Gabriel Ferry
Der Waldläufer
Gabriel Ferry

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30 Der Angriff auf das Lager

Bei dem Ruf Cuchillos, der im ganzen Lager widerhallte, wechselten der Spanier und Pedro Diaz einen Blick des Einverständnisses miteinander, als ob derselbe Gedanke in ihrer Seele aufgestiegen wäre. »Es ist sonderbar, daß die Indianer unsere Spuren wiedergefunden haben«, sagte Don Estévan.

»Sonderbar, in der Tat«, erwiderte Diaz.

In einem Augenblick war das Lager auf den Füßen. Eine kurze Zeit herrschte überall Verwirrung. Ein allgemeiner Schauder durchlief diese unerschrockenen Männer, die doch an ähnliche Verwirrungen gewöhnt waren und sich schon mehr als einmal mit ihren unversöhnlichen Feinden gemessen hatten. Die Gewehrpyramiden wurden auseinandergenommen, und jeder bewaffnete sich in aller Eile.

Die Reittiere zitterten gerade, wie Benito darauf aufmerksam gemacht hatte, bei der Witterung der Indianer und rissen an ihren Halftern wie bei der Annäherung eines Pumas oder des Jaguars – einen solch erschreckenden Eindruck machen diese Söhne der Steppe auf sie. Aber die durch den Alarmruf Cuchillos entstandene Unruhe legte sich bald, und jeder stand der Ordnung nach auf seinem Posten, den der Chef schon im voraus für den Fall eines Angriffs bestimmt hatte. Die ersten, die Cuchillo befragten, waren der alte Hirt und Baraja, der zum erstenmal einen solchen Zug mitmachte und den wir von den Erzählungen und düsteren Voraussagungen seines Gefährten unangenehm berührt gesehen haben.

»Vorausgesetzt, Ihr habt die Indianer nicht auf unsere Spur gelockt«, sagte der alte Vaquero und warf dem Banditen einen argwöhnischen Blick zu, »weiß ich nicht, wie diese sie haben entdecken können.«

»Ich habe sie in der Tat herbeigezogen!« sagte Cuchillo unverschämt, indem er vom Pferd stieg. »Ich möchte Euch durch hundert solcher Dämonen verfolgt gesehen haben, um zu wissen, ob Ihr nicht wie ich nach dem Lager galoppiert wärt, um Schutz darin zu suchen.«

»In so einem Fall«, erwiderte Benito ernst, »darf ein Mann, um seine Gefährten zu retten, nicht fliehen; er läßt sich eher skalpieren, als daß er sie verrät. Ich würde so gehandelt haben – ich!« fügte er hinzu.

»Ein jeder nach seinem Geschmack«, sagte Cuchillo; »aber ich habe nur dem Chef und nicht seinen Dienern Rechenschaft zu geben.«

»Ja«, murmelte der alte Diener, »es geschieht, was geschehen muß; ein Feigling oder ein Verräter kann nur Feigheit oder Verräterei zeigen.«

»Sind der Apachen viele?« fragte Baraja seinen ehemaligen Freund, denn seit ihrem Streit in der Hacienda waren ihre Beziehungen etwas abgekühlt.

»Ich habe nicht Zeit gehabt, sie zu zählen«, erwiderte Cuchillo. »Alles, was ich sagen kann, ist, daß sie ganz nahe sein müssen.« Und ohne sich weiter aufzuhalten, ging er durch das Lager zu Don Estévan.

Dieser wartete, da die ersten und wichtigsten Maßnahmen schon getroffen waren, am Eingang seines Zelts, daß Cuchillo herankäme und vom Erfolg seiner Rekognoszierung und der Nähe der Gefahr Bericht erstatte.

In dem Augenblick, als Cuchillo sich näherte, ohne auf die zahlreichen Fragen zu antworten, mit denen er von allen Seiten überschüttet wurde, ging ein Mann mit einem flammenden Brand in der Hand zu den in gewisser Entfernung aufgerichteten Reisbündeln, um sie anzuzünden, als die Stimme Don Estévans sich hören ließ: »Noch nicht!« rief er. »Es ist vielleicht ein falscher Lärm, und solange wir nicht die Gewißheit des Angriffs vor uns sehen, dürfen wir das Lager nicht erleuchten, um uns nicht zu verraten.«

Bei den Worten »ein falscher Lärm« hätte man sehen können, wie ein unheimliches Lächeln über Cuchillos Lippen flog. Der Mann warf seinen Brand in das Feuer zurück.

»Auf jeden Fall«, rief Don Estévan abermals, »sattle jeder sein Pferd und mache sich jeder bereit.« Er ging wieder in sein Zelt und gab Diaz ein Zeichen, ihn zu begleiten. –

»Das will sagen, Freund Baraja«, nahm Benito das Wort, »daß, wenn der Befehl gegeben ist, die Feuer anzuzünden, wir auch sehr sicher sind, daß wir angegriffen werden. Besonders nachts ist es schrecklich.«

»Wer wüßte das besser als ich?« sagte Baraja.

»Habt Ihr schon einmal des Nachts an einem solchen Fest teilgenommen?« fragte Baraja.

»Niemals – darum fürchte ich eben einen nächtlichen Angriff so sehr.«

»Wohlan! Wenn Ihr schon einen solchen gesehen hättet, so würdet Ihr Euch ...«

»So würde ich mich nicht mehr davor fürchten?« beeilte sich Baraja, ihn zu unterbrechen.

»... so würdet Ihr Euch noch mehr davor fürchten!« – Cuchillo brachte auf seinem Weg zum Zelt Don Estévans sein Gesicht in Ordnung oder vielmehr in Unordnung. Er warf seine langen Haare in den Nacken zurück, als ob sie der Luftzug bei einem eiligen Ritt über den Kopf geworfen hätte; dann ging er in das Zelt wie ein Mann, der eben erst wieder Atem schöpft, und trocknete einen Schweiß auf seiner Stirn, der sich gar nicht vorfand. Sonst hatte er seine gewöhnliche unverschämte Miene beibehalten.

Oroche, der ganz besonders mit der Wache bei der Person Don Estévans beauftragt schien, war an Diaz' Seite geschlüpft.

Der Bericht Cuchillos war kurz. Beim Auftrag, den Zugang zu dem Ort zu erkunden, zu dem die Expedition ihren Marsch richten mußte, hatte er seine Rekognoszierung über die Grenzen hinaus ausgedehnt, die ihm die Klugheit vorschrieb ...

Diaz unterbrach ihn. »Ich hatte solche Vorsichtsmaßnahmen getroffen«, sagte er, »um unseren Marsch durch falsche Spuren den Indianern zu verbergen; ich hatte sie so vollständig irregeführt, daß Ihr die Richtung, der Ihr folgtet, habt verlassen müssen, um nach rechts oder links abzuweichen.«

»Ich habe mich in der Tat verirrt«, erwiderte der Bandit, »da ich durch die Einförmigkeit dieser endlosen Ebenen, worin jeder Hügel dem anderen gleicht, getäuscht worden bin ...«

»Jeder Hügel soll dem anderen gleichen?« antwortete Diaz spöttisch. »Wenn ein Mann aus der Stadt sich dadurch täuschen läßt, so ist das begreiflich; aber Ihr ... Die Furcht hat also wohl Eure Augen mit einem Nebelschleier bedeckt?«

»Die Furcht?« antwortete Cuchillo. »Ich kenne sie nicht mehr als Ihr.«

»Dann werden Eure Augen schlecht, Señor Cuchillo.«

»Wie dem auch sein mag«, fuhr der letztere fort; »genug, ich verirrte mich, und ohne die Rauchsäule, die mich führte, hätte ich meinen Weg nicht so schnell, als es geschehen ist, wiederfinden können.

Aber ich bemerkte eine Abteilung Indianer, die sich durch die Ebene bewegten, und mußte einen Umweg machen, um ihnen aus dem Weg zu gehen. Gerade auf diesem Umweg jedoch wurde ich durch umherstreifende Krieger entdeckt, und ich verdanke nur der Schnelligkeit meines Pferdes den Vorsprung, den ich eben über sie gewonnen habe.«

Als er diesen Bericht, während dessen Don Estévan mehr als einmal die Augenbrauen zusammengezogen hatte, beendete, ging Oroche aus dem Zelt, kam aber sogleich zurück. »Die Indianer sind dort unten!« sagte er. »Seht jene schwarzen Schatten, die durch die Ebene eilen, das sind ihre vorausgesandten Krieger, die unser Lager rekognoszieren wollen.«

Auf der bleichen Oberfläche der Steppe konnte man wirklich die Form von Reitern erblicken, die sich näherten und im Schatten der Sandhügel verschwanden. Pedro Diaz befragte Don Estévan mit einem Blick; dann rief er mit einer Stimme, die wie ein Schlachtsignal durch das Lager tönte: »Zündet überall die Feuer an; wir müssen unsere Feinde zählen können!«

Einige Augenblicke nach diesen Worten schien ein rotes Licht, das beinahe ebenso lebhaft war, wie das der Sonne, das ganze Lager in Brand zu setzen; die Abenteurer standen auf ihren Posten, die Büchse in der Hand; die Pferde waren gesattelt und gezäumt und warteten nur, daß ihre Reiter sich auf ihre Rücken warfen, sobald etwa ein Ausfall notwendig wurde. Dann sank das Zelt Don Estévans über seinen Zeltpflöcken, die Oroche herausgezogen hatte, zusammen. Eine feierliche Stille war dem Lärm gefolgt. Die Steppe war in Schweigen gehüllt wie das Lager. Der Mond beleuchtete nicht mehr die Bewegungen der indianischen Streifreiter; sie waren verschwunden wie jene düsteren Träume, die die Rückkehr des Tages verscheucht. Es war die Zeit der Stille, die dem Sturm vorangeht.

Diese Ruhe hatte übrigens etwas Schreckliches. Sie kündigte nicht eine jener Überraschungen an, in der ein an Zahl geringerer Feind seine Schwäche durch die Heftigkeit seines Angriffs verbirgt und immer bereit ist, die Flucht zu ergreifen, wenn er Widerstand findet. Es war die Ruhe vor der Schlacht, in der sich unversöhnliche Feinde einen Augenblick sammelten, um desto sicherer einen tödlichen Kampf zu beginnen.

»Ja, verlaßt Euch nur darauf«, sagte der alte Benito zu Baraja; »eine Viertelstunde später werdet Ihr das Geheul dieser roten Teufel in Euren Ohren wie die Posaunen des Jüngsten Gerichts widerhallen hören. Das sage ich Euch, obgleich ich die Indianer wenig kenne.«

»Laßt doch!« erwiderte Baraja mit bestürzter Miene. »Ihr seid der erfahrenste Mann, was Jaguare und Indianer betrifft, den ich jemals gesehen habe; obgleich Ihr, um die Wahrheit zu sagen, ein wenig tröstlicher sprechen könntet. Wollte Gott, es wäre mir erlaubt, an der Wahrheit Eurer Worte zu zweifeln!« »Es gibt Dinge, die leicht vorauszusehen sind. Man kann dem Reisenden, der sich im ausgetrockneten Bett eines Waldstroms zum Schlafen niederlegt, voraussagen, daß die Fluten bei seinem Erwachen ihn mit sich fortreißen werden oder daß die Indianer, die die Stellung ihrer Feinde kennen und sich einen Augenblick zurückziehen; ihr Krieger zählen, um jene anzugreifen. Man kann mit Gewißheit voraussagen, daß mehr als einer unter ihnen seinen Todesschrei ausstoßen wird – ebenso wie viele von uns ihr letztes ›In manus‹ werden beten müssen –, aber wer dies sein wird, das ist es, was niemand voraussagen kann. Kennt Ihr irgendein Gebet für Sterbende, Señor Baraja?«

»Nein«, sagte der Abenteurer traurig.

»Das tut mir leid, denn das sind solche kleinen Dienste, die Freunde sich gegenseitig leisten; und wenn ich den Schmerz hätte – da es doch vernünftig ist, darauf gefaßt zu sein –, zu sehen, wie Ihr erst skalpiert und dann ermordet werdet ...«

Der alte Vaquero wurde durch ein Geheul, das aus der Ferne erscholl und sich dem Lager näherte, unterbrochen. Ungeachtet des stets Unglück weissagenden Sinnes der Rede des alten Hirten hielt doch sein kaltes Blut auch unter den größten Gefahren seine so kräftig durch einen tröstlichen Fatalismus unterstützte Entschlossenheit den weniger festen Mut Barajas aufrecht. In dem Augenblick, als dieser wider seinen Willen einen Schauder fühlte bei dem Kriegsgeschrei, das man gehört haben muß, um seinen schrecklichen Klang zu würdigen, warf er einen Blick auf Benito, um aus dessen Haltung ein wenig von dem Gleichmut zu schöpfen, der den Greis niemals verließ.

Der Schein des Feuers beleuchtete lebhaft seine eingefallenen Wangen. Zum erstenmal schien eine resignierte Traurigkeit wie eine Wolke auf seiner gebeugten Stirn zu lagern. Seine Augen waren feucht, als ob ihnen eine Träne entquellen wollte. Baraja war bestürzt über die Veränderung. Er legte seine Hand auf den Arm des alten Hirten.

Benito hob sein Haupt. »Ich verstehe Euch«, sagte er; »aber der Mensch hat seine schwachen Augenblicke. Was wollt Ihr? Ich gleiche demjenigen, den der Ton der Trompete in dem Augenblick von seinem Herd reißt, wo er gerade am wenigsten daran denkt, ihn zu verlassen. Mitten unter diesem Geheul höre ich dort oben den Ton der Trompete, die mich ruft, und so alt, wie ich bin, tut es mir doch einigermaßen leid, meinen Herd zu verlassen. Ich habe weder Frau noch Kinder, von denen ich mit Trauern scheiden oder die mich beweinen müßten; aber ich habe einen alten Gefährten meines einsamen Lebens, und ich kann an eine Trennung von ihm nicht ohne Schmerz denken. Dem indianischen Krieger ist es wenigstens ein Trost, zu wissen, daß sein Schlachtroß sein Grab mit ihm teilen wird, und zu glauben, daß er es einst ebenso im Land der Geister wiederfindet.

Wie oft haben wir nicht zusammen die Wälder und Savannen durchstreift! Wie oft haben wir nicht alle beide Sonnenglut, Hunger und Durst ertragen! Dieser alte, treue Freund – Ihr habt es wohl schon erraten – ist mein Pferd. Ich schenke es Euch, Freund Baraja; behandelt es sanft, liebt es, wie ich es liebte, und es wird auch Euch lieben, wie es mich liebt. Es war der Gefährte jenes Tieres, das von einem Jaguar zerrissen wurde; von uns dreien wird es nun allein übrigbleiben.«

Bei diesen Worten zeigte der Greis mit dem Finger auf einen bejahrten, edlen Renner, der sich mitten unter der Gruppe von gesattelten Pferden befand. Sein Hals war gebogen durch den am Sattelknopf befestigten Zügel; er kaute noch stolz an seinem Gebiß. Benito ging auf ihn zu und streichelte seinen starken Rücken. Als dieser schwache Augenblick vorüber war, wurde sein Gesicht wieder leidenschaftslos.

Mit der Wiederkehr seines kalten Blutes war der alte Hirt auch wieder auf seine Gewohnheit zurückgekommen, alles vorauszusehen, wodurch alle diejenigen, die ihm zuhörten, vor Schrecken starr wurden.

»Hört!« sagte er zu Baraja. »Um Euch schon im voraus meinen Dank für die Sorgfalt auszudrücken, die Ihr meinem alten Freund werdet zuteil werden lassen, kann ich Euch, solange es noch Zeit dazu ist, einen Vers aus dem Psalm für Sterbende lehren; das kann Euch von Nutzen sein; ebenso wie ...«

»Nun?« sagte Baraja, der sah, daß der Greis seine Rede nicht beendete. »Habt Ihr mir irgendeine erschreckende Neuigkeit zu verkünden?«

Der alte Vaquero antwortete nichts; aber der Abenteurer fühlte, wie der Arm Benitos krampfhaft den seinigen ergriff. Der Anblick, der Baraja erschütterte, war viel schrecklicher als die schrecklichste Antwort des alten Mannes. Seine Augen rollten in ihren Höhlungen, und eine seiner Hände suchte vergeblich das Blut zu stillen, das aus einer breiten Wunde hervorquoll.

Ein Pfeil war zischend gekommen und hatte seine Gurgel durchbohrt.

Benito fiel, indem er sagte: »Es geschieht nur, was geschehen muß. – Laßt mich«, fügte er hinzu, indem er die Hilfe Barajas zurückwies, die dieser ihm zu leisten suchte; »meine Stunde ist gekommen! ... Denkt an meinen ... alten Freund ...« Wellen von Blut stürzten aus seiner Wunde und nahmen ihm die Sprache.

In diesem Augenblick zeigten sich die am besten berittenen Krieger der Apachen in der vom Mond erleuchteten Ebene.

Diejenigen Reisenden, die nur mit zivilisierten Indianern zusammengetroffen sind, möchten sich nach ihnen schwerlich eine richtige Vorstellung von den wilden Indianerstämmen machen. Nichts glich dem entarteten Geschlecht der Indianer in den Städten weniger als diese ungebändigten Söhne der Steppen, die – ähnlich dem Raubvogel, der in der Luft seine kreisförmigen Bewegungen beschreibt, ehe er auf seine Beute niederstößt – auf ihren Pferden heulend um das Lager sprengten. Ihre gräßlich rot bemalten Gesichter erschienen zuweilen in heller Beleuchtung durch den Widerschein der Feuer. Ihre langen Haare flatterten weithin im Wind; die Lederriemen, womit ihr Anzug verziert war, umgaben bei dem raschen Galopp wie Schlangen ihren Körper, ihr durchdringendes trotziges und herausforderndes Geschrei – alles machte sie den Dämonen ähnlich, mit denen man sie so richtig verglichen hat. Es gab wohl nur wenige unter den Mexikanern, die nicht irgendwelche Beeinträchtigung an diesen unermüdlichen Räubern zu rächen gehabt hätten; aber keiner unter ihnen war in dieser Beziehung von einem größeren Haß beseelt als Pedro Diaz. Der Anblick seiner Feinde machte auf ihn denselben Eindruck wie ein scharlachrotes Fähnchen auf den Stier. Er schien kaum seinen glühenden Haß beherrschen und nur mit Mühe der Versuchung widerstehen zu können, sich durch eine jener kühnen Taten auszuzeichnen, die seinen Namen den Indianerstämmen so furchtbar gemacht hatten. Es war aber notwendig, ein Beispiel der Disziplin zu geben, und der Abenteurer bezähmte darum seine brausende Ungeduld. Übrigens war der Augenblick nicht fern, wo die Indianer selbst den Angriff beginnen würden; und diesmal wenigstens konnte die vorteilhafte Stellung der Mexikaner die größere Anzahl ihrer Feinde ersetzen.

Nachdem Don Estevan jedem seinen Posten hinter den Wagen angewiesen hatte, ließ er auf der Anhöhe, wo eben auch sein Lagerzelt gestanden war, diejenigen von seinen Leuten sich aufstellen, deren Büchsen am weitesten trugen und deren Auge das sicherste war. Die Feuer verbreiteten ihr Licht weit genug, um das Ziel ihrer Kugeln deutlich zu erkennen. Was ihn selbst betraf, so war sein Posten überall.

Indessen hatten der scharfe Blick der Indianer und die Berichte derer, die am weitesten vorgedrungen waren, sie ohne Zweifel über die Stellung der Weißen belehrt, denn einen Augenblick hindurch schien nach dem Versuch, ihre Feinde zu erschrecken, Unentschlossenheit unter ihnen zu herrschen.

Aber die Waffenruhe war nur von geringer Dauer. Nach kurzem Schweigen ertönte plötzlich aus hundert Kehlen der Kriegsruf mit schrecklichen Modulationen; die Erde zitterte unter einer Lawine von Pferden, die in vollem Jagen mitten unter einem Hagel von Kugeln, Steinen und Pfeilen auf die Mexikaner losstürmten; das Lager war von drei Seiten durch eine verwirrte Masse von Kriegern mit flatterndem Haar eingeschlossen. Unterdessen wurde auf dem Gipfel des Hügels ein wohlgenährtes Feuer unterhalten, das in langen Blitzen durch die Nacht leuchtete.

Unter diesem mörderischen Feuer galoppierten Pferde ohne Herren durch die Ebene, während anderseits Reiter sich von der Last ihrer gestürzten Tiere zu befreien strebten; der Kampf wurde bald zum Handgemenge Brust gegen Brust; die Mexikaner waren hinter den Wagen, die die Apachen zu erstürmen suchten. Oroche, Baraja und Pedro Diaz standen fest aneinandergelehnt, traten bald zurück, um den langen Lanzen ihrer Feinde auszuweichen, bald sprangen sie vor, um ihrerseits einen Stoß zu führen; sie ermutigten einander mit Gebärde und Stimme und unterbrachen sich nur, um einen raschen Blick auf ihren Anführer zu werfen.

Wir haben schon erwähnt, daß das Gerücht sich weithin verbreitet hatte, er kenne eines der reichsten Goldlager im ganzen Staat; die Habgier hatte darum bei Oroche und Baraja eine enthusiastische Hingebung und Verehrung für ihn hervorgebracht.

»Caramba!« rief Baraja aus. »Der Besitzer eines solchen Geheimnisses ist, sollte unverwundbar sein!«

»Unsterblich!« rief Oroche dagegen. »Oder doch erst sterben, nachdem er ...«

Ein Schlag mit der Streitaxt, der Oroches Schädel traf, schnitt ihm das Wort vom Mund ab, und ohne seinen dicken Hut und seinen reichen Haarwuchs wäre es um ihn geschehen gewesen. Er fiel schwer zu Boden.

Während er noch – ganz betäubt – wieder aufzustehen suchte, stützte sich sein Gegner, von der Wucht des Schlages mit fortgerissen, mit einer Hand auf die Deichsel zwischen ihnen, um sich wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Diaz ergriff den Indianer beim Arm, und an der Nabe des Rades sich festhaltend, zog er ihn mit unwiderstehlicher Gewalt an sich; der Apachenkrieger mußte aus dem Sattel und stürzte ins Lager. Er hatte noch nicht den Boden berührt, als schon das Schwert des Mexikaners seinen Kopf fast vom Rumpf getrennt hatte.

Die Schützen, die nun auf ihrem erhabenen Posten unnütz wurden, da das Handgemenge so dicht war, daß ihre Kugeln ebensogut den Ihrigen als den Apachen tödlich hätten werden können, kamen herab und mischten sich unter die Kämpfenden.

An dem Teil der Verschanzung, wo Don Estévan und Cuchillo Stellung bezogen hatten, mußte ein nicht weniger wütender Angriff abgeschlagen werden. Der erstere dachte zwar an seine persönliche Verteidigung – denn in einem solchen Fall muß ein Anführer auch Soldat sein –, warf aber dabei rasche Blicke auf die ganze Linie der Verschanzung. Nur mit großer Mühe jedoch konnte er die Anordnungen und Befehle, die er erteilte, mitten in dem Geheul, das die Kämpfenden betäubte, deutlich und hörbar machen. Mit großer Schnelligkeit und Geschicklichkeit aber lud und entlud er rasch hintereinander ein leichtes Doppelgewehr von englischem Fabrikat und befreite durch seine Kugel öfter als einmal einen der Seinigen von dem Messer, dem Tomahawk oder der Streitaxt, die ihn bedrohte. Laute Hurras antworteten dem Geheul der Apachen und belohnten seinen sicheren Blick. Er war mit einem Wort – wie der Abenteurer seit dem Beginn ihrer gefährlichen Expedition ihn gesehen hatte – der Anführer, der bei seinen Befehlen an alles dachte, und der Soldat, den nichts im Kampf erschreckte.

Cuchillo stand so gedeckt als möglich, mit mehr Vorsicht als Mut hinter seinem Chef, während sein noch ganz gesatteltes Pferd allen seinen Bewegungen mit dem verständigen Blick eines Wachtelhundes folgte. Er schien noch mit besorgtem Auge die Wechselfälle des Angriffs und der Verteidigung zu berechnen, als er plötzlich wankte, zurückwich, wie wenn er tödlich verwundet sei, und in einiger Entfernung von den Wagen schwerfällig niedersank.

Dieses Ereignis wurde mitten im Handgemenge fast nicht bemerkt; jeder hatte genug zu tun, Gefahren von sich abzuwenden und nur an sich zu denken. »Ein Feigling weniger«, war alles, was Don Estévan kaltblütig sagte, da er die vorsichtigen Bewegungen Cuchillos wohl beachtet hatte.

Das Pferd des Gefallenen lief hin zu diesem und schnaubte ganz erschreckt beim Anblick seines Herrn. Einige Augenblicke blieb Cuchillo unbeweglich liegen, dann hob er nach und nach den Kopf empor und warf einen forschenden Blick um sich her; sein naher Tod hatte seinem Auge noch nichts von seiner Schärfe geraubt. Einige Sekunden darauf stand der Bandit wieder auf seinen Füßen wie ein Mann, dem der Todeskampf noch einmal einen Anschein von Kraft gibt; dann drückte er, scheinbar tödlich verwundet, die Hand auf seine Brust, als ob er das entfliehende Leben zurückzuhalten suchte, machte schwankend noch einige Schritte und ließ sich dann – ziemlich weit von der Stelle, wo er zuerst gefallen war, aber auf der dem Angriff nicht ausgesetzten Seite – langsam auf die Erde gleiten.

Das Pferd folgte ihm und beschnupperte ihn abermals. Wären jetzt nicht die Abenteurer zu hart von ihren Feinden bedrängt gewesen, so hätten sie sehen können, wie der Bandit nach dem Punkt der Verschanzung hin wollte, den die Indianer freiließen; hier angelangt, wartete er noch, schlüpfte endlich unter die Räder der Wagen und war außerhalb des Lagers. Hier richtete er sich ebenso fest empor wie in den Tagen seiner Kraft. Ein Lächeln düsterer Freude flog über sein Gesicht.

Die Dunkelheit und der Aufruhr begünstigten sein Unternehmen. Er löste schnell die eisernen Ketten von zwei Wagen und öffnete somit einen Durchgang. Der Bandit pfiff, und sein Pferd kam ebenfalls durch die Öffnung. In einem Augenblick war er im Sattel, fast ohne den Bügel zu berühren. Nachdem er sich einige Sekunden besonnen hatte, drückte er die Sporen in die Flanken des Pferdes, das wie ein Blitz fortschoß, und beide verschwanden in der Finsternis. –

Auf den beiden Seiten der Verschanzung bedeckten Leichname die Erde. Die halbverbrannten Reisbündel beleuchteten mit rötlichem Glanz die blutigen Szenen dieses nächtlichen Kampfes; das Geheul erbitterter Feinde, das Sausen der Pfeile, die wiederholten Entladungen der Büchsen folgten ohne Unterbrechung aufeinander. Die grauenvollen Gesichter der indianischen Reiter sahen im Schein der Feuer noch schrecklicher aus; sie verschwanden aber bald in der Finsternis, ohne daß es möglich gewesen wäre, ihre Anzahl während ihres Verweilens in dem Raum zwischen Licht und Dunkelheit zu bestimmen.

Indes waren doch die Verschanzungen an einem Punkt unter den ständig erneuerten Angriffen durchbrochen. Tot oder verwundet, hatten die Verteidiger dieses Teils der Wagenlinie Feinden weichen müssen, die jeden Augenblick zahlreicher und erbitterter aus der Erde hervorzuwachsen schienen. Es war dies ein Augenblick schrecklicher Verwirrung, ein Durcheinander von eng verschlungenen Leibern, über denen die Haarbüsche der indianischen Krieger flatterten und das von der Brust ihrer Pferde gespalten wurde. Doch wie der Strom, wenn er sich getrennt hat, wieder zusammenfließt, so schloß sich auch die einen Augenblick durchbrochene Linie der Abenteurer wieder hinter einer Gruppe von Apachen, die man wie wilde Tiere mitten im Lager toben sah.

Oroche, Baraja und Pedro Diaz, die von der Stelle, die sie bis jetzt verteidigt hatten, herbeigeeilt waren, sahen sich nun Stirn an Stirn ihren Feinden gegenüber, ohne daß sie diesmal irgend etwas trennte. Zerfetzt, von Blut und Staub besudelt, wollten die drei Abenteurer eine letzte Anstrengung versuchen.

Mitten in der Indianergruppe, deren Lanzen und Tomahawks ohne Unterschied die erschreckten Pferde, die Maultiere und die Männer trafen, war ein Häuptling an seinem hohen Wuchs, an der Malerei seines Gesichts und an der Gewalt seiner Hiebe leicht zu erkennen. Es war das zweitemal seit dem Beginn des Zuges durch die Steppe, daß der Apachenhäuptling sich Stirn gegen Stirn den Weißen gegenüber befand. Sein Name war ihnen bekannt.

»Hierher, Diaz!« rief Baraja. »Hier ist die Pantherkatze!«

Bei Diaz' Namen, dessen Ruf bis zu ihm gedrungen war, suchte der indianische Häuptling mit dem Blick denjenigen, der ihn trug. Die Augen des indianischen Kriegers schienen Flammen zu sprühen, und er zog die Lanze zurück, um Diaz zu durchbohren, der auf den Ruf Barajas herbeigeeilt war. Da durchschnitt Oroches Messer die Hacken seines Pferdes. Der Indianer stürzte durch den Fall seines Tieres auf die Erde und ließ die Lanze fallen, die er in der Hand hielt. Diaz ergriff sie, und während der Apache sich auf ein Knie erhob und ein kurzes Schwert entblößte, drang die Spitze der seiner Hand entschlüpften Waffe in seine nackte Brust.

Der Indianer war tödlich getroffen, aber kein Schrei kam über seine Lippen, seine Augen verloren nichts von ihrem drohenden Ausdruck; ein einziger Wunsch nur malte sich auf seinen schon entstellten Zügen. »Die Pantherkatze hat hartes Leben«, sagte er.

Und mit einer Hand, der der nahe Tod noch nichts von ihrer Kraft geraubt hatte, ergriff der indianische Häuptling entschlossen den Schaft der Lanze, die immer noch von Diaz festgehalten wurde. Ein letzter Kampf begann. Bei jeder Anstrengung des Apachen, seinen Feind an sich zu ziehen und ihn mit einer tödlichen Umarmung zu vernichten, drang das Eisen der Waffe auf seinem blutigen Weg immer weiter vor. Aber bald verließen ihn die Kräfte; die Lanze wurde heftig aus seinem Körper herausgerissen und blieb ganz rot von Blut in Diaz' Händen; der Indianer brach zusammen, warf noch einen herausfordernden Blick auf seinen Feind und rührte sich nicht mehr.

Nachdem ihr Häuptling von den Händen Pedro Diaz' gefallen war, teilten die übrigen Apachen bald dasselbe Los, während ihre Gefährten vergeblich versuchten, die Linie der zusammengeketteten Wagen zum zweitenmal zu durchbrechen. Opfer ihres tollkühnen Mutes, waren die Krieger wie ihr Chef gefallen, ohne nur daran zu denken, um Gnade zu bitten, die sie selbst niemals gewähren. Sie waren gefallen, wie sie fallen mußten: das Antlitz dem Feind zugekehrt und von den Leichen derer umgeben, die ihnen auf der großen Reise nach dem Land der großen Geister vorangegangen waren.

Von den Wilden, die sich im Lager befanden, war nur ein einziger aufrecht im Sattel geblieben. Eine Minute lang blickte er mit glühenden Augen um sich wie ein Tiger, der von den Jägern eingeschlossen ist. Weit davon entfernt jedoch, seine Gegenwart den Feinden zu verbergen, stieß der Indianer abermals sein Kriegsgeschrei aus; aber dieser Ruf verklang in dem wilden Geheul, das außerhalb das Echo der Ebenen weckte. Da benützte der Apache einen Augenblick der Verwirrung, wo die Abenteurer von außen angegriffen wurden und die offene Bresche in der Verschanzung fast freiließen; er setzte mit seinem Pferd hinüber und befand sich bei den Seinigen.

Pedro Diaz hatte vielleicht allein im ganzen Lager den Indianer bemerkt, der dem Verderben seiner Gefährten entronnen war und die Verschanzung übersprungen hatte. Das war eine Beute, die er bedauerte, und der unversöhnliche Feind der Indianer war gewohnt, sich nicht in fruchtlosem Bedauern zu verzehren. Der Abenteurer hatte schnell das Schlachtroß bestiegen, das er der Freigebigkeit Don Agustin Penas verdankte. An seiner linken Hand an der Degenquaste hing eine lange, breite Toledoklinge mit der stolzen spanischen Inschrift:

No la saques sin razon,
No la embaines sin honor.

Entblöße sie nicht ohne Grund,
Stecke sie nicht ein ohne Ehre.

Die Klinge war rot von Blut. Um nicht vom Glanz des Feuers geblendet zu werden, hatte er mit seiner rechten Hand einen Schirm vor die Augen gemacht und warf nun einen forschenden Blick in die ferne Dunkelheit. Plötzlich bemerkte er am äußersten Ende des Lichtkreises einen indianischen Reiter. Das war der Mann, den Diaz suchte. Der Indianer ließ ungestüm sein Pferd tausend verschiedene Schwenkungen machen und stieß ein herausforderndes Geschrei aus. Der Abenteurer dachte an das Wort des Hacenderos wegen des Pferdes, das er ihm geschenkt hatte: »Der Indianer, den Ihr verfolgen werdet, müßte auf den Flügeln des Windes reiten, wenn Ihr ihn nicht erreicht, so groß auch der Vorsprung sein mag, den er vor Euch hat«; und er beschloß, eine Probe zu machen.

Das edle Tier setzte, vom Sporn getrieben, über die von den Indianern zerstörte Verschanzung, und in einem Augenblick befanden sich die beiden Pferde und die beiden Reiter nebeneinander, Seite an Seite. Der Indianer schwang seine Streitaxt, der Weiße hielt ihm die Spitze seiner geröteten Klinge entgegen. Einige Sekunden hindurch gab es nun einen bewunderungswürdigen Wettkampf an Unerschrockenheit und Reitergeschicklichkeit. Beide bewährten den Ruf der Mexikaner und der Indianer, die besten Reiter der Welt zu sein; vor der Streitaxt des Apachen flog der Degen des Mexikaners in Stücke. Die beiden Reiter faßten einander nun um den Leib, um sich gegenseitig aus dem Sattel zu heben – aber beide schienen mit dem Pferd, das sie ritten, eins zu sein.

Endlich vermochte sich Diaz vom Griff seines Feindes zu befreien. Er ließ sein Pferd etwas zurückbleiben, ohne jedoch selbst aufzuhören, dem Indianer die Stirn zu bieten; dann ließ er, als er etwa zwei Schritt hinter ihm war, mit ein paar Sporenstößen sein Pferd sich so wütend bäumen, daß das Tier einen Augenblick über der Gruppe des Indianers und seines Renners zu schweben schien. In demselben Augenblick hob der Mexikaner, ohne den Bügel zu verlassen, seinen rechten Fuß empor, und mit einem Stoß dieses hölzernen Bügels, der breit, schwer und mit Eisen beschlagen ist, zerschmetterte er den Schädel des Indianers; sein Pferd trug einen toten, aber nicht aus dem Sattel gehobenen Reiter davon.

Diese letzte, prächtige Waffentat schien das Ende des Kampfes zu bilden, der schon so lange gewütet hatte. Einige Pfeile flogen um Diaz herum, ohne ihn zu treffen; seine Waffengefährten empfingen ihn mit einem Freudengeschrei, das an wildem Klang dem der Apachen nichts nachgab. Diaz ersetzte seinen zerbrochenen Degen und schöpfte Atem.

Ein beiden Teilen unentbehrlicher Augenblick der Ruhe stellte sich wie auf gemeinschaftliche Verabredung ein. Man konnte einander befragen und wieder zu sich kommen.

»Armer Benito«, sagte Baraja; »Gott nehme seinen Geist auf! Er ist ein Verlust für uns. Es ist nichts an ihm, glaube ich – bis etwa auf seine schrecklichen Geschichten –, was ich nicht bedauerte.«

»Und was noch beklagenswerter ist«, unterbrach ihn Oroche, »das ist der Tod unseres ausgezeichneten Cuchillo, des Führers der Expedition.«

»Eure Gedanken sind noch etwas verwirrt von dem Schlag des Streitkolbens, den Ihr auf den Schädel bekommen habt!« sagte seinerseits Diaz, indem er auf seinem Steigbügel die Biegsamkeit der neuen Klinge, mit der er sich versehen hatte, versuchte. »Ohne den ausgezeichneten Cuchillo, wie Ihr ihn nennt, würden wir nicht heute abend wenigstens zwanzig brave Kameraden verloren haben, die wir morgen zur Erde bestatten müssen. Cuchillo hat unrecht gehabt, einen Tag zu spät zu sterben. Von ihm wage ich nicht zu sagen: ›Gott möge seine Seele aufnehmen.‹«

Während dieser Zeit berieten sich die Indianer untereinander. Diaz' letzte Tat; der Tod, den mehrere von den Ihrigen im Lager der Weißen gefunden hatten, und diejenigen, die von den mexikanischen Kugeln kampfunfähig gemacht worden waren, hatten ihre Reihen gelichtet. Die Indianer bestehen niemals auf der Ausführung unmöglicher Dinge. Eine merkwürdige Mischung von Vorsicht und Todesverachtung bezeichnet diese außerordentliche Rasse. Die Vorsicht riet ihnen zum Rückzug; sie führten ihn ebenso plötzlich aus als den Angriff.

Die Abenteurer jedoch mußten einer ganz anderen Taktik folgen. Es war dringend nötig, einen Sieg zu nützen, von dem das Gerücht sich bis tief in die Steppen verbreiten und ihren Marsch sicherstellen mußte. Auch wurde der Befehl zur Verfolgung der Flüchtlinge, den Don Estévan gab, mit einem Freudengeschrei aufgenommen. Zwanzig Reiter warfen sich auf ihre Pferde. Pedro Diaz war nicht der letzte. Den Degen in der einen Hand, den Lasso und den Zügel in der anderen, verschwand er bald mit seinen Begleitern aus den Augen der Mexikaner, die im Lager zurückgeblieben waren.

Obgleich diese alle mehr oder weniger verwundet waren, so beschäftigten sie sich doch zuerst, ehe sie sich ausruhten, damit, sorgfältig für den Fall eines neuen Angriffs ihre durchbrochene Verschanzungslinie wiederherzustellen. Dann streckte sich jeder, von Mattigkeit, Durst und Hunger überwältigt – ohne daran zu denken, den Umkreis des Lagers von den Leichnamen, die ihn bedeckten, zu reinigen –, auf diese noch blutgetränkte Erde nieder, um nur einige Augenblicke Ruhe zu haben. Bald beleuchteten mitten im feierlichen Schweigen der Nacht die Strahlen des Mondes und die halberloschenen Holzscheite diejenigen, die einen kurzen Schlaf schliefen, ebenso wie die, die nicht wieder erwachen sollten.


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