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DIE VERIRRUNGEN IM WALD ● ERSCHEINUNG DES VERGIL

Es war inmitten unsres wegs im leben ●
Ich wandelte dahin durch finstre bäume
Da ich die rechte Strasse aufgegeben.

Wie schwer ist reden über diese räume
Und diesen wald ● den wilden rauhen herben..
Sie füllen noch mit schrecken meine träume.

So schlimm sind sie dass wenig mehr ist sterben.
Doch schildr ich alle dinge die mir nahten
Ob jenes guts das dort war zu erwerben.

Ich weiss nicht recht mehr wie ich hingeraten.
So war ich voller schlaf um diese stunde
Dass sich mir falsche wege offentaten.

Nun angelangt an eines hügels gründe –
Er war die grenze eben jener klamme
Wo angst das herz mir traf mit einer wunde –

Sah ich hinauf und schaute auf dem kamme
Die strahlen schon sich breiten des planeten
Der uns zum ziele führt auf jedem damme..

So dass die ängste etwas mir verwehten
Die auf dem see des herzens hingeflogen
Die nacht die ich verbrachte so betreten.

Und wie ein mann der sich herausgezogen
Schwer-atmend an das ufer aus den riffen
Und umdreht nach den fährlich wüsten wogen:

So wandte sich mein geist im fliehn begriffen
Noch einmal rückwärts um die bahn zu schauen
Die nimmermehr lebendige durchschiffen.

Dem müden leib gab rast ein neu vertrauen
Und stets den festen fuss an tiefrer stelle
Trug ich mich weiter durch das land voll grauen.

Und sieh ● da kam fast an der höhe schwelle
Des wegs ein Pardel leicht und sehr behende..
Der war bekleidet mit geflecktem felle.

Vor meinem blicke schweift' er ohne ende
Ja hinderte mich so auf meinem pfade
Dass ich mich wenden wollt an mancher wende.

Die zeit der morgendämmrung war gerade..
Die sonne stieg von dem gestirn umfahren
Das mit ihr ging als durch die Ewige Gnade

Erstmalig jene schönen dinge waren –
So dass ich hoffen könnt aus gutem grunde
Ob jenes tieres mit den bunten haaren ●

Der süssen zeit des jahres und der stunde..
Doch so nicht dass nicht neue angst mich spannte
Als sich ein Löwe zeigte in der runde.

Es schien mir dass er mir entgegenrannte
Mit hohem haupt und hungerwütigem stieren
So sehr dass er die luft vor schrecken bannte..

Und eine Wölfin die mit allen gieren
Beladen war trotz ihrer magren knochen
Und die viel volk schon liess sein glück verlieren.

Den schreck mit dem ihr anblick machte pochen
Ward ich mit solcherlei beschwernis inne
Dass mir des aufstiegs hoffnung war zerbrochen.

Und so wie einer strebend nach gewinne
Beim nahn der stunde die ihn nicht gestattet
Sich härmt und weint in seinem ganzen sinne:

So ging mirs mit dem tier das unermattet
Zukam auf mich um mich zurückzuschieben
Schritt hinter schritt zur gegend wo es schattet.

Da ich so stand an niedren ort vertrieben
Hat meinem blick sich Einer dargeboten
Der schien durchs lange schweigen stumm geblieben.

Ich sah im grossen Ödland diesen boten..
Erbarm dich meiner! rief ich zu ihm bange ●
Seist heiler mensch du ● seist du von den toten.

Er gab zurück: Kein mensch ● mensch war ich lange
Und meine altern Mantuaner Städter
Mit namen beide von lombardischem klange.

Ich kam zur weit sub julio ● doch als Später..
Ich lebt in Rom an des Augustus throne
Als man für götter hielt der lüge väter.

Ich war ein dichter und vom frommen sohne
Anchises' sang ich – jener nach dem falle
Des stolzen Ilion aus der stadt entflohne.

Doch warum kehrst du um zum untern walle
Und klimmst nicht auf zum schönen bergeshorne ●
Ursach und anfang für die freuden alle?

›So bist du der Vergil aus dessen borne
Entflossen ist des worts so weite welle?
Fragt ich und bog beschämt den kopf nach vorne.

O du der andern dichter ruhm und helle!
Nun lohne grosse lieb und tief versenken
Mit denen lang dein buch war mein geselle.

Du Meister mir und Stab um mich zu lenken
Du bist der einzige dem ich entnommen
Den schönen stil dess rühmend sie gedenken!

HÖLLE ● I. GESANG ● 1–87.

 


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