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VI. Wilhelm der Eroberer (1066 n. Chr.).

 

1.

Wilhelm's Vater war Robert, vierter Herzog der Normandie, seine Mutter aber war eine Tänzerin, deshalb nannte man den Knaben einen Bastard, weil er keine fürstliche Mutter hatte und außer der Ehe erzeugt war. Doch schon früh begünstigte den Knaben das Glück und bahnte ihm den Weg zu seiner Erhebung, wovon die Geburt ihn auszuschließen schien.

Er war ungefähr sieben Jahre alt, als sein Vater, im Begriff, eine Pilgerreise nach Jerusalem zu unternehmen, die Großen des Herzogthums um sich versammelte und sie beredete, seinem natürlichen Sohne zu huldigen und ihn als Herzog anzuerkennen, falls er selber im Auslande sterben sollte. Wirklich starb Robert auf der Wallfahrt nach Jerusalem und nun ward, wie er es gewünscht hatte, sein geliebter Sohn Wilhelm Herzog der Normandie. Aber die Minderjährigkeit desselben gab zu vielen Unruhen Veranlassung. Die großen Vasallen wollten sich Wilhelm's Herrschaft nicht unterwerfen und der damalige König von Frankreich, Heinrich I., suchte die furchtbare Macht der Normannen zu brechen. Doch wie sich unter Gefahren und Mühseligkeiten der Mann bildet, so reifte auch Wilhelm auf diesem Wege seiner zukünftigen Größe entgegen. Im Kampfe mit seinen Vasallen entwickelte sich sein Feldherrntalent und eben dadurch erwarb er sich einen ausgebreiteten Ruhm und ein tapferes Heer für das große Unternehmen, das seinen Ruhm unsterblich gemacht hat.

 

2.

Eduard der Bekenner, der jüngere Bruder Edmund's Ironside, seit 1042 König von England, war dem Herzog Wilhelm in Liebe gewogen und da er keine Nachkommen hinterließ, versprach er ihm heimlich die Erbfolge, zumal da auch Wilhelm mit dem Königshause verwandt war. Noch näher dem Throne stand aber Graf Harald. Dieser, der angesehenste Mann unter den englischen Großen, besaß das Vertrauen der Nation, auch Reichthum, Ehrgeiz und Macht genug, um nach der Krone begierig zu sein. Fast ganz England stand unter seinem und seiner Freunde Einfluß und Eduard konnte sich ihm nicht entziehen. Aber auch hier schien das Glück für Wilhelm geschäftig, indem es ihm den Gegner zuführte. Einst ward Harald durch Stürme an Frankreichs Küste verschlagen und in Räuberhände gefallen. Wilhelm, hiervon benachrichtigt, befreite den Gefangenen und empfing ihn sehr ehrenvoll in seiner Hauptstadt Rouen. Während er nun hier in Freundschaft mit ihm lebte, entdeckte er ihm das Geheimniß seiner Aussicht auf den englischen Thron und beschwor ihn, mitzuwirken für die Erlangung desselben. Um ihn recht fest an sich zu ketten, versprach er ihm seine Tochter zur Gemahlin und zugleich ließ er ihn auf heilige Reliquien schwören, daß er unverbrüchlich treu Wilhelm's Thronbesteigung fördern wolle.

 

3.

Harald hatte den verlangten Eid geleistet, aber er war nicht der Meinung, ihn halten zu müssen. Sein Ehrgeiz sträubte sich dagegen, vielleicht auch seine Vaterlandsliebe, der es unerträglich sein mochte, daß England einer Fremdherrschaft anheimfallen sollte. Er vermehrte daher nach seiner Rückkehr die Zahl seiner Anhänger und verbreitete unter den Engländern Widerwillen gegen die Normänner. König Eduard, obwohl er wünschte, daß der Herzog der Normandie sein Nachfolger werde, hatte weder Muth noch Kraft, sich nachträglich für denselben zu erklären, und mitten in diesem Zögern ereilte ihn der Tod (1066). Kaum war er verschieden, so bestieg Harald, mit Genehmigung des englischen Volkes, den Thron.

Da entbrannte Herzog Wilhelm von heißem Zorn, er schalt den Harald einen Eidbrüchigen und rüstete sich nun, mit den Waffen zu erringen, was man ihm gutwillig nicht geben wollte. Aber auch Harald säumte nicht, ein großes Heer zu sammeln.

 

4.

Als Wilhelm mit seinem Heere an der Küste von Sussex landete, sprang er zuerst an's Ufer; aber er stolperte und fiel zu Boden. Doch mit schneller Fassung wußte er das üble Zeichen zu seinem Vortheile zu deuten. »Das Land,« rief er, »das Land ist mein!« Einer seiner Krieger, der ihm zunächst stand, erwiederte: »Ja, Herzog und König, bald wirst du England in Besitz nehmen!« Und ein Anderer lief zu einer nahen Hütte, zog ein Strohreiß vom Dache und überreichte es dem Feldherrn als ein Zeichen der Besitznahme. Keiner aber der Krieger durfte plündern, denn Wilhelm sagte: »Wir müssen schonen, was unser ist.« Alle hielten sich ruhig und sahen frohen Muthes das Heranrücken der Gefahr.

 

5.

Harald hatte soeben seinen aufrührerischen, mit den Norwegern verbündeten Bruder Tostig in Northumberland angegriffen und geschlagen; da vernahm er die Landung Wilhelm's. Sogleich eilte er gen Hastings, wo die Normannen ihr Lager aufgeschlagen hatten. Stolz und Rachsucht verblendeten ihn gegen die Regeln der Klugheit. Sein Heer war geschwächt und doch wollte er nicht einmal eine Verstärkung abwarten. Seine Freunde riethen ihm, das aus vielerlei Völkern zusammengesetzte Heer seiner Feinde, dem es bald an Lebensmitteln fehlen müsse, in kleinen Gefechten zu ermüden und zu schwächen; er aber, entschlossen, zu siegen oder zu sterben, setzte alles Glück auf den Ausschlag eines einzigen Tages.

Verschieden waren die Vorbereitungen zu dieser Schlacht. Die Engländer verachteten den Feind, der ihnen als ein Haufen zusammengeraffter Abenteurer geschildert worden war. Das eben errungene Kriegsglück hatte sie übermüthig gemacht; sie glaubten den Herzog Wilhelm eben so leicht schlagen zu können, wie den Tostig und dessen Bundesgenossen, und brachten daher den Vorabend zur Schlacht unter Schmausereien und Lustbarkeiten zu. Die Normannen dagegen, von Religiosität und Tapferkeit beseelt, stärkten sich durch Gebete und fromme Gesänge, blieben auch, um vor einem Ueberfalle gesichert zu sein, unter den Waffen. Wilhelm selbst, der vorher die Stellung der Feinde besichtigt hatte, beratschlagte sich mit den Häuptern seines Heeres und entflammte den Muth Aller durch begeisternde Anreden.

Die Engländer hatten eine gute, keilförmige Stellung auf einer Anhöhe gewählt. Harald erwartete den angreifenden Wilhelm und in der Frühe des Morgens entbrannte der Kampf an drei Orten unter Trompeten-, Zinken- und Hörnerschall. Vor dem Herzog ritt der im Schmieden wie im Handhaben der Waffen zugleich fertige Taillefer. Spielend warf er mehrere blanke Schwerter in die Luft und fing sie wieder; er sang dabei das Heldenlied vom Roland und von dem großen Karl und das ganze Normannenheer sang mit. Aber plötzlich fiel auch eines seiner Schwerter nicht wieder in seine Hand und ein englischer Bannerträger, von ihm getroffen, stürzte nieder. Angriff und Abwehr wurde nun gleich heldenmäßig. Das Glück neigte sich auf die Seite der Engländer, die in ihren festen Reihen nicht zu erschüttern waren. Die Normannen wichen, und ein Gerücht, Wilhelm sei gefallen, vermehrte die Unordnung in ihrem Heere. In diesem gefahrvollen Augenblick bewährte Wilhelm den Muth, der dem Helden eigen ist. Er stellte sich den Flüchtigen entgegen, riß den Helm ab und rief: »Ich lebe und werde siegen!« Sie standen und folgten ihm auf's Neue gegen den Feind, der wieder in seine vorige Stellung zurückgetrieben wurde. Aber der Angriff auf diese war abermals vergeblich. Da lockte Wilhelm durch verstellte Flucht den Feind hervor und umzingelte dann die übereilt und unvorsichtig Vordringenden. Eine schreckliche Unordnung verbreitete sich durch alle Haufen; sie wichen. Harald's beide Brüder und viele der angesehensten Engländer wurden getödtet und am Ende des Tages hatte Wilhelm den großen und entscheidenden Sieg gewonnen.

 

6.

Wie die Schlacht von Xeres ganz Spanien den Arabern überlieferte, ebenso unterwarf die einzige Schlacht von Hastings ganz England den Normannen. Die Engländer waren betäubt, dem Widerstand der Einzelnen fehlte es an Einheit und Nachdruck und durch ihre lange Unterthänigkeit unter die Dänen war ihre Anhänglichkeit an das angestammte Regentenhaus geschwächt. Aber auch Wilhelm säumte nicht, alle Früchte des gewonnenen Sieges zu sammeln. Sobald als möglich brach er vom Schlachtfelde auf, unterwarf sich Dover und andere benachbarte Orte; ganz Kent erkannte ihn als König. Von da rückte er gegen London, wohin sich die Reste des geschlagenen Heeres geflüchtet hatten. Seine Annäherung brach alle daselbst gepflogenen Verhandlungen ab. Hohe und Niedere kamen ihm mit Versicherung ihrer Ergebenheit entgegen und baten ihn, den erledigten Thron zu besteigen. Nach einigem Zögern willigte er in ihre Bitten. In der Westminsterabtei erfolgte die Krönung, vollzogen von dem Erzbischof von York. Alle Anwesenden wurden befragt, ob sie dem Herzog Wilhelm als ihrem neuen König treu sein wollten? Sie bejahten dies mit lauter Stimme. Darauf schwur er selbst, Gerechtigkeit zu handhaben, die Kirche zu schützen und Engländer und Normannen wie ein Volk zu regieren. Das Volk jubelte ihm Beifall zu. Da ereignete sich ein Umstand von übler Vorbedeutung. Die Soldaten, die vor den Kirchenthüren Wache hielten, hörten das Geschrei im Innern der Kirche und bildeten sich ein, das Volk habe sich an ihrem Herzog vergriffen. Augenblicklich fielen sie über dasselbe her und steckten sogleich die benachbarten Häuser in Brand. Schrecken ergriff die Versammelten, überall war Flucht und Verwirrung und Wilhelm selbst konnte nur mit Mühe den Aufruhr stillen.

 

7.

Der Anfang der neuen Regierung entsprach den Wünschen der Engländer und dem geleisteten Krönungseide. Wilhelm hielt sein Heer in strengster Zucht, sorgte für Handhabung der Gerechtigkeit und zeigte sich seinen neuen Unterthanen voll Huld und Gnade. Er gewann die Geistlichkeit durch große Geschenke und suchte Engländer und Normannen durch Ehen und Freundschaftsbündnisse zu vereinigen. Zugleich sorgte er aber auch für Befestigung seiner Regierung. Er entwaffnete London und mehrere andere Plätze, erbaute da und dort Festungen und legte alle Gewalt in die Hände der Normannen, räumte auch seinen Landsleuten alle Güter der Engländer ein, die bei Hastings gekämpft hatten. Dies erregte große Unzufriedenheit, und als Wilhelm bald darauf nach der Normandie abreiste, brach ein Aufstand aus. Schnell aber war der König (der vielleicht schon vorher von Allem unterrichtet war) wieder in England und dämpfte mit Waffengewalt den Aufruhr. Nun verfuhr er mit der größten Härte. Dem Adel wurden die großen Güter entzogen und Wilhelm gab sie fortan seinen Anhängern, nicht zum Eigenthum, sondern als Lehen. Das ganze Reich wurde in 60,215 Ritterlehen getheilt, von welchen 28,215 den Geistlichen angehörten und 1422 königliche Kammergüter waren. Jeder Lehnsträger war verbunden, eine bestimmte Zahl Mannschaft zum Kriegsdienst zu stellen. Auch die reiche und mächtige Geistlichkeit wurde nun vom Könige abhängig und die wichtigsten Kirchenstellen wurden mit Normannen besetzt. Die angelsächsische (englische) Sprache mußte der französischen weichen, in allen Schulen des Reichs wurde fortan Französisch gelehrt. Da aber die alte Landessprache sich nicht vertilgen ließ, bildete sich das Englische als ein Gemisch von Deutsch und Französisch, wie denn auch die britische Nation aus Briten, Angelsachsen und Normannen entstanden ist.

 

8.

Indeß verlor Wilhelm bei allen Anstalten, die er zur Unterjochung Englands traf, nicht seine Erbstaaten aus den Augen. Die Grafschaft Maine in Frankreich, die ihm durch Erbverträge zugefallen war, wollte sich seiner Herrschaft entziehen. Er zog daher nach Frankreich mit einem größtentheils aus Engländern bestehenden Heere. Hier wie anderwärts war er glücklich. Er vertrieb den Grafen von Anjou, der sich in Maine festgesetzt hatte, und verhieß die Verwaltung der Grafschaft seinem Sohne Robert.

Aber während seiner Abwesenheit brach abermals ein Aufstand in England aus, dies Mal von normännischen Edeln selbst, die unzufrieden darüber waren, daß Wilhelm auch sie so herrisch behandelte. Doch das Glück war auch hier für Wilhelm geschäftig. Einer der Mitverschworenen, von Reue ergriffen, entdeckte die Verschwörung und so ward der König bald der Unzufriedenen Meister. Bald aber kam noch etwas Schlimmeres, Robert, Wilhelm's ältester Sohn, offen und kühn, forderte von seinem Vater, dem Versprechen gemäß, die Grafschaft Maine mit der ganzen Normandie. Wilhelm zögerte und wies ihn endlich mit den Worten ab: »Ich werde meine Kleider nicht eher ausziehen, als bis ich zu Bette gehe!« Diese Antwort, sowie die parteiische Vorliebe, die Wilhelm für seine jüngeren Söhne zeigte, erbitterte den leicht aufbrausenden Robert. Unterstützt von Frankreich und vielen Großen der Normandie, ergriff er gegen seinen Vater die Waffen. Die unnatürliche Fehde dauerte zum größten Schaden des Landes drei Jahre (1077-1080) und Wilhelm mußte, um seinen Sohn zu bezwingen, eine starke Armee aus England herbeirufen. Dadurch kam der Prinz in's Gedränge; er ward aus der Normandie vertrieben und mußte auf einem französischen Schlosse Sicherheit suchen. Sein Vater folgte ihm, belagerte das Schloß und täglich fielen daselbst Streifereien vor. Da geschah es einst, daß Vater und Sohn auf einander stießen, ohne einander zu erkennen. Ein hitziger Kampf erfolgte, in welchem der Sohn den Vater verwundete und vom Pferde warf. Die Heftigkeit des Falles entpreßte dem Vater einen Schrei und nun erst wurde er, da ihn das heruntergelassene Visir unkenntlich gemacht hatte, an der Stimme erkannt. Schrecken und Reue ergriff den Sohn. Er sprang vom Pferde, richtete seinen Vater auf, warf sich ihm zu Füßen, bat ihn mit Thränen um Verzeihung und gelobte augenblicklich die Waffen niederzulegen. Wilhelm aber ward nicht so schnell erweicht. Selten Meister seines Zornes und jetzt vielleicht ärgerlich über seinen Fall, vergalt er Zärtlichkeit mit Härte. Sobald er wieder zu Pferde saß – der Prinz hatte ihn auf sein eigenes Pferd gehoben, – eilte er in sein Lager und machte neue Anstalten zur Fortsetzung des Krieges. Doch bald wählte er das Bessere. Aufgemuntert von seiner Gemahlin, söhnte er sich mit Robert aus. Zu Rouen kamen Beide zusammen. Wilhelm verzieh dem Sohn, nahm ihn dann mit nach England und übertrug ihm einen Streifzug gegen Malcolm, König von Schottland, den der Prinz mit glücklichem Erfolge ausführte.

 

9.

Um eben diese Zeit vertheidigte Wilhelm seine königlichen Rechte mit Nachdruck gegen Gregor VII. Dieser herrschsüchtige Papst verlangte von ihm, er möchte seinem Versprechen nachkommen und wegen Englands dem päpstlichen Stuhle huldigen und den gewöhnlichen Tribut – den Petruspfennig – übersenden. Diese Abgabe war Anfangs von den angelsächsischen Königen als Liebesgeschenk an den päpstlichen Stuhl entrichtet, dann aber von diesem als ein Zeichen der Unterwürfigkeit angesehen worden. Wilhelm antwortete, das Geld solle wie gewöhnlich abgesendet werden; aber er habe nie versprochen, dem päpstlichen Stuhle zu huldigen, oder seine Staaten von demselben abhängig zu machen. Ja, er ging noch weiter; er verbot allen Bischöfen seines Reichs, den Kirchenversammlungen in Rom beizuwohnen, und Gregor, sonst so hartnäckig gegen die Widerspenstigkeit anderer Fürsten, behandelte Wilhelm, der ihm zu weit entfernt war und zu muthvoll widerstrebte, mit Schonung. Erst als er sah, daß durch Schmeicheleien nichts zu gewinnen sei, schritt er zu Drohungen und untersagte der englischen Geistlichkeit, ihre Stellen von Weltlichen anzunehmen. Doch Wilhelm lachte über diesen Befehl; er setzte, ohne sich an den päpstlichen Widerspruch zu kehren, Bischöfe und Aebte ein, die ihm huldigen und den Lehnseid leisten mußten. Indessen war er dem Gesetze der Ehelosigkeit nicht entgegen; auch gestattete er eine Trennung der weltlichen und geistlichen Gerichtsbarkeit.

 

10.

In der Nähe des Todes stellten sich seinem Geiste alle Thaten und Begebenheiten seines Lebens dar. Er fühlte die Eitelkeit aller menschlichen Hoheit und tiefe Reue über alle Gewaltthaten, die er verübt hatte. Hingerissen von diesen Gefühlen, ertheilte er an Kirchen und Klöster reiche Geschenke, gab mehreren Staatsgefangenen die Freiheit und befahl, allen längs der französischen Grenze verwüsteten Oertern den zugefügten Schaden zu ersetzen. Auch traf er Anordnungen über seine Hinterlassenschaft. Die Normandie nebst der Grafschaft Maine hinterließ er seinem ältesten Sohn Robert; seinen zweiten Sohn Wilhelm ernannte er zum König von England, mit der dringenden Bitte, England mild zu behandeln; dem dritten Sohn, seinem geliebten Heinrich, vermachte er nichts als eine Geldsumme und das Erbgut seiner Mutter, wobei er jedoch die Hoffnung hegte, Heinrich würde einst seine Brüder an Glanz und Macht überstrahlen.

Und so starb er in einem Kloster bei Rouen, den 9. September 1087, im dreiundsechzigsten Jahre seines Alters und im einundzwanzigsten seiner Regierung über England. – Er besaß große und seltene Eigenschaften. Sowie er sich durch Körpergröße und Körperkraft auszeichnete – gleich dem Ulysses konnte nur er und Niemand anders seinen Bogen spannen, – ebenso zeichnete er sich durch hellen Verstand, rastlose Thätigkeit, unerschrockenen Muth und seltene Gewandtheit des Geistes aus. Widerstand feuerte ihn an, Gemächlichkeiten verschmähete er, allen Ausschweifungen war er feind, vor Niemand in der Welt beugte er sich, immer ging er gerade auf sein Ziel los.

Aber bei aller Bewunderung seiner Größe kann man doch nicht das Gefühl unterdrücken, daß er mehr furchtbar als liebenswürdig war. Ihm fehlte der hehre Sinn und die zarte Gemüthlichkeit, wodurch sich Alfred auszeichnete. Herrschsucht, mit Strenge gepaart, machte den Grundzug seines Charakters; seine Gerechtigkeitsliebe war oft seiner Staatsklugheit untergeordnet und seine natürliche Heftigkeit ward oft schonungslose Härte. Indessen darf man nicht vergessen, daß er unter dem Geräusch der Waffen aufgewachsen war, daß ihn fast immer offenbare und heimliche Feinde umgaben und daß harte Maßregeln nothwendig waren, um seine Herrschaft über England zu befestigen.


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