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SODELL ● DAS TAL DER BLUMEN

Nachdem die ehrbar freudigen grüsse kamen
Zum zweit- und dritten male ● trat der schatten
Zurück und sagte: Nennt mir euren namen!

›Eh noch die würdigen seelen hoffnung hatten
Auf diesen berg zu ziehn nach ihrem glücke
Liess Oktavianus mein gebein bestatten.

Ich bin Vergil ● nur durch die eine tücke
Verdammt dass ich den Glauben nicht gesehen‹
So gab darauf mein führer ihm zurücke.

So wie es einem geht wenn vor ihm stehen
Plötzliche dinge die er staunend schaue ●
Er glaubt und nicht – kann es ● kanns nicht geschehen?

So schien mir Der.. er senkte seine braue ●
In demut wandt er wieder sich an diesen ●
Umschlang ihn dort wo sichs der mindre traue.

O der Lateiner ruhm der du gewiesen ●
Sprach er ● was kraft in unsrer sprache wohne ●
Als ewige zier du unsres lands gepriesen!

Darf ich dir nahn aus gnade? mir zum lohne?
Sag mir ● sofern ich wert bin deiner worte ●
Entsteigst der hölle du und welcher zone?

›Durch des schmerzvollen reiches alle orte ●
Gab er zur antwort ● bin ich her gekommen ●
Aus himmels kraft komm ich – sie wies die pforte.

Durch tun nicht ● durch nicht-tun ward mir genommen
Das hohe licht zu sehn das dir soll scheinen
Von dem die kunde ich zu spät bekommen.

Ein platz ist drunten ● traurig nicht durch peinen
Nur durch das blosse dunkel ● wo die klage
Nur wie ein seufzen tönt nicht wie ein weinen.

Ich bin dort in unschuldiger kinder lage:
Sie von dem menschenfehle noch nicht freie
Da tod zu früh sie traf mit seinem schlage.

Ich bin bei denen die versäumt die weihe
Der drei erz-tugenden ● doch ohne sünde
Die andern sahn und übten nach der reihe..

Wenn du es aber weisst und kannst ● so künde
Wo bald den weg wir finden der uns weite
Des Fegefeuers eigentliche schlünde.‹

Nicht feste stelle ist die mir bereite ●
Sprach er ● ich mag hinauf und seitlich schwenken..
Soweit ich kann ● biet ich mich zum geleite.

Doch siehst du dort den tag bereits sich senken ●
Bei nacht kann man nicht aufwärts gehn und gerne
Möcht ich an einen schönen rast-ort denken.

Seelen sind hier zur rechten ● etwas ferne..
Verlangst du dass ich sie dir zeigen möge?
Es war ein glück dass man sie kennen lerne.

›Wie ist dies? war die antwort ● wer nun zöge
Aufwärts bei nacht ● wird er von höherem munde
Gehemmt? ist es weil er es nicht vermöge?‹

Der freund Sordell ● den finger auf dem grunde
Hinziehend sprach: Sieh über diesen streifen
Kämst du nicht weiter nach der sonne schwunde.

Nicht dass ein andres ding beim fürderschweifen
Als nur das nächtige dunkel dich beschwere..
Und das nicht-können lässt den wunsch ersteifen.

Wol ging' es an dass man zurück dann kehre
Und wandernd ringsum an dem abhang taste
Solang der horizont den tag verwehre.

Da sprach mein Herr den beinah staunen fasste:
So führ uns hin denn ● wo nach deinen worten
Es möglich ist dass man erfreulich raste...

Wir hatten kurz uns nur entfernt von dorten
Als ich vor mir den berg sah offenstehen
So wie sich täler öffnen allerorten.

Dorthin ● so sprach der schatten ● lasst uns gehen
Wo sich die höhe senkt zu einem schachte
Und da dem neuen tag entgegensehen!..

Zuweilen steil zuweilen eben brachte
Gekrümmter pfad zum rande einer weide
Dort wo der saum sich mehr als halb verflachte.

Gediegnes gold und silber ● scharlach ● kreide ●
Indigoholz mit leuchtend heitrem scheine ●
Frischer smaragd wenn man ihn eben schneide:

Vor blumen und vor kraut an diesem raine
Wär alles dieses ein der farbe bares
Wie bar erscheint vorm grösseren das kleine.

Jedoch nicht einzig ein gemälde war es:
Hier schuf aus süssigkeit von tausend düften
Natur ein unbekanntes ● unsagbares.

FEGEFEUER ● VII. GESANG ● 1–81.

 


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