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Sechstes Kapitel
Mazarins Vermögen und seine Geschäfte

Der Glanz Giulio Mazzarinis wuchs, sich ausbreitend, wie ein goldener Baum. Der Sohn des Haushofmeisters der Colonna sah seine Familie innig mit dem königlichen Hause von Frankreich verbunden. Er war der Geliebte der Königin Anna, von Ludwig XIV. gleich einem Vater geehrt, zwei seiner Nichten waren mit Prinzen von Geblüt verheiratet. Und der Baum trug goldene Früchte. In den acht Jahren, die ihm nach seiner Rückkehr zur Macht noch gegeben waren, türmte er ein ungeheures Vermögen, sicherlich das grösste Privatvermögen des siebzehnten Jahrhunderts auf. Die Gier nach Geld und Besitz war ihm angeboren, und er empfand die Freude des Habsüchtigen am Anblick kostbarer Steine und Metalle. Der Ungenannte, der die Geschichte seiner Jugend schrieb, erzählt, dass er schon damals, wenn er alles verspielt hatte, zu sagen pflegte: »Wenn der Mensch kein Geld hat, ist er nur ein dummes Tier!« Als junger Vicelegat in Avignon soll er vor dem Denkmal Johanns XXII. ausgerufen haben: »Das war ein grosser Papst! Er hat acht Millionen hinterlassen!« In der Zeit seiner Verbannung hatte er erfahren, wie furchtbar das Geld dem fehlen kann, der öffentlich wirken will, und er wollte sich nie wieder gleicher Gefahr aussetzen. Er sorgte dafür; und mit dem ganzen verbissenen Eifer und dem ausserordentlichen Geschäftsblick, den er besass, arbeitete Colbert für ihn. Sie hatten alle Vorteile der Macht, und auf hundert Wegen leiteten sie die Erträgnisse in seine Kammern und Truhen.

Siehe Bildunterschrift

Hugues de Lionne,
nach einem Stich von Larmessin in Jusserands Werk
»A French Ambassador at the court of Charles II. Le comte de Comminges«, London 1892.

Sogleich nach seiner Rückkehr war ein Erlass des Conseil ausgegeben worden, durch den die Rückstellung der versteigerten, verpfändeten oder verschleppten Gegenstände aus dem Besitz des Kardinals befohlen wurde. Zu S. 465. Vermutlich handelt es sich um den Präsidenten Lambert de Thorigny von der Rechnungskammer, der ein grosser Kunstsammler war und dessen herrlicher von Louis Levau erbauter Palast, das Hotel Lambert auf der Insel Saint-Louis, heute im Besitz der Fürsten Czartoryski ist. Die zwölf Büsten hatte er in seinem Landhause versteckt. Seine Verluste sollten festgestellt und aus dem Staatsschatz vergütet werden. Vier besondere Kommissare wurden ernannt, den Erlass durchzuführen, und die Minister Servien und Le Tellier erhielten den Auftrag, sie zu unterstützen. Die erschrockenen Besitzer beeilten sich, die geraubten oder erstandenen Gegenstände mit vielen Entschuldigungen zurückzugeben, froh auf solche Weise davonzukommen, nachdem der verhasste Purpurträger die Macht wieder in Händen hatte und eine ganz andere Rache hätte nehmen können. Dienstbereite Agenten halfen freiwillig auf die Spur verlorener Sachen. Der Goldschmied Lescot, bei dem Mazarin viel gekauft hatte, entdeckte verschwundene Kostbarkeiten, ein Herr Brisacier fand die Gobelins »Amor und Psyche«; der Beichtvater des Königs, Pater Paulin, konnte dem Kardinal mitteilen, dass zwölf Büsten römischer Kaiser bei einem Herrn Lambert versteckt waren. Vornehme Leute schickten die Sachen ohne weiteres in seinen Palast, andere liessen sich entschädigen, nur die Buchhändler, die ihre spottbilligen Einkäufe verloren sahen, machten Schwierigkeiten und suchten kostbare Stücke beiseite zu schaffen. Aber sie hatten es mit Colbert zu tun, der die Regierung hinter sich hatte und die Beschlagnahme verfügen liess. Auch bei den Räten der grossen Kammer Pithou, Petau und Portail, die die Versteigerung geleitet hatten, wurde die Beute gefasst. Bei Herrn Portail wurde auch jene Marmorstatue, eine Atalante, entdeckt und beschlagnahmt, die er in seinem Hause verborgen hatte. Grosse Neukäufe wurden sogleich vorgenommen und an Stelle Naudés, der nach seiner Rückkehr aus Schweden gestorben war, wurde sein bisheriger Hilfsarbeiter, ein Herr de la Poterie, Bibliothekar des Kardinals.

Während der Fronde hatte Mazarin sieben der schönsten Diamanten für ein Darlehen von 100 000 Livres verpfänden lassen. Ein früherer Dominikaner, Hiacynthe Serroni, der mit Michele Mazarini nach Frankreich gekommen und hier Bischof von Orange geworden war, arbeitete im Verein mit anderen Personen daran, sie ihm wiederzuschaffen. Der Mann, der sie zur Zeit besass, wird in den vielen Briefen nie mit seinem Namen, sondern stets nur der »Edelsteinhändler, der die Diamanten hat« genannt. Die Steine waren in Barcelona verpfändet worden, und ein Herr Jean Martin hatte den Empfang bestätigt, waren aber seither nach Genua gebracht worden. Ebenso merkwürdig ist, dass der Kardinal nicht den ganzen Betrag, sondern nur 60 000 Livres zurückgeben und keine Zinsen zahlen wollte, und dass der Besitzer nach langwierigen Verhandlungen darauf einging, und nur den Erlass einer Zahlung von 14 000 Livres forderte, die er seinerzeit bei der Verpfändung dem Erzbischof von Toulouse, Herrn von Marca, zugesagt hatte. Schliesslich trafen ein Edelsteinhändler aus Toulon für den Kardinal und einer aus Genua für den anderen Mann in Nizza zusammen, wo der Ausgleich und die Rückstellung zustande kam. Jener Herr von Marca war einer der hervorragenden Theologen der Zeit, aber auch ein vorzüglicher Finanzbeamter und Geschäftsmann, und jedem Mächtigen ein gefälliges Werkzeug, ob es sich um eine politische Streitschrift, die Vermittlung eines Geldgeschäfts, ein Todesurteil handelte, er besorgte alles. Für Richelieu hatte er Todesurteile gefällt, für Mazarin Diamanten verpfändet. Mazarin hatte an Diamanten eine besondere Freude und sammelte sie seit langem. Einen der berühmtesten und schicksalsreichsten Diamanten, den einst Karl der Kühne in seiner letzten Schlacht am Degenknauf getragen hatte, den »Sancy«, hatte er von der verwitweten Königin von England gekauft, sowie er die verpfändeten Steine der Königin Christine auslöste und erwarb. Im Jahre 1657 kaufte er für 300 000 Livres Diamanten von Frau von Chevreuse und vom Herzog von Epernon. Diamanten stellten damals die grössten Werte im kleinsten Raum dar, waren leicht zu verbergen, leicht mitzunehmen und immer verwertbar. Ein Teil seines Vermögens wurde in Diamanten angelegt.

Mazarins Einkünfte flossen zunächst aus seinen weltlichen und geistlichen Ämtern. Er war Minister und Chef des Conseils, Oberaufseher der Hofhaltung der Königin sowie der Erziehung des Königs und des Herzogs von Anjou, Statthalter in der Provence, im Elsass, im Pays d'Aunis und Brouage, in Auvergne, sowie Gouverneur verschiedener Festungen, wie Breisach und La Rochelle, Schlosshauptmann von Fontainebleau und von Vincennes, Oberamtmann, Forst- und Wassermeister zu la Fère, Ham, in der Grafschaft Marie und im Walde von Saint-Gobain; – ungeweihter – Bischof von Metz, Prior von Chastenoy, Abt von Saint Germain d'Auxerre, von Notre Dame de Cercamp, von Saint-Denis, von Cluny und vierzehn anderen Kommenden im Jahre 1658; bei seinem Tode zählt der jüngere Brienne ihrer neunundzwanzig auf, Nani, der venezianische Gesandte, spricht von »vierzig Abteien«. Als der Prinz von Conti die Nichte des Kardinals heiratete, hatte er ihm seine einträglichsten Pfründen wie Cluny, Saint-Denis, Saint-Germain d'Auxerre abtreten müssen. Die Einkünfte dieser Kommenden wurden derart geteilt, dass wie in Saint Germain d'Auxerre 1200 Livres für die Mensa conventualis ausgegeben wurden. Das bedeutete, dass jeder Priester täglich Fleisch oder Fisch, zwei Brote und zwei Mass Wein, das ganze im Wert von 3½ Sous, dazu 30 Livres jährlich für seine Kleidung erhielt, der Novize für 1 Sou 9 Deniers Nahrung, einen Schoppen Wein und zweimal jährlich einen Anzug, ein Paar Schuhe und ein Paar Sandalen. Wenn diese so dem Gebot der Armut lebten, blieben etwa 15 000 Livres jährlich für den Kardinal als Abt übrig.

Nach einer Aufstellung, die Colbert ihm im Sommer 1658 vorlegte – »kollationiert für Seine Eminenz am 22. Juni 1658« – betrugen Mazarins Einkünfte als Minister 20 000 Livres jährlich, als Chef des Conseils weitere 6000, als französischer Kardinal bezog er vom Staat 18 000, als Oberaufseher der Erziehung des Königs 60 000 Livres; ein Gehalt von weiteren 100 000 Livres war ihm als besondere Zulage bewilligt worden. Seine anderen Stellungen, Statthaltereien und Schlosshauptmannschaften sind in die Aufstellung zwar eingezeichnet, aber die Beträge aus irgendeinem Grunde nicht ausgeworfen noch mitgerechnet. Die Einkünfte aus den Pfründen beziffert Colbert auf 478 330 Livres – die von Saint Denis allein auf 140 000 – und nach Abzug aller Lasten auf 248 863 Livres. Auf das Bistum von Metz verzichtete Mazarin noch in diesem Jahre zugunsten des Grafen Franz Egon Fürstenberg; die Statthalterschaft von Metz, die er gesondert verkaufte, scheint ihm etwa eine halbe Million getragen zu haben. Was er überhaupt durch Ämterverkauf einnahm, lässt sich nur vermuten; es müssen ungeheuerliche Beträge gewesen sein.

Aber Mazarin war ein grosser Handelsmann in jedem Sinn; er kaufte und verkaufte, spekulierte in Geld und Waren und war an den mannigfachsten Unternehmungen beteiligt. Aus seiner Jugend wird erzählt, dass er auf der Durchreise in Montferrat von einem Geistlichen einen Rosenkranz kaufte, den dieser für Glas hielt, während er in Wirklichkeit aus sechzig Saphiren und Smaragden mit einem Diamantkreuz bestand; er hätte ihn in Paris verkauft und damit den Grund zu seinem Vermögen gelegt. Die Sache sieht ihm ähnlich und könnte wahr sein. In einer Mazarinade wird behauptet, dass er in seiner ersten Pariser Zeit in einem Laden in der Rue Bons Enfants – er wohnte damals in dieser Strasse – durch einen Angestellten einen lebhaften Handel mit Büchern, Antiquitäten und Galanteriewaren betrieben hätte. Für seine späteren Geschäfte und Unternehmungen liegen die beweisenden Papiere vor. Schon vor der Revolution hatte er eine kleine Flotte von Handelsschiffen besessen, zum Teil gemeinschaftlich mit Duquesne, dem berühmten Admiral. Aus Briefen, die zwischen ihm und Colbert gewechselt wurden, geht hervor, dass er im Jahr 1651 im Havre eine grössere Menge schwedischen Kupfers liegen hatte, das die Herzogin von Aiguillon nicht herauslassen wollte, weil der Kardinal ihr 40 000 Livres schuldete. Die Königin Christine hatte ihm aus Gefälligkeit den Ausfuhrzoll erlassen und ihm das Schiff für den Transport zum Geschenk gemacht. Da er als Minister stets solche und ähnliche Erleichterungen und Vorteile genoss, sie, wo es nottat, amtlich durchsetzte, war er bei seinen Unternehmungen allen Konkurrenten überlegen. Während der Fronde in der Zeit seiner Not scheint er die Schiffe wieder verkauft zu haben. Aber er war und blieb Gesellschafter der »Compagnie du Nord«, die Walfischfänger ausrüstete und das Privilegium für die Einfuhr von Tran hatte, und erhielt ausser seinem Gewinnanteil besondere Bezüge als Minister, dessen Teilhaberschaft der Gesellschaft wertvoll war: als zwei ihrer Schiffe in englischen Häfen beschlagnahmt wurden, erwirkte der Kardinal durch den Gesandten, Herrn von Bordeaux, ihre Freigebung. Er liess aber auch später wieder eigene Schiffe fahren. In den Briefen und Aufstellungen werden die »Bergère« und die »Cardinale« genannt, die mit französischen Waren für ihn nach Portugal fuhren und dort Zucker luden, der in Italien verkauft wurde; ferner die Schiffe »Saint Jean-Baptiste«, »Le Berger«, der »Saint Estienne« und die »Anna«. Die »Bergère«, die ihn 26 000 Livres gekostet hatte, verkaufte er dann für 31 000 an die »Compagnie du Nord«. Im Jahre 1652 gründete er zusammen mit dem Marchese Pallavicini, der gleich seinem Bruder an vielen dieser Geschäfte beteiligt war, eine Handelsgesellschaft mit einem Kapital von 200 000 Livres zur Ausbeutung der Korkwaldungen und Korallenriffe an der algerischen Küste, wo er einen kleinen Hafen, den »Bastion de France«, der eigentlich anderen gehörte, in nicht ganz einwandfreier Weise erworben hatte. Er rüstete Kaperschiffe aus, die auf spanische und englische Handelsschiffe Jagd machten; er hätte es eigentlich nicht nötig gehabt, da er sich schon vor der Fronde das Recht auf ein Dritteil aller Prisen, die von französischen Schiffen im Seekrieg gemacht wurden, hatte zusprechen lassen; offenbar trug die Kaperei auf eigene Rechnung noch mehr. Eine grössere Handelsunternehmung, die er im Jahre 1657 gemeinschaftlich mit dem Marschall von La Meilleraye ausrüstete und die nach Madagaskar gehen sollte, wo 1642 eine kleine französische Niederlassung gegründet war, misslang: die Schiffe scheiterten auf der Fahrt. Der Kardinal verlor dabei 600 000 Livres; Colbert war denn auch ein Gegner so gewagter Unternehmungen.

Er spekulierte in Gold und Geldsorten und gewann viel, als der französische Staat seine Münzen verschlechterte. Er handelte mit Getreide, Spezereien, Zucker, Seife, Hanf und Bernstein und mit Adelspatenten. Wenn die Getreidepreise hochstanden, dann verkaufte er das Getreide der Prisen, die ihm seine Kaperschiffe einbrachten; waren die Preise niedrig, dann kaufte er Getreide und liess daraus Biskuit backen, das er an die Armee lieferte, an die auch seine Getreidelieferungen grösstenteils gingen. Und sein Gewinn war um so grösser, da seine Getreideschiffe die Zölle und Schiffsgelder nicht zahlten; als die Zollbehörden auf dem Rhône Schwierigkeiten machten, wiesen mitfahrende Beamte des Grossprofossen von Frankreich die schriftliche Weisung vor, die Ladung zollfrei passieren zu lassen. Zwar erhob Servien als Oberintendant der Finanzen Einwendungen dagegen, dass der erste Minister Staatslieferungen im grossen übernehme, die der Schatz selbstverständlich sofort und vor anderen Forderungen bezahlen sollte; der gefälligere Foucquet trat dafür ein und erfüllte Mazarins Wünsche. Auf den Rechnungen und Anweisungen wurde der Kardinal nicht genannt. »Mein Name darf nicht erscheinen«, schreibt er am 12. Juni 1657 an Colbert, »man kann den Namen ›Albert‹ verwenden oder irgendeinen, den Sie gut finden.« Er lieferte der Armee auch Munition, selbst das Wasser und stets mit reichlichem Gewinn; er lieh dem Staate Geld und verdiente daran. Geschäfte, die er mit Bernstein machte, werden erwähnt. Im Dezember 1657 machte er grössere Hanfkäufe, vornehmlich im Dauphiné; über Qualitäten, Arten und Preise macht Colbert die genauesten Angaben; der Akademiker Chapelain, der Verfasser der unendlich langweiligen »Pucelle«, der aber ein trefflicher Geschäftsmann war, beteiligte sich als Mittelsmann, der Commodore Chevalier Paul sorgte für den Seetransport. Seife verkaufte er an das Landvolk durch die Brüder Girardin, zwei üble Spekulanten, die auch den Vertrieb von Adelspatenten an Kunden anderer Kreise übernahmen. 300 000 Livres wollten sie für den Vertrieb des Adels bezahlen. Colbert schacherte lang mit ihnen; er schätzte das Geschäft höher ein und forderte 400 000.

So strömten von allen Seiten ungeheuere Beträge in seine Kasse. Gold und Diamanten lagen in Kästchen und Truhen in seinen Schlössern verteilt, vor allem in der Festung von Vincennes, zu deren Erwerb Colbert ihm geraten hatte: »denn Ew. Eminenz müssen einen Platz für Ihr Geld haben: man kann einer Person 60 000 Livres anvertrauen, der man 200 000 nicht mehr anvertrauen kann.« Dort wurden sie von seinen berittenen Musketieren und seinen dreihundert Fussgardisten bewacht, während Löwen, Tiger und Bären im Zwinger und in den Gräben umhergingen. Ein Teil der Gelder, nach der Aufstellung von 1658 413 067 Livres, lag bei dem Bankhaus Cenami in Lyon, als Saldoabschluss von 1654 erwähnt; das Haus Cenami stand 1660 vor dem Zusammenbruch; dies dürfte also ein Verlustposten sein. Andere Gelder gingen vermutlich nach Italien, wieder andere wurden in klugen und grossartigen oder vorteilhaften Käufen verwertet und angelegt.

Als die französische Linie des Hauses Gonzaga mit Karl von Nevers im Herzogtum Mantua zur Herrschaft gelangte, da hatte der darüber ausbrechende Erbstreit dem jungen Mazarin die diplomatische Laufbahn geöffnet: ein Menschenalter später gab der gleiche Erbfall ihm Gelegenheit, die Grösse und den Glanz des eigenen Hauses in Frankreich zu festigen. Der einst als kleiner Infanteriehauptmann auf Kurierwegen geritten war, den Streit im Hause Gonzaga zur Schlichtung zu bringen, der war jetzt mächtig und reich genug, den Gonzaga ihre französischen Besitzungen, das Erbe des Hauses Cleve, abzukaufen. Im Jahre 1654 hatte er für 756 000 Livres die Baronie Mayenne von ihnen erworben, die für ihn zum Herzogtum gemacht wurde. Abrundungen des Besitzes kosteten ihn weitere 234 000 Livres. Im Jahre 1659 kaufte er ihnen nach langen Verhandlungen mit ihrem Vertreter, dem Grafen Sannazaro, ihre übrigen Herzogtümer Nivernois und Donziois, zuletzt auch das von Rhetelois ab. Nach der Aufstellung Colberts schuldeten die Gonzaga, die sich in schweren Geldnöten befanden, dem Kardinal im Jahre 1658, nach dem Verkauf von Mayenne, dessen Preis sehr gedrückt erscheint, noch über 1 332 000 Livres. Der ganzen Sache haftet, wie so vielen seiner Geschäfte, etwas Dunkles und Zweideutiges an. Der venezianische Gesandte Nani schreibt darüber, ohne Mazarin zu nennen: »In Frankreich hat man den Herzog von Mantua wegen Schulden und durch Untreue der Minister« – seiner oder der französischen? – »in kläglicher Weise aller Güter beraubt, und was noch da ist, läuft auch Gefahr, bald versteigert zu werden. Dadurch ist er zwar von jenen Fesseln befreit, die ihn von dieser Krone abhängig machten, aber auch des bedeutenden Nutzens und Glanzes beraubt, den diese Gebiete ihm brachten.« Sollte Mazarin, der kurz vorher mit Mantua einen Staatsvertrag abgeschlossen hatte, nachdem Frankreich in Casale eine Besatzung von Schweizern halten durfte, dies schon mit dem Gedanken an das herrliche Privatgeschäft getan, und patriotische Bedenken damit beruhigt haben? Tatsächlich fiel der Mantuaner bald darauf von Frankreich ab und erklärte sich neutral.

Aus der Königlichen Domäne erwarb er für 500 000 Livres die Herrschaften von Ham und Marie, sowie die Waldungen von Saint-Gobain. All diese weiten, zum Teil vernachlässigten und wüst liegenden Gebiete, – zum Nivernais gehörten fünfzehn Schlossgüter in den »schwarzen Bergen«, dem Morvan – wurden von Colbert sofort in eine straffe, kaufmännisch nutzbringende Verwaltung genommen, die Pachtgelder erhöht, oder auch, wenn dies unbedingt nötig erschien, weil sich kein Pächter mehr fand, herabgesetzt, die Abrechnungen scharf geprüft, Jagdfrevel bestraft, Eisenwerke gegründet, aus den Wäldern, aus dem Erdreich, aus der Fischerei herausgeschlagen, was möglich war. Jeder Fussbreit Landes wurde überwacht und genützt. Der Park von Vincennes wurde abgerundet und ergänzt und aufs sorgsamste gepflegt. Die Ausgaben trug der Staat, da der Kardinal, wie beim Schlosse La Fère, nur den Nutzgenuss hatte. Auf den weiten Wiesen um La Fère legte Colbert eine Pferdezucht an, teils zum Verkauf, teils für die Dienstpferde des Kardinals. Aus dem Wald von Fontainebleau wurde das Reisig, von den Wiesen das Heu für Rechnung des Kardinals verkauft; dies allein brachte 7500 Livres jährlich. Nichts war so gering, dass der Verwalter und der Minister selbst nicht ihr Auge darauf gehabt hätten. In endlosen Briefen reicht Colbert seine Abrechnungen, Berichte und Vorschläge ein, der Kardinal schreibt sein »gut« dazu oder macht ausführlichere Bemerkungen. »Ich habe«, schreibt Colbert im Jahre 1657, »ein fettes Kalb, Truthühner, Tauben und Fasanen geschickt. Sowie die Melonen reif sind, werde ich jede Woche eine oder zwei schicken.« All dies war für die königliche Tafel bestimmt, als Mazarin mit dem Hof bei der Armee weilte; der Kardinal schrieb zurück, dass »Fasanen und Tauben nicht weiter geschickt, sondern nunmehr ausschliesslich zur Zucht verwendet werden sollten.« Colbert berichtet vom Viehhof in Vincennes, dass er »drei vorzügliche Milchkälber habe, viel frische Eier, sechs Dutzend Truthühner und ebensoviel Hühner und Hühnchen, hundert Mutterschafe … das kleine siamesische Schwein habe sechs Ferkel geworfen, die nicht durchkommen werden, … er richte zwei grosse Taubenschläge ein; der Park sei voll Wild, an Herrn von Broglio habe er um holländische Kühe geschrieben, Herr von Bourges schicke Vieh aus Auvergne, … der Königin schicke er Konfitüren in Porzellantöpfen.« Ein andermal klagt er, dass die Krähen im Park Verheerungen anrichten, und verlangt, dass sie von Soldaten abgeschossen werden.

In Rom besass Mazarin einen Palast auf dem Monte Cavallo, den er von den Bentivoglio gekauft hatte, und dessen herrliche Höfe und Gärten gerühmt wurden. Mazarin ärgerte sich sehr, als er erfuhr, dass neben dem Palast Feuerwerke zu Ehren der Königin Christine abgebrannt wurden, und schrieb, dass er im Falle eines Schadens den Ersatz fordern werde.

Sein Palast in Paris war von den Architekten Mansart und Lemercier längst neu instand gesetzt worden; und da der Kardinal ihn nicht bewohnte, so diente er ihm nur zu seinen Festen, oder als Wohnung, die er fürstlichen Gästen wie dem Herzog von Modena und dem von Mantua zur Verfügung stellte, vor allem aber als eine Art Museum für seine Sammlungen. Denn Habsucht und Geiz dieses klugen Intellektuellen waren nicht blinde Leidenschaften; er verstand auszugeben, er liebte die Pracht um seine Person; er machte die reichsten Geschenke, dort wo es nötig und vorteilhaft für ihn sein musste, und in der ganzen Welt kauften seine Agenten nach wie vor Kunstwerke und Herrlichkeiten für ihn ein. Auf den Preis und die Gelegenheit wurde geachtet und Mazarin gewann bei jedem Geschenk und bei jedem Kauf.

Am 9. Januar 1654 schreibt er an Herrn von Bordeaux nach London: »er höre, man könne zwei Bilder von Mantegna billig haben, bei denen auch der spanische Gesandte gehandelt hätte, und die er jetzt nicht mehr haben wolle,« und am 26. Februar: »er wolle einen Van Dyck und sonst Bilder von guter Hand,« und Bordeaux antwortet, »man habe ihm die Rechnung über vier Van Dycks gebracht; der teuerste koste 1000 Francs; das finde er übertrieben, obschon die Bilder gross und voll von Figuren seien.« Mazarin erwiderte am 22. März: »Wenn Sie zweifeln, ob die Bilder echt sind, so kaufen Sie nicht. Was den Giulio Romano betrifft, für den 800 Livres verlangt werden, so möchte ich wissen, ob das Gemälde gross, was für Figuren darauf sind, ob es ein schönes Werk und ob es sicher echt ist.« Er möchte auch »Gobelins mit gleicher Zeichnung, wie die vier Meleagers, die der Agent Renards gekauft hat«. Ausser Kunstwerken kaufte der Gesandte englische Pferde für den Kardinal ein. In Italien war der Abbate Elpidio Benedetti sein Agent; unter andern ist ein Brief des Kardinals an ihn vorhanden, den Colbert verfasst und geschrieben und der Kardinal unterschrieben hat, und in welchem dem Abbate vorgehalten wird, dass er Fächer zu teuer gekauft habe, dass er zuviel Geld für die Reinigung eines silbernen Tischchens aus dem Nachlass des Kardinals Montalto ausgegeben, dass er einen mit farbigen Steinen eingelegten Schrank für einen höheren Preis erstanden, als er in seinem vorhergehenden Briefe angegeben, »denn mein Entschluss, solche Dinge zu kaufen, hängt immer vom Preis ab«, »die Silberstatuen, die Sie mir geschickt haben, sind so teuer, dass ich gar kein Vergnügen davon habe«; unerhört sei ferner, dass Benedetti Silbermousseline aus Neapel nicht zollfrei habe senden lassen; er müsse doch wissen, dass nur Leute, die keine Beziehungen haben, Zoll bezahlen, oder Kaufleute, die so grosse Mengen befördern, dass es sich nicht umgehen lässt; ausserdem seien die Stoffe teurer, als er angezeigt, vor allem die Verpackung in Stroh und Wachsleinwand viel zu kostspielig. Besonders aber wird ihm verübelt, dass er zwei Kisten mit Reliquien abgeschickt hatte, das möge er ohne ausdrücklichen Auftrag nie wieder tun, »da es eine unnütze Ausgabe ist, mit der ich nichts anfangen kann«. Endlich wird ihm ausdrücklich untersagt, je »wieder Maurer-, Schlosser-, Brunnen- oder Gartenarbeiten im Palast Mazarins in Rom machen zu lassen, ohne vorher angefragt und ausdrücklich den Auftrag dazu erhalten zu haben«. Sechs Jahre später, im April 1660, schreibt Colbert dem Kardinal, »es sei ein Paket für ihn von einem Karthäusermönch, Dom Jacques, gekommen; der gute Mann müsse wohl ein wenig verrückt sein, denn als er es geöffnet, seien nur Heiligenbilder und dergleichen darin gewesen: er schicke es daher Seiner Eminenz; man könne es ja der Königin zum Geschenk machen«.

Als die Herzogin von Aiguillon, Richelieus Nichte, die fromm geworden war, ihre schönsten Sachen verkaufte, um in ihrer Wohnung beim Luxembourg hinfort in strenger Einfachheit zu leben, da erwarb der Kardinal ihr berühmtes kostbares Silbergeschirr, das er nach dem Gewichte bezahlte. In der Politik, in Geschäften, als Sammler handelte er immer gleich klug, zielbewusst und unvornehm. Er erfuhr alle Gelegenheiten, konnte immer warten, hatte immer flüssiges Geld, jeder wollte ihn verpflichten; sein kaufmännisches Verständnis wie sein Geschmack kamen ihm zugute und so sind jene grossartigen Sammlungen, jene Galerien und Säle voll von Gemälden, Statuen, Büsten, Gobelins, Geweben und Teppichen, Möbeln, Schreinen und Truhen mit Prunkstücken und Kostbarkeiten jeder Art, aus allen Ländern und aus jedem Stoff der Erde, in Gold, Silber und Marmor, in kostbarem Holz, in Perlmutter und Elfenbein, Schildpatt, Mosaik und Email, Fächer, Schmucksachen, Kristall-Lampen, Leuchter und Spiegel, Gefässe, Waffen, herrliche Wagen, Decken und Geschirr, chinesische, indische und antike Herrlichkeiten zusammengekommen, die die Sammlungen Foucquets so sehr überstrahlten, wie Mazarins Vermögen das des Oberintendanten übertraf, die das Staunen aller Besucher waren, über die Bücher geschrieben worden sind, und von denen ein Teil heute zu den wertvollsten Schätzen des Louvre zählt.

Halb bewundernd, halb verächtlich schildert der junge Brienne, der so oft in diesen Räumen war, ihre verblüffende Fülle: »in den Bodenräumen war so viel aufgehäuft, dass man sie eher für einen Jahrmarkt oder eine Trödelbude gehalten hätte, als für den Möbelspeicher eines Kardinals und Ministers. In den Sälen hingen die schönsten Wandteppiche aus Flandern, Italien und Spanien und Frankreich. Er besass die ›Scipio-Teppiche‹ des Marschalls von Saint-André, und von dem verstorbenen Lopez, dem portugiesischen Juden, hatte er die ›Apostelgeschichte‹, ich weiss nicht wie, bekommen. Der König von Spanien hatte ihm die ›Arbeiten des Herkules‹ geschenkt, nach Zeichnungen von Tizian. Don Luis de Haro gab ihm herrliche gewebte Wandteppiche, Brügger Fabrikat, die die zwölf Monate des Jahres darstellten, nach Zeichnungen eines Flamen, eines Schülers von Rafael, an den Namen erinnere ich mich im Augenblick nicht. Dazu mindestens dreissig Wandbehänge in römischer Silberstickerei oder Mailänder Arbeit, farbige ausgeschnittene Sammetblumen auf reichstem Sammetgrund, mit wundervoller Kunst appliziert, antike Teppiche aller Art, ebenso moderne, im Louvre gefertigte, teils bedruckt, teils Gobelins … Die Bilder und Statuen kann ich nicht aufzählen, das geht, über jeden Begriff. Ausser dem Sposalizio des Correggio und drei grossen Bildern, einer Venus von Tizian, einer von Correggio, der Sündflut von Antonio Carraccio, die aus der Galerie des verstorbenen Königs von England stammten, hatte er durch Herrn von Bordeaux ein kleines Bild in Wasserfarben erworben, dessen Gegenstück Jabach« Zu S.477. Evrard – vermutlich: Eberhard – Jabach, denn er war Deutscher, war Präsident der Compagnie des Indes Orientales und galt für den feinsten Kenner unter den Sammlern der Zeit, gemäss ihrem Geschmack, der die Carracci und deren Schule am meisten schätzte. Im Jahre 1671 geriet er in Schwierigkeiten und musste 101 Gemälde und 5542 Zeichnungen an die königlichen Sammlungen verkaufen, darunter den Johannes von Lionardo und das Ländliche Konzert Giorgiones. S. Bonnaffé, »Dictionnaire des amateurs français du XVII siècle.« – ein bekannter Bankier und Sammler der Zeit, der den Kardinal oft beraten hatte – »gekauft hatte, und die jetzt beide in der königlichen Sammlung sind. Herr von Bordeaux hatte ihm auch einen der besten van Dyck zum Geschenk gemacht – denn ich glaube nicht, dass ihm die Kosten erstattet wurden –, auf dem die königliche Familie von England in einer wirklich prächtigen Weise dargestellt ist. Ich kenne nichts von ihm, das besser wäre. Zu den besten Bildern des Kardinals gehörte noch eine Muttergottes von Rafael, die er von Herrn von Fontenay zum Geschenk bekommen, eine grosse Landschaft von Domenichino, die mir der Herr Herzog von Mazarin nach dem Tode Seiner Eminenz zum Geschenk machte. Im Vordergrund Fischer, die Netze ziehen; eine Barke mit Musikanten und Frauen gleitet sanft über das friedliche Meer im leisen Winde dahin, und die Bäume am Ufer sind von wunderbarer Frische. Dann ein ausgezeichneter Guido, unsern Herrn auf dem Ölberg im höchsten Schmerz darstellend, kleine, von ihren Flügeln getragene Engel zeigen ihm die Marterwerkzeuge … dieses Gemälde wurde vom Herrn Herzog von Mazarin der verwitweten Herzogin von Chevreuse zum Geschenk gemacht, die es seither verkauft hat, was daraus geworden, weiss ich nicht … Bei alledem,« sagt Brienne, »ein wirklich feiner Kenner war er nicht, es wäre denn für Edelsteine, auf die er sich trefflich verstand. Lescot, sein Juwelier, hat viele Geschäfte mit ihm gemacht. Wenn Bilder für ihn anlangten, liess er immer Mignard kommen, damit er ihm, wenn die Verpackung geöffnet wurde, seine Meinung sagte. Ein Italiener, dessen Namen ich nicht weiss, hat ihn öfter betrogen, indem er ihm Kopien als Originale verkaufte, die er so herzustellen wusste, dass sie alt erschienen. Das hat den Kardinal so verdrossen, dass er fast das Sammeln aufgeben wollte. Ich war einmal dabei, als ein Bild von Lanfranco ankam, das man ihm als einen Annibale Carraccio verkauft hatte; er fragte mich um meine Meinung, ich sagte, ich glaubte nicht, dass es von Annibale sei, dass es aber trotzdem ein Original und vollkommen schön wäre. Jabach war dabei und sagte, der Cavaliere Lanfranco hätte es gemalt. ›Ja,‹ fügte Mignard hinzu, ›aber nach einer Zeichnung von Carraccio.‹ Der Kardinal wusste nicht, was er sagen sollte. Die Zeichnung gefiel ihm, er entschloss sich also, es zu behalten und verbot uns zu sagen, dass er betrogen worden sei. Ich musste heimlich lachen, einen so reichen Mann um so wenig in solcher Gemütsbewegung zu sehen. Er schwankte lange, … aber als Mignard ihm sagte, er halte es für ausgezeichnet, und es sei wohl das Geld wert, das er dafür gegeben, war das Gemälde, das Jabach ihm schon hatte abnehmen wollen, sogleich unverkäuflich, und Seine Eminenz sagte zufrieden: ›Ich würde es nicht für tausend Pistolen hergeben …‹«

Brienne, der nicht unbedingt verlässlich ist, behauptet auch, dass jenes grosse Gemälde von Correggio, das Sposalizio, dem Kardinal Antonio Barberini gehört hätte. Um es zu bekommen, hätte Mazarin die Königin veranlasst, so davon zu reden, dass dem Barberini nichts übrig blieb, als es von Rom nach Paris bringen zu lassen und es ihr zu schenken. Sie hätte es für kurze Zeit in ihr Schlafzimmer gehängt und dann alsbald dem Kardinal gegeben. Der Kardinal Antonio hätte sich bitter beklagt, und laut gesagt, er habe es nur dem Königlichen Hause geschenkt, aber »was der Kardinal einmal hatte, gab er nicht mehr her«.

Dennoch wusste er auch herzugeben. Mademoiselle schildert ein Fest, das er 1658 zur Fastenzeit in seinem Palais gab, wo nach einem grossartigen Fischdiner der erstaunte Hof Säle voll von Herrlichkeiten – auch sie sagt, »wie ein Jahrmarkt, aber lauter ausgewählte Stücke«, – etwa eine halbe Million im Wert, als Lotteriegewinne ausgestellt sah. Jeder Gast erhielt ein Los und jedes Los gewann. Der Haupttreffer, ein Diamant im Wert von 12 000 Livres, fiel einem Leutnant der Königlichen Gensdarmen, Herrn von La Salle, zu. Ganz Europa sprach von diesem Fest. Das war auch zweifellos die Absicht des Festgebers und sein Beweggrund gewesen.

Vielleicht hat der weniger kunstsinnige Colbert manchmal den Kopf geschüttelt, obwohl er sehen musste, dass sein Herr immer vorteilhaft kaufte; aber er war mehr für die nutz- und fruchtbringenden Anlagen; und nicht nur die Herrschsucht, mit der er alle andern im Dienst des Kardinals tätigen Personen, soweit es irgend anging, zu drücken und unbeliebt zu machen suchte, nicht nur seine eiserne Sparsamkeit, auch die Abneigung gegen den Einkauf und die Einkäufer von Kunstgegenständen mag ihn veranlasst haben, jenen Brief an Benedetti dem Kardinal vorzulegen. Er erhob auch Einspruch gegen zwei Windhunde, die der Kardinal irgendwo hielt, und die zuviel frassen, und noch heftiger dagegen, dass ein Bruder des früheren Verwalters Jobart, den er, Colbert, aus seiner Stellung gedrängt hatte, einen Freitisch an der Tafel des Kardinals erhielt, »es sei wichtig, keine unnützen Esser im Hause zu halten, man könne ihm eine kleine Gratifikation geben, bis man sehe, wozu er zu brauchen wäre«. Solche Sparsamkeit fand Verständnis und Anerkennung bei Mazarin, der es missbilligte, dass sein Neffe Pferde kaufte, da er doch welche mieten könnte, und der Benedetti in jenem selben Briefe anwies, seiner Stiefmutter Porzia Orsini, der er, vermutlich nach dem Testament des Vaters, eine jährliche Rente für ihren Unterhalt zu zahlen hatte, nahezulegen, dass sie auf diese Rente verzichte und eine Abfindung dafür annehmen möge. Seinem Enkel Vendôme schlug er eine Pfründe ab, die selbst Colbert ihm zu überlassen geraten hatte. Dagegen lehnte er es nicht ab, als »Souzerain« im Nivernais, die eingezogenen Güter eines Gehängten zu beanspruchen, und war sicherlich nicht erzürnt, als Colbert ihm vorschlug, für die Erzeugnisse seiner Eisenwerke die gut eingeführten Marken der Lothringer Werke, die den Herren von Fabert und Crequi gehörten, zu erwerben und zu benützen.

Im Sommer 1658 legte Colbert dem Kardinal jene Aufstellung vor, nach der sein Vermögen sich auf 8 025 165 Livres, 7 Sous, 11 Deniers belief, die jährlichen Einkünfte auf 793 570 Livres, 8 Sous, die Passiva auf 378 185 Livres, 2 Sous, 8 Deniers. Die drei Herzogtümer, die später erworben wurden, erscheinen in dieser Aufstellung noch nicht; sein ganzer kostbarer Hausrat, Wagen, Pferde, die Sammlungen und die Bibliothek sind nicht berücksichtigt. Ebensowenig die riesigen Bargeldbestände und Edelsteinvorräte. Das Vermögen des Kardinals war also in Wirklichkeit sehr viel grösser. Der Palast in Paris ist mit 1 200 000 Livres bewertet, der römische Palast mit 75 000 Livres. In den drei Jahren, die ihm noch gegeben waren, hat er seine Reichtümer noch ins ausserordentliche vermehrt. Er liess sich im Elsass, wo er bereits die Grafschaft Belfort besass, vom König die Herrschaften Thann, Delle, Altkirch und Ensisheim schenken, Städte, Schlösser, Gerechtsame, Wälder und Teiche; Thann allein zählte ausser der Stadt zweiundvierzig Dörfer. Er erwarb weitgedehnte Domänen in Auvergne und im Languedoc, und mindestens neun neue Pfründen. Von der Königin von Polen erreichte Colbert die Zahlung von 300 000 Livres, die Mazarin ihr geliehen hatte, und von Karl Stuart wenigstens die Anerkennung seiner Schuld von 100 000 Livres und der Zinsen. Immer wieder konnte er dem Kardinal berichten, dass es ihm gelungen war, den jährlichen Ertrag einer Pfründe um soviel Tausend, den bestimmter Zölle um soviel Zehntausende zu steigern. Das Gesamtvermögen, das Mazarin bei seinem Tode hinterliess, wird auf 5o bis 100 Millionen Livres geschätzt. Im Geldwert von 1900 würde ein etwa sechsmal grösserer Betrag zu setzen sein. Und selbstverständlich war das ganze ungeheure Vermögen von allen Steuern befreit.

Der Mann, der der mächtige und geschichtsberühmte Minister des Königs werden und Frankreichs Volkswirtschaft neu aufbauen sollte, hatte jetzt die grössten wie die kleinsten Aufträge für seinen Herrn zu besorgen: er bestellte Schlafröcke und Pelzstiefel für den Kardinal, insbesondere einen »samtenen Schlafrock, der mit feuerfarbener Seide gefüttert wurde«, er sah sich um einen neuen Schneider um, als der bisherige Schneider Seiner Eminenz gestorben war, er schreibt, »Frau Le Tellier« – die Gattin des Kriegsministers – »habe ihm von Stoffen, Posamenten, Spitzen und Wäsche gesprochen, die für die Fräulein Nichten besorgt werden sollen«, er liess die Livreen für die Dienerschaft arbeiten, er tadelt es, dass ein Anzug für den Kardinal mit Gold gestickt worden, bei dem dies nicht nötig gewesen. Er hatte für die Tafel des Kardinals zu sorgen, für die nicht gespart, für die das Köstlichste aufgeboten wurde; Früchte und Gemüse womöglich aus den eigenen Gärtnereien, ebenso Fleisch und Wild aus seinen Wirtschaften und Jagden; Orangen kamen stets frisch in Kisten aus Portugal, ausgewählte Weine von überallher; an seinen Bruder Charles, der Intendant im Elsass war, schrieb Colbert: »ich höre, dass die Elsässer Weine sehr gut sind, da muss man Seiner Eminenz jedes Jahr die besten senden und sie noch zu verbessern suchen, sie liebt die deutschen Weine sehr«, aber es fand sich, dass die Elsässer Weine nicht gut genug waren.

Befreundete Fürsten sorgten für den Weinkeller des Ministers. Der Kurfürst von Mainz schickte acht Fässer mit Rheinwein, der Grossherzog von Toskana ebensoviele Kisten mit Muskateller und »Verdée«, einem grünen Wein, der bei Florenz gezogen wurde. Vom Herzog von Parma zeigt Colbert eine Sendung kostbaren Parfums an, der sechs Stück Parmesankäse beigegeben sind. Da der Kardinal an der Gicht litt, musste er Mineralwasser aus Spa trinken, das der Marschall von Fabert für ihn kommen liesS, es wurde für die Tochter des Marschalls bestellt, damit es nicht auffalle und aufgehalten würde, wenn die Kisten auf Eseln durch die spanischen Linien nach Sedan und von da weitergebracht wurden. Colbert vergisst nicht zu bemerken, dass bei einer Sendung statt 216 nur 200 Flaschen angekommen seien.

Dieser ausserordentliche Verwalter, der alles förderte und nichts übersah, kostete den Kardinal keinen Pfennig. Nicht, dass Colbert so uneigennützig und selbstvergessen oder gar Mazarin so liebevoll ergeben gewesen wäre, und wenn er schon im Jahre 1651 schrieb: »sein stets reger Geist hätte ohne diese grosse Arbeitslast sich gegen sich selbst gekehrt, und er müsse dem Herrn Kardinal für die Arbeit dankbar sein«, so war dies vielleicht mehr als eine blosse Redensart, aber er wusste auch, was er tat, und wusste, dass er selbst am besten fuhr, wenn er jeden Gehalt ablehnte. Von Reisekosten ist die Rede, die er ersetzt bekommt, von 18 000 Livres Unterhaltskosten in den Jahren 1655 und 56, aber seine eigentliche Entlohnung bestand in Ämtern und im Verkauf von Ämtern, und zwar schattenhaften, noch gar nicht bestehenden Ämtern im künftigen Hofhalt der künftigen Königin, die Ludwig XIV. früher oder später heiraten musste, und in dem des kleinen Herzogs von Anjou. Das kostete scheinbar niemanden etwas als jene, die diese Ämter kauften, und Colbert brachte es ein Vermögen. So verkaufte er das Amt, das er erst für sich selbst behalten wollte, das eines Sekretärs der »Bestellungen der Königin«, für eine halbe Million Livres an den Herrn Brisacier, den Sohn eines Geldmannes, der eitel und ehrgeizig genug war, für einen Hoftitel jeden Betrag zu bieten. Er wird auch andere Geschäfte gemacht haben. Jedenfalls konnte er schon im Jahre 1656 Schloss und Herrschaft Seignelay für sich kaufen, da eine Gelegenheit sich bot, sie billig zu erwerben, und da ihm, wie er schrieb, 60 000 Livres zum vollen Kaufpreis fehlten, liess ihm der Kardinal ein Gnadengeschenk in dieser Höhe aus der … königlichen Kasse gewähren.

Zugleich versorgte Colbert, der selbst seit 1649 den Titel eines Staatsrats besass, seine Familie. Sein älterer Bruder, der Abbé Nicolas Colbert, wurde königlicher Bibliothekar, obwohl ein berühmter Mann wie Ménage sich um die Stelle bewarb; er starb als Bischof von Auxerre. Charles Colbert ging als Attaché mit der grossen Gesandtschaft Lionnes und des Marschalls von Gramont nach Deutschland, wurde Chef der Regierung im neu eroberten Elsass und in späteren Jahren Marquis von Croissy und französischer Gesandter in London; zuletzt Minister des Äussern, ein dritter Bruder Edouard François wurde Hauptmann erst im Regiment Navarra, dann in der Garde. Nach Mazarins Tod wurde er als Graf von Maulévrier Kapitänleutnant der schwarzen Musketiere des Königs, die aus Mazarins Musketieren gebildet wurden. Zwei Vettern fielen als Hauptleute im gleichen Regiment Navarra, ein dritter Colbert du Terron machte Karriere als Finanzintendant. Fast alle waren tüchtige, aber nicht angenehme Leute. Dem liebenswürdigen Karl II. war die grobschlächtige Art des Gesandten Colbert de Croissy unerträglich. Scharf zeichnete Jean Baptiste Colbert, der Vermögensverwalter, sich selbst als einen Mann, der »weder mit Ausschweifungen noch Unterhaltungen oder Spaziergängen Zeit verliere«, »der Umgang mit Damen locke ihn nicht« und ebenso: »ich bin kein grosser Geist, der alles umfasst, ich bin mittelmässig, eine Geschäftsnatur, aber mit der Leidenschaft und dem Fleiss, diese Geschäfte vollkommen zu erledigen.« Er hatte eine Leidenschaft gehabt, den Trunk, und sie mit eiserner Selbstbeherrschung abgelegt; aber er trug noch Leidenschaften in sich, die er nicht gestand, deren er vielleicht nicht bewusst war: einen geheimen Neid gegen alle, die glänzender waren und freier begabt als er, sowie eine düstere niedergehaltene Eitelkeit; er war jähzornig, hassvoll, böse und roh, ungemütlich und unerfreulich, ein Mensch, der nur für den Nutzen Sinn hatte; aber auf diesem gemeinsten und allgemeinsten Gebiet des Lebens war er ein grosser, klarer, weitblickender Kopf, ein unerbittlicher Rechner, und so, wie er jetzt das Vermögen eines Mannes ins Unermessene auszubauen bestrebt war, und selbst Ausgaben zugunsten des Staates nur mit Ärger sah, nahm er sich später des französischen Staatshaushalts an, brachte zum ersten Male Ordnung in ihn, und entwarf für den wirtschaftlichen Ausbau Frankreichs die grosszügigsten Pläne und führte sie mit solcher Hingabe und solchem Scharfblick durch, dass er nicht mit Unrecht in der französischen Geschichte der grosse Colbert genannt worden ist.

Und sein Wesen, wie seine Begabung führten dahin, dass er wenige Menschen so bitter hasste, wie Nicolas Foucquet, der leicht, glänzend, liebenswürdig und beliebt war, und der nach seiner Ansicht die finanzielle Kraft des Landes dem Augenblick zuliebe vergeudete, und das schlecht machte, was er gut zu können glaubte, der ihm im Wege stand, wie kein anderer.

Mazarin war von feinerem Wesen als Colbert, er war gelassener, schmiegsamer und milder; seine kalte Seele kannte auch den Hass nicht, mit seinen Berechnungen verband er eine kühle geistige Liebe zum Schönen und zur künstlerischen Pracht. Von ungeheurer Arbeit Tag und Nacht belastet, hatte er wenig Zeit, seine Schätze zu geniessen: sie mussten ihm phantastisch, welterstaunend, wie sie waren, die Freude flüchtiger Augenblicke, oder eine Hoffnung für sein Alter bleiben, wenn er solche Hoffnung hegen konnte. Seit seiner Verbannung, seit den Nöten und dem Verdruss jener Zeit war der ewig gehetzte, abgearbeitete Mann krank; und sich zu schonen, blieb ihm nicht die Zeit. »Ich bin seit acht oder neun Tagen so grausam von Nierenschmerzen gequält,« beginnt ein Brief an Foucquet vom 16. Oktober 1657 aus Metz, denn er muss unaufhörlich reisen, mit dem Hof zur Armee, oder wo seine Gegenwart sonst nötig wird, und nur manchmal in Paris, wenn er nicht weiter kann, legt er sich zu Bett und arbeitet in seinem Zimmer. Als Arzt und als hämischer Feind verzeichnet Guy Patin in einem Brief an seinen Kollegen Falconet aus demselben Jahre: »Der Kardinal ist sehr bleich, sein Haar wird schon ganz weiss, er leidet an Gicht und Steinen und ist doch noch jung, noch nicht über fünfundfünfzig,« und er schreibt vielleicht nicht ganz mit Unrecht: »Ich bin glücklicher mit meinen Büchern und mit meiner Musse, als der Mazarin mit seinem Geld und seiner Unruhe.«

Während das Vermögen des Kardinals und die Goldflut in seinen Truhen schwoll, während seine Schlösser, die Pracht seiner Aufzüge und Livreen die Welt erfüllten, arbeitete er, ausgemergelt und erschöpft, aber mit zähem unbezwinglichem Willen an seinen Aufgaben fort. Denn noch war der Weltkrieg nicht beendet, dessen Ausbruch zu verhindern er vor vielen Jahren durch die Ebenen der Lombardei und die savoyischen Berge geritten war.


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