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EINTRITT IN DIE STADT DES DIS

Er sprach noch mehr ● doch blieb mirs nicht im sinne ●
Denn gänzlich ward mein blick hinaufgetragen
Zum hohen turm mit der erglühten zinne.

Ich sah an gleicher stelle plötzlich ragen
Drei höllen-furien blutübergossen ●
Sie hatten weibes glieder und betragen.

Von schlangen tiefgrün waren sie umschlossen ●
Vipern und nattern trugen sie statt haaren
Die ihnen um die wilden schläfe schossen.

Und er der wohl bekannt war mit den scharen
Der königin von ewigen weinens orten:
Sieh – sprach er – die Erinnyen ● die furchtbaren!

Hier links magst du Megära und rechts dorten
Die weint ● Alekto ● und inmitten schauen
Tisiphone .. er schwieg nach solchen worten.

Sie rissen ihre brust sich mit den klauen
Die hände schlagend mit so lautem schrein
Dass ich mich an dem dichter barg vor grauen.

Medusa komm ● wir machen ihn zu stein!
Mit Theseus gingen schlimm wir ins gerichte ..
Schrieen sie ● niederblickend im verein.

›Dreh dich herum und hülle dein gesichte!
Wenn sich die Gorgo zeigt und es sie schaute
Dann gäb es keine rückkehr mehr zum lichte.‹

Dies sprechend wandte mich Vergil und traute
So wenig dem was meine hand beginne
Dass er noch mit der eignen mich verbaute.

O ihr mit dem besitz gesunder sinne
Gebt acht auf die belehrung die sich decke
Unter dem sonderbaren vers-gespinne!

Es kam mit einem tone voll von schrecke
Schon ein getöse durch die stürmischen fluten
Dass das gestad erbebt an jeder ecke.

Nicht anders klingt es wenn vom streit der gluten
Erregt ● die winde voller ungebärde
Den wald durchziehn und ohne dass sie ruhten

Die äste spalten brechen und zur erde
Wegschleudern ● vorwärts geht ihr stäubend toben
Und treibt zur flucht die hirten und die herde.

Er löste mir die augen: Nun erhoben
Den blick! sprach er – zum sumpf der immer dauert
Dorthin wo rauch am stärksten steigt nach oben ...

Wie bei der schlange nahn die auf sie lauert
Die frösche durch das wasser hin zerstieben
Bis jeder auf dem lande niederkauert:

Sah ich an tausend seelen aufgetrieben
Vor Einem fliehn der auf den stygischen pfaden
Hinschritt dass ihm die sohlen trocken blieben.

Er fegte vom gesicht den dicken schwaden
Mit seiner linken häufigem geschwenke
Und nur von solcher müh schien er beladen.

Ich wusste wohl dass ihn der himmel lenke –
Ich sah den meister an und mich beschied er
Dass schweigend ich das haupt vor Jenem senke.

Ach mit wieviel Verachtung sah er nieder!
Er kam zur pforte und mit einer gerte
Tat er sie auf und es gab kein dawider.

HÖLLE ● IX. GESANG ● 34–90.

 


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