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DER FELSENSTIEG ●
DER DIEB FUCCI ● DER PHöNIX

Wenn es geschieht dass sich im jungen jahre
Der sonne haar im Wassermann erhitze
Und halb und halb schon nacht mit tag entfahre:

Zu dieser zeit malt Früh-reif eine skizze
Des weissen bruders hin auf das gelände ●
Doch kurz nur dauert seiner feder spitze.

Der landmann dem das futter ging zu ende
Steht auf und schaut hinaus und sieht die auen
Ganz weiss geworden und er ringt die hände..

Er kehrt ins haus ● ratlos wie um sich schauen
Leute in not ● er spricht von seinem leide
Er kommt dann wieder und schöpft neu vertrauen

Wenn er die welt sieht mit getauschtem kleide
In kurzer frist.. er greift nach seinem stecken
Und seine schafe jagt er auf die weide:

Also versezte mich Vergil in schrecken ●
Ich sah wie sorge seine stirn bedrücke ●
Und alsobald kam salbe für den flecken:

Als wir gelangten zur zerstörten brücke
Trat er zu mir so zärtlich sich bestrebend –
Dies rief ihn mir an berges fuss zurücke –

Er tat die arme auf und folge gebend
Dem innern rat ● sah er sich zum beginne
Die trümmer an und dann trug er mich schwebend.

Wie einer schaffend sich zugleich besinne
Der immer sorgt wie er das nächste packe:
So hob er mich auf eines felsens zinne ●

Besichtigte dann eine andre zacke
Und sagte: mach nun diese dir zunutze ●
Doch prüfe erst ob sie beim griff nicht knacke!...

Das war kein weg für einen mit kapuze
Den beide wir ● er frei und ich mit schieben
Kaum konnten aufwärts steigen stutz nach stutze.

Und wenn der hang nicht minder weit umschrieben
Von diesem war als von dem andern runde:
Wenn auch nicht Er – ich wäre liegen blieben.

Da aber Malebolge nach dem munde
Der allertiefsten grube ganz sich neige:
So ist es das gesetz von jedem schlunde

Dass sich ein rücken senke ● einer steige.
Wir langten endlich an und sahn von oben
Dass hier der lezte felsenblock sich zeige.

So mühsam hat sich meine brust gehoben
Am ziele ● dass ich nicht mehr wich vom flecke ●
Sogar mich niederliess sobald ich droben.

Der Meister sprach: nun ziemt nicht dass vom schrecke
Du schwach wirst... in des polsterstuhls genusse
Kommt man zum ruhme nicht ● noch in der decke.

Wer ohne den sein leben bringt zum schlusse
Lässt auf der welt von sich kein weitres zeichen
Als rauch im winde oder schaum im flusse.

Drum heb dich auf und bändige dies keichen
Mit deinem geist! der bändigt alle Streiter
Wenn er dem schweren körper nicht will weichen.

Dir steht bevor ein steig auf längrer leiter...
Dein gang hier unten reicht nicht aus zum werke.
Wenn du verstehst so helfe dies dir weiter!

Da stand ich auf damit er in mir merke
Mehr lebensatem als ich wirklich nährte
Und sagte: komm! ich habe mut und stärke.

Auf dem geklüft verfolgten wir die fährte
Die felsig enge war und unzugänglich
Und steiler noch als die bisher gewährte.

Ich sprach im gehn – so schien ich mir nicht bänglich –
Und eine stimm entstieg der nächsten klamme
Doch um ein wort zu bilden unzulänglich.

Ich fasste nichts ● stand ich auch auf dem kamme
Des bogens der hier zwischen lag als strebe ●
Doch schien es dass den sprecher zorn entflamme.

Ich sah hinunter ● doch kein aug das lebe
Kann durch das finster dringen bis zum schlunde:
Meister ● sprach ich ● vom andren walle hebe

Dich her! und steig mit mir hinab zum grunde.
Ich höre wol doch kann ich nichts verstehen
So wie ich schaue aber nichts erkunde.

Er sprach: nicht andre antwort soll ergehen
Als die der tat... denn ein gerecht anliegen
Muss stumm erwidert werden mit geschehen.

Wir waren an der brücke abgestiegen
Wo sie verbindet mit der achten mauer
Und dann sah ich die bolge vor mir liegen.

Ich sah darinnen schreckliches gekauer
Von schlangen ● an gestalt so mannigfachen
Dass heute noch mein blut erstarrt vom schauer.

So kann nicht Lybiens wüste rühmens machen
Von dem was sie an ottern vipern schleichen
Hervorbringt und an würmern und an drachen ●

Noch sieht man schlimmres giftgeziefer streichen
Und mehr im ganzen lande der Aethiopen..
In diesen furchtbarn knäueln ● ohnegleichen

Sogar beim Roten Meere in den tropen ●
Kam eine schar nackt und entsezt gesprungen
Nichts hoffend von versteck noch Heliotropen.

Die hände trugen rückwärts sie gezwungen
Von nattern die in ihren hüften Stacken
Die köpfe und die schweife vorn verschlungen.

Ich sah dann eine schlange einen packen
Der uns am nächsten war und ihn durchstechen
Dort wo sich an die schulter fügt der nacken.

So schnell kann man ein a und i nicht sprechen
Wie er entbrannt' und glühte ● und vernichtet
Zu lauter aschen musst er niederbrechen.

Doch kaum lag er am grund so zugerichtet
Als sich der staub von selbst zusammenschweisste
Zum gleichen der er vorher war verdichtet.

So wie bezeugt von manchem hohen geiste
Der Phönix sterbe und sich dann erneue
Wenn das fünfhundertste der jahre kreiste...

Kein kraut kein korn das ihn als speise freue ●
Er lebt von weihrauch-träne und gewürze
Und nard und myrrhe sind ihm lezte streue...

Und so wie einer der zu boden stürze –
Er weiss nicht wie – durch böser geister klauen
Durch jene sucht die uns die freiheit kürze:

Wenn er sich dann erhebt noch ganz im grauen
Der grossen ängste die ihn überwanden
Und ringsherum blickt und erseufzt im schauen:

So war der sünder als er aufgestanden.

HÖLLE ● XXIV. GESANG ● 1–118.

 


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