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[I]

O nur ein paar Tage nun, Liebste,
so köstliche Sonne,
so strahlenden Himmel,
so lockende Luft ...
und alle Brunnen beginnen zu springen,
und alle Gärten beginnen zu singen,
alle Farben beginnen zu glühn,
und alle Harfen fangen an zu klingen,
und alle Herzen fangen an zu blühn ...

*

Frühlingsverse ... mitten im Winter! ...
aber es ist vielleicht das Beste, das man hat, gleich so töricht werden zu können, wenn einmal ein bißchen Sonne durchkommt!

Wenn ich gewußt, wo dich finden, hätt ich dir sogar ein paar Veilchen gebracht.

Sonst war nichts. Eine kurze Karte von der Mutter: auch dieser Winter müsse ja wohl einmal ein Ende nehmen! Wie es gehe? und viele Grüße! auch von Helmut!

 

Seit die Sonne wieder weg, ist alles freilich wie immer:
man fühlt Armeen in der Faust und steht wie ein Betteljunge vor dem Leben ... selig ein paar elende Abfälle zu erwischen!

 

Dieses ewige Zersplittern und Zerreiben mit Artikelschreiben! und dieses Feilschen-müssen um halbe Pfennige!

 

Und seit du die Abendstunden bei Dreiwegs angenommen hast, hat man vollends nichts mehr!

Fünfzig Mark monatlich!

Gewiß! gewiß! ... aber ... unsere ganze Freude! alles, was wir hatten! unsere Quellen! unsere Kraft, den ganzen Sinn unseres Daseins ... für fünfzig Mark!!

Wir haben lange genug darüber geredet, ich weiß, ich weiß! wir vertrösteten uns: es sei ja nur für den Winter und wir hätten Frühling und Sommer dafür dann um so schöner!
wir wollten vernünftig sein ... und stark!
ja ja! vernünftig!! vernünftig!!!

O wenn ich doch einmal so vernünftig sein dürfte: nicht mehr so ›vernünftig‹ zu sein!
wenn ich doch einmal den Mut fände, alle Einwände und Bedenken über den Haufen zu lachen und keine Brücken mehr zu suchen, um über den Bach zu kommen ... sondern dich auf den Arm zu nehmen und durchzuwaten!

Es gibt ja doch Menschen, die in ihrem gesamten Dasein nicht ein Mal so ›vernünftig‹ sind, wie wir tagaus tagein ... und denen alles trotzdem dreimal besser glückt als uns!
wie machen sies? wie fangen sie das an?!

Es ist besser, sagen wir, erst aufzuräumen und sauberen Tisch zu machen ... und die Hände frei zu kriegen ... wir haben dann den Frühling dafür und den Sommer!
gewiß! doch wenn es Frühling und Sommer wird, räumen wir immer noch auf ... immer neuen Kram! und vertrösten uns auf den Herbst! und vom Herbst wieder auf den Frühling ... und so betrügen wir uns das ganze Leben entlang!

 

Es ist die Schwere unserer eigenen Seele, Hannie, die uns so zu Boden bindet!


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