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ABSCHIED VERGILS

Die stunde glaub ich war es wo gen morgen
Den berg zuerst der Venus strahlen krönen
Die immer brennend scheint von liebessorgen.

Mir war ich stünd im traum vor einer schönen
Und jungen frau die durch die fluren ginge
Und blumen pflückte unter diesen tönen:

Es wisse jeder wie mein name klinge ●
Dass ich die Lea bin und kreisend schlage
Die schönen hände und mir kränze schlinge.

Ich schmücke mich eh ich den spiegel frage ●
Doch schwester Rahel mag nur in sich saugen
Die eigne zier und sizt so alle tage.

Sie ist entzückt von ihren schönen augen ●
Ich bin es von dem schmucke meiner hände.
Wie ihr die schau so will das werk mir taugen. –

Schon waren durch der frühen dämmrung brände
So jene wanderer am meisten loben
Die nächten nah dem heimischen gelände

Die finsternisse ringsumher verstoben
Und auch mein schlaf mit ihnen.. und beim steigen
Sah ich die beiden meister schon erhoben.

›Die süsse frucht die zwischen allen zweigen
Der mensch mit eifer zu erringen trachte:
Heut wird sie alle deine Sehnsucht schweigen.‹

Mit einem solchen grossen wort bedachte
Vergil mich dass noch niemals irdische zunge
Mir ein entzücken diesem ähnlich brachte.

Zur höhe zu gelangen trieb im sprunge
Der wunsch den wunsch ● so dass bei jeder biege
Ich fühlte wie mein flügel wuchs zum schwunge.

Dann sah ich unter uns die ganze stiege
Durcheilt und wie am obersten gemäuer
Der blick des Meisters mir entgegenfliege.

Er sprach: Das zeitliche und ewige feuer
Hast du geschaut o Sohn und in dem kreise
Wohin du nun gehst bin ich selbst ein neuer.

Hier zog dich her der Dichter und der Weise.
Zum führer nimm nun einzig dein verlangen ●
Denn du bist ausser schlucht und steilem gleise.

Die sonne sieh! sie strahlt auf deinen wangen.
Das land gedeiht hier ohne vorbereiter ●
Sieh! blumen gras und bäume fruchtbehangen!

Hier triffst du bald die schönen augen heiter
Die weinend mich entsandten beim beginne.
Ruh hier solange oder wandle weiter!

Nicht wirst du wort und wink von mir mehr inne.
Dein geist ist fest und heil und frei von frone.
Nun wäre fehl zu folgen andrem sinne!

Hier krön ich dich mit mitra und mit krone!

FEGEFEUER ● XXVII. GESANG ● 94–142.

 


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