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DIE DREI FLORENTINER ●
DER RIESE GERYON

An jenem ort vernahm man das gebrumme
Des wassers das zum andern kreis im laufe
Abrann – wie eines bienenstocks gesumme.

Da sonderten gleichzeitig aus dem haufe
Drei schatten sich von einer fliehnden bande
Die duldete durch scharfer qualen traufe.

Sie riefen ● sich uns nähernd bis zum rande:
Bleib stehen! durch dein kleid gibst du uns kunde
Einer zu sein aus unsrem schlimmen lande.

An ihrem leib ● ach! sah ich wund an wunde
Vom biss der flammen ● neue neben alten...
Daran zu denken schmerzt mich bis zur stunde.

Bei ihrem rufe blieb mein führer halten ●
Er wandte sich zu mir und sprach: ›Verweile ●
Vor diesen schickt sich höfliches verhalten!

Wär es nicht wegen jener feuerpfeile
Mit denen das gesetz des orts kasteie
So spräch ich: Mehr als ihnen ziemt dir eile.‹

Wir standen still und mit dem frühern schreie
Hoben sie wieder an und vorgetreten
Machten ein rad aus sich sie alle dreie.

So ähnlich wie gesalbt und nackt athleten
Den griff erspähen und die rechte weise
Eh sie sich geben schlag und stoss: so drehten

Den blick auf uns gerichtet sich im kreise
Die drei ● dass umgewendet sich zum fusse
Der hals befand auf einer ständigen reise.

›Ach wenn nicht ob des lockern ortes busse
Du uns und unsrem wort verachtung zeigest –
So sprachs – und ob der blösse und dem russe:

Vermöge unser ruhm dass du dich neigest
Zu sagen wer du bist der du so feste
Lebendigen fusses durch die hölle steigest.

Der dort in dessen spur ich meine presste
War ● ob er auch ganz nackt und kahl dir nahte ●
Mehr als du ahnen kannst im rang der beste...

Enkel war er der gütigen Waltrate ●
Hiess Guidoguerra und in seinem leben
Tat viel er mit dem schwert wie mit dem rate.

Der andre der den sand zertritt daneben
Ist Aldobrandi dem man nicht in gnaden
Als er noch droben war gehör gegeben.

Ich mit der gleichen qual wie sie beladen
Bin Rusticucci und gewiss erweckte
Mein arges weib mir mehr als alles schaden.‹

Es gab nichts was mich vor den flammen deckte
Sonst wär ich auf sie drunten zugeflogen
Versichert dass mein führer mich nicht schreckte.

Doch hätten brand und glut mich überzogen...
So schwand die gute absicht mir vorm schauer
Die jene zu umarmen mich bewogen.

Drauf ich begann: Nicht abscheu sondern trauer
Ist es wozu mich euer Schicksal rührte
Die in mir haften bleibt auf lange dauer.

Nach worten die hier dieser der mich führte
Zu mir gesprochen konnte ich gewahren
Als ihr des weges kamt was euch gebührte.

Ich bin aus eurer stadt und hab seit jahren
Von eurem werk und eures namens ehre
Mit zuneigung gesprochen und erfahren.

Das gift verlass ich um die süsse beere
Verheissen mir durch meines lenkers treue..
Doch erst ist not dass ich ins tiefste kehre.

›Wenn sich mit seiner seele lang noch freue
Dein körper ● rief es dann aus gleichem munde ●
Und nachher ständig sich dein ruhm erneue –

So sag: ist sitte noch und mut im bunde
Mit unsrer Stadt so wie vergangner tage..
Sind sie vielmehr nicht ganz und gar im schwunde?

Denn Borsiere der zur selben plage
Erst kurz mit unsren scharen weilt hier drinne
Gibt uns bericht der uns bewegt zur klage.‹

Die neuen leute ● plötzliche gewinne
Sie haben stolz und unmaass grossgezogen
Florenz in dir! schon wirst du's schmerzlich inne!

So rief ich laut das haupt zurückgebogen..
Da sahn die drei sich an die dies vernommen
So wie man schaut beim spruch der nicht getrogen.

›Wird nächstes mal nicht übler dirs bekommen ●
So sagten sie ● bei solcher auskunft worten
Dann heil dir der du also sprichst zum frommen.

Drum ● wenn entflohen diesen dunklen orten
Du rückkehrst um zu schaun die schönen sterne ●
Wenn dich erfreut zu sagen: ich war dorten –

Mach dass man uns zu rühmen nicht verlerne!‹
Dann lösten sie das rad und flügeln gleiche
Enteilten ihre beine in die ferne.

Nicht wäre möglich dass so schnell entweiche
Zeit für ein amen als sie uns entschwanden...
Drum brach mein führer auf aus dem bereiche.

Ich folgte ihm... nach kurzem gange fanden
Wir nah die fluten mit solch lautem klange
Dass sprechend wir uns hätten kaum verstanden.

Wie jener fluss der ganz mit eignem gange
Als erster ostwärts vom berg Veso droben
Und an dem linken Apenninen-hange ●

Den man das Stille Wasser heisst dort oben
Eh er zu seinem flachen bette sausend
Wird solchen namens bei Forlì enthoben:

Wie jener ob Sankt Benedikten brausend
Im hochgebirg entstürzt in Einem falle
Wo raum genügend dürfte sein für tausend:

So fanden wir mit einem solchen schwalle
Am steilen rande jene dunkle welle
Dass bald das ohr beleidigt war vom schalle...

Ich trug ein seil an eines gürtels stelle
Mit dem ich fangen wollt in manchen stunden
Das pardeltier mit dem gefärbten felle.

Nachdem ich es ganz von mir losgebunden
Wie es befohlen hatte mein geleite
Reicht ich es ihm zu einem knäul gewunden.

Drauf drehte er sich nach der rechten seite
Und etwas ferne bleibend von der kante
Warf er es nieder in die schlucht ● die weite.

Nun mache dich gefasst aufs unbekannte ●
Sprach ich zu mir ● nach jenem neuen zeichen
Auf das der Meister so das auge wandte.

Ach welch vorsichtige angst muss uns beschleichen
Vor dem der nicht nur augen hat für taten ●
Dess blicke bis in die gedanken reichen!

Er sagte mir: ›Bald wird worum wir baten
Nach oben ziehn und was dein träumen füge
Wird bald vor deinem blicke sich verraten.‹

Der wahrheit mit dem angesicht der lüge
Verschliesse jeder seine lippen bange...
Denn ohne seine schuld bringt sie ihm rüge.

Doch hier kann ich nicht schweigen ● und beim klange
Dieser Komödie ● o Leser ● schwöre
Ich dir ● sofern sie spät noch gunst erlange:

Dass ich durch schwere dunkle luft ins höh're
Auftauchend eine schreckgestalt erkunde
Die jeden noch so festen mut verstöre ●

Wie einer umkehrt der im meeresschlunde
Den anker freigemacht daran sich hemmend
Ein felsstück oder andres hing im grunde:

Die füsse an sich zieht die arme stemmend.

HÖLLE ● XVI. GESANG.

 


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