied endlich die Unglücklichen, aufzustehen und sie wurden mit der Erklärung entlassen, daß sie am folgenden Tage ihr Schicksal erfahren sollten. Umsonst benutzten die Mailänder diese Frist, die Kaiserin Beatrix zur Fürsprache zu bewegen. Die Fürstin zog sich in das Innerste ihrer Gemächer zurück und überließ die Bittenden ihrem Schicksal. Beatrix hatte, als Friedrich im Jahre 1158 auf seinem Heerzuge gegen Rom begriffen war, den Wunsch geäußert, die berühmte Stadt Mailand zu besehen. Gern hatte ihr der Kaiser diese Bitte gewährt. Kaum aber war sie durch das eine Thor eingezogen, als sie plötzlich von einem wüthenden Volkshaufen überfallen wurde. Man setzte sie rückwärts auf einen Esel und gab ihr statt des Zügels den Schwanz in die Hand. In dieser schimpflichen Stellung schleppte man sie durch die ganze Stadt und zum andern Thor wieder hinaus. Die Mailänder hatten daher keineswegs Ursache, die Kaiserin um ihre Fürsprache zu ersuchen. Friedrich war unerbittlich. Er gebot allen Bürgern auszuziehen und überließ die menschenleere Stadt den Nachbarn zur Plünderung und Zerstörung. Die Mauern, Thürme und die meisten öffentlichen Gebäude wurden niedergerissen. Die sonst so blühende Stadt bot innerhalb weniger Tage einen schauderhaften Anblick dar und selbst viele ihrer ehemaligen Feinde wurden zum Mitleid gerührt.

 

6.

So furchtbare Strafe erregte in Italien Schrecken und Erbitterung zugleich. Noch mehr wuchs diese Erbitterung durch die Bedrückungen und Erpressungen, deren sich die kaiserlichen Statthalter schuldig machten. Bald schlang die gemeinsame Noth ein allgemeines Band um die lombardischen Städte, an deren Spitze sich jetzt Verona stellte. Die Hauptstütze dieses mächtigen Städtebundes aber war des Kaisers erbittertster Feind, der kühne und kluge Papst Alexander III., der Nachfolger Hadrian's. Im Jahre 1163 zog der Kaiser zum dritten Male nach Italien. Nur wenige Ritter begleiteten ihn, denn als Herr, nicht als Eroberer wollte er auftreten. Er wollte versuchen, die neuen Gährungen durch den Glanz seiner Majestät zu beschwichtigen. Aber das gelang ihm nicht, und seine Feinde, die jetzt einig waren, nöthigten ihn zu schleuniger Rückkehr nach Deutschland. Darauf zog der Kaiser im Jahre 1166 zum vierten Male mit Heeresmacht über die Alpen und wandte sich mit seinem Heere zuerst gegen Rom, um den Papst zu züchtigen. Die Stadt wurde mit Sturm genommen, der Papst aber rettete sich durch die Flucht. Doch der Vortheil dieses Sieges ging für den Kaiser ganz verloren, denn es brach eine furchtbare Seuche aus, welche die Blüthe des Heeres dahin raffte. Die Freunde des Papstes erklärten sie für eine Strafe des erzürnten Himmels. Fast ganz allein, heimlich und verkleidet, eilte Friedrich über die Alpen nach Deutschland zurück.

Unterdessen richteten die lombardischen Städte, durch des Kaisers Anwesenheit nicht mehr geschreckt, wieder kühn ihr Haupt empor. Schnell erhoben sich auch Mailands Mauern wieder. Schmähsäulen gegen den Kaiser und seine Gemahlin wurden an seine Thore gesetzt. In der Ebene zwischen Asti und Pavia wurde in aller Eile eine starke Festung erbaut und dem Kaiser zum Hohne, dem Papste »Alexander« aber zu Ehren, Alexandria genannt. So gerüstet, fürchteten die Italiener den Kaiser nicht.

 

7.

Nicht ohne Mühe brachte der Kaiser zu einem neuen Zuge über die Alpen ein Heer in Deutschland zusammen. Mit diesem brach er im Jahr 1174 auf, ging über den Berg Cenis und belagerte Alexandria. Es war Winter, häufiger Regen durchnäßte den ohnehin sumpfigen Boden. Krankheiten und Ungemach aller Art schwächten das deutsche Heer. Dennoch wollte Friedrich vor einer Stadt nicht weichen, die ihm zum Trotze war erbaut worden. Sieben Monate lag er vor ihren Wällen; da kam die Nachricht, ein großes lombardisches Heer sei im Anzuge. Der Kaiser mußte mit seinen erschöpften Truppen so schnell die Belagerung aufheben, daß er sein Lager den Flammen preis gab.

Dieser mißlungene Versuch schlug jedoch den Muth und die Hoffnung Friedrich's nicht nieder; denn er erwartete noch Verstärkung durch mehrere deutsche Fürsten, vor Allem aber den Zuzug Heinrich's des Löwen, seines tapfersten Waffengefährten in den früheren Kriegen mit den Lombarden. Der Löwe kam aber nicht. Heinrich hegte immer noch alten Groll und hatte die Klagen nicht vergessen, welche die Welfen gegen die Hohenstaufen führten. Friedrich, dem in dieser Noth alles an dem Beistande des mächtigen Herzogs lag, lud ihn zu einer Unterredung ein und Heinrich begab sich wirklich mit seinem Gefolge nach Chiavenna. Hier erinnerte ihn der Kaiser an die vielen Beweise von Freundschaft und Liebe, die er ihm gegeben, an die Länder, die er ihm zugewandt hatte und bat und flehete, er möchte ihn doch in diesem Augenblicke, wo des deutschen Vaterlandes Ehre auf dem Spiel stehe, nicht verlassen. Umsonst! der stolze Löwe blieb ungerührt. Zuletzt warf sich ihm der Kaiser sogar zu Füßen und umfaßte flehend die Kniee des Unerbittlichen. Auch diese Demüthigung beugte nicht den Sinn des Stolzen. Da nahete sich dem Kaiser würdevoll seine Gemahlin und sprach: »Lieber Herr, stehe auf! Gott wird dir Hülfe leisten, wenn du einst dieses Tages und dieses Hochmuthes gedenkest.« Und der Kaiser erhob sich, Heinrich aber ritt trotzig nach Deutschland zurück.

Unterdessen kamen die Lombarden mit einem gewaltigen Heere von Mailand herangezogen. In ihrer Mitte führten sie das Heiligthum der Stadt, Carocium genannt. Dieses war ein rother Wagen, auf welchem sich ein eiserner Baum mit eisernen Blättern erhob. Auf der Spitze des Baumes stand ein großes Kreuz, auf dessen Vorderseite der heilige Ambrosius, Mailands Schutzheiliger, abgebildet war. Eine auserlesene Schaar von Bürgern hatte es übernommen, diesen Heerwagen der Stadt zu vertheidigen. So zogen sie, ihren Schutzheiligen in der Mitte, muthig zum Kampfe aus. Bei Legnano stießen sie auf das kaiserliche Heer. Da sanken die Schlachtreihen der Mailänder auf die Kniee und fleheten im Angesicht der Feinde den Himmel um Beistand zu dem bevorstehenden Kampfe an. Dann begann die blutige Schlacht. Der Kaiser selbst focht heldenmüthig an der Spitze; schon neigte sich der Sieg auf seine Seite. In diesem entscheidenden Augenblicke erneuerten 900 edle Bürger Mailands, die Schaar des Todes genannt, weil sie geschworen hatten, zu siegen oder zu sterben, mitten in der Schlacht den heiligen Eid und stürzten sich mit Ungestüm auf den siegenden Feind. Das Hauptbanner des Kaisers wurde genommen, er selbst von seinem Streitrosse gestürzt. Die Seinigen hielten ihn für todt und wichen bestürzt zurück. Nur ein geringer Theil entkam mit dem fliehenden Kaiser unter dem Schutze der Nacht dem Racheschwerte der Lombarden. So vernichtete der blutige Tag bei Legnano im Jahre 1176 die Arbeit von zwanzig Jahren.

Durch den Verlust einer so entscheidenden Schlacht sah sich der Kaiser genöthigt, mit seinen aufrührerischen Städten einen unrühmlichen Waffenstillstand auf sechs Jahre zu schließen. Auch mit seinem alten Feinde, dem Papste Alexander, söhnte er sich aus und küßte ihm zu Venedig ehrerbietig den Fuß.

 

8.

Tief gebeugt kehrte er nach Deutschland zurück, mit Zorn im Herzen gegen Heinrich den Löwen, dessen Widerspenstigkeit allerdings mit an dem Unglück bei Legnano Schuld war. Darum gab er gern den Feinden Heinrich's Gehör, welche bittere Klagen führten über des Herzogs Stolz und Anmaßung. Der erzürnte Kaiser lud ihn vor seinen und seiner Freunde Richterstuhl auf mehrere Reichstage, allein Heinrich erschien nicht. Da wurde er zur Strafe seiner Herzogthümer und anderer Lehen verlustig erklärt. Sachsen erhielt Graf Bernhard von Anhalt, Sohn jenes Albrecht des Bären, welcher den ersten Grund zu Brandenburgs Größe legte; Baiern aber bekam der Pfalzgraf Otto von Wittelsbach, Stammvater des noch jetzt regierenden baierschen Hauses.

Aber der alte Löwe sah nicht so ruhig der Theilung seiner Länder zu. Er griff zu den Waffen; doch er war der vereinigten Macht des Kaisers und der Fürsten nicht gewachsen. Geschlagen eilte er nach Erfurt, warf sich dort seinem Kaiser zu Füßen und flehete um Gnade. Da gedachte Friedrich des Tages zu Chiavenna und des Wechsels der menschlichen Schicksale. Gerührt und mit Thränen in den Augen hob er seinen ehemaligen Freund und Waffengefährten auf und sprach: »Dennoch bist du selbst die Ursache deines Unglücks.« Er begnadigte ihn, doch unter der Bedingung, daß er drei Jahre lang das beleidigte Vaterland meide; sein väterliches Erbe, Braunschweig und Lüneburg, ward ihm gelassen. Heinrich der Löwe ging im Frühling 1182 in die Verbannung nach England zu dem König Heinrich, dem Vater seiner Gemahlin Mathildis, nicht ahnend, daß sein Stern, nachdem er in Deutschland untergegangen war, glanzvoll dereinst in diesem Eilande wieder aufgehen würde. Denn 500 Jahre nachher bestiegen seine Nachkommen, die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg, den englischen Thron.

Unterdessen war der Waffenstillstand mit den Lombarden abgelaufen. Allein das gegenseitige Unglück hatte beide Parteien zu milderen Gesinnungen gebracht. Im Jahre 1183 kam deshalb zu Kostnitz ein vollständiger Friede zu Stande. Darauf zog der Kaiser zum letzten Male, aber friedlich, nach Italien und wurde von den Lombarden überall mit Jubel empfangen. Auch mit dem Könige der Normänner in Unteritalien, welcher die welfische Partei fortwährend unterstützt hatte, söhnte er sich aus. Seinen Sohn und Nachfolger Heinrich vermählte er sogar mit der normannischen Prinzessin Konstantia, der Erbin von Neapel und Sicilien. Erst diese Verbindung schien ihm die Größe des hohenstaufischen Hauses fest zu begründen und doch ward sie die Ursache seines Unterganges.

 

9.

Unter so vielen Stürmen, die das Leben des Kaisers fortwährend bewegt hatten, war er bereits zum Greise geworden. Jetzt, am Abend seines Lebens, widmete er sein Schwert der Sache Gottes. Saladin, der Sultan von Aegypten, ein junger kühner Held, breitete damals seine Eroberungen unaufhaltsam nach allen Seiten aus. Er eroberte Syrien, drang siegreich in Palästina vor, belagerte Jerusalem und eroberte es nach kurzem Widerstande im Jahre 1187, nachdem es 88 Jahre in den Händen der Christen gewesen war. Er ließ das goldene Kreuz von der Kirche des heiligen Grabes hinabstürzen und als Siegeszeichen an den Kalifen von Bagdad schicken. Uebrigens aber bewiesen die Muhamedaner bei dieser Eroberung weit mehr Menschlichkeit, als früher die Christen.

Die Nachricht dieses Verlustes erregte die größte Bestürzung, die größte Trauer in der ganzen Christenheit. Der Papst starb vor Betrübniß. Sein Nachfolger forderte alle christlichen Fürsten und ihre Völker auf, die heilige Stadt zum zweiten Male den Händen der Ungläubigen zu entreißen. Es entstand im Abendlande wieder eine allgemeine Bewegung, von der Meerenge von Messina bis an den großen und kleinen Belt.

Mit dem Frühlinge des Jahres 1189 versammelten sich die Kreuzfahrer aus allen Gegenden Deutschlands bei Regensburg. Ihre Zahl belief sich auf 150,000. Der alte Barbarossa stellte sich an ihre Spitze. Die Regierung des Reichs überließ er seinem Sohne, dem nachmaligen Kaiser Heinrich VI. Kaum hatte das Kreuzheer den Boden des griechischen Reichs betreten, als die heimtückischen Bewohner desselben nach alter Weise ihm auf alle Art zu schaden suchten. Isaak, der damalige griechische Kaiser, wollte dem deutschen Kaiser nicht einmal den Kaisertitel geben, sondern nannte ihn blos den ersten Fürsten Deutschlands, sich selbst aber ließ er den Heiligen nennen. Ja, einer seiner Gesandten hatte die Verwegenheit, dem deutschen Kaiser zu sagen, Friedrich sei dem heiligen Kaiser Isaak Gehorsam schuldig und das um so mehr, da er jetzt mit allen seinen Pilgern wie in einem Netze gefangen sei! Friedrich gab ihm aber zur Antwort: »Durch die Wahl der Fürsten und des Papstes Bestätigung bin ich Kaiser, nenne mich aber, meiner Sünden eingedenk, nicht einen Heiligen. Für jetzt hat uns Gottes Gnade die Herrschaft auch im griechischen Reiche so weit gegeben, als wir sie zu unserem großen Zwecke bedürfen; und die Netze, mit denen ihr drohet, werden wie Spinngewebe zerreißen.« Auf seinem ganzen Zuge durch das griechische Reich hatte der Kaiser mit Nachstellungen zu kämpfen. Nur mit Mühe erreichte er endlich Kleinasien. Dort kamen die Kreuzfahrer in wüste, wasserlose Gegenden; es trat ein solcher Mangel ein, daß man sogar Pferdefleisch aß und Pferdeblut trank. Zudem umschwärmten leichte türkische Reiter das Heer Tag und Nacht. Nie hatten die Pilger Ruhe; sechs Wochen lang durften sie die Rüstung gar nicht ablegen. Ermattet stießen sie endlich auf ein türkisches Heer von 300,000 Mann. Allein Friedrich verzagte nicht. Mit wenigen aber kräftigen Worten sprach er den Seinigen Muth ein. Alle empfingen das heilige Abendmahl und stürzten dann, im Vertrauen auf Gott, für dessen Ehre sie fochten, mit solcher Gewalt in die Feinde, daß 10,000 von diesen erschlagen, die übrigen nach allen Seiten hin zerstreut wurden. Dieser Sieg erfrischte den Muth der erschöpften Pilger wieder. Unter vielen Mühseligkeiten und Gefahren setzten sie den Zug fort und kamen glücklich zur Stadt Seleucia am Flusse Kalykadnus oder Saleph. Hier aber war dem greisen Helden seine Grenze bestimmt. Weil die Brücke über jenen Strom nur schmal war und deshalb der Zug nur sehr langsam vorwärts ging, so beschloß der Kaiser, des Zögerns müde, hindurch zu schwimmen. Man warnte ihn, er möchte sich nicht dem unbekannten Wasser anvertrauen; aber furchtlos wie immer sprengte er mit dem Pferde in den Strom. Da aber ergriffen die Wellen den allzukühnen Greis und rissen ihn fort. Er arbeitete sich zwar wieder empor und ein Ritter, der ihm eiligst nachgeschwommen war, ergriff ihn, aber Beide geriethen in einen Wirbel des Stromes, der sie auseinander riß. Ein Zweiter, der sich mit dem Pferde in's Wasser geworfen hatte, brachte den Kaiser zwar an's Land, aber als Leiche.

Ueber alle Beschreibung war die Trauer und Bestürzung des Heeres. Jeder glaubte, in dem Kaiser seinen Vater verloren zu haben. Mehrere kehrten sogleich zu Schiffe in ihre Heimath zurück. Das übrige Heer führte des Kaisers Sohn, Herzog Friedrich, bis zur Stadt Akra und belagerte sie lange. Aber eine unter dem Kreuzheer ausgebrochene Seuche raffte den hoffnungsvollen Jüngling dahin. Nach ihm übernahm Herzog Leopold von Oestreich die Führung des Heeres.

 

10.

In Deutschland wollte man lange nicht glauben, daß der Schirmherr des Reiches, der gefürchtete und geachtete Kaiser Rothbart, wirklich gestorben sei. Die Volkssage hat ihn nach Thüringen, in die Burg Kyffhausen, versetzt. Dort sitzt er im unterirdischen Saale nachdenkend und sinnend am marmornen Tische. Zu Zeiten gelingt es einem Sterblichen, in jenes Gemach zu dringen. Dann wacht der Kaiser aus seinem Schlummer auf, schüttelt den rothen Bart und begehrt Kunde, ob noch krächzende Raben den Kyffhäuserberg umkreisen. So lange die schwarzen Vögel noch um die Felsenkrone flattern und ein Adler sie nicht hinweggetrieben hat, so lange – meldet die Sage – verharrt auch der Alte noch in seiner verzauberten Burg. Vernimmt er, daß sie noch kreischen, so blickt er düster vor sich hin, seufzt tief und spricht: »Schlafe wieder ein, müde Seele! Noch muß ich hundert Jahre harren, bevor ich wieder unter meinem Volke erscheine.« Zuletzt soll den schlummernden Kaiser ein Hirt gesehen haben, der seine Ziege durch die goldene Aue trieb und sich am Kyffhäuserberg verirrte. Der Bart des Kaisers war beinahe um den Marmortisch geschlungen. Wenn er denselben ganz bedeckt, dann erwacht Friedrich Barbarossa und die Raben sind verscheucht.

 

3. Friedrich II. (1250 n. Chr.).

 

1.

Heinrich VI., der Sohn Friedrich Barbarossa's, hatte sich durch Habsucht und Grausamkeit verhaßt gemacht, und als er gestorben war, wollten weder Deutsche noch Sicilianer seinen Sohn Friedrich, der noch ein unmündiges Kind war, anerkennen, doch seiner klugen Mutter Konstantia gelang es mit Hülfe des Papstes, daß er zum König von Sicilien und Neapel gekrönt wurde. In Deutschland aber loderte der Streit zwischen Welfen und Hohenstaufen mit erneuter Heftigkeit aus. Die eine Partei wählte Otto, einen Sohn Heinrich's des Löwen, die andere den Herzog Philipp von Schwaben, einen Sohn des Barbarossa und Oheim des zweiten Friedrich. Mit furchtbarer Wuth kämpften die beiden Gegenkönige zehn Jahre lang um den Besitz der Krone. Die verderbliche Zwietracht zwischen Welfen und Hohenstaufen drang bis in das Innere der Häuser und Familien. Raub, Mord und Grausamkeit aller Art wütheten so schauderhaft, daß selbst Kirchen und Klöster nicht verschont blieben. Handel und Gewerbfleiß verfielen, und da König Philipp die großen Schätze und Güter der Hohenstaufen zu Bestechungen verschwendete, so schwand auch alle Redlichkeit und die Fürsten und Herren verkauften ihre Treue schamlos an den, der sie am besten bezahlte. Endlich wandte sich jeder der beiden Gegenkönige an den Papst und so räumten sie diesem aus freien Stücken das oberste Recht der Entscheidung in Sachen des deutschen Vaterlandes ein. Papst Innocenz III. war ein sehr kluger Mann. Vorsichtig prüfte er, welcher von beiden Nebenbuhlern der Kirche gehorsamer und für Italien weniger gefährlich sei. Anfangs entschied er sich für den Welfen Otto IV., weil er nicht blos die Macht, sondern auch den Geist der Hohenstaufen fürchtete, der immer der kirchlichen Herrschaft widerstrebte. Philipp wurde in den Bann gethan und im Jahre 1208 in einem Streite mit dem Pfalzgrafen von Wittelsbach von diesem ermordet. – Nun stand Otto IV. ohne Nebenbuhler da, aber da er nicht ein unterthäniger Diener des Papstes sein mochte, wurde er auch von Innocenz in den Bann gethan und der junge Friedrich zum deutschen Könige erwählt, weil dieser, unter dem Schutze der Kirche von einem päpstlichen Legaten erzogen, ein gehorsameres Werkzeug des Papstes zu werden versprach. Von seinem hochgebildeten Geiste, von seiner Liebe zu den Wissenschaften und zur Dichtkunst, war ihm schon ein guter Ruf, nach Deutschland vorangegangen und die Freunde der Hohenstaufen waren hocherfreut, den Enkel des Barbarossa als Herrscher begrüßen zu können.

 

2.

Friedrich II. war damals ein Jüngling von 18 Jahren, anmuthig von Gestalt, durch sein blondes Haar gleich als Deutscher zu erkennen. Gleich als wäre ein Zauber in seinem Wesen, so huldigten ihm die Herzen Aller, die ihn sahen. Schwere Gefahren hatten ihn schon in der Wiege umringt; wie durch Wunder beschützt, war er inmitten des Unglücks erwachsen. Aber eben diese Schule des Unglücks hatte seinen Willen gestählt, seinen Geist erleuchtet. Als ihm nun die Botschaft aus Deutschland kam, ermunterte ihn auch Innocenz, die deutsche Krone anzunehmen; mit kluger Vorsicht forderte er aber das Versprechen, daß er die Krone Unteritaliens nie mit der von Deutschland vereinigen wollte. Denn einen mächtigen Nachbar mochte der Kirchenfürst nicht leiden.

Der Gedanke an die deutsche Krone begeisterte Friedrich's Herz. Zwar fleheten ihn seine treuen Räthe an, und seine Gattin, Konstantia von Aragonien, welche ihm der Papst bereits im 15ten Jahre gefreit und die ihm eben ein Söhnlein, mit Namen Heinrich, geboren hatte, beschwor ihn, er möchte doch in seinem Erbreich Unteritalien und Sicilien bleiben; doch jede Vorstellung und Bitte war vergeblich. Friedrich zog muthig und hoffnungsreich durch alle Gefahren, womit ihn seine Feinde, besonders die Städte der Lombardei, umstellten und stieg über die Alpen nach Deutschland hernieder. Wo er sich blicken ließ, im Thurgau und Schwabenland, begrüßten ihn Adel und Volk als rechten König. Von Ort zu Ort, je weiter er kam, wuchs sein Anhang und Kaiser Otto IV. wich nach Sachsen zurück. Am 25. Juli 1215 wurde Friedrich in Aachen feierlich als deutscher König gekrönt und nach der Krönung that er aus Dankbarkeit gegen den Papst das Gelübde, einen Kreuzzug zu unternehmen.

 

3.

Der junge Kaiser bekam vollauf zu thun, denn in Deutschland wie in Italien war große Unordnung und Verwirrung. Die Ritter brachen aus ihren festen Burgen und die freigelassenen Leibeigenen bildeten eine Art von Räuberbanden, so daß die armen Bauern mit Sorgen ihr Feld baueten. Friedrich ordnete den Landfrieden an und bestellte einen Hofrichter, der alle Tage zu Gericht sitzen sollte über die Friedensstörer. Aber das Unglück war, daß er nicht lange in Deutschland verweilte, um seinen Gesetzen Nachdruck zu geben. Seine größte Sorge war auf die Erbländer gerichtet; hier gedachte er sich eine feste Macht zu gründen, um dereinst als Herr des vereinigten Deutschlands und Italiens den alten Glanz der Kaiserkrone wieder herzustellen. Nachdem er die übermüthigen Burgherren in Sicilien und Apulien gedemüthigt hatte, ließ er durch seinen vertrauten Freund, den gelehrten Kanzler Peter von Vineis, eine ganz neue Gesetzgebung aufstellen, welche in vielen Punkten dem römischen Kirchenrechte widersprach. Was er für Deutschland vernachlässigte, die Pflege und Hebung der Städte, das führte er in seinen Erbländern aus; er berief nicht blos die geistlichen Fürsten und die Ritter und den Adel als Abgeordnete, sondern auch die Städte. Kunst und Wissenschaft blüheten herrlich auf; der Kaiser schrieb selbst ein Buch über die Vögel, die Naturgeschichte des Aristoteles ließ er übersetzen; in Neapel wurde eine Hochschule errichtet, prachtvolle Werke der Baukunst erhoben sich und der kaiserliche Hof erscholl vom Klange der Lieder, von Minnegesang und den Sprüchen der morgenländischen Weisen. Von einem ägyptischen Sultan hatte Friedrich ein Zelt geschenkt bekommen, an dem der Lauf der Gestirne durch eine kunstreiche Maschinerie vorgestellt wurde. Um Handel und Schifffahrt zu beleben, stiftete er nicht nur Märkte, sondern sicherte auch die Kaufleute gegen Gewaltthätigkeiten und Bedrückungen und verschaffte ihnen durch seine Bündnisse mit den muhamedanischen Fürsten in Syrien und Aegypten Gelegenheit zum Handel mit ostindischen Waaren.

 

4.

Während aber Friedrich so an der Blüthe seiner Erbländer arbeitete, zerfiel er mehr und mehr mit den Päpsten. Wiederholt war er von dem Papste Innocenz III. und von dessen Nachfolger Honorius III. an sein Versprechen, einen Kreuzzug zu unternehmen, erinnert worden; allein der Kaiser fühlte, wie nöthig seine Gegenwart daheim sei und schob den Zug nach Asien hinaus. Nach dem Tode des Honorius übernahm Gregor IX. die päpstliche Würde, ein Greis an Jahren, ein Mann an Thatkraft, ein Jüngling an Leidenschaft. Dieser drohete dem Kaiser sogleich mit dem Bannfluche, wenn er länger säumen würde. Da merkte Friedrich wohl, daß er den zürnenden Kirchenfürsten nicht länger mit Versprechungen hinhalten durfte und schiffte sich wirklich zu Brindisi in Unteritalien ein. Aber schon nach wenigen Tagen kehrte er wieder zurück. Eine Seuche war auf der Flotte ausgebrochen und der Kaiser selbst davon ergriffen worden. Obgleich er dem Papste die Ursache dieser neuen Zögerung anzeigte, so war doch dessen Zorn nicht zu besänftigen. Gregor hielt die ganze Krankheit für erdichtet und sprach sogleich den Bann über Friedrich aus. Vergebens suchte sich dieser im Bewußtsein der Schuldlosigkeit zu vertheidigen; um aber der Christenheit zu zeigen, daß er es mit dem Kreuzzuge wirklich ehrlich gemeint habe, schiffte er sich gleich nach seiner Genesung ein. Jedoch versöhnte er hierdurch den Papst nicht; derselbe erließ sogar an die Geistlichkeit und an die Ritterorden in Palästina die strengsten Befehle, den Kaiser auf keine Weise zu unterstützen, weil ein mit dem Fluche der Kirche Beladener des Kampfes für die Sache Gottes unwürdig sei. Allein Friedrich war viel glücklicher, als man erwartete. Er hatte schon längst mit dem Sultan Kamel von Aegypten geheime Unterhandlungen gepflogen; nun lernte er diesen persönlich kennen. Da beide Herrscher, der Kaiser wie der Sultan, gleich große Männer waren an Bildung des Geistes, Ritterlichkeit und Edelmuth, so gewann Friedrich bald die Hochachtung und Liebe des Sultans und erreichte das, was ganzen christlichen Heeren nicht gelungen war. Im Triumph zog er (1229) in Jerusalem ein, und weil der Patriarch dieser Stadt ihn als einen Gebannten nicht krönen wollte, setzte sich Friedrich die Krone selber auf's Haupt. Kraft des Friedensvertrages war auch den Muhamedanern gestattet, im Tempel Salomo's nach ihrem Glauben dem Einen ewigen Gott zu dienen, dessen Kinder ja alle Völker und Nationen sind und der jedes Gebet gnädig annimmt, wenn's nur recht von Herzen kommt. Diese schöne freisinnige Ansicht Friedrich's II. mußte jedoch dem Papste durchaus verwerflich erscheinen, weil die römisch-katholische Kirche von dem Grundsatze ausging, daß nur in ihr allein der wahre Glaube zu finden sei, durch welchen die Menschen selig werden können. Für die hohen Gedanken Friedrich's war das Zeitalter noch nicht reif und so kämpfte der Kaiser zugleich gegen den Papst und die Vorstellungen des Abendlandes. Kein Wunder, daß er in dem Kampfe unterliegen mußte!

Gregor IX. war nun eben so heftig darüber erzürnt, daß Friedrich II. trotz des Bannes den Kreuzzug unternommen hatte, wie früher darüber, daß er denselben hinausgeschoben. Während der Kaiser Jerusalem erwarb, hatte Gregor Kriegsvolk besoldet, welches in Unteritalien feindlich eindrang. Ferner hatte er, ganz so wie die früheren Päpste, sich mit den welfisch gesinnten Städten der Lombardei verbunden; endlich sogar hatte er auch die deutschen Fürsten zum Abfall vom Kaiser aufzureizen gesucht, was ihm jedoch nicht gelungen war. Als Friedrich aus dem Morgenlande nach Italien zurückkehrte, liefen die päpstlichen Schlüsselsoldaten (sie trugen Peters Abzeichen, den Schlüssel, auf den Kleidern) so eilig sie konnten davon und die Feinde des Kaisers in der Lombardei zögerten erschrocken, dem Papste beizustehen. Da blieb diesem nichts Anderes übrig, als mit dem Kaiser Frieden zu schließen und ihn vom Banne zu erlösen.

 

5.

Indem Friedrich das Kaiserthum in seiner vollen Macht herzustellen sich bemühete, wankte ihm doch der Boden überall unter den Füßen. Seinen schlecht erzogenen Sohn Heinrich hatte er nach Deutschland als seinen Stellvertreter gesandt und ließ ihm dann von Italien aus die Befehle zukommen. Aber der Sohn hörte lieber auf die Worte der Schmeichler, die ihm also zusprachen: »Herr, was gehorcht Ihr doch immerdar Eurem Vater, welcher fern ist und sich um Deutschland nicht kümmert? Wißt Ihr denn nicht mehr, daß er selber hoch und theuer geschworen hat, Deutschland und Italien nie zu vereinigen?« Da schwoll Heinrich's Herz von unbändigem Ehrgeiz; er beschloß, von seinem Vater abzufallen und die Fürsten für sich zu gewinnen. Er nannte sie »Landesherren« und beschränkte die Freiheit der Städte. Friedrich, der über die freien lombardischen Städte aufgebracht war, fürchtete, daß die deutschen Städte auch ihre Freiheit gegen den Kaiser mißbrauchen möchten, und bestätigte Heinrich's Beschlüsse. Dennoch blieben ihm, als der Sohn wirklich von ihm abfiel, die deutschen Städte treu und später mochte er wohl anerkennen, daß er besser gethan hätte, die Städte gegen die Fürsten zu unterstützen.

Als Kaiser Friedrich den Verrath seines Sohnes und dessen Bündniß mit den Lombarden erfuhr, begab er sich schnell nach Deutschland, zwar ohne Heer, aber im Vertrauen auf die deutsche Treue, und darin täuschte er sich nicht. Siebenzig geistliche und weltliche Fürsten erklärten auf dem Reichstage zu Regensburg Heinrich für schuldig. Dieser mußte sich der Gnade seines Vaters ergeben und erhielt, durch Vermittelung des trefflichen Hochmeisters des deutschen Ritterordens, Hermann von Salza, Verzeihung. Als er aber in thörichtem Stolz bald wieder auf Verrath sann, ließ ihn der Vater greifen und gefangen nach Apulien führen; dort starb er zu Friedrich's großem Herzeleid in einem festen Schloß.

In demselben Jahre (1235), in welchem Heinrich's Verrätherei erstickt ward, feierte der Kaiser noch ein fröhliches Fest. Friedrich war Wittwer und warb um die schöne Isabella, Tochter des Johann ohne Land, des Bruders von Richard Löwenherz. Als die Kaiserbraut nach Deutschland kam, wurde sie überall auf das Prachtvollste empfangen, besonders aber in Köln. Zehntausend Bürger, alle zu Pferde und köstlich geschmückt, holten sie feierlich ein. Auch fuhren ihr Schiffe auf trocknem Lande entgegen. Es waren Wagen, wie Schiffe gebaut, mit Flaggen und Wimpeln. Die Pferde waren unter Purpurdecken verborgen. In den Schiffen saßen Geistliche und ließen zu Orgel- und Flötentönen heilige Lieder erklingen. Als die Braut durch die festlich geschmückten Straßen fuhr und an allen Fenstern, auf allen Balkons die fröhliche Menge sah, nahm sie Hut und Schleier ab und grüßte freundlich. Da priesen Alle unter lautem Jubel ihre ausnehmende Schönheit und Herablassung. Vier Könige, elf Herzöge und dreißig Grafen wohnten der Vermählungsfeier bei.

 

6.

Neue Unruhen riefen den Kaiser nach Italien zurück. Hier hatten sich während seiner Abwesenheit die lombardischen Städte, Mailand an der Spitze, von Neuem empört. Friedrich eroberte mehrere der verbündeten Städte und schlug (1237) bei Cortenuova die Mailänder so entscheidend, daß sie selbst ihren Fahnenwagen verloren. Der Bürgermeister von Mailand ward gefangen und Friedrich ließ ihn auf den Fahnenwagen setzen und beide Siegeszeichen durch seinen Elephanten über Kremona nach Rom bringen. Umsonst boten die Mailänder an, ihn als Herrn anzuerkennen, ihr Gold und Silber auszuliefern und 10,000 Mann zum Kreuzzuge zu stellen. Aber Friedrich verlangte Ergebung auf Gnade und Ungnade und so beschlossen die Mailänder, lieber mit dem Schwerte in der Hand sterben zu wollen. Sie griffen abermals zu den Waffen; bald trat auch der Papst auf ihre Seite und erneuerte den Bann gegen Friedrich. So wiederholte sich der unselige Streit, der Italiens Boden mit dem Blute von Tausenden tränkte. Zu diesem Wirrsal kam noch ein großes Ungewitter, das von Osten her gegen das deutsche Reich heranzog.

Unter dem wilden Volke der Mongolen, welche im nördlichen Asien den Gebirgsrücken des Altai und die Wüsten Sibiriens bewohnten, war im Jahre 1206 ein großer Eroberer aufgetreten, mit Namen Dschingis-Khan, d. i. der große Fürst. Er unterwarf sich alle ihm benachbarten Khans und eroberte an ihrer Spitze einen großen Theil Asiens. Niedergebrannte Städte und Dörfer bezeichneten den Weg dieser Barbaren. Nach dem Tode des furchtbaren Helden setzten dessen Söhne die Eroberungen fort. Unter schrecklichen Verwüstungen zogen sie durch Rußland und Polen bis an die Oder und kamen in die Gegend von Liegnitz in Schlesien. Hier, unweit Wahlstatt, stellte sich ihnen im Jahre 1241 Herzog Heinrich von Schlesien mit vielen deutschen Rittern entgegen. Blutig war die Schlacht; die Deutschen an Zahl zu klein, wurden besiegt, Herzog Heinrich selber fiel. Doch zogen die Mongolen nicht weiter; sie hatten die Tapferkeit der Deutschen kennen gelernt, auch schreckte sie die Menge der festen Burgen. Nachdem sie mit den abgeschnittenen Ohren der Erschlagenen mehrere Säcke zum Zeichen ihres Sieges angefüllt hatten, kehrten sie über Ungarn nach Asien zurück.

 

7.

Gregor IX., der furchtbare Gegner des Kaisers, war gestorben und ein anderer Papst, ein nicht minder zu fürchtender Feind Friedrich's, folgte ihm. Innocenz IV. war sein Name. Als Kardinal war derselbe noch Friedrich's Freund gewesen, als Papst aber änderte er seine Gesinnung. Als der Kaiser die Wahl desselben erfuhr, sprach er ahnungsvoll: »Ich fürchte, daß ich in dem Kardinal einen Freund verloren und in dem Papste einen Feind bekommen habe, denn kein Papst kann Ghibelline sein!« Und so war's auch. Von dem Augenblicke an, da Innocenz den päpstlichen Stuhl bestieg, trachtete er nach der Vernichtung des Kaisers. Um sich aus der gefährlichen Nachbarschaft desselben zu entfernen und freier handeln zu können, entfloh er heimlich aus Italien nach Lyon. Dort berief er eine allgemeine Kirchenversammlung und zugleich erneuerte er den Bann gegen den Kaiser. Gleich nach dem Johannisfeste 1245 begann das Concil. Viele der angesehensten Prälaten aus Frankreich, Spanien, England, noch mehrere aus Oberitalien hatten sich eingefunden, aber aus Deutschland nur wenige. In dieser Versammlung beschuldigte nun der Papst den Kaiser aller nur möglichen Verbrechen und Laster. Muthig vertheidigte Friedrich's treuer Kanzler, Thaddäus von Suessa, die Unschuld und die Rechte seines Herrn. Vergebens! Innocenz IV. beherrschte die Prälaten mit eisernem Willen, verfluchte den Kaiser und Jeden, der ihm anhängen würde, zur Hölle, entband dessen Völker feierlich von allen Eiden der Treue und gebot den deutschen Fürsten, einen andern König zu wählen. Nach diesem ungerechten Spruch stimmte er, mit eiserner Stirn, den Gesang an: »Herr Gott, dich loben wir!« und stieß dann sammt allen Prälaten die brennende Fackel zu Boden mit den Worten: »So wie diese Fackel, soll des Kaisers Macht erloschen sein!«

Als dem Kaiser diese Nachricht überbracht wurde, rief er von Zorn erglühend: »Mich hat der Papst und seine Versammlung abgesetzt, mich der Krone beraubt? Bringet mir her meine Krone, daß ich sehe, ob sie wirklich verloren ist!« Und als man sie ihm brachte, setzte er sie auf's Haupt und rief mit drohender Stimme: »Noch habe ich meine Krone, und ehe ich sie verliere, müssen Ströme von Blut fließen!« Diese Worte gingen in Erfüllung. Auf Antrieb des Papstes wählten mehrere deutsche Fürsten den Landgrafen von Thüringen, Heinrich Raspe, zum König. Ungern übernahm dieser die glänzende Bürde und starb schon im folgenden Jahre vor Gram. Nun ward von Friedrich's Feinden der Graf Wilhelm von Holland auf den Thron erhoben. Während der Kaiser mit den Lombarden kämpfte, schlug sich sein Sohn Konrad, der nach dem Tode Heinrich's die königliche Würde erhielt, mit der Partei des Gegenkönigs in Deutschland herum.

So stand Friedrich inmitten aller Anfechtungen noch immer muthig da; aber tiefer Gram nagte an dem Innersten seiner Seele. Sein liebster Sohn Enzius wurde von den Bolognesern gefangen, seine treuesten Freunde verließen ihn, unter diesen selbst sein vertrautester Minister, Peter von Vineis. Dieser, den Friedrich aus dem Staube erhoben hatte, faßte den Anschlag, ihn zu vergiften. Der kirchliche Fluch lag schwer auf seinem Herzen und der Papst verfolgte ihn mit dem wüthendsten Hasse, schickte sogar nach Deutschland Legaten, welche einen Kreuzzug gegen den Kaiser predigen sollten. Da rief im Jahre 1250 der Tod den lebensmüden Kaiser von seiner irdischen Laufbahn ab. Friedrich starb zu Firenzuola in Apulien, im 65sten Jahre seines Lebens, in den Armen seines jüngsten Sohnes Manfred, nachdem ihn der wackere Erzbischof von Palermo zuvor vom Banne losgesprochen und ihm das Abendmahl gespendet hatte.

 

4. Konradin (1268).

 

1.

Innocenz triumphirte, aber er wollte nicht ruhen, bis auch der letzte Zweig des Hohenstaufengeschlechts von der Erde vertilgt sei. Abermals forderte er das deutsche Volk auf zum Abfall von Konrad IV., dem Sohne Friedrich's, und abermals ließ er durch Bettelmönche einen Kreuzzug gegen Konrad predigen. So zertrümmerte er frevelhaft alle feste bürgerliche Ordnung, vergiftete die Sitten und brachte unsägliche Noth und Verwirrung über das deutsche Land. In Regensburg wollten sogar der Bischof und der Abt zu St. Emmeran den König Konrad in seinem Bette ermorden lassen. Nicht einmal sein Erbreich, das Königreich beider Sicilien, wollte der Papst ihm lassen; er erklärte es als ein erledigtes Lehen des päpstlichen Stuhles und wollte es an einen andern Fürsten als Vasallen des Papstes verschenken. Um wenigstens dieses Reich zu retten, war Konrad IV. im Oktober des Jahres 1251 nach Italien aufgebrochen und hatte dort glücklich gekämpft. Aber ein plötzlicher Tod raffte ihn dahin, im 26sten Jahre seines Lebens.

Das kaiserliche Ansehen war bereits so tief gesunken, daß kein deutscher Fürst die Krone verlangte. Jeder wollte lieber im ungestörten Genusse seiner Erbländer bleiben und sich auf Kosten des Reiches mit noch andern Ländern bereichern. Die neue Wahl schien eine willkommene Erwerbsquelle und jeder Kurfürst war entschlossen, seine Wahlstimme um den höchsten Preis zu verkaufen. Aber Keiner trauete dem Andern. Da verfielen endlich die deutschen Fürsten auf den unwürdigen Gedanken, die deutsche Krone einem Ausländer anzubieten. Und selbst darin waren sie noch uneins. Eine Partei wählte Richard von Cornwallis, den Bruder des Königs von England, die andere einen spanischen Fürsten, Alphons von Kastilien. Beide hatten den Kurfürsten viel Geld geboten. Richard soll sogar mit 32 achtspännigen Geldwagen herüber gekommen sein. Er wurde zu Aachen feierlich gekrönt; doch sein Ansehen dauerte nur so lange als sein Geld. Blos dreimal besuchte er Deutschland und stets nur auf kurze Zeit; Alphons hingegen ist nie nach Deutschland gekommen. Willkür und rohe Gewalt griffen nun auf schreckliche Weise um sich und dies Zwischenreich (Interregnum) – da Deutschland keinen Regenten hatte – dauerte vom Jahre 1246 bis 1273.

 

2.

Unterdessen wurde das Söhnchen Konrad's IV., Konradin genannt, am Hofe des Herzogs Otto von Baiern erzogen, während sein Oheim Manfred die vormundschaftliche Regierung in den italienischen Staaten führte. Innocenz IV. war zwar gestorben, aber seine Nachfolger wütheten fort gegen das Haus Hohenstaufen; sie mochten weder den Manfred, noch Konradin. Clemens IV. übergab die Krone Unteritaliens einem französischen Prinzen, Karl von Anjou. Dieser kam mit einem wohlgerüsteten Heere nach Italien, um den König Manfred zu vertreiben. Gleich in der ersten Schlacht verlor Manfred Krone und Leben, der Sieger nahm Besitz von Sicilien und Neapel und herrschte mit eisernem Scepter. Es entstand bald ein allgemeines Mißvergnügen über die Herrschaft der Franzosen und alle sahen sich nach einem Retter um. Die Ghibellinen Italiens richteten auf den zum Jüngling herangewachsenen Konradin ihre Hoffnung und munterten ihn auf, nach Italien zu kommen, um die verhaßten Franzosen zu vertreiben. Umsonst warnte und beschwor ihn seine treue Mutter Elisabeth in Thränen: »O verlaß dein deutsches Vaterland nicht! Dies Italien, so reich von Gott gesegnet, hat deinen Vätern doch nur Unheil und Verderben gebracht!« Begeistert von dem Ruhme seiner Ahnen und das Herz mit Hoffnungen erfüllt, riß sich Konradin los von der Mutter Brust. Von seinem treuen Jugendfreunde, dem Prinzen Friedrich von Oestreich, und von vielen deutschen Rittern begleitet, trat er den verhängnißvollen Zug an. Jubelnd empfingen ihn in Italien alle Ghibellinen, und voll freudigen Muthes ritt er für sein gutes Recht nach Italien in den Kampf.

Bei Tagliakozzo trat ihm Karl von Anjou entgegen und hier kam es im August des Jahres 1268 zur Schlacht. Die Franzosen wurden überwunden und zurückgetrieben, allein die Deutschen wußten ihren Sieg nicht zu benutzen. Alle überließen sich einer grenzenlosen Freude, sie plünderten das Gepäck und zerstreuten sich der Beute wegen. Viele auch legten die Panzer und Waffen ab, um von den Anstrengungen des heißen Sommertages auszuruhen. Da überfiel sie plötzlich ein französischer Hinterhalt und verbreitete allgemeine Bestürzung und Verwirrung im deutschen Lager. Wer fliehen konnte, floh; nur wenige leisteten kurzen Widerstand. So war das Glück des Tages wieder vereitelt. Konradin eilte mit seinem Freunde Friedrich, nachdem sie lange ritterlich gekämpft hatten, nach der Meeresküste, um zu Schiffe nach Sicilien zu entkommen. Sie wurden aber erkannt und an Karl von Anjou ausgeliefert. Dieser beschloß jetzt, blutige Rache an ihnen zu nehmen. Um aber den Schein der Ungerechtigkeit zu meiden, setzte er ein Gericht nieder, welches über die Gefangenen das Todesurtheil sprechen sollte. Aber unerschrocken sprach einer der versammelten Richter: »Konradin frevelte nicht, indem er versuchte, sein angestammtes vaterländisches Reich durch einen Krieg wieder zu gewinnen; und Gefangene schonend zu behandeln, gebietet göttliches und menschliches Recht.« Alle übrigen stimmten ihm bei bis auf einen Nichtswürdigen, und dies genügte dem Tyrannen, das Todesurtheil zu sprechen.

 

3.

Der sechszehnjährige Konradin saß gerade mit seinem Freunde beim Schachbrette, als Beiden das Todesurtheil angekündigt wurde. Sie verloren jedoch die Fassung nicht. Die wenigen ihnen gelassenen Augenblicke gebrauchten sie, ihr Testament zu machen und sich durch Empfang der heiligen Sakramente zum Tode vorzubereiten. Am 29. Oktober 1268 wurden die Unglücklichen zum Richtplatze nahe vor dem Thore geführt, wo auf einem erhabenen Blutgerüste der Scharfrichter schon mit aufgestreiften Aermeln ihrer wartete. Jetzt trat jener ungerechte Richter auf und las der versammelten Menge das Urtheil vor. Da sprang Graf Robert von Flandern, Karl's eigener Schwiegersohn, vom plötzlichen Zorne überwältigt, hervor und rief: »Wie darfst du frecher ungerechter Schurke einen so großen und herrlichen Ritter zum Tode verurtheilen!« Zugleich hieb er ihn mit dem Schwerte, daß er für todt hinweggetragen wurde. Der König, welcher aus dem Fenster einer gegenüber gelegenen Burg der Hinrichtung zusah, verbiß seinen Zorn hierüber, denn er fürchtete das Volk, welches den jungen Prinzen liebte.

Von dem Blutgerüste herab sprach Konradin noch rührende Worte zum Volke. Dann nahm er Abschied von seinem Jugendfreunde, legte sein Oberkleid ab, hob Arme und Augen gen Himmel und sprach: »Jesus Christus, Herrscher der Welt! Wenn dieser Kelch nicht an mir vorübergehen soll, so befehle ich meinen Geist in deine Hände!« Dann knieete er nieder und rief: »O Mutter, Mutter! Welches Herzeleid bereite ich dir!« Und darauf empfing er den Todesstreich. Als Friedrich von Oestreich das Haupt seines Freundes fallen sah, schrie er, von dem heftigsten Schmerze ergriffen, laut auf, so daß alle Umstehenden zu Thränen gerührt wurden. Dann traf auch ihn des Henkers Beil.

So kläglich endete das edle Geschlecht der Hohenstaufen, welches so herrlich begonnen hatte. Wie großen Nutzen hätte dasselbe stiften können, wenn es, statt nach fremden Kronen zu streben, sich mit allem Eifer einzig der Regierung des deutschen Vaterlandes gewidmet hätte!


 << zurück weiter >>