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VI

Von Hannie

Heute Nachmittag war Hella bei mir zum Kaffee. Mit drei prachtvollen Marschall-Niel-Rosen und mit einer kleinen Vase von ihrer Mutter!

Sie wollte gerne meine Wohnung sehen ... und war begeistert. So möchte sies auch haben! das sei schon lange ihr Traum! ... und dabei hat sie es dreimal schöner und besser!

Sie staunte über meine vielen Bücher ... und wollte gar nicht mehr von unserem Fensterplatz weg.

Es ist ein prächtiges Mädel ... so gar nicht Berlin. Du solltest sie wirklich kennen lernen. Du hättest Freude an ihr!

Es ist was Köstliches, um solch aufwachende Menschenseele! dieses durstige Wissen-wollen und dieses selige Sich-Blenden-lassen-können von jedem schönen Schein!

Das Bild von dir, das du damals für den Vater eingerahmt, hab ich ruhig hängen lassen! die anderen habe ich weggetan!

Wir spielten dann noch eine Zeitlang vierhändig, bis ich wieder weg mußte.

Ob sie wiederkommen dürfe? Es sei zu schön und zu gemütlich hier! so ganz anders, als bei ihren Freundinnen: das sei alles nur Flitterkram! und sie habe mich so gerne! ich sei so klug!

*

Übrigens ... Recht gegeben hab ich dir ja immer! ... aber empfunden hab ichs heute sozusagen zum ersten Mal, Hella gegenüber:

was du meinst, wenn du sagst: Hauptsache bei einer Frau sei: daß sie gutes Wachs wäre! nicht zu weich und nicht zu hart!

Es ist vielleicht überhaupt Hauptsache!

*

Und dann kam noch ein Brief von deiner Mutter. Ich hab ihn in meiner Schulschublade liegen lassen! Verzeih!

Wir hätten so lange nichts von uns hören lassen! sie würde sich so freuen, wenn es dir endlich mit etwas glückte!

und ob du nicht kommen könntest dieses Jahr? die Menschen dort nähmen alles so ernst und schwer und niemand wolle mit ihr lachen!

und ob wir wieder Backwerk haben möchten?

 

Mir ist immer, als ob es meine eigene Mutter wäre. Ich habe die meine ja kaum gekannt. Auch wenn sie nicht mehr so kann, wie sie wohl möchte. Es ist ein stiller, fester Punkt in all dem Geschiebe.

Ich sehe sie immer noch, wie wir damals ankamen, in dem großen Stuhl, am Fenster mit den Blumen, und wie sie mir die Hand gab: So also siehst du aus?! und wie sie mich dann küßte ... daß all die Angst weg war, die mir das Herz zugeschnürt hatte.

 

Wir müssen wieder einmal hin ... im Sommer! was meinst du? all die Tage war eine Sehnsucht nach ihr um mich herum. Ich schreibe ihr gleich heute Nacht noch:

Du seiest vergnügt und ich auch! und es gehe gut und aufwärts!

Und dahin müssen wir es bringen, Liebster, daß sie deiner Mutter einmal ein Denkmal setzen wie in Frankfurt der Frau Rat! du brauchst keines!

Tausend Grüße und Küsse.


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