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II. Nero (68 n. Chr.).

 

1.

Nach dem Tiberius bestieg Kajus, mit dem scherzhaften Zunamen »Kaligula« (d. i. Stiefelchen), den Thron. Man nannte ihn so, weil er schon als Kind im Lager mit kleinen Soldatenstiefeln gesehen wurde. Dieser war eben so toll und grausam, ließ allen Bildsäulen des Jupiter die Köpfe abschlagen und sein eigenes Bild auf den Rumpf setzen. Er wollte selber als Donnergott verehrt sein und bauete sich Tempel, worin seine Statuen göttlich verehrt werden mußten. Endlich ließ er sogar sein Pferd zum Konsul ernennen; es residirte in einem marmornen Stalle und fraß aus goldenen Gefäßen. Zum Glück ward der Donnergott bald ermordet. Sein Nachfolger war Klaudius; der ließ Weiber und freigelassene Sklaven für sich regieren, und unterhielt sich dafür mit dem Anblick der Sterbenden, deren Zuckungen ihm das angenehmste Schauspiel waren. Er wurde von seiner eigenen Gattin vergiftet. Nero aber übertraf noch alle an Grausamkeit. Er regierte 54-68 n. Chr. und wurde der Mordbrenner Roms. Um durch schöne Bauten seinen Namen zu verherrlichen, ließ er die Stadt anzünden. Sechs Tage und sieben Nächte dauerte der Brand. Als das Feuer am verderblichsten wüthete, sah man den Kaiser auf der Zinne seines Palastes im prunkenden Gewände eines Saitenspielers, der zum Klange der Leyer die Einäscherung Troja's besang. Als er aber merkte, daß das Volk hierüber aufgebracht war und ihn für den Brandstifter hielt, so wälzte er die Schuld sogleich von sich auf die armen, verhaßten und verachteten Christen. Ihre Martern waren ihm nun ein eben so angenehmes Schauspiel, wie vorher der Brand der Stadt. Die Christen wurden gefoltert, mit glühenden Eisen gesengt, von wilden Thieren zerrissen. Um den Anblick noch interessanter zu machen, wurden sie mit brennenden Stoffen bestrichen und dann angezündet. Nero gab zu diesem schrecklichen Schauspiele seine Gärten her und fuhr selber in einem Prachtwagen zwischen den Todtenfeuern hindurch, um sich an dem gräßlichen Schauspiele zu ergötzen. Auch die Apostel Paulus und Petrus wurden von seiner Verfolgungswuth betroffen; jener wurde als römischer Bürger enthauptet, dieser jenseits der Tiber gekreuzigt.

Nach dem Brande bauete Nero seine Hauptstadt prächtiger wieder auf, als sie vorher gewesen war, und sein neuer Palast wurde »das goldene Haus« genannt, wegen der unermeßlichen Verschwendung von Gold und Edelsteinen, von denen alle Zimmer blitzten. Doch nicht genug, daß er Künstler für sich arbeiten ließ, er wollte auch selber als Künstler verehrt sein und allen Andern den Rang ablaufen. An dem großen Wagenrennen im Circus nahm er selbst persönlichen Antheil, er trat als Sänger und Dichter öffentlich auf, und die Lobeserhebungen eines Heeres von Schmeichlern, das ihn umgab, verrückten ihm vollends das Gehirn. Er unternahm eine eigentliche Kunstreise nach Griechenland, um in den griechischen Kampfspielen den Preis zu erwerben, den er auch von den bereits zu Speichelleckern herabgesunkenen Griechen erhielt. Nero brachte aus Griechenland nicht weniger denn 1800 Kronen mit, die man ihm als König der Sänger, Dichter, Wagenlenker und Ringer dort gespendet hatte. Sein Einzug in die Hauptstadt war überaus prachtvoll. Hier erschien er auf August's Wagen, in Purpur gekleidet und mit dem Laube des Oelbaums, dem Stirnschmucke der olympischen Sieger, bekränzt. In der Hand trug er die pythische Krone, und die 1800 übrigen wurden vor ihm hergetragen. Neben ihm saß Diodorus, ein Tonkünstler, und dann folgte eine unermeßliche Schaar von Sängern, welche seine Siege in ihren Liedern feierten. Der Senat, die Ritter und das Volk begleiteten diesen kindischen Aufzug, die Luft erscholl von Beifallsrufen, die ganze Stadt war erleuchtet und die Straßen dufteten von Weihrauch. Wohin er trat, bluteten zur Feier seiner Rückkehr die Schlachtopfer, das Pflaster war mit Safran bestreut und Guirlanden von Blumen und Bändern strömten aus allen Fenstern auf ihn nieder.

 

2.

Nero hatte seine Gemahlin verstoßen und dann vergiften lassen; dann mordete er seine eigene Mutter und seinen Lehrer und Rathgeber Seneka, weil gegen diese sein Mißtrauen rege geworden war. Oft hörte man ihn sagen, es sei ihm lieber, gehaßt als geliebt zu werden. Und fort und fort würgte auf seinen Befehl das Schwert des Henkers, unter dem die edelsten Häupter Roms bluten mußten.

Endlich aber ward das Volk des grausamen Tyrannen überdrüßig. Julius Vindex, der Befehlshaber der römischen Legion in Gallien, sprach sich öffentlich gegen Nero's Blutregierung aus und rief den Statthalter in Spanien, Sergius Galba, zum Gegenkaiser aus. Anfangs spottete Nero darüber, als er jedoch die Nachricht erhielt, daß Galba sich dieser Empörung angeschlossen, erschrak er so heftig, daß er den Tisch vor sich umstieß, seine Kleider zerriß, sich das Haupt schlug und unaufhörlich rief: »Ich bin verloren!« Schreckliche Gedanken und Entschlüsse durchzogen seine Seele. Er beschloß, alle Statthalter zu vertilgen, alle Gallier ermorden zu lassen. Den Senat wollte er vergiften, die Stadt in Brand stecken und die zu den Thiergefechten bestimmten Bestien auf das Volk loslassen. Dann gelobte er wieder, wenn er mit dem Leben davon käme, auf dem Theater mit seiner Laute als Sänger zu erscheinen. Als aber die Empörung immer allgemeiner ward, ahnte Nero seinen Untergang. Er wollte nach Aegypten entfliehen, als er aber um Mitternacht aufstand, hatte ihn seine Leibwache verlassen. Da begehrte der Elende, einer seiner Günstlinge möchte ihm das Leben nehmen, aber auch dazu fand sich keiner bereit. Mit den Worten: »So habe ich denn keinen Freund mehr,« rannte er davon und wollte sich in die Tiber stürzen; aber am Gestade entsank ihm der Muth. Dann stand er still und faßte den Entschluß, sich nach einem Landhause zu begeben, um dort den Tod mit Standhaftigkeit zu erwarten. Der Senat, nachdem er gemerkt, wie die Soldaten alle gegen den Nero waren, hatte sich ermannt und den Kaiser zum Tode verurtheilt. Als Nero das erfuhr, begann er am ganzen Leibe zu zittern. Er ergriff zwei Dolche und untersuchte ihre Spitzen, aber schob sie bald wieder in die Scheiden, da ihm der Muth zum Selbstmord fehlte. Der Freigelassene, der um ihn war, sollte erst sich entleiben, um mit seinem Beispiele ihm Muth zu machen. Plötzlich ertönte der Hufschlag von Pferden; es waren die Reiter, welche dem entflohenen Kaiser nachsetzen sollten. Zitternd setzte er jetzt den Dolch an seinen Hals, aber nur dem Drucke, den sein Freigelassener dem Mordwerkzeuge gab, hatte er die tödtliche Wunde zu danken, die seinen Leib vor den Mißhandlungen seiner Verfolger schützte. Noch war Nero nicht todt, als einer der Reiteranführer in sein Zimmer trat, und ihn im Blute schwimmend fand. Finsteren Blickes schauete ihn der Tyrann an; seine letzten Worte sollen gewesen sein: »Welch' ein Künstler stirbt in mir!«

 

Titus, Trajan und Mark Aurel.


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