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PICARDA UND KONSTANZE

Drauf richtet ich das wort an jenen schatten
Dess züge ihn als meist bereit empfahlen ●
Und glich dem von zu starkem wunsche matten:

O wolgeschaffner geist den in den strahlen
Des ewigen lebens süssigkeit erquicke
Die ungekostet man begreift niemalen ●

Was ist dein name was ist eur geschicke?
Erweis die gunst mir dass ich mich belehre!
Und sie erbötig lächelnd mit dem blicke:

Unsre bereitschaft wenn man wol begehre
Hat ihre grenze nur an Dessen borden
Der alles ähnlich will in seinem heere.

Ich war zur zeit jungfrau in einem orden
Und willst du im gedächtnis dich erkunden
So hehlt dies nicht dass schöner ich geworden:

Ich bin Picarda die du hier gefunden
Die ich mit andren seligen hier wohne ..
Ich selig in der säumigsten der runden.

All unsre wünsche glühn in dieser zone ●
Sind ganz dem fug des Heiligen Geists geweihte
Frohlockend nach der regel seiner throne.

Ein solcher anteil ist der mir bereite ●
Ein scheinbar kleiner ● weil wir nicht gehalten
Unsren verspruch – verbruch an einer seite.

Ich sprach zu ihr: So wunderbar entfalten
Fast etwas göttliches mir eure mienen
Das anders macht die früheren gestalten.

Drum bist du mir nicht gleich bekannt erschienen
Doch jezt kehrt leicht erinnrung mir zurücke
Da deine worte mir als helfer dienen.

Doch sag mir: ihr die ihr hier lebt im glücke
Sehnt ihr euch nicht nach einem höhern kreise
Der mehr euch zeigt und euch Ihm näher rücke?..

Mit andern geistern lächelte sie leise..
Als ob sie ersten feuers glut umfange
Gab sie die antwort dann in froher weise:

O Bruder! unsren wunsch befreit vom drange
Die kraft der Liebe so dass jeder wolle
Nur was er hat und andres nicht verlange..

Wir wünschen uns nicht als mehr gnadevolle
Weil unsre wünsche nicht im einklang wären
Mit dessen spruch der fügt was jeder solle.

Dies ● siehst du ● hat nicht statt in diesen sfären
Denn in-der-liebe-sein hält uns gebunden ●
Und willst du deren wesen recht dir klären

So ist gesetz in diesen seligen runden:
Sich ganz zu überlassen Gottes fuge
Wo Aller wunsch als Einer wird empfunden.

Dem ganzen reich gefällt was flug nach fluge
Im ganzen reiche allen ist beschieden
Und sie vollziehn nur nach des Herrn vollzuge.

Was Er verfügt ist eins mit unserm frieden..
Er ist das meer ● nach welchem alles schaue
Was selbst Er schafft und was entsteht hienieden..

Da ward mir klar: in jedem himmelsgaue
Ist paradies ● wenn auch in Einer weise
Des höchsten gutes gnade hier nicht taue.

Doch wie es kommt dass satt von Einer speise
Nach einer andren noch begehrt der magen ●
Dass dies er wünscht und jenes von sich weise:

So machte ichs mit rede und betragen
Um durch sie zu erfahren von dem tuche
Wozu die fäden sie erst halb geschlagen...

Wert und vollkommner wandel weist im buche
Des lebens ihr den rang nach deren sende –
Sprach sie – man drunten strick und schleier suche.

Zu schlafen und zu wachen bis ans ende
Bei jenem bräutigam der alle eide
Annimmt womit sich liebe zu ihm wende..

Ihr folgend barg ich mich in ihrem kleide.
Als mägdlein flüchtet ich vorm irdischen streben
Und trat in ihre bahn mit dem entscheide.

Menschen dem übel ● nicht dem heil ergeben
Entschleppten dann mich meiner süssen zelle ●
Gott weiss es wie seitdem hinfloss mein leben.

Und diese andre leuchte ● deren stelle
Zu meiner rechten ist ● von einem brande
Entfacht mit unsrer sfäre ganzer helle:

Was mich betraf gilt auch von ihrem stande ●
Auch sie war nonne ● auch sie musste missen
Ums haupt den schatten der geweihten bande.

Doch wieder in die welt hineingerissen
Trotz ihres wunschs und gutem brauch zum hohne –
Ging ihr des herzens schleier nie zerschlissen.

In diesem licht siehst du Konstanzas krone ●
Der grossen ● die dem Zweiten sturm aus Schwaben
Gebar den Dritten mit dem lezten throne ...

HIMMEL ● III. GESANG ● 34–120.

 


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