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KRÖNUNG DER JUNGFRAU

So wie der vogel im geliebten laube
Sizt auf dem neste seiner teuren kleinen
Zur nachtzeit die der dinge anblick raube

Der ● um zu schaun nach den begehrten scheinen ●
Zu spähen nach dem futter das sie speise
(Die schwere müh ist lieb ihm für die seinen)

Der zeit voreilt auf einem höhern reise
Mit glühndem wunsche wartend auf die helle
Und ausschau hält ob sich die dämmrung weise:

So meine Herrin in aufrechter stelle
Und achtsam wandte sich nach jener breite
Wo sich die sonne zeigt mit mindrer schnelle.

Als sie so harrte mit dem blick ins weite
Erging es mir wie dem der wünsche nährte
Und durch die hoffnung sich vom drang befreite.

Doch eine kurze frist nur – sag ich – währte
Mein warten und mein schaun in jene zonen
Als dort der himmel mehr und mehr sich klärte.

Die Selige sprach: Sieh dort die legionen
Von Christi siegeszuge ● all die blute
Gepflückt im umkreis dieser regionen.

Mir schien es dass ihr antlitz völlig glühte
Und ihre augen so in wonne stunden
Dass ich vergeblich mich um worte mühte.

Wie Luna in den heitren vollmondstunden
Lacht bei den ewigen nymphen die da richten
Des himmels schmuck in allen seinen runden:

So sah ich eines über tausend lichten
Als sonne deren glanz sie alle trugen
Wie ihn die unsre leiht den obren sichten.

Durch das lebendige licht hindurch entschlugen
Der leuchtenden gewalt so starke feuer
Dass meine augen sie nicht mehr ertrugen.

O Selige! du führer süss und teuer...
Sie sprach zu mir: ›Was also dich erschreckte
Ist eine kraft die niemandem geheuer.

Dort ist die Weisheit und die macht die streckte
Vom himmel nach der erde hin die gänge
Und die seit grauen Zeiten Sehnsucht weckte.‹

Wie sich die flamme durch die wolken zwänge
Zu sehr sich dehnend für die enge klause
Und gegen ihre art nach unten dränge:

So ward mein geist nach einem solchen schmause
So weit gemacht – und wie? kann er nicht sagen –
Dass er hervorbrach aus dem eignen hause.

›Getrau die augen zu mir aufzuschlagen!
Dinge hast du gesehn durch die du mächtig
Geworden bist mein lächeln zu ertragen.‹

Wie einer dem vorkommt dass er ein nächtig
Gesicht gehabt das ihm der tag vernichtet ●
Es in den sinn zu ziehn umsonst bedächtig:

Hört ich das anerbieten das verpflichtet
Zu solchem danke dass er nie erblasse
Im buch das die vergangenheit berichtet.

Und sandte Polyhymnia die masse
Klangvoller stimmen mir zu helfen heute
Die sie genährt mit ihrem süssen nasse:

Ich weiss dass dies kein tausendstel bedeute
Der Wahrheit von des heiligen lächelns preise
Und wie den heiligen anblick es erfreute.

Also erzählend von dem paradeise
Muss der geweihte sang zum sprung sich heben
Wie einer der verrammt sieht seine gleise.

Doch wer bedenkt wie schweres aufgegeben
Auf schultern wurde einem erdensohne
Wird nimmer schelten wenn sie drunter beben.

Für nachen ist dies keine meereszone
Wohin die kühne planke ungestümet
Noch für den schiffer der sich selber schone. –

›Warum dein glühen nur mein antlitz rühmet
So dass du dich nicht drehst zum schönen orte
Der unter Christi strahlen sich beblümet!

Dort ist die Rose die dem ewigen worte
Das fleisch verlieh und dort sind die narzissen
Bei deren duft man fand die gute pforte.‹

So sprach die Selige und vor ihrem wissen
War ich gefügig ganz und nochmals hatten
Die schwachen lider kampf mit hindernissen.

So sah mein äuge überdeckt von schatten
Den sonnenstreifen der mit reiner schnelle
Einst durch die wolken fuhr auf blumenmatten:

Wie ich nun ganze schwärme sah voll helle
Umblizt von oben her mit strahlenlohen
Und mir verborgen blieb des glanzes quelle.

O gütige kraft die du so schmückst die hohen
Du schwangest dich empor dass heil geschehe
Den blicken die unmächtig noch dich flohen!

Der schönen Blume namen – immer flehe
Ich morgens ihn und abends an – er schmiegte
Den geist dass er ins grösste feuer sehe.

Wie sich in meinen beiden leuchten wiegte
Lebendigen Sternes Wesenheit und weite
Der hier besiegt wie unten er besiegte:

Da ward es oben licht von einem scheite
Das kreise um ihn schlug als ob es kröne
Und ihn umwand und schwingend ihn umreihte.

Wie süss hienieden auch gesang ertöne
Und unsre seele locken mag als freier:
Er ist wie wolke die geborsten dröhne

Verglichen mit dem sänge jener leier
Die um den schönen Saphir hängt in schwebe
Der schmückt des himmels saphirblaue feier.

›Ich bin die engelsliebe und umwebe
Die hehre wonne die enthaucht dem leibe
Dem hause drin einst der Verheissne lebe.

O Himmelsfrau um die ich wirbelnd treibe
Solang beim Sohn du weilst und höchsten dingen
Noch mehr an zier verleihst mit dem verbleibe.‹

So ging das rings herumgetragene singen
Dem ende zu und alle andren Lichten
Liessen den namen der Maria klingen.

Der königliche mantel aller schichten
Der welt der meist erglühende und rege
Im hauche Gottes und in seinen pflichten:

Er hatte über uns die innre hege
In solcher ferne dass von seinem scheine
Ich noch nichts sehen könnt auf Meinem stege.

Drum hatten meine augen nicht die reine
Um nachzufolgen der gekrönten flamme
Die stieg mit ihrem sprossen im vereine.

Und einem kinde gleich das nach der amme
Die arme streckt nachdem es milch empfangen:
So machte wünsch der bis nach aussen flamme

Dass alle diese glänze aufwärts drangen
Mit ihrem haupt – und ihre hohe liebe
Für die Maria war mir aufgegangen:

Dann sang vor mir verweilend ihr getriebe
›Regina coeli‹ mit so süssen lauten..
O dass davon die freude mir verbliebe.

O welche grosse segensfülle stauten
Sich diese reichsten häuser die hienieden
Als gute pflanzer ihren grund bebauten.

Hier lebt man von dem hab und gut in frieden
Das weinend man gesammelt in der frone
Zu Babylon wo man das gold gemieden.

Hier feiert unter Gottes hohem sohne
Und der Maria siege seiner schlachten
Umringt vom Alten und vom Neuen Throne

Er der die Schlüssel hält zu solchen prachten.

HIMMEL ● XXIII. GESANG.

 


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