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II. Christliche Sendboten.

 

Bonifacius, der Apostel der Deutschen Nach Theodor Dielitz. (755 n. Chr.).

Während die Gothen, Burgunder und Vandalen schon zu der Zeit, als sie in die Provinzen des römischen Reiches einwanderten, zum Christenthum bekehrt waren, hingen die Bewohner des eigentlichen Deutschlands, auch als sie durch Chlodwig und seine Nachfolger mit dem Frankenreiche vereinigt worden waren, immer noch dem alten Heidenthume an. Zwar waren im siebenten Jahrhundert englische und fränkische Mönche, wie Kolumbanus, Gallus, Kilian, Emmeran und Rupertus, nach Deutschland gekommen und hatten in verschiedenen Gegenden das Christenthum gepredigt; aber die Zahl der Christen war nur gering und die Masse des Volkes widerstand hartnäckig allen Bemühungen dieser frommen Männer. Da gelang es der glühenden Begeisterung und der aufopfernden Liebe eines angelsächsischen Mönchs, die meisten deutschen Stämme für das Christenthum zu gewinnen und in dem größten Theile unsers Vaterlandes das Heidenthum für immer auszurotten.

Winfried, später Bonifacius genannt, stammte aus einer vornehmen angelsächsischen Familie. Schon in der Schule, wo er sich durch vorzügliche Anlagen und seltene Lernbegierde vor allen Knaben seines Alters auszeichnete, reifte in ihm der Entschluß, sein Leben der Ausbreitung des Christenthums zu widmen. Aber erst nach langem Widerstreben gestattete ihm der Vater, sich dem geistlichen Stande zu weihen. Zu seiner weitern Ausbildung verlebte er dann mehrere Jahre in einem durch die Frömmigkeit und Gelehrsamkeit seiner Mönche berühmten Kloster und erhielt endlich in seinem dreißigsten Lebensjahre die Priesterweihe. Sogleich machte er sich, seinem ersten Entschlusse getreu, nach Deutschland auf den Weg. Welchen Gefahren er entgegenging, wußte er aus den Schicksalen seiner Vorgänger, von denen mehrere in Deutschland den Märtyrertod gestorben waren; aber vergeblich waren alle Versuche, ihn zurückzuhalten. Zuerst begab er sich nach Friesland, um seinen Landsmann Willibrord in der Bekehrung der Friesen zu unterstützen. Aber er überzeugte sich bald, daß die rohen Sitten und die Wildheit dieses Volkes der Einführung des Christenthums unübersteigliche Hindernisse in den Weg legten. Er kehrte also im folgenden Jahre in seine Heimath zurück, wo er von seinen Ordensbrüdern einstimmig zum Abt gewählt wurde. Er war jedoch entschlossen, das begonnene Werk nicht nach dem ersten mißlungenen Versuch aufzugeben, schlug die ihm angetragene Würde aus und begab sich nach Rom. Der Papst erkannte bald die seltenen Eigenschaften des eifrigen, gottergebenen Mannes, ermunterte ihn zur Fortsetzung des Bekehrungswerkes und stattete ihn mit Reliquien und Empfehlungsschreiben aus.

Jetzt ging Winfried nach Thüringen, wo das Christenthum zwar schon seit zwei Jahrhunderten bekannt, aber durch die Nachbarschaft der heidnischen Slaven und Czechen so entstellt und mit heidnischen Gebräuchen vermischt war, daß von einem christlichen Leben kaum eine Spur zu finden war. Mit kräftigen Worten ermahnte er die Großen des Landes, vom Götzendienst zur wahren Gottesverehrung zurückzukehren. Aber er konnte hier nur kurze Zeit verweilen, weil er die Nachricht von der Unterwerfung der Friesen durch Karl Martell erhielt. Sogleich eilte er nach Friesland und wirkte hier drei Jahre lang mit solchem Erfolg, daß Willibrord ihn durch die Ertheilung der Bischofswürde belohnen wollte; er verbat es sich aber wegen seiner Jugend, da er noch nicht das funfzigste Jahr erreicht habe. Darauf predigte er den Hessen das Evangelium, gründete in ihrem Lande das erste deutsche Kloster und reiste abermals nach Rom, wo ihm der Papst die Bischofswürde und den Namen Bonifacius ertheilte und ihm Empfehlungsbriefe an viele Fürsten und Geistliche, namentlich auch an Karl Martell, mitgab. Von diesem erhielt er einen Schutzbrief an alle Herzöge und Grafen des Frankenreichs und begab sich abermals nach Hessen, wo viele der früher durch ihn Bekehrten sich wieder dem Götzendienst zugewandt hatten. Um durch eine kräftige That den Glauben an die heidnischen Götter zu vernichten, legte er selbst die Hand an die uralte, dem Donnergotte geheiligte Eiche, die in der Nähe des heutigen Geismar stand, und fällte den Baum mit kräftiger Hand, während das heidnische Volk mit seinen Priestern in stummem Entsetzen den Blitzstrahl erwartete, durch den der beleidigte Gott den Frevler vernichten würde. Als diese Erwartung nicht erfüllt wurde, erkannten Viele die Machtlosigkeit ihrer Götzen und ließen sich taufen. An der Stelle, wo die Eiche gestanden hatte, errichtete Bonifacius ein Kreuz, und aus dem Holze derselben erbaute er eine dem heiligen Petrus gewidmete Kapelle (das nachmalige Kloster Fulda, 744).

Noch größere Schwierigkeiten fand der unermüdliche Mann in Thüringen, denn hier widersetzte sich nicht allein das Volk der weitern Ausbreitung des Christenthums, sondern es widerstrebten auch viele irrgläubige und sittenlose Priester seinen Anordnungen, so daß er viele derselben ihres Amtes entsetzen und neue an ihre Stelle berufen mußte. Unterstützt von treuen, fleißigen Gehülfen, gründete er in allen Theilen des Landes Kirchen und Klöster, suchte gleichzeitig mit dem Götzendienst auch die Ketzerei auszurotten und mit dem christlichen Glauben auch christliche Gesinnung und sittliches Leben zu verbreiten. So vermehrte sich mit jedem Jahr die Zahl der Bekehrten; immer größer wurde der Einfluß der neuen Lehre auf die Bildung und Gesittung des Volks, selbst für die Verbesserung des Feldbaues und der Viehzucht; die neugestifteten Klöster wurden Zufluchtsörter für die Bedrängten und Verfolgten, Herbergen für die Wanderer, Pflanzstätten der Kunst und Wissenschaft und Spitäler für die Kranken.

Als Bonifacius dem Papst von dem Erfolg seiner Bemühungen Bericht erstattete, ertheilte ihm dieser die Würde eines Erzbischofs und veranlaßte ihn, noch einmal nach Rom zu kommen. Auf der Reise dorthin wurde der edle Mann überall, wo er erschien, auf's Ehrenvollste empfangen, und selbst aus entfernten Gegenden strömten die Menschen herbei, um den muthvollen Glaubenshelden zu sehen. Nach einem längern Aufenthalt in Rom, während dessen ihn der Papst mit Ehrenbezeugungen überhäufte, kehrte er nach Deutschland zurück, entschlossen, die Kirchenverfassung des ganzen Landes gleichmäßig zu ordnen und dem römischen Stuhl völlig unterzuordnen. Er theilte zu dem Ende Baiern in vier bischöfliche Sprengel, gründete in Franken und Thüringen drei neue Bisthümer und die später durch ihre Klosterschule so berühmte Abtei Fulda, und berief im Jahre 742 die erste deutsche Kirchenversammlung, in der strenge Gesetze gegen den anstößigen Lebenswandel der Geistlichen gegeben wurden und alle deutsche Bischöfe ihre Unterwerfung unter den Papst schriftlich erklärten. Durch Pipin unterstützt, stellte er dann auch in dem westlichen Theil des Frankenreichs die alte Kirchenverfassung wieder her und ließ die Oberhoheit des Papstes von allen Bischöfen anerkennen.

So sehr aber Bonifacius die Päpste als Oberhäupter der Kirche verehrte, so eifrig er bemüht war, ihr Ansehen zu befestigen und zu vermehren, so trug er doch auch kein Bedenken, dasjenige offen an ihnen zu rügen, was er in ihrem Verfahren verwerflich fand. So schrieb er einmal an den Papst Zacharias: »Wenn die unwissenden Deutschen nach Rom kommen und sehen da so manches Schlechte, das ich ihnen verbiete, so meinen sie, es sei von dem Papste erlaubt, und machen mir dann Vorwürfe, nehmen für sich selbst ein Aergerniß und alle meine Predigten und mein Unterricht sind umsonst.« Oft ging freilich der edle Mann in seinem Eifer zu weit. Namentlich verklagte er nicht selten Bischöfe und Priester, welche nach seiner Meinung irrige und ketzerische Lehren verbreiteten, bei dem Papst und verlangte ihre Bestrafung. So klagte er einen Priester aus Irland an, welcher behauptete, daß es auch unter uns auf der andern Seite der Erde Menschen gäbe. Der Papst antwortete: »Wenn der Mensch bei seiner verkehrten Lehre beharrt, so muß er seines priesterlichen Schmucks entkleidet und aus der Kirche gestoßen werden.«

Nachdem Bonifacius dreißig Jahre lang für die Ausbreitung des Christenthums in Deutschland gewirkt hatte, wurde er zum Erzbischof von Mainz erwählt und vom Papste in diesem einflußreichen Amte, in welchem ihm vierzehn Bisthümer untergeordnet waren, bestätigt. In dieser Eigenschaft salbte er Pipin zum König und wirkte dann unablässig für die Verbreitung wahrhaft christlicher Bildung und die festere Begründung der kirchlichen Ordnung. Dabei vergaß er nicht seinen ursprünglichen Beruf, sondern besuchte noch im hohen Alter das Land, in welchem er seine Laufbahn als Verkünder des göttlichen Worts begonnen hatte. Da sollte der unermüdliche Glaubensheld sein schönes Leben auch mit dem hehren Märtyrertod beendigen. Keine Gefahr noch Beschwerde achtend, zog der mehr als achtzigjährige Greis in Westfriesland von Ort zu Ort, predigte mit solcher Begeisterung, daß täglich Hunderte aus dem wilden Volke sich taufen ließen, zerstörte Götzenbilder und erbauete Kirchen und Klöster. Er schickte sich an, das Pfingstfest in der Gegend des heutigen Gröningen zu feiern und hatte dort einige Zelte aufschlagen lassen, als eine große Schaar heidnischer Friesen, um die Vernichtung ihrer Götterbilder zu rächen, mit Dolchen und Schwertern auf ihn eindrang. Seine Begleiter griffen zu den Waffen; er verbot ihnen aber jeden Widerstand, erinnerte sie an das Beispiel des Heilandes, ermahnte sie für die göttliche Heilslehre, der sie ihr ganzes Leben geweiht, nun auch den Tod willig zu erleiden, und fiel mit seinen elf Genossen unter den Mordwaffen der Heiden. Sein Leichnam wurde in der Domkirche zu Fulda beigesetzt, in der auch noch sein Bischofsstab, sein Evangelienbuch und der Dolch, mit dem er ermordet wurde, aufbewahrt werden.

 

Apostel des Nordens.

 

Der heilige Ansgar Nach Wippermann, Kreuz und Eiche. (831 n. Chr.).

 

1.

Die beseligende Lehre des Evangeliums sollte nach dem Willen unseres Herrn nur auf dem friedlichen Wege der Ueberzeugung und durch das verborgene Walten des heiligen Geistes unter den Menschen ausgebreitet werden. Aber zu allen Zeiten ist der reine Glanz der himmlischen Botschaft vielfältig getrübt worden durch die dunkeln Schatten menschlicher Leidenschaft und Thorheit. So hatte auch Karl der Große im falschen Eifer für das Reich Gottes mit Waffengewalt dem Christenthum eine Bahn zu brechen gesucht. Das Kreuz der Priester und das Schwert der Krieger hatten gleichmäßig das sächsische Land und Volk erobert. Gottes Gnade aber ließ auch aus dem Irrthume des Königs Gutes hervorgehen. Die Bekehrung der Sachsen vernichtete die letzte Stütze des deutschen Heidenthums und öffnete zugleich dem Evangelium den Weg zu den fernen Ländern des Nordens. Fortan trennte sich auch die Ausbreitung des göttlichen Worts mehr und mehr von dem blutigen Werke der Gewalt, und es fehlte nicht an gottbegeisterten Männern, welche mit wahrhaft apostolischem Heldenmuth und Liebesdrang den nordischen Völkern die Botschaft des Heiles verkündigten und darum billig die Apostel des Nordens genannt werden mögen. Die Ausgezeichnetsten unter ihnen sind Ansgar, Adalbert und Otto von Bamberg.

Ansgar war im Jahre 801 in der Nähe der französischen Stadt Amiens geboren und gehörte, wie Winfried, einem vornehmen adeligen Geschlechte an. Frühe schon legte seine Mutter die zarten Keime der Frömmigkeit und des innigen Glaubens in das weiche Herz des Knaben und entschied so die ganze Richtung seines spätern Lebens. Doch bereits in seinem fünften Lebensjahre verlor Ansgar die liebende Pflegerin seiner Jugend durch den Tod. Dieser Verlust war für ihn um so unersetzlicher, als ihm der Vater nicht die gleiche unermüdete Sorgfalt und Aufmerksamkeit widmen konnte. So verlebte er seine Zeit meist im muntern Kreise seiner Gespielen, und unter den ausgelassenen Spielen der Jugend schien der frühere Ernst mehr und mehr aus seinem Gemüthe zu verschwinden. Aber in stillen Stunden tauchte in der Seele des Knaben das freundliche Bild der Mutter gleichwie ein schützender Engel wieder auf. Es war ihm, als warne sie ihn mit bekümmertem Antlitz vor dem betretenen Pfade des Leichtsinns und der Unbesonnenheit. Solche Augenblicke ergriffen tief sein Gemüth. Er wurde stiller, ernster, träumerischer. Die frommen Eindrücke, die er von der Mutter empfangen, wurden wieder lebendig. Seine rege Einbildungskraft beschäftigte sich Tag und Nacht mit dem Göttlichen. Einst hatte er ein wunderbares Traumbild. Er sah sich versunken in einen häßlichen Sumpf; am Rande des Sumpfes aber war ein anmuthiger Weg und darauf stand seine Mutter mit der Maria, der Mutter des Herrn, und mehreren anderen Frauen, alle weiß gekleidet und lieblich anzusehen. Sogleich wollte er auf seine Mutter zueilen, aber er konnte sich aus dem Sumpfe nicht herauswinden. Da rief ihm Maria zu: »Mein Sohn, du möchtest wohl gern zu deiner guten Mutter kommen?« – »O, freilich sehne ich mich darnach!« gab Ansgar lebhaft zur Antwort. Maria aber entgegnete: »Dann, lieber Sohn, fliehe allen kindischen Muthwillen und Leichtsinn und wandle still und fromm durch das Leben. So nur wirst du zu uns kommen.« Und damit zerrann der Traum, einen tiefen Eindruck in der Seele des Knaben zurücklassend.

Ansgar's Vater glaubte für die Erziehung und Ausbildung seines Sohnes nicht besser sorgen zu können, als wenn er ihn dem berühmten Kloster zu Corbie anvertraute. So wuchs Ansgar unter der Leitung frommer und gelehrter Mönche heran und trat frühe schon selbst in den geistlichen Stand über. Bald war er die Zierde und der Stolz des ganzen Klosters. Ein ausdauernder Fleiß hatte seinen Geist mit ungewöhnlichen Kenntnissen bereichert; die reinste und lauterste Frömmigkeit leuchtete aus seinem ganzen Wesen hervor und sein überaus sanftes und liebevolles Gemüth gewann ihm alle Herzen.

 

2.

In dieser Zeit erwachte in ihm die Ahnung, er sei von Gott zu einem Heidenboten ausersehen. Und wie denn kein schöneres Zeugniß für die unerschütterliche Treue und Festigkeit des Glaubens gedacht werden kann, als der Tod um Christi willen, so glaubte er auch nichts Herrlicheres thun zu können, als solchem Tode sich zu weihen. Mit schwärmerischer Innigkeit verfolgte er diesen Gedanken. In wunderbaren Träumen spiegelte seine leicht entzündbare Phantasie die Sehnsucht seines Herzens ab. Einmal war es ihm, als wenn er der Erde entschwebte und von Petrus und Johannes zum Throne Gottes geführt würde. Dort stand er im großen Kreise der Seligen. Alle sangen himmlische Lieder zum Preise Gottes und schauten voll heiliger Lust gen Osten. In Osten aber war ein unermeßlicher, strahlender Lichtglanz, welcher den Thron Gottes verhüllte. Da trat er hin vor den Lichtglanz, von Johannes und Petrus geleitet, und eine Stimme redete aus demselben zu ihm. Und wie die Stimme zu reden anhob, da schwiegen die Seligen und sanken still anbetend auf die Kniee nieder. Die Stimme aber sprach also zu Ansgar: »Gehe hin, und mit dem Kranze des Märtyrerthums wirst du zu mir zurückkehren!« Darauf stieg er zur Erde hinab. Anfangs war er traurig, daß er den Himmel verlassen sollte. Dann aber tröstete er sich mit der Verheißung, daß er ja doch wieder einmal dahin zurückkehren sollte. Die Apostel gingen schweigend neben ihm her. Aber sie blickten auf ihn mit einem Blick voll zärtlicher Liebe, wie wenn eine Mutter ihr einziges Kind erblickt.

Solche Traumgesichte befestigten immer mehr Ansgar's Entschluß, als Prediger des Evangeliums zu den Heiden zu gehen. Aber zu so schwierigem Werk bedurfte er erst noch längerer Vorbereitung und Ausrüstung; er war noch zu jung und unerfahren. Darum ließ Gott erst einen andern Ruf an ihn ergehen.

In dem Kloster zu Corbie befanden sich nämlich viele Sachsen, welche von Karl dem Großen dorthin gesendet worden waren, um in dem christlichen Glauben unterwiesen zu werden. Sie waren mehrentheils in den Mönchsstand übergetreten. Der fromme Kaiser Ludwig, Karls des Großen Sohn und Nachfolger, gestattete ihnen die Rückkehr in ihre Heimath und baute für sie ein prächtiges Kloster an der Weser. Weil nun das Kloster von den Mönchen aus Corbie bevölkert wurde, so ward es Neu-Corbie oder Corvey genannt. Corvey wurde mit einer Klosterschule verbunden und zu einer Missionsstätte bestimmt, von welcher aus christliche Bildung sich immer tiefer und weiter unter dem Sachsenvolke verbreiten sollte. Ansgar aber ward zum Vorsteher der Klosterschule zu Corvey ernannt.

Im Jahre 822 ging Ansgar, ein einundzwanzigjähriger Jüngling, an den Ort seiner Bestimmung ab. Vier Jahre verweilte er zu Corvey unter mancherlei Mühen und Prüfungen. Die Gegend, jetzt überaus reizend, war damals arm und wüst, und in den Herzen der kaum bezwungenen Sachsen war der alte Haß gegen die Franken wie gegen das Christenthum noch nicht ganz erstickt. Hierdurch wurde für Ansgar das ihm übertragene Amt eines Predigers doppelt schwer. Aber er erfüllte seine Pflichten mit einer so unermüdeten Treue und Hingebung, wie sie nur aus der reinsten Liebe zu Gott hervorkommen kann. Gottes Segen ruhte darum auch auf seinem Wirken und mit wachsender Freude und Theilnahme gewahrten die Brüder des Klosters die reifenden Früchte von Ansgar's begeistertem Streben.

 

3.

Da geschah es, daß der dänische Fürst Harald mit einem großen Gefolge am kaiserlichen Hofe zu Ingelheim bei Mainz erschien. Er war durch innere Unruhen aus seiner Heimath vertrieben worden und suchte Schutz und Hilfe bei Ludwig. Um aber die Zuneigung und den Beistand des frommen Herrschers um so eher zu gewinnen, trat er zum christlichen Glauben über und empfing in der Kirche zu Ingelheim die heilige Taufe. Die feierliche Handlung wurde mit großer Pracht vollzogen. Der Kaiser selbst führte den Fürsten Harald und die Kaiserin Judith, Harald's Gemahlin, zum Taufstein, und gegenseitig gegebene Geschenke sollten die gemeinsame Freude über das heilige Fest ausdrücken. Als aber Harald nach einiger Zeit in seine Heimath zurückkehren konnte, ergriff Ludwig freudig die Gelegenheit, etwas für die Bekehrung der heidnischen Dänen thun zu können. Er forderte den Dänenfürsten auf, einen christlichen Missionär unter sein Gefolge aufzunehmen. Harald willigte ein. Also wandte sich Ludwig an Wala, den Abt des Klosters Corvey, und ersuchte diesen, ihm einen zur Heidenbekehrung geeigneten Mann zu bezeichnen. Wala wußte keinen Trefflicheren zu nennen, als den Mann, der mit so hoher Begeisterung die Jugend und das Alter zu lehren verstand. So ward Ansgar zum Missionär für Dänemark bestimmt.

Ansgar vernahm die Kunde von seiner Erwählung zum dänischen Missionär mit inniger Freude. Aber zugleich schwebte auch seiner Seele die ganze Schwere und Heiligkeit des großen Werkes vor, zu dem er beschieden war. Nicht die Gefahr oder der Tod war es, was er fürchtete. Vielmehr verglich sein demüthiger Sinn die Größe der Aufgabe mit der Schwachheit seiner Kraft und bebte schüchtern zurück vor dem bedeutungsvollen Amte eines Heidenboten. Nur durch den Beistand des allmächtigen Gottes, das fühlte er in tiefster Seele, konnte er das heilige Werk vollführen. Diesen Beistand erflehte er nun auch durch tägliches Gebet. Er wurde still und in sich gekehrt und mied allen Umgang der Menschen; ein einsamer Weinberg in der Nähe des Klosters war sein liebster Aufenthalt. Hier bereitete er sich in ungestörter Stille vor zu seinem heiligen Amte und forschte mit noch größerem Eifer denn zuvor in der Schrift, deren beseligendes Wort er bestimmt war, den Heiden auszulegen.

Da trat einst ein anderer Mönch zu ihm, Autbert geheißen, ein Mann von edler Geburt und den trefflichsten Brüdern des Klosters zugezählt. Unwillig blickte Ansgar auf. Er meinte, der Bruder wolle ihn durch abschreckende Schilderungen von dem Trotz und der Wildheit der Heidenvölker in seinem frommen Vorsatze wankend zu machen suchen, wie man schon oft gethan.

»Beharrest du noch in deinem Beschluß, zu den Heiden des rauhen Nordens zu gehen?« fragte Autbert.

»Was gehet das dich an!« entgegnete Ansgar in einem so gereizten Tone, wie man an dem liebevollen Manne sonst nicht gewohnt war.

»Zürne mir nicht!« sprach Autbert ruhig. »Ich will dich ja nicht darüber tadeln, sondern möchte nur Gewißheit haben über deinen Vorsatz.«

»Nun denn,« entgegnete Ansgar, »man hat mich gefragt, ob ich im Namen Gottes den Heiden das Evangelium verkündigen wollte, und ich wagte nicht, dem Rufe Gottes auszuweichen. Ja, ich sehne mich, dahin zu gehen, und keinem Menschen wird es gelingen, mich von diesem Vorsatz abzubringen.«

»Und ich,« hob Autbert wieder an, »werde nie zugeben, daß du allein gehest. Ich begleite dich.«

Ansgar war freudig überrascht. Durch die Theilnahme eines Mannes wie Autbert mußte ja sein Werk leichter und zugleich segensreicher werden. Wala, der Abt des Klosters, ertheilte dem Autbert gern die Erlaubniß, den Freund zu begleiten. So traten sie denn, vom Kaiser Ludwig mit Allem, was sie dazu bedurften, ausgerüstet, getrosten Muthes die Reise an. Sie bestiegen mit Harald und dessen Gefolge ein Schiff und fuhren nun auf dem Rheine hinunter nach der Nordsee.

Schon auf dieser Reise wurde die Sanftmuth und Selbstverleugnung der beiden Missionäre auf eine schwere Probe gestellt. Denn ihre dänischen Begleiter kränkten und höhnten sie auf jegliche Weise. Doch ihre unermüdete Freundlichkeit und Milde, welche sie den Beleidigungen und dem Spott ihrer Gefährten entgegensetzten, entwaffnete endlich auch die wilden Herzen der Dänen und diese begegneten fortan den sanften Dienern Christi mit immer sich steigernder Achtung und Liebe.

Im Herbste des Jahres 826 erreichten die Reisenden die dänische Küste. Autbert und Ansgar durchwanderten nunmehr das Land und verkündeten seinen Bewohnern die Lehre des Heils. Aber jetzt trat ihnen auch die ganze Schwere ihres Unternehmens mit niederdrückender Gewißheit entgegen. Denn die Dänen empfingen die christlichen Prediger mit stumpfer Gleichgültigkeit oder mit finsterm Haß. Die Gemüther des Volks waren rauh wie ihr Land und aufbrausend wie das Meer an ihren Küsten. Darum beschlossen die beiden Mönche, sich an die Kinder zu wenden und in ihnen ein dem Christenthum empfänglicheres, milderes Geschlecht zu erziehen. Darum kauften sie den rohen Eingebornen eine Anzahl von Knaben ab und gründeten für dieselben ein Erziehungshaus zu Haddeby im jetzigen Lande Schleswig. Hier wurden diese Kinder mit aller Liebe und Weisheit erzogen und in dem christlichen Glauben unterwiesen, damit sie dereinst selbst als Lehrer ihres Volkes auftreten könnten. Freilich wurde das schöne Werk vielfach gehindert durch die unversöhnliche Feindseligkeit der heidnischen Dänen. Dazu erkrankte Autbert, erschöpft von den Entbehrungen und Mühseligkeiten seines kummervollen Lebens. In dem kalten Norden schien seine Herstellung unmöglich, er kehrte nach Corvey zurück, wo ihn ein früher Tod aus dem Lande der Lebendigen abrief. Ansgar aber stand nun allein in dem fernen fremden Lande, umgeben von einem finstern, mißtrauischen Volke, und es mochte ihm in manchen Stunden wohl der Muth zum ferneren Ausharren entsinken.

 

4.

Drei Jahre weilte jetzt Ansgar in Dänemark, immer hoffend, Gott werde ihm doch noch einen Ausweg aus dieser Bedrängniß zeigen. Da erschienen am Hofe Ludwig's des Frommen schwedische Gesandte und begehrten unter Anderm von ihm, daß er einen Missionär nach Schweden schicken möchte. Die Schweden hatten das Christenthum schon etwas kennen gelernt. Zuweilen waren christliche Kaufleute nach ihrem Lande gekommen und schwedische Männer hatten auf ihren Handelsreisen christliche Länder besucht und daselbst den Gottesdienst angesehen, der nicht ohne tiefen Eindruck auf manches Gemüth geblieben sein mag. Auch mußte durch Gottes Führung selbst die rohe Gewalt jener Zeiten eine Brücke werden, auf welcher der christliche Glaube hinüberschritt zum schwedischen Volke. Die Bewohner der skandinavischen Halbinsel waren damals gefürchtete Seeräuber, welche unter dem Namen der Normannen oder auch der Wikinger auf dem Meere Schiffe wegnahmen, unvermuthet an den Küsten landeten und eine Strecke weit in's Land drangen, wo sie sengten und brannten und die Bewohner als Gefangene fortführten. Unter diesen befanden sich oft auch Christen. Der Umgang mit den heidnischen Eingebornen blieb nicht ohne segensreiche Folgen. So war denn in manchen Herzen das Verlangen nach einer nähern Kenntniß des Evangeliums entzündet worden, von welchem man so viel Herrliches gehört hatte. Darum hatten sich auch die schwedischen Gesandten mit jener Bitte an Kaiser Ludwig gewendet.

Der fromme Ludwig erfüllte gern das Verlangen der Schweden. Und weil Ansgar mit der Sprache und den Sitten der nordischen Völker vertraut war wie kein Anderer, so sandte der Kaiser Botschaft an ihn, hinüberzugehen nach Schweden. Mit hoher Freude sah Ansgar ein neues Feld der christlichen Predigt sich öffnen. Mehrere Mönche vereinigten sich voll frommen Eifers mit Ansgar zu gemeinsamer Thätigkeit für das Reich Gottes. Einem von ihnen, Gislemar genannt, übergab Ansgar die Leitung des Erziehungshauses zu Haddeby; mit einem andern, Wittwar, schiffte er selbst sich nach Schweden ein. Auf einem Theil des Weges wurden sie von einem Wikingerschiff überfallen und rein ausgeplündert. Es entstand großer Jammer unter den Reisenden und nur Ansgar blieb ruhig, obgleich ihm auch alle seine Bücher, vierzig an der Zahl, genommen wurden. Ohne weitern Unfall erreichten die Reisenden die schwedische Küste und landeten bei Birka am Mälarsee, in der Nähe der schwedischen Hauptstadt Sigtuna. Ansgar begab sich nun an den Hof des schwedischen Königs Berno oder Björn und überbrachte demselben ein von werthvollen Geschenken begleitetes Schreiben des Kaisers. Der König nahm den christlichen Missionär wohlwollend auf und gestattete ihm, überall ungehindert zu lehren und zu taufen. Vorzüglich erfreut über Ansgar waren die christlichen Gefangenen, welche als Knechte unter den Schweden lebten. Die erste christliche Kirche erbaute Ansgar auf dem Landgute eines vornehmen schwedischen Hofbeamten, Herigar mit Namen, welcher sogleich im Anfang zum christlichen Glauben übergetreten war. Viele seiner Landsleute folgten seinem Beispiele. Rasch und segensreich schien das Christenthum in Schweden sich entfalten zu wollen. Ansgar kehrte ein Jahr nach seiner Ankunft in Schweden nach Deutschland zurück, um sich mit dem Kaiser Ludwig über die Schritte zu besprechen, die nun zur weitern Ausbreitung und Befestigung des Christenthums in den nordischen Ländern zu thun wären.

Der Kaiser beschloß in der kurz zuvor gegründeten Stadt Hamburg ein Bisthum zu gründen, zu dessen Erzbischof Ansgar ernannt wurde. Diese Erhebung erfüllte den unermüdlichen Missionär mit neuem Eifer. Während er den fränkischen Mönch Gauzbert nach Schweden sandte, übernahm er selbst das unendlich schwierigere Werk der Heidenbekehrung unter den Dänen. Doch wie früher hinderte ihn auch jetzt der wilde, christenfeindliche Sinn des Volkes an dem Gelingen seines Werkes; selbst der König Horik war feindlich gegen Ansgar und das Christenthum gesinnt. Die Schule zu Haddeby ging ein und Ansgar sah sich mit tiefem Schmerz auf den Unterricht einzelner Knaben und Jünglinge beschränkt, die er aus der Leibeigenschaft loskaufte. Aber er sollte noch härter geprüft werden.

 

5.

Unter den Söhnen Ludwig's des Frommen brach ein Krieg aus, der Deutschland verheerte und zertheilte; die raubgierigen Schaaren der Normannen verstanden es trefflich, die allgemeine Verwirrung zu benutzen. Sie drangen verheerend in die blühendsten Landstriche ein, überfielen und verbrannten auch die Stadt Hamburg. Die von Ansgar erbaute schöne Kirche, das von ihm gegründete Kloster und die Bibliothek, ein Geschenk des Kaisers, gingen in jenen Schreckenstagen in Flammen auf. Ansgar und seine Gefährten flohen nach dem Gute der frommen Ida, einer vornehmen holsteinischen Edelfrau, wo sie gastliche Aufnahme und eine willkommene Zufluchtsstätte fanden. Mit tiefem Schmerze gedachte Ansgar des zerstörten Heiligthums zu Hamburg, mit welchem ihm zugleich so manche selige Hoffnung untergegangen war. Sein ganzes Wirken schien ja jetzt gestört und in Frage gestellt. Aber doch tröstete er noch seine verzagenden Genossen und sprach voll christlicher Ergebung: »Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genommen, der Name des Herrn sei gelobt!« Und als in dem ausgeplünderten Lande die Noth immer höher stieg, da sandte er den größten Theil der ihn begleitenden Mönche in ihre deutschen und französischen Klöster zurück. Er selbst blieb aber voll heldenmüthiger Ausdauer auf seinem schwierigen Posten.

Durch den Vertrag zu Verdun ward der fränkische Erbfolgestreit beendigt, und Ludwig, der über Deutschland herrschte, schützte sein Reich vor den Einfällen der Normannen und sorgte für Ruhe und Sicherheit. So nahm er sich denn auch des vertriebenen Ansgar an, indem er dessen bischöflichen Sitz von Hamburg nach dem sicheren Bremen verlegte. Ansgar war nun aus aller Bedrängniß befreit. Mit um so größerem Eifer widmete er sich der Fürsorge für die weitere Verbreitung des Christenthums. Vorzüglich lag es ihm am Herzen, den Dänenkönig Horik zu bekehren, da dann auch das Volk das Christenthum annehmen würde. Darum suchte er Horik von Angesicht zu Angesicht zu sehen und mit ihm zu verkehren. Ansgar erschien mehrmals als kaiserlicher Gesandter am Hofe des dänischen Königs. Wunderbar fühlte sich Horik ergriffen von der ruhigen Klarheit, die über Ansgar's Wesen ausgebreitet war, von der liebevollen Milde, die aus den Augen wie aus den Worten des christlichen Missionärs ihm entgegenleuchtete. Aller Haß und Argwohn gegen Ansgar schwand aus der Seele des Königs und Liebe und Verehrung trat an ihre Stelle. Und wenn auch Horik sich nicht entschließen konnte, dem väterlichen Götterglauben zu entsagen, so hinderte er doch nunmehr die Predigt des Evangeliums in seinem Lande nicht und gestattete sogar dem Ansgar den Bau einer christlichen Kirche in der Stadt Schleswig, welche damals Sliaswik genannt wurde. Diesen Ort hatte Ansgar gewählt, weil er ein ansehnlicher Handelsplatz war. Viele der daselbst zusammenströmenden Kaufleute lernten nun die christliche Lehre kennen, erzählten davon in ihrer Heimath und dadurch fand das Christenthum Eingang in vielen Herzen. So war endlich durch Ansgar's unermüdete Thätigkeit das dänische Land dem Christenthum geöffnet worden.

Um so ungünstigere Nachrichten liefen dagegen aus Schweden ein. Der Segen, der die Bemühungen des Missionärs Gauzbert begleitete, reizte den Zorn der heidnischen Priester und derer, die noch fest an ihren Götzen hingen. Eines Tages rotteten sie sich zusammen und überfielen die christlichen Priester. Einer der Letztern fand seinen Tod; Gauzbert selbst aber und seine übrigen Genossen wurden in Fesseln geworfen, dann in ein Schiff gesetzt und über das Meer nach der deutschen Küste geführt, wo man sie an das Land setzte. Doch das Christenthum hatte schon zu sehr die Herzen ergriffen, als daß es so leicht wieder ausgerottet hätte werden können. Herigar wurde jetzt das Haupt und der Schutz der schwedischen Christen. Neben ihm zeichnete sich vorzüglich eine fromme Wittwe, Friedberg geheißen, durch die Festigkeit und Wärme ihres Glaubens aus. So blieben die schwedischen Christen mitten unter dem Haß und der Verfolgung ihrer heidnischen Landsleute beständig im Glauben und in brüderlicher Gemeinschaft. Doch trauerten sie, daß sie in ihrer Mitte keinen christlichen Priester hatten, der ihnen das Wort des Herrn auslegen und das heilige Abendmahl reichen konnte.

Einige Jahre waren vergangen. Ansgar glaubte, in Schweden werde sich der Haß der Heiden gegen die Christen wohl etwas gelegt haben. Auf sein Suchen fand er einen frommen Klausner, Adgar, der nach Schweden hinüberging und von den Christen mit hoher Freude, von den Heiden aber mit finsterem Mißmuthe empfangen wurde. Aber ihm fehlte der unerschütterliche, glaubensstarke Heldenmuth, der das erste Erforderniß eines Heidenboten ist. Als Herigar und Friedberg gestorben waren, kehrte er nach Deutschland zurück, die schwedischen Christen in großer Bedrängniß lassend. Dazu trat unter den Heiden ein schwärmischer Mann auf, welcher ein Gesandter der Götter zu sein vorgab, als solcher die Heiden gegen die Christen aufwiegelte und in ihnen den Glauben an ihre Götzen neu stärkte.

 

6.

Auf die Kunde von diesen Ereignissen reiste Ansgar mit einem Begleiter, Namens Erimbert, nach Schweden. Auf seine Bitte hatte ihm Horik ein Empfehlungsschreiben an den schwedischen König Olof und als Schutz einen Hofbeamten mitgegeben. Ansgar und sein Gefährte langten glücklich in Schweden an, durch den dänischen Gesandten gegen alle Beleidigung des Volkes geschützt. Alsbald suchte er mit dem Könige näher bekannt zu werden und lud ihn darum zu einem Gastmahl ein. Olof erschien, schon im Voraus durch Horik's Brief gegen die Missionäre freundlich gestimmt. Er faßte auch wirklich bald große Zuneigung gegen Ansgar. Als dieser aber um die Erlaubniß zur Predigt des Evangeliums bat, antwortete ihm Olof bedenklich, daß er zuerst das Volk befragen müsse; er wolle darum die Entscheidung dem Reichstag überlassen.

Nun flehte Ansgar im brünstigen Gebet zu Gott, er möge doch das Herz des Volkes zum Heile lenken, und sah nun mit freudiger Zuversicht dem Tage der Entscheidung entgegen.

Die Zeit der Volksversammlung kam. Der König versammelte zuerst die Edlen, welche sich für die Zulassung der christlichen Predigt erklärten. Hierauf begab sich der König in die Volksversammlung und trug derselben die Bitte Ansgar's vor. Es erregte einen gewaltigen Sturm und viele Stimmen erhoben sich laut gegen die Duldung der neuen Lehre. Da trat ein ehrwürdiger Greis auf und erinnerte in kräftiger Rede die Versammelten, wie doch der Gott der Christen ein gar mächtiges Wesen sein müsse und schon Viele, die an ihn geglaubt und ihn angerufen hätten, gar wunderbar in allen Nöthen geschirmt und erhalten habe. Ein Wort gab nun das andere und endlich erhielt Ansgar doch noch die Erlaubniß zur ungehinderten Ausbreitung des Christenthums.

Ansgar verweilte nur noch einige Zeit bis zur vollständigen Herstellung einer Missionsanstalt in Schweden, übergab dann die weitere Leitung derselben dem Erimbert und kehrte zu seinem bischöflichen Sitze zu Bremen zurück.

In Bremen hätte jetzt Ansgar in Ruhe und Bequemlichkeit leben mögen. Die Früchte seiner jahrelangen, unausgesetzten Bemühungen fingen an zu reifen. Die Aufmerksamkeit der christlichen Völker war durch ihn auf den Norden hingelenkt, der Widerstand des dortigen Heidenthums gebrochen worden und weiter und weiter begann der Strahl des Evangeliums zu leuchten. Ansgar konnte sich sagen, daß dies sein Werk sei; mit Zufriedenheit mochte er auf seine Vergangenheit zurückblicken. Aber noch gönnte er sich keine Ruhe. Die Sorge für die nordischen Missionäre war sein erstes und liebstes Geschäft. Um ihnen in ihrer nicht selten bedrängten Lage recht reichliche Unterstützung gewähren zu können, legte er – hierin zugleich der klösterlichen Strenge jener Zeit folgend – sich selbst die härtesten Entbehrungen auf. Ein härenes Gewand war sein Kleid, Brod und Wasser seine tägliche Nahrung.

Ein überaus mühevolles und beschwerliches Leben hatte Ansgar's Kräfte frühzeitig erschöpft. Noch hatte er kein hohes Alter erreicht, als die Vorboten eines nahen Todes sich einstellten. Da schrieb er noch einmal an den König Ludwig den Deutschen und legte demselben in beredten Worten die Fürsorge für die nordische Mission an's Herz. Eine schmerzliche Krankheit warf ihn darauf auf das Siechbett. Mit Sanftmuth und Geduld ergab er sich in den Willen Gottes und wiederholte oft das Wort der Schrift: »Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen?« Nur das betrübte ihn, daß er nicht gewürdigt worden war, als Märtyrer in das Reich Gottes einzugehen, wie es immer sein Lieblingswunsch gewesen war. Als er die Nähe seiner Todesstunde fühlte, ließ er alle Mönche und Priester seiner Umgebung rufen und bat sie, das Lied »Herr Gott, dich loben wir!« anzustimmen. Darauf empfing er das heilige Abendmahl und verschied. Seine letzten Worte waren: »Herr, gedenke meiner nach deiner Barmherzigkeit! Herr, sei mir Sünder gnädig! In deine Hände befehl' ich meinen Geist, du hast mich erlöst, du treuer Gott!«

Ansgar's Tod erfolgte am 3. Februar 865.

 

Der heilige Adalbert. Fr. Henning, Vaterländische Geschichtsbilder.

Preußen war schon im hohen Alterthume Gegenstand vielfacher Sagen. In dem unbekannten fabelhaften Lande wohnten nach der Meinung der Griechen die glücklichen Hyperboreer, die ihr tausendjähriges Leben in stetem Frohsinn und ununterbrochener Gesundheit zubrachten. Von den Göttern geliebt und ihres Umganges gewürdigt, hatten sie von Schmerz und Angst keine Ahnung, lebten nur in Unschuld und patriarchalischem Frieden und endeten endlich als hochbejahrte Greise freiwillig ihr Leben, um fern von den Gebrechlichkeiten des Alters die innigste Gemeinschaft mit den Göttern zu suchen. Nach Preußen versetzte die Mythe den mächtigen Fluß Eridanos, in welchen, vom Blitze des Donnerers Jupiter getroffen, Phaëton zurückgeschleudert wurde, als er, vermessen in des Vaters Amt greifend, den Sonnenwagen lenken wollte und, zu schwach dazu, der Erde zu nahe gekommen war. In Preußen standen die Schwestern des gestürzten Jünglings, die Heliaden, aus Schmerz über den Tod des Bruders in Pappeln verwandelt und selbst in dieser Verwandlung noch schmerzliche Thränen weinend, die, zu Elektron (Bernstein) verhärtet, ein kostbarer Schmuck reicher Männer und Frauen waren. So war Preußen schon in den ältesten Zeiten ein berühmter Boden und der Schauplatz der anmuthigsten und sinnreichsten Mythen der Vorwelt. Kühne Seefahrer wagten es, an die Küsten des Landes vorzudringen; aber nur dunkel war die Kunde, welche sie zurückbrachten; Preußen, von mancherlei Völkern bewohnt, blieb ein geheimnißvolles Land beinahe bis zur Einführung des Christenthums. Einst vielleicht völlig vom Meere bedeckt, wurde sein Boden wahrscheinlich nur allmählich von den überfluthenden Gewässern angeschwemmt. Ueberall, selbst auf den Höhen und oft tief unter der Oberfläche, finden sich Versteinerungen von Schalthieren und andere Erzeugnisse des Meeres. Die Erdoberfläche selbst deutet darauf hin, daß hier einst das Meer fluthete; denn es gebricht dem Lande gänzlich an bedeutenden Höhen und Thalgründen, während es mit einer Menge Seen bedeckt ist, deren Zahl sich einst auf 2000 belaufen haben soll. Eigenthümlich sind dem Lande die beiden Haffe, das Frische und das Kurische; sie bilden große Wasserbecken an der Küste von 10 bis 14 Meilen Länge und 3 bis 7 in der Breite und sind von der Ostsee durch sandige Landzungen, Nehrungen genannt, getrennt.

Es war im Jahre 995, als sich der heilige Adalbert, Bischof von Prag, mit zwei Freunden und 30 Bewaffneten zu Krakau einschiffte, um, die Weichsel hinabfahrend, in das Land der heidnischen Preußen zu gelangen und dort das Christenthum zu verkündigen. Er kam in die Gegend von Danzig. Kaum war er gelandet, so strömte das Volk herbei, um das Begehren der sonderbaren Fremdlinge zu erfahren. Von der begeisterten Rede des Apostels ergriffen, stiegen Viele hinab in die Weichsel, um die Taufe zu empfangen und dadurch aller der Wohlthaten theilhaftig zu werden, von denen der Bischof gesprochen hatte.

Nach diesem glücklichen Anfange bestieg er wieder das Schiff, um, wie er sich ursprünglich vorgenommen hatte, das unbekannte östliche Preußen, das Bernsteinland, zu besuchen. Er kam in's Frische Haff und daselbst an eine kleine Insel, an der Küste von Samland gelegen. Hier landete er mit seinen beiden Freunden. Die Bewaffneten hatte er zurückgelassen, um nicht durch ihren Anblick die Bewohner zu reizen, sondern ihnen vielmehr auch äußerlich als ein Bote des Friedens zu erscheinen. Die Insulaner aber, ahnend, daß es sich darum handle, ihnen ihre Götter und damit auch ihre Freiheit zu rauben, strömten tobend herbei, um die Fremdlinge zu vertreiben. Der heilige Adalbert fing nun an, mit lauter Stimme einen Psalm zu singen, hoffend, er werde durch die Klänge des heiligen Liedes die Gemüther der Aufgebrachten zu besänftigen vermögen. Umsonst. Schreiend drangen sie auf ihn ein. Ein Ruderschlag auf die Schulter streckte ihn zu Boden. Gott lobend, daß er würdig gewesen war, um seines Namens willen Schmach zu leiden, erhob er sich wieder, begab sich wieder in's Fahrzeug und schiffte nach Samland hinüber.

Es war ein Sonntag, als er die Küste des Landes betrat. Gegen Abend kam er in ein Dorf, wo er von dem Herrn desselben freundlich aufgenommen wurde. Ehe es indeß völlig dunkel geworden war, eilten die Leute herbei, umgaben das Haus und verlangten zu wissen, warum die Fremdlinge gekommen seien? Adalbert geht hinaus, um es ihnen zu sagen. Kaum aber haben sie den Sinn seiner Rede vernommen, so erheben sie ein wüthendes Geschrei, schwingen ihre Keulen und drohen, ihn zu tödten, wenn er am Morgen nicht das Dorf verlassen hätte.

Noch in der Nacht brach er auf und kam nach einem andern Orte der samländischen Küste. Hier verweilte er fünf Tage in einem Dorfe. Alles, was er hier sah und hörte von den Bewohnern, von ihrem festen Sinne, mit welchem sie beharrten bei dem Gotte ihrer Väter, war keineswegs geeignet, ihn zum weitern Vordringen zu ermuntern. Auch einige Träume, die er hatte, schienen ihm das Gefährliche seiner Unternehmung zeigen und ihm die Rückkehr gebieten zu wollen. Allein der fromme Apostel achtete nicht auf solche Zeichen, und der Gedanke, daß er vielleicht dem gewissen Tode entgegen gehe, ohne seinen heiligen Beruf erfüllt zu haben, vermochte seinen regen Eifer nicht zu erkalten.

Demnach zog er mit seinen Freunden mehr landeinwärts. Ein dichter Wald nahm sie auf. Tiefe Stille herrschte unter dem Schatten der gewaltigen Bäume, heilige Schauer durchbebten die einsamen Wanderer. Adalbert stimmte einen Psalm an. Von neuem Muthe belebt, schritten sie unerschrocken vorwärts und erreichten gegen Mittag einen vom Wald umkränzten freien Platz. Hier machten sie Halt. Einer der Freunde las die Messe und Adalbert nahm das Abendmahl. Darauf genossen sie einige Speise und legten sich in die Schatten der Bäume, um neue Kräfte zur Fortsetzung der Reise zu sammeln. Bald senkte sich der Schlaf auf ihre müden Augen und die vorige Stille trat wieder ein.

Die Armen! Sie waren, ohne es zu wissen, durch den heiligen Wald auf das geheiligte Feld der Preußen gekommen, welche geweihten Oerter der Fuß des Fremden ungestraft nicht betreten durfte. Wildes Geschrei schreckte die müden Schläfer aus ihrem Schlummer. Mit geschwungenen Keulen stürzten die Heiden herbei, um die Entweihung zu rächen. Die Wanderer werden ergriffen, gefesselt, gegeißelt und zum Tode bestimmt.

»Trauert nicht, liebe Freunde!« rief der heilige Adalbert. »Ihr wißt, daß wir dies Alles nur leiden für den Namen Gottes, welcher allein Herr ist über Leben und Tod.«

Kaum waren diese Worte gesprochen, als der Führer des Haufens, ein Priester, herbeistürzt und ihm den Wurfspieß in die Brust stößt. Die zunächststehenden Heiden folgten seinem Beispiele. Von sieben Lanzen durchbohrt, stand Adalbert noch aufrecht, Augen und Hände betend gen Himmel gerichtet. Jetzt löste man seine Bande. »Vater, vergieb ihnen!« lallt er sterbend und stürzt leblos nieder.

Neue Volkshaufen strömen herbei. Wüthend fallen sie über den Leichnam her, verstümmeln ihn und stecken den Kopf auf eine Stange. Die beiden Freunde des Gemordeten werden fortgeführt und dann freigelassen. Sie eilen zurück und bringen dem Herzog Boleslaw von Polen die traurige Kunde. Dieser sandte zu den Preußen, um wenigstens den theuren Leichnam wieder zu erhalten. Für so viel Geld, als derselbe schwer war, ward er endlich verabfolgt, Boleslaw ließ ihn nach Gnesen bringen und in der dortigen Domkirche beisetzen.


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