Gabriel Ferry
Der Waldläufer
Gabriel Ferry

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7 Das Nachtlager im Wald

Noch lange trug das Echo das furchtbare Gebrüll, gemischt mit dem klagenden Geheul der Schakale, zu den Ohren der beiden Reiter. Diese gefräßigen Tiere verließen nur mit Bedauern den Raub, den sich die beiden Könige der Wälder Amerikas streitig machten. Plötzlich aber bewies ein Lärm anderer Art das Dazwischenkommen des Menschen in dieser Steppenszene. Wirklich hörte das Geheul plötzlich auf.

»Das war ein Büchsenschuß!« sagte Tiburcio. »Wer mag wohl Vergnügen daran finden, in diesen Einöden zu jagen?«

»Ohne Zweifel irgendeiner dieser amerikanischen Jäger, die wir von Zeit zu Zeit nach Arizpe kommen sehen, um ihre Vorräte an Otter- und Biberfellen zu verkaufen, und denen ein Jaguar oder ein Puma ebenso wie ein Schakal willkommene Beute ist.«

Nichts störte jetzt noch die feierliche Ruhe der Nacht. Die Sterne glänzten am Himmel, und kaum ließ ein frischerer Windhauch ein leichtes Murmeln im Eisenbaumgehölz vernehmen.

»Wohin bringt Ihr mich denn?« fragte Tiburcio nach einem ziemlich langen Schweigen.

»Nach der Poza, wo einige Freunde mich erwarten und wo wir die Nacht über bleiben werden; von da, wenn es Euch recht ist, weiter nach der Hacienda del Venado.«

»Nach der Hacienda del Venado?« erwiderte Tiburcio. »Ich gehe auch dorthin.«

Wäre es Tag gewesen, so hätte Cuchillo den jungen Mann bei diesen Worten erröten sehen können, denn eine Herzenssache zog ihn gegen seinen Willen zu der Tochter Don Agustins hin.

»Kann ich wissen«, fragte Cuchillo seinen jungen Begleiter, »welcher Beweggrund Euch nach der Hacienda führt?«

Tiburcio war verlegen bei dieser so einfachen Frage; aber man hat wohl schon bemerken können, daß Cuchillo nicht der Vertraute war, den er gewählt hätte. »Ich bin ohne Hilfsmittel«, antwortete er zögernd, »und will Don Agustin Peña bitten, mich unter die Zahl seiner Vaqueros aufzunehmen.«

»Das ist ein trauriges Geschäft, das Ihr da ergreifen wollt, mein Lieber. Sein Leben täglich für ein mäßiges Gehalt aufs Spiel zu setzen, die Nacht zu wachen, des Tages im Dickicht oder in den Ebenen herumzustreifen in glühender Sonnenhitze, in der Kühle der Nacht: das ist das Los eines Vaqueros.«

»Was soll ich anfangen?« fragte Tiburcio. »Ist es nicht das Leben, an das ich gewöhnt bin? Habe ich nicht immer in der Einsamkeit und unter Entbehrungen gelebt? Diese abgenutzten Calzoneras und diese zerrissene Weste – sind sie nicht meine einzige Habe? Ich habe nicht einmal mehr ein eigenes Pferd. Ist es nicht besser, Vaquero als Bettler zu sein?«

Er weiß nichts, dachte Cuchillo; würde er sonst wohl eine Stelle dieser Art annehmen? Dann sagte er laut: »Wohlan, ich habe Euch etwas Besseres vorzuschlagen. Ihr seid wirklich ein verlorener Sohn; mich ausgenommen, würde Euch niemand beweinen, wenn Ihr sterben würdet. Ihr habt wahrscheinlich in Eurer tiefen Abgeschlossenheit nichts von einer Expedition gehört, die sich eben in Arizpe gebildet hat?«

»Nein!«

»Seid einer der Unseren. Für eine solche Expedition muß ein entschlossener Junge, wie Ihr einer seid, ein kostbarer Erwerb sein; und was Euch betrifft, so kann ein erfahrener Gambusino – und als solchen kenne ich Euch, da Ihr in einer guten Schule gewesen seid – sein Glück mit einem Schlag machen.« Wenn er den Hieb pariert, den ich ihm beigebracht habe, sagte der Bandit bei sich, so wird das ein offenbares Zeichen sein, daß er nichts weiß!

Cuchillo verfolgte so einen doppelten Zweck – den der Ausforschung und den des persönlichen Vorteils –, indem er Tiburcio ausfragte und den Versuch machte, ihn durch die Hoffnung auf Gewinn an sich zu fesseln.

Aber so schlau der Bandit auch war – er hatte einen tüchtigen Gegner. »Das ist also eine Expedition von Goldsuchern?« sagte der junge Mann kalt.

»Ganz recht; ich gehe mit einigen Freunden nach der Hacienda del Venado, und von da aus vereinigen wir uns im Presidio von Tubac, um die Apacheria zu durchforschen, die, wie man sagt, sehr große Schätze enthalten soll. Wir werden beinahe hundert Mann stark sein!«

Tiburcio schwieg.

»Obgleich ich, unter uns gesagt«, fuhr Cuchillo fort, »niemals über Tubac hinausgekommen bin, so werde ich doch einer der Führer dieser Expedition sein. Nun, was sagt Ihr dazu?«

»Ich habe viele Gründe, um mich nicht ohne reifliches Nachdenken zu verpflichten«, antwortete Tiburcio. »Ich fordere also vierundzwanzig Stunden zur Überlegung.« Diese Expedition, von der er so plötzlich hörte, konnte wirklich Tiburcios Pläne vernichten oder fördern, und daher kam seine Ungewißheit unter diesem klugen Vorbehalt.

Er beunruhigt sich nicht! Dieser junge Mann ist dazu bestimmt, mein Schuldner zu bleiben. Das waren die Gedanken Cuchillos, der sich von nun an, frei von Besorgnis von dieser Seite her, damit beschäftigte, zu pfeifen und sein Pferd anzutreiben.

Die beste Eintracht schien demnach zwischen zwei Männern zu herrschen, die beide füreinander – freilich noch unbewußt – Grund zu tödlichem Haß in sich trugen, als plötzlich das Pferd, das mit dem linken Vorderfuß strauchelte, beinahe gestürzt wäre.

Tiburcio sprang mit flammendem Auge zu Boden und rief mit drohender Stimme: »Ihr seid niemals über Tubac hinausgekommen, sagt Ihr? Seit wann habt Ihr denn dieses Pferd, Cuchillo?«

»Was liegt Euch daran?« fragte der Abenteurer, erstaunt über eine Frage, der sein Gewissen eine beunruhigende Bedeutung gab. »Und was kann mein Pferd mit der Frage zu tun haben, die Ihr so unhöflicherweise an mich richtet?«

»Bei der Seele Arellanos, ich will es wissen; wenn nicht ...«

Cuchillo gab seinem Pferd die Sporen, das zur Seite sprang, und in dem Augenblick, wo er die Hand nach dem Riemen seiner Büchse ausstreckte, näherte sich ihm Tiburcio schleunigst, preßte kraftvoll seine Hand und wiederholte seine Frage: »Seit wann habt Ihr das Pferd?«

»Haha! Welche Neugierde!« antwortete Cuchillo mit gezwungenem Lächeln. »Nun weil Ihr denn so sehr darauf haltet, es zu wissen – ich habe es gekauft ... vor sechs Wochen. Habt Ihr es etwa schon zufällig gesehen?«

Es war wirklich das erstemal, daß Tiburcio Cuchillo auf diesem Pferd sah, das trotz des Fehlers, zuweilen zu stolpern, voll ausgezeichneter Eigenschaften war und das sein Herr auch nur bei wichtigen Gelegenheiten bestieg.

Die Lüge des Reiters zerstreute ohne Zweifel irgendwelchen Verdacht in der Seele Tiburcios in betreff des Pferdes, denn der junge Mann hörte auf, die Hand des Banditen zu pressen. »Verzeiht«, sagte er, »diese Heftigkeit; aber erlaubt mir noch eine Frage.«

» Sprecht«, rief Cuchillo, »solange wir hier sind. Was tut unter Freunden eine Frage mehr oder weniger?«

»Wer hat Euch das Pferd vor sechs Wochen verkauft?«

»Sein Herr, wahrhaftig!« sagte der Abenteurer, um Zeit zu gewinnen. »Ein ... Unbekannter ... der von einer weiten Reise zurückkehrte.«

»Ein Unbekannter?« wiederholte Tiburcio. »Verzeiht noch einmal.«

»Hätte man es Euch etwa zufällig gestohlen?« nahm Cuchillo wieder mit ironischem Ton das Wort.

»Nein! Aber denkt nicht mehr an meine Torheiten.«

»Ich verzeihe sie Euch«, sagte Cuchillo mit großmütiger Miene. Ebenso wahr ist es aber auch, fügte er innerlich hinzu, daß du nicht mehr weit gehen wirst, du Hundesohn!

Tiburcio war nicht mehr auf seiner Hut, und der Bandit benützte die Dunkelheit, um heimlich die Riemen seiner Büchse zu lösen.

Er war ohne Zweifel im Begriff, seine Rache auszuführen, als ein Reiter, der ein gesatteltes und gezäumtes Pferd nach sich zog, im Galopp von der entgegengesetzten Seite des Weges ankam. »Seid Ihr es, Cuchillo?« schrie der Reiter.

Geh zum Teufel ..., dachte Cuchillo. »Ach, Ihr seid es, Benito?«

»Ja! Nun, habt Ihr den Mann gerettet? Don Estévan schickt mich auf jeden Fall mit einer Kürbisflasche frischen Wassers und einem Pferd für ihn.«

»Da ist er«, antwortete Cuchillo. »Dank meiner Bemühung ist er heil und gesund – so lange, bis ich ihm Auge in Auge gegenüberstehen werde«, fügte er ganz leise hinzu.

»Auf denn, zum Nachtlager!« sagte der Diener.

Tiburcio setzte sich auf, und alle drei sprengten schweigend nach dem Ort, wo der Zug haltgemacht hatte – der Diener, ohne an etwas anderes zu denken, als so schnell wie möglich anzukommen, wie ein Mann, den ein beschwerlicher Tag ermüdet hat; Cuchillo, indem er den Lästigen verwünschte, durch dessen Gegenwart seine Rache aufgeschoben wurde; Tiburcio, indem er vergebliche Anstrengungen machte, um den Verdacht, den ein sonderbares Zusammentreffen in seiner Seele gegen den Banditen weckte, wieder loszuwerden. In solcher Gemütsstimmung sahen die drei Reiter, als sie ungefähr eine Viertelstunde rasch geritten waren, die Feuer glänzen, die den Haltepunkt der Karawane bezeichneten, und gelangten endlich an die Poza.

Die Stelle, die man so nannte – der einzige Ort zehn Meilen im Umkreis, wo zu jeder Jahreszeit Wasser zu finden war – war eine Zisterne, die ohne Zweifel von einer verborgenen Quelle gespeist wurde; ihre Öffnung war viel breiter als die der anderen Zisternen. Sie war im Grund eines kleinen, überall zehn Fuß breiten Tals gegraben, dessen abschüssige Wände das Regenwasser in diesen kostbaren Behälter führten. Dieses kleine Tal war überdeckt von Bäumen, deren dichtes Laubdach, vom feuchten Boden genährt, die Zisterne gegen die Strahlen der Sonne schützte. Der Rasen, mit dem die Ränder bedeckt waren, und die Frische, die die verschlungenen Wipfel der Bäume verbreiteten, machten aus der Poza mitten in dieser Einöde eine köstliche Oase.

Ebenso wie die Reisenden, für die dieser Ort ein gewöhnlicher Haltepunkt war, kommen auch die Jäger hierher, um sich in seiner Nähe auf den Anstand zu stellen; entweder, um Damwild und Hirsche zu schießen, oder um hier dem Jaguar und dem Rotwild aufzulauern, die der Durst von allen Seiten hierher treibt.

Eine jener Brunnenstangen, wie sie über das ganze Land verbreitet sind und die denen in Algier gleichen, diente dazu, das Wasser mit Hilfe eines ledernen Eimers, der an dem einen Ende befestigt war, aus dem Behälter zu schöpfen, um es in trogförmig ausgehöhlte Baumstämme zu gießen und dann die Pferde der Reisenden daraus zu tränken.

Einige Schritte davon bildete ein dichter Wald, durch den sich der Weg nach der Hacienda del Vanedo hinschlängelte, grünen und frischen Schatten. In dem Raum zwischen den Zugängen zur Poza und dem Saum des Waldes hatte man ein großes Feuer angezündet; zunächst, um die eisige Kühle der Nacht nach glühendem Tag zu mildern und dann, um die Jaguare und die Pumas vom Wasser fernzuhalten, die in Versuchung kommen konnten, hier ihren Durst zu löschen.

Nicht weit von diesem Feuer, das mit den abgestorbenen Bäumen des Waldes genährt wurde, hatten die Diener die Feldbetten des Senators und des Spaniers aufgeschlagen; die Hälfte eines Hammels drehte sich am Bratspieß vor dem Feuer, um für sie und ihr Gefolge ein Abendessen abzugeben, und ein Schlauch mit Wein wurde an seinen breiten Seiten in einem der Tränketröge abgekühlt.

Nach einem mühevollen Tagesmarsch war diese Nachtruhe am Rand der Poza ein sehr anziehendes Schauspiel, als Tiburcio und seine beiden Begleiter dort anlangten.

»Hier ist unser Nachtlager, mein teurer Tiburcio«, sagte Cuchillo in liebreichem Ton, mit dem er glaubte, seinen Groll und seine finsteren Pläne verhüllen zu müssen; »steigt ab, während ich den Chef von Eurer Ankunft in Kenntnis setze. Jener dort ist Don Estévan de Arechiza, unter dessen Befehl Ihr Euch stellen werdet, wenn Ihr Lust dazu habt – unter uns gesagt: Es ist das beste, was Ihr tun könnt!«

Cuchillo wollte sich sein Opfer nicht entschlüpfen lassen und war mehr als je darauf aus, daß der junge Mann sich ihnen anschlösse. Er zeigte mit dem Finger auf den Senator und Don Estévan, die auf ihrem Feldbett saßen und von den Flammen hell beleuchtet wurden, während Tiburcio noch unsichtbar für sie war. »Ich wünschte wohl«, sagte er zu dem Spanier, »Euch mit Erlaubnis des Herrn Senators ein paar Worte allein zu sagen.«

Don Estévan gab Cuchillo ein Zeichen, ihn in den düsteren Baumgang zu begleiten, der den Weg mitten durch den Wald bezeichnete.

»Ihr möchtet wohl nicht raten, Don Estévan«, sagte der letztere, »wer der Mann ist, den Euer Edelmut gerettet hat; denn ich bringe ihn gesund und wohlauf zurück, wie Ihr seht.«

Der Spanier steckte die Hand in die Tasche und gab ihm das versprochene Goldstück.

»Es ist der junge Tiburcio Arellanos, den Eure Menschlichkeit eben gerettet hat. Was mich betrifft, so habe ich nur auf mein gutes Herz gehört; aber vielleicht haben wir beide einen dummen Streich gemacht.«

»Warum das?« sagte Don Estévan. »Dieser junge Mann wird um so leichter zu überwachen sein, als er uns viel näher sein wird; denn ich denke, er hat sich entschieden, einer der Unseren zu sein.«

»Er hat vierundzwanzig Stunden zum Überlegen gefordert.«

»Glaubt Ihr, daß er etwas weiß?«

»Ich fürchte es«, sagte Cuchillo mit kläglicher Miene, denn eine Lüge, um denjenigen dem Spanier zu verdächtigen, dem er den Tod geschworen hatte, kostete ihn nichts. »Jedenfalls wäre es nur eine Quittung für ein Darlehen.«

»Was soll das heißen?«

»Daß mein Gewissen mir versichert, es würde vollkommen ruhig sein, wenn ... Ei, wahrhaftig«, fügte er rauh hinzu, »wenn ich nun diesen jungen Mann in die andere Welt schickte, um seine Verwandten aufzusuchen?«

»Um Gottes willen nicht!« rief Don Estévan lebhaft aus. »Übrigens – angenommen, daß er etwas weiß, so befehlige ich immerhin hundert Mann, und er ist allein«, fügte er hinzu, um Cuchillo zu entwaffnen, dessen Habgier er allein das Verlangen zuschrieb, sich Tiburcios zu entledigen. »Seid seinethalben unbesorgt; ich halte mich für befriedigt, und Ihr müßt es machen wie ich.«

»Befriedigt ... befriedigt«, murrte Cuchillo wie eine Dogge, die die Stimme ihres Herrn zwingt, sich mit Knurren zu begnügen, anstatt zu zerreißen; »ich bin es nicht ... aber später ...«

»Ich will diesen jungen Mann sehen«, unterbrach ihn der Spanier, der wieder den Weg nach dem Biwak einschlug, von dem er sich entfernt hatte.

Cuchillo folgte ihm, indem er leise mit besorgtem Ton sagte: »Warum, zum Teufel, hat er mich gefragt, wie lange ich schon mein Pferd habe? ... Laßt sehen – das Tier ist gestrauchelt, und gerade in diesem Augenblick hat er mich befragt und mir gedroht ... Ich begreife nichts davon, aber ich mißtraue darum, weil ich nicht begreife.«

Als Arechiza und Cuchillo das Lager wieder erreichten, herrschte dort eine gewisse Unruhe. Die hier und da verstreuten Pferde hatten sich nicht weit vom Lager rings um die Capitanastute gesammelt, und die Flamme des Feuers beschien mit fahlem Glanz ihre blitzenden Augen; den Hals gegen ihre Wärter ausgestreckt, schienen sie sich unter den Schutz des Menschen zu begeben. Zuweilen ließ sich ein Wiehern des Schreckens mitten aus dieser Gruppe erschreckter Tiere vernehmen. Es war klar, daß der Instinkt sie eine noch ferne Gefahr fürchten ließ.

»Es ist irgendein Jaguar, der hier herumstreicht«, sagte einer der Diener, »und unsere Tiere haben Wind davon.« »Bah!« sagte ein anderer. »Der Jaguar greift nur Füllen an; er würde es nicht wagen, ein kräftiges Pferd anzugreifen.«

»Glaubt Ihr das wirklich?« erwiderte der erste. »Wohlan, fragt doch hier Benito, wie es an irgendeinem Ort einem schönen und starken Pferd ging, das er sehr lieb hatte.«

Benito ging auf die beiden Sprecher zu. »Eines Tages«, sagte er, »oder vielmehr in einer Nacht wie dieser hier, hatte ich mich sehr weit von der Hacienda del Venado, wo ich damals diente, entfernt und hatte beschlossen, die Nacht bei der Quelle Ojo de Agua zuzubringen. Ich hatte mein Pferd ziemlich weit von mir an einer Stelle angebunden, wo das Gras dichter stand, und schlief, wie man schläft, wenn man einen Marsch von zwanzig Meilen gemacht hat, als ich durch ein fürchterliches Brüllen und Wiehern aufgeweckt wurde. Der Mond schien so hell, daß man wie bei Tag sehen konnte. Erschreckt durch den höllischen Lärm, den ich hörte, wollte ich mein Feuer wieder anzünden; aber es war erloschen, und ich hatte gut blasen – ich konnte keinen einzigen Funken herausbringen. Plötzlich sah ich mein Pferd an mir vorbeigaloppieren, das auf die Gefahr hin, sich zu erdrosseln, die Reata zerrissen hatte, die ich um seinen Hals geschlungen hatte. ›Gut‹, sagte ich zu mir, ›anstatt eines Pferdes, das dir fehlte, wirst du nun deren zwei zu suchen haben.‹ Ich hatte kaum diese Bemerkung gemacht, als ich beim Mondlicht einen gewaltigen Jaguar erkannte, der meinem Pferd in voller Verfolgung nachsetzte. Er schien kaum die Erde zu berühren, denn jeder seiner Sprünge brachte ihn zwanzig Fuß vorwärts. Ich begriff, daß mein Pferd verloren war. Ängstlich lauschte ich, aber ich hörte nichts mehr. Erst nach Verlauf einer Viertelstunde, die mir sehr lang vorkam, trug mir der Wind ein furchtbares Brüllen zu ...«

Er unterbrach sich mit einem Ausruf des Schreckens: »Heilige Jungfrau«, rief er, »geradeso wie jetzt!«

Ein fürchterliches Brüllen erscholl wirklich nicht weit von der Poza und schnitt Benito das Wort ab. Ein tiefes Schweigen folgte, währenddessen ein Hauch des Schreckens über den Häuptern der Menschen und Tiere die Luft zu beschweren schien.


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